Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Die Kontroverse mit Hegel 209<br />
Das Selbstorganisationskonzept <strong>Schellings</strong> als innerphilosophische<br />
Rechtfertigung <strong>der</strong> naturalisierten Erkenntnistheorie<br />
Das mo<strong>der</strong>ne Selbstorganisationskonzept, das vor allem die von Darwin als<br />
hoffnungslos bezeichneten Fragen nach <strong>der</strong> Entstehung des Lebens und <strong>der</strong><br />
Entstehung des menschlichen Geistes zu beantworten versucht, wird oft als<br />
eine wissenschaftliche Revolution bezeichnet. 11 Es ist aber eine historische<br />
Tatsache, die nur schwer mit <strong>der</strong> Vorstellung einer „wissenschaftlichen Revolution“<br />
zu vereinbaren ist, daß das Selbstorganisationskonzept in völliger begrifflicher<br />
Übereinstimmung mit seiner heutigen Bedeutung schon sehr frühzeitig<br />
bei Kant und Schelling aufgetreten ist. Aber es herrscht über den Wert<br />
dieser philosophischen Vorwegnahme des mo<strong>der</strong>nen Selbstorganisationsbegriffes<br />
Uneinigkeit, je nachdem, wie man den Kontext bewertet, in dem<br />
dieser Begriff aufgetaucht ist – z. B. <strong>Schellings</strong> Selbstorganisationskonzept, das<br />
zu Recht o<strong>der</strong> Unrecht im Kontext einer spekulativ-idealistischen Naturphilosophie<br />
gesehen wird. 12 Ich möchte jedoch nicht von diesen gegenwärtigen<br />
Kontroversen über die Berechtigung einer Vorwegnahme naturwissenschaftlicher<br />
Selbstorganisationskonzeptionen durch <strong>Schellings</strong> Naturphilosophie<br />
ausgehen, son<strong>der</strong>n von einer These, die ich bereits vor mehr als 30 Jahren im<br />
Rahmen meiner historischen Schelling-Studien 13 aufgestellt habe und die sich<br />
auf das Verhältnis von Erkenntnistheorie o<strong>der</strong> Transzendentalphilosophie und<br />
Naturphilosophie bezieht. Diese These lautet: Der Selbstorganisationsbegriff<br />
zeigt die Grenze <strong>der</strong> reinen Transzendentalphilosophie und die Notwendigkeit<br />
einer Ergänzung durch die Naturphilosophie.<br />
Auf die gegenwärtige Situation bezogen heißt das, daß die radikale Durchführung<br />
des transzendentallogischen Programms, die apriorischen Bedingungen<br />
<strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Erfahrung, die im Erkenntnissubjekt selbst liegen,<br />
aufzuzeigen, negativ gesehen mit <strong>der</strong> Einsicht in die Unmöglichkeit einer reinen<br />
Erkenntnistheorie endet und als positives Resultat die notwendige „Naturalisierung“<br />
erkenntnistheoretischer Fragestellungen zum Ergebnis hat. Das<br />
läßt sich bereits explizit bei Kant und Schelling aufweisen.<br />
11 Vgl. W. Krohn u. B. Küppers (Hrsg.), Selbstorganisation – Aspekte einer wissenschaftlichen<br />
Revolution. Braunschweig, Wiesbaden 1990.<br />
12 Vgl. R. Paslack, Urgeschichte <strong>der</strong> Selbstorganisation. Zur Archäologie eines wissenschaftlichen<br />
Paradigmas, Braunschweig/Wiesbaden 1991.<br />
13 Vgl. E. Oeser: Die Selbstorganisation <strong>der</strong> Information im wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß,<br />
in: K. Gloy, W. Neuser, P. Reisinger, Systemtheorie. Philosophische Betrachtungen<br />
ihrer Anwendung, Bonn 1998, S.147-165.