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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Erhard Oeser<br />

Organismen. Denn, wie Schelling nachdrücklich hervorhebt, „alle Erklärungsgründe<br />

des Organismus müssen schon in <strong>der</strong> unorganischen Natur liegen“,<br />

wie auch umgekehrt „die unorganische Natur zu ihrem Bestand und Fortdauer<br />

selbst wie<strong>der</strong> eine höhere Ordnung <strong>der</strong> Dinge voraussetzt“ (III, 144).<br />

Die organische und die anorganische Natur müssen sich also wechselseitig<br />

erklären und bestimmen. Der dynamische Atomismus ist dabei die Grundlage<br />

für die Kontinuität in <strong>der</strong> ganzen Natur, die damit „gleichsam mit einem<br />

Schlag“ erklärt werden kann.<br />

Schelling vertritt mit dieser Evolutionstheorie, an <strong>der</strong> er Zeit seines<br />

Lebens festhielt und die er durch die Arbeiten Geoffroy Saint-Hillaires bestätigt<br />

sah, das Interesse <strong>der</strong> Vernunfteinheit (die „Einheit des Plans“ bei<br />

Geoffroy Saint-Hillaire) in jenem von Goethe als Gegensatz zweier Denkformen<br />

geschil<strong>der</strong>ten Akademiestreit, und zwar in radikalster Form als reine<br />

apriorische Theorie. Sie steht jedoch nach <strong>Schellings</strong> eigener Meinung nicht<br />

im Gegensatz zur empirischen und experimentellen Erfahrung, son<strong>der</strong>n ist<br />

vielmehr <strong>der</strong>en Voraussetzung. Denn die „Naturphilosophie“ o<strong>der</strong> die rein<br />

theoretische Wissenschaft von <strong>der</strong> Natur hat gar nichts an<strong>der</strong>es zu tun, als<br />

jenen „Mangel an Zwischenglie<strong>der</strong>n“ (III, 279) aufzuzeigen, <strong>der</strong> eine einheitliche<br />

Erklärung aller Naturerscheinungen noch nicht zuläßt. Diese Zwischenglie<strong>der</strong><br />

in positiver Weise aufzufinden ist jedoch, wie Schelling ausdrücklich<br />

betont, „das Werk <strong>der</strong> experimentierenden Naturforschung“ (ebd.). Jedes<br />

Experiment ist eine Frage an die Natur, auf welche diese zu antworten gezwungen<br />

wird. Aber jede <strong>der</strong>artige Frage enthält ein „verstecktes Urteil a<br />

priori“. Jedes Experiment ist als Experiment eine Voraussage o<strong>der</strong> „Prophezeiung“,<br />

so wie die apriorische Theorie nichts an<strong>der</strong>es als Voraussage empirischer<br />

Erfahrungen sein kann, die freilich nur auf Grund <strong>der</strong>artiger Voraussagen<br />

möglich werden. So waren die elektromagnetischen Experimente Voltas,<br />

Oersteds und Faradays für Schelling, wie er in seiner Faraday-Vorlesung<br />

vom Jahre 1832 hervorhebt, die Erfüllung jener theoretischen „Prophezeiungen“,<br />

die er in seiner spekulativen Physik über die Einheit von chemischen,<br />

elektrischen und magnetischen Prozessen gemacht hatte. Ebenso hätte<br />

er auch in Darwins empirisch begründeter Deszendenztheorie die Bestätigung<br />

seiner eigenen spekulativen Evolutionstheorie gesehen. Mit seinem<br />

„dynamischen Atomismus“ intendierte er auch schon ganz ausdrücklich eine<br />

chemisch-physikalische Erklärung, die in mancher Hinsicht nicht nur mit<br />

Darwins Lehre von <strong>der</strong> Pangenesis zu vergleichen ist, son<strong>der</strong>n durch die<br />

Deutung <strong>der</strong> dynamischen Atome als richtungsweisende Faktoren <strong>der</strong> Entwicklung<br />

auch vieles vorwegnimmt, was sich später in <strong>der</strong> experimentellen<br />

Forschung <strong>der</strong> Vererbungslehre verwirklichen sollte.

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