Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Die Kontroverse mit Hegel 201<br />
<strong>der</strong> eben diesen in ausgedehntester Anwendung geltend gemacht, ist die sogenannte<br />
Trichotomie o<strong>der</strong> Dreitheilung gleichsam zur stehenden Form geworden,<br />
und es war keiner, <strong>der</strong> nicht die Philosophie mit drei Begriffen<br />
(wenn auch noch so verkrüppelten) anfangen zu müssen glaubte“ (XI, 312).<br />
Im Gegensatz zu Hegel glaubt Schelling hier die richtige Auffassung <strong>der</strong><br />
Dialektik zu haben, wie sie ursprünglich von Plato verwendet wurde. Er<br />
stützt sich auf eine Stelle in <strong>der</strong> Politeia (511a), die er auf folgende Weise<br />
wie<strong>der</strong>gibt: „Lerne nunmehr, was ich die an<strong>der</strong>e Abtheilung des Intelligiblen<br />
nenne, jenes nämlich, das die Vernunft selbst berührt indem sie kraft des dialektischen<br />
Vermögens Voraussetzungen (Hypotheseis), die nicht Principien,<br />
son<strong>der</strong>n wahrhaft bloße Voraussetzungen sind, wie Zugänge und Anläufe<br />
sich bildet, um mittelst <strong>der</strong>selben bis zu dem, was nicht mehr Voraussetzung<br />
(Anhypotheton), zum Anfang von allem – Princip des Allseyenden – gehend<br />
und dieses ergreifend und wie<strong>der</strong> sich anhängend dem was diesem (dem<br />
Anfang) anhängt, so zum Ende herabzusteigen, ohne sich irgendwie eines<br />
Sinnlichen zu bedienen, son<strong>der</strong>n allein von den reinen Begriffen ausgehend,<br />
durch die Begriffe fortschreitend, in Begriffen endend“ (XI, 323). Anschließend<br />
an dieses Zitat stellt Schelling folgendes fest: ,,1. daß die beschriebene<br />
Methode überhaupt inductiv (denn sie geht durch Voraussetzungen hindurch),<br />
2. daß sie in dem beson<strong>der</strong>en Sinn inductiv ist, wo die Vernunft, d. h.<br />
das <strong>Denken</strong> selbst es ist, welches diese Voraussetzungen bildet, 3. daß das in<br />
dieser Methode Thätige das dialectische Vermögen, die Methode selbst also<br />
nach Platon die dialectische Methode zu nennen ist.“<br />
Diese Dialektik beruht aber auf einer grundlegend an<strong>der</strong>en Bedeutung<br />
des Erfahrungs- und des Induktionsbegriffs, die zunächst einmal geklärt werden<br />
muß. Ganz allgemein wird ja unter Induktion im gewöhnlichen Sinn die<br />
Methode verstanden, die vom Beson<strong>der</strong>en auf das Allgemeine schließt. Gewöhnlich<br />
geschieht das dann so, daß aus <strong>der</strong> Unmittelbarkeit <strong>der</strong> empirischen<br />
Einzelerfahrung, die nicht erklärt zu werden braucht, ein allgemeines Gesetz<br />
gewonnen wird. Es ist das dann also eine Erfahrungserkenntnis im Sinne <strong>der</strong><br />
synthetischen Sätze a posteriori bei Kant, <strong>der</strong>en absolute Allgemeingültigkeit<br />
und Notwendigkeit in Frage steht, da ja die eigentliche Induktion niemals<br />
vollständig sein kann. Die Induktion im gewöhnlichen Sinn führt daher auch<br />
nicht zu einer absoluten Gewißheit.<br />
Schelling aber gebraucht den Begriff <strong>der</strong> Induktion in einer neuen Bedeutung,<br />
indem er den Erfahrungsbegriff erweitert. Sehr deutlich läßt sich das<br />
zeigen, wenn man diesen neuen Erfahrungsbegriff des alten Schelling <strong>der</strong><br />
Hegelschen Definition <strong>der</strong> Erfahrung, die durchaus noch in <strong>der</strong> traditionellen<br />
Philosophie verbleibt, gegenüberstellt. Hegel schreibt in seiner Kritik des<br />
Empirismus in <strong>der</strong> Enzyklopädie § 39: „Über dies Prinzip ist zunächst die