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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Mythos und Geschichte 189<br />

„historische Interpretation <strong>der</strong> Bibel“. 57 Der historischen Interpretation <strong>der</strong><br />

Bibel wird jedoch dann die Spitze abgebrochen, wenn sie in Form von synkretistischen<br />

‚Coalitionssystemen’ unter die „Vormundschaft <strong>der</strong> Philosophie“<br />

gerät. 58 Was Schelling in diesem Textfragment als einen Abweg von<br />

„historischen Untersuchungen“ 59 kritisiert, ist nichts an<strong>der</strong>es als eine allegorische<br />

Auslegung <strong>der</strong> Bibel, wie sie sich in Kants Religionsschrift, aber<br />

auch in seinen eigenen Kommentaren zu dem Römer- und dem Galaterbrief<br />

findet. 60 Denn in ihnen wird „ganz willkührlich“ einem historischen Begriff<br />

„die philosophische Bedeutung“ untergeschoben, „die er nur in den Zeiten<br />

einer systematisch-präcisen Philosophie erhalten konnte“. 61 Um diese Schwierigkeit<br />

zu vermeiden, plädiert Schelling für eine Erweiterung <strong>der</strong> grammatischen<br />

Interpretation <strong>der</strong> Bibel durch eine historische Interpretation. „Historische<br />

Interpretation im weiteren Sinn“, so Schelling, „befaßt demnach nicht<br />

nur grammatische, son<strong>der</strong>n auch historische Interpretation, im engeren Sinne<br />

dieses Worts. Jene geht blos auf die Bedeutung <strong>der</strong> Worte, auf ihre verschiedenen<br />

Wendungen, Formen und Construktionen, diese nimmt ihre Belege aus<br />

<strong>der</strong> Geschichte überhaupt, insbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Zeit, aus <strong>der</strong><br />

die Urkunde, welche ausgelegt werden soll, herstammt, aus dem Geist, den<br />

57 F. W. J. Schelling, Entwurf <strong>der</strong> Vorrede, S. 39.<br />

58 Ebd.<br />

59 F. W. J. Schelling, Entwurf <strong>der</strong> Vorrede, S. 41. Die moralphilosophische Deutung <strong>der</strong><br />

Religion wird in diesem Fragment einer fast gleich lautenden Kritik unterzogen wie in<br />

dem Brief an Hegel vom Januar 1791, wenn es heißt, dass es eine „Kleinigkeit seye,<br />

allen möglichen Behauptungen eine gewisse philosophische Tinktur zu geben, und dass<br />

durch eine gewisse Philosophie selbst die größten und auffallendsten Ungereimtheiten<br />

im Reich <strong>der</strong> Theologie naturalisiert werden können“ (ebd., S. 40).<br />

60 Vgl. F. W. J. Schelling, Entwurf <strong>der</strong> Vorrede, S. 41: „Man konnte besorgen, daß künftig<br />

die Theologie nur zur Hülle irgend eines philosophischen Systems werden und als Philosophie<br />

zwar wahr, aber nichts weniger als getreue Darstellung historischer Tatsachen,<br />

die sich nicht a priori abmachen lassen, seyn würde, daß also, ohne daß man wirklich<br />

auch nur einen Schritt weiter käme, vielmehr den weiteren Fortschritten theologischer<br />

Untersuchungen ein neuer Damm entgegengesetzt würde, <strong>der</strong> schwerer als selbst die<br />

falschesten Behauptungen <strong>der</strong> unaufgeklärtesten Systeme aus dem Weg geschafft werden<br />

könnte, weil er von einer weit größeren Anzahl vertheidigt seyn würde als irgend<br />

ein an<strong>der</strong>es System, das nicht so wie dieses gerade zwischen zwei Parteien mitten inne<br />

läge, und dadurch von beiden Leute genug zu seiner Vertheidigung anlocken könnte,<br />

die sich überdieß besser als irgend ein an<strong>der</strong>er allen Coalitionssystemen abgeneigter<br />

Freund <strong>der</strong> Wahrheit dem geneigten Publicum empfehlen würden, das, wie ein neuerer<br />

Philosoph sagt, zufrieden ist von allem etwas und im Ganzen nichts zu wissen, und<br />

dabei in allen Sätteln gerecht zu seyn.“<br />

61 F. W. J. Schelling, Entwurf <strong>der</strong> Vorrede, S. 44.

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