Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Christian Danz<br />
dokumentieren diese Texte eine entscheidende Umbruchphase im <strong>Denken</strong><br />
<strong>Schellings</strong>. Dies sei im Folgenden kurz durch einen Blick auf <strong>Schellings</strong><br />
Kommentar zum Galaterbrief angedeutet.<br />
In dem im Sommer 1793 von Schelling ausgearbeiteten Galaterbriefkommentar<br />
führt er das in <strong>der</strong> Magisterdissertation und in dem Mythenaufsatz<br />
ausgeführte Programm einer sowohl historisch-kritischen als auch philosophischen<br />
Rekonstruktion <strong>der</strong> Vorstellungsarten <strong>der</strong> alten Welt weiter. Auch<br />
die paulinischen Briefe an die Römer und die Galater werden als sinnliche<br />
Darstellungen von Ideen und damit als Mythen bzw. Vorstellungsarten <strong>der</strong><br />
alten Welt verstanden. Und wie in den vorangegangenen Texten werden diese<br />
Vorstellungsarten <strong>der</strong> alten Welt in eine Geschichtsphilosophie <strong>der</strong> Vernunft<br />
eingeordnet. Thema, o<strong>der</strong> wie Schelling schreibt, die Hauptidee des paulinisches<br />
Briefs an die Galater, sei die geschichtliche Entstehung <strong>der</strong> reineren<br />
Religion. Diese reinere Religion, die mit <strong>der</strong> Stiftergestalt des Christentums<br />
in die Geschichte eintritt und den Bruch mit dem Judentum markiert, versteht<br />
Schelling als Gesinnungs- o<strong>der</strong> Moralreligion. 47 Glaube, so <strong>Schellings</strong> Deutung<br />
des paulinischen Zentralbegriffs <strong>der</strong> pistis meine nichts an<strong>der</strong>es als den<br />
„moralischen Glauben“. 48 In <strong>der</strong> Terminologie <strong>der</strong> Magisterdissertation gesprochen,<br />
beinhaltet das paulinische Christentumsverständnis die geschichtlich<br />
kontingente Entstehung <strong>der</strong> moralischen Gesinnung im Menschen, also<br />
die Bestimmung des Willens durch die Vernunft. Die Entstehung <strong>der</strong> moralischen<br />
Gesinnung im Menschen wird jedoch von Paulus sinnlich als Tod<br />
und Auferstehung Jesu Christi, mithin als Geschichte dargestellt. „Wie konnte<br />
diß Paulus für ungebildete, sinnliche Menschen an<strong>der</strong>s als sinnlich darstellen?<br />
Wie konnte er die Verbindlichkeit <strong>der</strong> mosaischen Opfergesetze, [...]<br />
leichter und fasslicher als aufgehoben darstellen, als wenn er den Tod Jesu<br />
Dogmen sind nun schon zu Postulaten <strong>der</strong> praktischen Vernunft gestempelt, und, wo<br />
theoretisch-historische Beweise nimmer ausreichen, da zerhaut die praktische (Tübingische)<br />
Vernunft den Knoten.“ (AA III/1, 15)<br />
47 Gegenüber dem Judentum und dem Judenchristentum, welches Schelling als „Coalitionssÿstem“<br />
deutet, bedeutet die Religion Jesu sowie das Christentumsverständnis,<br />
welches sich Paulus selbst erschlossen hat, eine „Revolution“ (F. W. J. Schelling, Kommentar<br />
zum Brief an die Galater (1793), NL 32, XXIII r f.). Auch Kant beschreibt in <strong>der</strong><br />
Religionsschrift die Entstehung des Christentums als Revolution. „Wir können also die<br />
allgemeine Kirchengeschichte, sofern sie ein System ausmachen soll, nicht an<strong>der</strong>s, als<br />
vom Ursprunge des Christentums anfangen, das, als eine völlige Verlassung des Judentums,<br />
worin es entsprang, auf einem ganz neuen Prinzip gegründet, eine gänzliche Revolution<br />
in Glaubenslehren bewirkte.“ I. Kant, Die Religion innerhalb <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong><br />
bloßen Vernunft, B 189f. = <strong>der</strong>s., Werke Bd. 7, hrsg. v. W. Weischedel, Darmstadt 1983,<br />
S. 792.<br />
48 F. W. J. Schelling, Kommentar zum Brief an die Galater (1793), NL 32, XIV r .