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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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186<br />

Christian Danz<br />

dokumentieren diese Texte eine entscheidende Umbruchphase im <strong>Denken</strong><br />

<strong>Schellings</strong>. Dies sei im Folgenden kurz durch einen Blick auf <strong>Schellings</strong><br />

Kommentar zum Galaterbrief angedeutet.<br />

In dem im Sommer 1793 von Schelling ausgearbeiteten Galaterbriefkommentar<br />

führt er das in <strong>der</strong> Magisterdissertation und in dem Mythenaufsatz<br />

ausgeführte Programm einer sowohl historisch-kritischen als auch philosophischen<br />

Rekonstruktion <strong>der</strong> Vorstellungsarten <strong>der</strong> alten Welt weiter. Auch<br />

die paulinischen Briefe an die Römer und die Galater werden als sinnliche<br />

Darstellungen von Ideen und damit als Mythen bzw. Vorstellungsarten <strong>der</strong><br />

alten Welt verstanden. Und wie in den vorangegangenen Texten werden diese<br />

Vorstellungsarten <strong>der</strong> alten Welt in eine Geschichtsphilosophie <strong>der</strong> Vernunft<br />

eingeordnet. Thema, o<strong>der</strong> wie Schelling schreibt, die Hauptidee des paulinisches<br />

Briefs an die Galater, sei die geschichtliche Entstehung <strong>der</strong> reineren<br />

Religion. Diese reinere Religion, die mit <strong>der</strong> Stiftergestalt des Christentums<br />

in die Geschichte eintritt und den Bruch mit dem Judentum markiert, versteht<br />

Schelling als Gesinnungs- o<strong>der</strong> Moralreligion. 47 Glaube, so <strong>Schellings</strong> Deutung<br />

des paulinischen Zentralbegriffs <strong>der</strong> pistis meine nichts an<strong>der</strong>es als den<br />

„moralischen Glauben“. 48 In <strong>der</strong> Terminologie <strong>der</strong> Magisterdissertation gesprochen,<br />

beinhaltet das paulinische Christentumsverständnis die geschichtlich<br />

kontingente Entstehung <strong>der</strong> moralischen Gesinnung im Menschen, also<br />

die Bestimmung des Willens durch die Vernunft. Die Entstehung <strong>der</strong> moralischen<br />

Gesinnung im Menschen wird jedoch von Paulus sinnlich als Tod<br />

und Auferstehung Jesu Christi, mithin als Geschichte dargestellt. „Wie konnte<br />

diß Paulus für ungebildete, sinnliche Menschen an<strong>der</strong>s als sinnlich darstellen?<br />

Wie konnte er die Verbindlichkeit <strong>der</strong> mosaischen Opfergesetze, [...]<br />

leichter und fasslicher als aufgehoben darstellen, als wenn er den Tod Jesu<br />

Dogmen sind nun schon zu Postulaten <strong>der</strong> praktischen Vernunft gestempelt, und, wo<br />

theoretisch-historische Beweise nimmer ausreichen, da zerhaut die praktische (Tübingische)<br />

Vernunft den Knoten.“ (AA III/1, 15)<br />

47 Gegenüber dem Judentum und dem Judenchristentum, welches Schelling als „Coalitionssÿstem“<br />

deutet, bedeutet die Religion Jesu sowie das Christentumsverständnis,<br />

welches sich Paulus selbst erschlossen hat, eine „Revolution“ (F. W. J. Schelling, Kommentar<br />

zum Brief an die Galater (1793), NL 32, XXIII r f.). Auch Kant beschreibt in <strong>der</strong><br />

Religionsschrift die Entstehung des Christentums als Revolution. „Wir können also die<br />

allgemeine Kirchengeschichte, sofern sie ein System ausmachen soll, nicht an<strong>der</strong>s, als<br />

vom Ursprunge des Christentums anfangen, das, als eine völlige Verlassung des Judentums,<br />

worin es entsprang, auf einem ganz neuen Prinzip gegründet, eine gänzliche Revolution<br />

in Glaubenslehren bewirkte.“ I. Kant, Die Religion innerhalb <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong><br />

bloßen Vernunft, B 189f. = <strong>der</strong>s., Werke Bd. 7, hrsg. v. W. Weischedel, Darmstadt 1983,<br />

S. 792.<br />

48 F. W. J. Schelling, Kommentar zum Brief an die Galater (1793), NL 32, XIV r .

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