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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Christian Danz<br />

<strong>Freiheit</strong> und Spontaneität bewusst werdenden Menschen liegen Vernunft und<br />

Sinnlichkeit in einem Wi<strong>der</strong>streit, <strong>der</strong> das Movens <strong>der</strong> kulturgeschichtlichen<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Vernunft bildet. Die unterschiedlichen Epochen <strong>der</strong> Kulturgeschichte<br />

<strong>der</strong> Vernunft unterscheiden sich durch das Verhältnis von Sinnlichkeit<br />

und Vernunft. In den oralen Kulturen bildet die Einbildungskraft das<br />

dominierende Seelenvermögen. Mit dem Übergang von <strong>der</strong> mythischen Epoche<br />

zu skripturalen Kulturen wird die Urteilskraft zum beherrschenden<br />

Seelenvermögen. 44 Das Ziel <strong>der</strong> kulturgeschichtlichen Entwicklung <strong>der</strong> Vernunft<br />

erblickt Schelling in <strong>der</strong> vollständigen Selbsterfassung <strong>der</strong> Vernunft, so<br />

dass diese zum alleinigen Bestimmungsgrund <strong>der</strong> theoretischen und praktischen<br />

Vermögen des Menschen wird. Dieses Ziel <strong>der</strong> kulturgeschichtlichen<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Vernunft beschreibt Schelling mit deutlichem Anklang an<br />

Lessings Erziehungsschrift. „Die unendliche Kraft unserer Vernunft selbst<br />

überzeugt uns davon, daß das gesamte Menschengeschlecht zu diesem Ziel<br />

gleichsam erzogen wird, und daß es das letzte Ziel <strong>der</strong> gesamten Menschheitsgeschichte<br />

ist, daß alles Menschliche zurückgeht auf die Alleinherrschaft<br />

<strong>der</strong> Vernunft, daß in allen menschlichen Angelegenheiten die Gesetze<br />

<strong>der</strong> reinen und von je<strong>der</strong> Sinnenherrschaft freien Vernunft zum Ausdruck<br />

kommen.“ (AA I/1, 147)<br />

Schelling verknüpft in seiner Magisterdissertation historisch-kritische Forschung<br />

und Philosophie in dem Mythosbegriff zu einer Geschichtsphilosophie<br />

<strong>der</strong> Vernunft. In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Vernunft wird diese sich nicht nur<br />

zunehmend ihrer inneren Verfasstheit ansichtig, son<strong>der</strong>n auch zum alleinigen<br />

Bestimmungsgrund <strong>der</strong> theoretischen und praktischen Vermögen des Menschen.<br />

Den ersten Nie<strong>der</strong>schlag <strong>der</strong> sich selbst erfassenden Vernunft und<br />

damit den Anfang des Wegs <strong>der</strong> Vernunft zu ihrer Selbsterfassung bilden die<br />

Sagen aus <strong>der</strong> Kindheit des Menschengeschlechts. Die biblischen Texte des<br />

Alten Testaments sind folglich Urkunden aus <strong>der</strong> Kindheit <strong>der</strong> Menschheit,<br />

in denen sich die bereits erwachte Vernunft im Medium von sinnlichen Ausdrucksformen<br />

über sich selbst verständigt.<br />

eine (entwe<strong>der</strong> für die Natur o<strong>der</strong> für die <strong>Freiheit</strong>) offen ist. Zum an<strong>der</strong>en: daß <strong>der</strong><br />

sinnliche und <strong>der</strong> geistige Mensch entwe<strong>der</strong> beides in sich vereint, indem er seine eigenen<br />

Ziele hintanstellt, o<strong>der</strong> daß er seinen beiden Zielen Folge leistet, indem er sich um<br />

das des an<strong>der</strong>en nicht kümmert. Zum dritten: dass <strong>der</strong> eine den an<strong>der</strong>en beherrscht.“<br />

44 Vgl. F. W. J. Schelling, De malorum origine, AA I/1, 144: „Als <strong>der</strong> Menschheit allmählich<br />

glücklichere Zeiten dämmerten und wir uns zu einer höheren Macht <strong>der</strong> Spontaneität<br />

hinreißen ließen, begann sich diese Spontaneität am deutlichsten im Verstand<br />

und in <strong>der</strong> Urteilsfähigkeit zu entfalten.“ Zu <strong>Schellings</strong> Deutung von oralen und skripturalen<br />

Kulturen siehe auch <strong>der</strong>s., Ueber Mythen, AA I/1, 196-203.

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