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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Christian Danz<br />

kunde resultiert die Aufgabe einer sowohl kritischen als auch philosophischen<br />

Rekonstruktion ihres Sinns.<br />

Schelling beschreibt die Aufgabe des Exegeten als die einer Unterscheidung<br />

„zwischen <strong>der</strong> Sache selbst und den Vorstellungen, unten denen sie<br />

verborgen liegt“ (AA I/1, 108f.). Hierzu muss zunächst <strong>der</strong> Sinn des Textes<br />

kritisch ermittelt werden. Dieser Aufgabe sind die Paragraphen 2 bis 5 <strong>der</strong><br />

Dissertation gewidmet. Schelling diskutiert redaktions- und quellenkritische<br />

Fragen zu <strong>der</strong> Beschaffenheit des Textes von Genesis 3. Thema des Paragraphen<br />

5 ist es, den „Sinn unter dem Bild“ (AA I/1, 121) des Mythos aus Genesis<br />

3 kritisch zu erheben. Bei dieser Rekonstruktion des Sinns des Mythos<br />

weist Schelling ausdrücklich die dogmatisch-theologische Deutung von Genesis<br />

3 als Sündenfall und Entstehung des moralischen Übels zurück und<br />

ersetzt sie durch eine von <strong>der</strong> theologischen Lehrtradition abweichende Deutung.<br />

38 „Könnte man nicht sagen, daß in diesem einzigartigen Philosophem<br />

die Trennung <strong>der</strong> Menschen von <strong>der</strong> ursprünglichen Einfalt, <strong>der</strong> erste Abfall<br />

vom seligen Reich <strong>der</strong> Natur selbst, <strong>der</strong> erste Übertritt aus dem goldenen Zeitalter<br />

und von daher die allerersten Ursprünge <strong>der</strong> menschlichen Bosheit beschrieben<br />

werden?“ (AA I/1, 122) Diese alternative Deutung des Sinns von<br />

Genesis 3 macht nun, worauf Schelling freilich selbst hinweist, deutliche<br />

Anleihen bei Kants Aufsatz Mutmaßlicher Anfang <strong>der</strong> Menschheitsgeschichte.<br />

Der Gehalt des Mythos liegt also nicht in dem Abfall des Menschen von<br />

Gott, son<strong>der</strong>n in einer Selbstdeutung <strong>der</strong> sich selbst erfassenden Vernunft in<br />

dem immer auch sinnlich bestimmten Menschen. Indem sich die menschliche<br />

Vernunft ihrer selbst bewusst wird und darin aus <strong>der</strong> Unschuld des Naturzustands<br />

heraustritt, wird sie sich auch des mit ihrer Realisierung verbundenen<br />

Konflikts von Vernunft und Sinnlichkeit bewusst. Die Selbsterfassung<br />

des Menschen als eines Vernunftwesens wird von Schelling damit bereits hier<br />

in <strong>der</strong> Magisterdissertation mit einem inneren Konflikt des Geistes verbunden,<br />

den er unter Aufnahme von Kantischen Motiven als einen Konflikt von<br />

Vernunft und Sinnlichkeit, von mundus intelligibilis und mundus sensibilis<br />

beschreibt. 39 Erst dem sich in seiner Vernunftbestimmtheit erfassenden Menschen<br />

stellt sich die Aufgabe, das Verhältnis von Vernunft und Sinnlichkeit<br />

38 Vgl. F. W. J. Schelling, De malorum origine, AAI/1, 122: „Ich gestehe nun, dass mir<br />

dieser Sinn unseres Philosophems [sc. nämlich als Abfall <strong>der</strong> Protoplasten und die Entstehung<br />

des moralischen Übels] nicht in je<strong>der</strong> Hinsicht Genüge zu leisten scheint.“<br />

39 Vgl. F. W. J. Schelling, De malorum origine, AA I/1, 127. 141. Dazu W. G. Jacobs,<br />

Gottesbegriff und Geschichtsphilosophie in <strong>der</strong> Sicht <strong>Schellings</strong>, S. 188. 191. 195 u. ö.<br />

Eine an<strong>der</strong>e Deutung wird von T. Gloyna, Kosmos und System. <strong>Schellings</strong> Weg in die<br />

Philosophie, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, S. 49ff., vorgeschlagen.

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