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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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178<br />

Christian Danz<br />

Die Einführung des Mythosbegriffs in die Theologie <strong>der</strong> späten Aufklärung<br />

und die damit verbundene Historisierung <strong>der</strong> biblischen Texte geht einher<br />

mit intensiven Methodendebatten um ein angemessenes Verständnis <strong>der</strong><br />

Vergangenheit. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> junge Johann Salomo Semler arbeitete im<br />

Anschluss an seinen Lehrer Siegmund Jacob Baumgarten die Hermeneutik<br />

zu einem grundlegenden Organon <strong>der</strong> historischen Disziplinen <strong>der</strong> Theologie<br />

aus. Dabei erweitert Semler die auf Spinoza zurückgehende und von Johann<br />

August Ernesti in <strong>der</strong> protestantischen Theologie durchgesetzte und etablierte<br />

grammatische Interpretation <strong>der</strong> Bibel 29 zu einer umfassenden hermeneutischen<br />

Theorie, welche auch die historische Dimension einbezieht. 30 Der<br />

biblische Text ist also für Semler nicht schon durch die philologisch-grammatische<br />

Analyse <strong>der</strong> Wortbedeutungen verstanden, son<strong>der</strong>n erst dann, wenn<br />

diese in den religiös-kulturellen Vorstellungswelten <strong>der</strong> jeweiligen Zeit rekonstruiert<br />

werden.<br />

Der in Altdorf und später in Jena lehrende Gabler, ein Schüler von Eichhorn<br />

und Johann Jakob Griesbach, 31 führte in seiner Altdorfer Antrittsrede<br />

von 1787, welche <strong>der</strong> methodischen Reflexion <strong>der</strong> Bibelwissenschaft ge-<br />

29 Zur grammatisch philologischen Schriftauslegung von Ernesti siehe J. A. Ernesti, Institutio<br />

interpretis Novi Testamenti, Leipzig 1761. In seiner Festrede Proslusio pro grammatica<br />

interpretatione librorum in primis sacrorum. Oratiunculis in Schola Thomana<br />

habendis praemissa a Rectore Io. Augusto Ernesti, Leipzig 1749, S. VII, beschreibt<br />

Ernesti sein Programm folgen<strong>der</strong>maßen: „In interpretando porro proprie non quaeritur,<br />

quid verum sit: aliunde id constat, aliunde venire intelligentia veritatis debet: alioqui<br />

etiam Porphyrii et Celsi, aliique alieni a Christiana religione homines, lectis et intellectis<br />

libris divinis, veritatem Christianam percepissent. In interpretatione nihil aliud quaeritur,<br />

quam quid dictum sit, non quale sit, aut quam vere dictum.“ Zur Ernesti’schen<br />

Regel und ihren ideengeschichtlichen Hintergründen siehe M. Franz, <strong>Schellings</strong> Tübinger<br />

Platon-Studien, S. 160-169.<br />

30 U. Barth, Die hermeneutische Krise des altprotestantischen Schriftprinzips. Francke –<br />

Baumgarten – Semler, in: <strong>der</strong>s., Aufgeklärter Protestantismus, Tübingen 2004, S. 167-195,<br />

bes. S. 187, urteilt über Semlers Leistung für die Entwicklung <strong>der</strong> Hermeneutik: „Semlers<br />

überragen<strong>der</strong> Beitrag zur Geschichte <strong>der</strong> Hermeneutik und ihrer Rolle in <strong>der</strong> Theologie<br />

besteht vor allem darin, die überkommene, in erster Linie philologisch-kritische<br />

und nur partiell historische Bibelhermeneutik in den Rang einer am Paradigma <strong>der</strong><br />

Religionsgeschichte entfalteten historiographischen Hermeneutik erhoben zu haben.“<br />

Siehe auch O. Merk, Anfänge neutestamentlicher Wissenschaft im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t, in:<br />

G. Schwaiger (Hrsg.), Historische Kritik in <strong>der</strong> Theologie. Beiträge zu ihrer Geschichte,<br />

Göttingen 1980, S. 37-59, bes. S. 49. 51; G. Hornig, Hermeneutik und Bibelkritik,<br />

in: <strong>der</strong>s., Johann Salomo Semler. Studien zu Leben und Werk des Hallenser<br />

Aufklärungstheologen, Tübingen 1996, S. 229-245; <strong>der</strong>s., Grundzüge <strong>der</strong> theologischen<br />

Hermeneutik, in: a. a. O., S. 246-278.<br />

31 Zu Griesbach siehe B. Aland, Art.: Griesbach, Johann Jakob, In: RGG 4 Bd. 3, Tübingen<br />

2000, Sp. 1293f.; A. Beutel, Aufklärung in Deutschland, S. 275-278.

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