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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Mythos und Geschichte 175<br />

die positiven Religionen vermittelt. Die positiven Offenbarungsreligionen werden<br />

von Lessing als das Medium und Vehikel verstanden, aus und an denen<br />

sich die vernünftige Religion selbst erst herausbildet.<br />

Die Strukturierung <strong>der</strong> Religionsgeschichte, wie sie von Lessing in <strong>der</strong><br />

Erziehungsschrift vorgenommen wird, resultiert aus dem in sich gestuften<br />

dreigliedrigen Religionsbegriff. Lessing unterscheidet eine Vorgeschichte,<br />

die Periode <strong>der</strong> geschichtlichen Religionen des Judentums und des Christentums<br />

sowie als Ziel <strong>der</strong> Geschichte die Vernunftreligion. 20 Auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

seines Religionsbegriffs und des diesem korrespondierenden Gottesbegriffs<br />

vermag Lessing nicht nur <strong>der</strong> Vernunft selbst schon eine geschichtliche<br />

Entwicklung einzuschreiben, son<strong>der</strong>n auch die Vernünftigkeit <strong>der</strong> positiven<br />

Religionen aufzuzeigen. Sie repräsentieren unterschiedliche Niveaus <strong>der</strong> geschichtlichen<br />

Selbsterfassung <strong>der</strong> Vernunft im Medium von zeitbedingten Vorstellungen.<br />

Diesen Gehalt nimmt <strong>der</strong> Offenbarungsbegriff <strong>der</strong> Erziehungsschrift<br />

auf. „Erziehung ist Offenbarung, die dem einzelnen Menschen geschieht;<br />

und Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlecht geschehen ist,<br />

und noch geschieht.“ (§ 2) Lessing verknüpft den Offenbarungsbegriff aber<br />

nicht nur mit dem Entwicklungsgedanken, son<strong>der</strong>n auch mit einer Akkomodationstheorie,<br />

so dass die Offenbarung stets an den Entwicklungsstand ihrer<br />

Empfänger angepasst ist. 21 Auf diese Weise vermag er nicht nur den in <strong>der</strong><br />

Kontroverse mit Reimarus umstrittenen Offenbarungscharakter des Alten<br />

Testaments zu begründen, nämlich als die Stufe <strong>der</strong> Religionsgeschichte,<br />

welche <strong>der</strong> Menschheit auf diesem Entwicklungsstand angemessen ist, son<strong>der</strong>n<br />

auch den vernünftigen Gehalt <strong>der</strong> positiven Religionen insgesamt als<br />

eine bestimmte Entwicklungsstufe auf dem Weg <strong>der</strong> Vernunft zu ihrer Selbsterfassung<br />

zu rehabilitieren.<br />

Lessing versteht in <strong>der</strong> Erziehungsschrift die Religionsgeschichte als einen<br />

Prozess, in dem sich die Vernunft zunehmend selbst in ihrer Tätigkeit erfasst.<br />

Der gestufte Religionsbegriff dient dabei <strong>der</strong> Strukturierung <strong>der</strong> Religionsgeschichte.<br />

Zum Ziel kommt die religionsgeschichtliche Entwicklung freilich<br />

20 Lessings Rekonstruktion <strong>der</strong> Religionsgeschichte kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet<br />

werden. Siehe hierzu die luziden Rekonstruktionen von D. Cyranka, Lessing<br />

im Reinkarnationsdiskurs; <strong>der</strong>s., Natürlich – positiv – vernünftig.<br />

21 Vgl. G. E. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechts, § 5: „Und so wie es <strong>der</strong><br />

Erziehung nicht gleichgültig ist, in welcher Ordnung sie die Kräfte des Menschen entwickelt;<br />

wie sie dem Menschen nicht alles auf einmal beibringen kann: ebenso hat auch<br />

Gott bei seiner Offenbarung eine gewisse Ordnung, ein gewisses Maß halten müssen.“<br />

Zur Akkomodationstheorie <strong>der</strong> Aufklärungstheologie siehe H.-W. Schütte, Die Vorstellung<br />

von <strong>der</strong> Perfektibilität des Christentums im <strong>Denken</strong> <strong>der</strong> Aufklärung, in: FS Wolfgang<br />

Trillhaas. Beiträge zur Theorie des neuzeitlichen Christentums, Berlin 1968, S. 113-126.

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