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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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174<br />

Christian Danz<br />

schrieben wurden, eine Religion zu offenbaren publiziert hatte, 15 wird bereits<br />

in dem <strong>der</strong> Schrift vorangestellten Vorbericht des Herausgebers ersichtlich.<br />

„Warum wollen wir in allen positiven Religionen nicht lieber weiter nichts,<br />

als den Gang erblicken, nach welchem sich <strong>der</strong> menschliche Verstand jedes<br />

Orts einzig und allein entwickeln können, und noch ferner entwickeln soll;<br />

als über einer <strong>der</strong>selben entwe<strong>der</strong> lächeln, o<strong>der</strong> zürnen?“ 16<br />

In <strong>der</strong> Erziehungsschrift arbeitet Lessing in Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Reimarus<br />

einerseits und William Warburton 17 an<strong>der</strong>erseits eine funktionale Rehabilitierung<br />

<strong>der</strong> positiven Religionen aus, die auf einem geschichtsphilosophisch<br />

entfalteten Religionsbegriff fußt. Lessing legt in <strong>der</strong> Erziehungsschrift<br />

einen in sich gestuften Religionsbegriff zugrunde und unterscheidet zwischen<br />

<strong>der</strong> natürlichen, <strong>der</strong> geschichtlichen und <strong>der</strong> vernünftigen Religion. 18 Diese<br />

innere Unterscheidung und Stufung des Religionsbegriffs bildet die Grundlage<br />

für Lessings funktionale Begründung <strong>der</strong> in den apologetischen Debatten<br />

umstrittenen positiven o<strong>der</strong> geoffenbarten Religion. 19 Lessing identifiziert<br />

also gerade nicht, wie Reimarus, natürliche und vernünftige Religion, son<strong>der</strong>n<br />

unterscheidet beide als Aspekte des Religionsbegriffs. So bildet die natürliche<br />

Religion zwar eine anthropologische Anlage, aber sie ist noch nicht die<br />

Religion <strong>der</strong> Vernunft. „Wenn auch <strong>der</strong> erste Mensch mit einem Begriffe von<br />

einem Einigen Gotte sofort ausgestattet worden: so konnte dieser mitgeteilte,<br />

und nicht erworbene Begriff, unmöglich lange in seiner Lauterkeit bestehen.“<br />

(§ 6) Die vernünftige Religion ist also Lessing zufolge im Unterschied zur<br />

natürlichen Religion eine erworbene und somit kann sie nicht schon am Anfang<br />

<strong>der</strong> geschichtlichen Entwicklung stehen. Die Vernunftreligion ist das<br />

Ziel <strong>der</strong> religionsgeschichtlichen Entwicklung und diese Entwicklung ist durch<br />

15 G. E. Lessing, Gegensätze des Herausgebers, in: <strong>der</strong>s., Werke in drei Bänden, Bd. 3:<br />

Geschichte <strong>der</strong> Kunst, Theologie und Philosophie, München/Wien 1982, S. 327-348.<br />

16 G. E. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechts, in: <strong>der</strong>s., Freimäurergespräche<br />

und an<strong>der</strong>es. Ausgewählte Schriften, Weimar/Leipzig 1981, S. 81-103, hier S. 81. Lessings<br />

Erziehungsschrift wird im Folgenden durch die Angabe <strong>der</strong> entsprechenden Paragraphen<br />

zitiert.<br />

17 3<br />

W. Warburton, The Divine Legation of Moses demonstrated, Bd. 1, London 1742; Bd.<br />

II/1 u. II/2, London 2 1742.<br />

18 Dazu D. Cyranka, Lessing im Reinkarnationsdiskurs, S. 356ff.; <strong>der</strong>s., Natürlich – positiv<br />

– vernünftig, S. 44-48.<br />

19 Auf die Bedeutung <strong>der</strong> Unsterblichkeitsvorstellung als Kriterium für die Vernünftigkeit<br />

<strong>der</strong> positiven Religionen kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Siehe dazu<br />

D. Cyranka, Lessing im Reinkarnationsdiskurs, S. 355ff.; <strong>der</strong>s., Natürlich – positiv –<br />

vernünftig, S. 49-56. Siehe hierzu auch W.G. Jacobs, Gottesbegriff und Geschichtsphilosophie<br />

in <strong>der</strong> Sicht <strong>Schellings</strong>, S. 61-87; G. Kaplan, Answering the Enlightenment.<br />

The Catholic Recovery of Historical Revelation, New York 2006, S. 7-22.

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