Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Schelling: Die Gottheiten von Samothrake 143<br />
ten, so daß dieselbe Zahl o<strong>der</strong> Persönlichkeit sich in verschiedenen ansteigenden<br />
Potenzen wie<strong>der</strong>holt. (Anm. 112) Der Aufstieg <strong>der</strong> Götter wird durch<br />
die ansteigende Zahlenreihe symbolisiert. „Eine von unten wie Zahlen aufsteigende<br />
Reihe bilden die vier uns urkundlich bekannten samothracischen<br />
Gottheiten.“ (25) Schelling hat die Verhältnisse <strong>der</strong> ersten vier Potenzen zueinan<strong>der</strong><br />
nach <strong>der</strong> pythagoreischen Zahlenlehre angeordnet. (Anm. 112, 106)<br />
7.) Zur Diskussion: Die Bedeutung des kabirischen Systems für die Frage<br />
nach dem Verhältnis von Mensch und Gott o<strong>der</strong> Erde und Geist<br />
Die von Schelling favorisierte Dynamik des Göttlichen von unten nach oben<br />
hat weitreichende systematische Bedeutung. Wenn sich das Göttliche aus den<br />
tellurischen und kosmischen Kräften aufbaut, zeigt es mit dieser seiner Herkunft<br />
und mit diesen seinen Wurzeln auch seine Natur an. Es ist kein jenseitiges<br />
Prinzip, auch wenn Schelling es das Überweltliche nennt. Aristoteles<br />
sagt, <strong>der</strong> Geist komme thyrathen – ϑὑραϑεν, von draußen vor <strong>der</strong> Tür, d. h.<br />
von außen. Schelling hält mit dem Mythos <strong>der</strong> Kabiren fest, daß <strong>der</strong> Gott aus<br />
<strong>der</strong> Erde kommt. Materie und Geist sind sich nicht fremd, son<strong>der</strong>n suchen<br />
sich als von gleichem Wesen in verschiedener Gestalt. Im Christentum kommt<br />
das Göttliche von oben. Christus wird von Gott gesandt, steigt aus dem<br />
Himmel herab zu den Menschen. Der Heilige Geist kommt immer von oben,<br />
bei <strong>der</strong> Taufe Jesu in Gestalt <strong>der</strong> Taube und beim Pfingstfest in Gestalt feuriger<br />
Zungen.<br />
Die entscheidende weitere Frage zur Diskussion wäre, ob Schelling mit<br />
seinem Göttlichen o<strong>der</strong> kommenden Gott überhaupt einen Gott meint, <strong>der</strong><br />
Geist ist. Schelling spricht nirgendwo davon, daß <strong>der</strong> kommende Gott, vor<strong>der</strong>gründig<br />
im antiken Rahmen des Göttersystems als Zeus bezeichnet, ein<br />
geistiger Gott ist. Wenn man den Geistbegriff jedoch zu Grunde legt, kann<br />
man davon ausgehen, daß <strong>der</strong> kommende Gott auch Geist ist. Schelling<br />
bezeichnet ihn als überweltlichen Gott, als den Gott, <strong>der</strong> die weltlichen Gottheiten,<br />
die Kabiren beherrscht und dadurch Herr <strong>der</strong> Welt ist, <strong>der</strong> Demiurg.<br />
(27, 28) Er ist gegen die Welt frei, d. h. kein Teil <strong>der</strong> Welt. Der Geistcharakter<br />
dürfte damit gesichert sein.<br />
Trotz dieser Geistmerkmale des kommenden Gottes sollte man jedoch den<br />
traditionellen metaphysischen Gottesbegriff nicht unbesehen und nur sehr<br />
zurückhaltend o<strong>der</strong> analog anwenden.