Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Helmut Schnei<strong>der</strong><br />
6.) Das Göttersystem <strong>der</strong> Kabiren als ein Aufstieg von Unten nach Oben,<br />
kein Abstieg von Oben nach Unten.<br />
Die Reihenfolge <strong>der</strong> ersten vier kabirischen Gottheiten ist genau festgelegt<br />
und nicht verän<strong>der</strong>bar. Der erste Kabire ist im Rang nicht <strong>der</strong> oberste, <strong>der</strong><br />
letzte nicht <strong>der</strong> unterste. Die Zeitfolge ist also umgekehrt wie die Rangfolge.<br />
Im Göttersystem <strong>der</strong> Kabiren gibt es im Gegensatz zum Emanationssystem<br />
<strong>der</strong> Götter im ägyptischen Sinne eine aufsteigende Bewegung: „Weit entfernt<br />
sich in herabsteigen<strong>der</strong> Ordnung zu folgen, folgen sich die Götter in<br />
aufsteigen<strong>der</strong>; Axieros ist zwar das erste, aber nicht das oberste Wesen, Kadmilos<br />
unter den vieren das letzte, aber das höchste.“ (23) Man könnte geradezu<br />
von einer evolutiven Theologie sprechen, Evolution steht gegen Emanation.<br />
Die oberen Götter entfalten sich mit Hilfe innerweltlicher Faktoren,<br />
also innerweltlicher Götter. Im Gegensatz dazu steht ein Emanationssystem,<br />
wo sich das Göttliche von oben nach unten bewegt, das höchste Wesen sich<br />
in absteigen<strong>der</strong> Linie in „Ausströmungen“ und „Ausflüssen“ (24) in <strong>der</strong><br />
Natur manifestiert. Schelling hält die Vorstellung <strong>der</strong> Emanation zur Erklärung<br />
<strong>der</strong> antiken und beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> samothrakischen Gotteslehre für ungeeignet.<br />
Danach würden unter dieses Kriterium auch die neuplatonischen<br />
Systeme fallen, ohne daß sie jedoch ausdrücklich genannt werden. Sie waren<br />
in an<strong>der</strong>er Hinsicht durchaus wichtig für Schelling.<br />
Wenn alle Wesen und Naturen nur Ausflüsse einer obersten Gottheit wären,<br />
könnte <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> die Einheit und Einzigkeit Gottes voraussetzt,<br />
diese Ausströmungen nicht mehr religiös verehren.<br />
„Ganz an<strong>der</strong>s verhält es sich, wenn die verschiedenen Götter nicht abwärts<br />
gehende, immer mehr sich abschwächende Ausflüsse einer höchsten<br />
und obersten Gottheit, wenn sie vielmehr Steigerungen einer untersten,<br />
zu Grunde liegenden Kraft sind, die sich endlich alle in Eine höchste<br />
Persönlichkeit verklären; alsdann nämlich sind sie wie Glie<strong>der</strong> einer vom<br />
Tieffsten ins Höchste aufsteigenden Kette, o<strong>der</strong> wie Sprossen einer Leiter,<br />
<strong>der</strong>en tiefere nicht übergehen darf, wer die höheren erklimmen will.“ (24)<br />
„Also ein von untergeordneten Persönlichkeiten <strong>der</strong> Naturgottheiten zu<br />
einer höchsten sie alle beherrschenden Persönlichkeit, zu einem überweltlichen<br />
Gott, aufsteigendes System war die kabirische Lehre.“ (28)<br />
„Nicht abwärts, in die sichtbare Welt herein, aufwärts erstreckte sich dieser<br />
Zauber.“ (40)<br />
Schelling verband diese Reihung <strong>der</strong> Kabiren in ihrem Aufstieg nach oben<br />
mit seiner Potenzenlehre. Die Kabiren sind fortgesetzte Steigerungen von Kräf-