Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Schelling: Die Gottheiten von Samothrake 137<br />
son<strong>der</strong>s den Seefahrern als hilfreich und heilbringend erwiesen, so daß man<br />
annehmen kann, daß die ursprünglich phönizischen Kabiren mit den phönizischen<br />
Seefahrern nach Samothrake verpflanzt wurden. Die Götternamen<br />
waren in <strong>der</strong> Antike von höchster Bedeutung, wie Platon im Dialog Kratylos<br />
ausführte.<br />
2.) Sucht, Sehnsucht und Hunger als Weltprinzip<br />
Ich gehe zu <strong>Schellings</strong> Interpretation <strong>der</strong> vier Kabiren und des kabirischen<br />
Systems über. Axieros, <strong>der</strong> Name des ersten Kabiren, bedeutet hebräisch so<br />
viel wie „Hunger, Armut“, und was daraus folgt, das Schmachten und die<br />
Sucht (11, 31). Schmachten ist gleichbedeutend mit Hungern. Schmacht ist<br />
im frühen Deutsch <strong>der</strong> Hunger. Die Ableitung des Namens Axieros aus dem<br />
Hebräischen dürfte fraglich sein, ist aber hier nicht weiter zu verfolgen. Es<br />
geht Schelling um eine Etymologie des Namens, die er im Sinne seiner philosophischen<br />
Intention verwenden kann. Die philosophische Intention war<br />
also entscheidend für die Etymologie, nicht so sehr <strong>der</strong> linguistische Befund.<br />
Zu diesem Zweck geht er zunächst in den griechischen Bereich und sucht<br />
nach Parallelen und Amplifikationen. Er erinnert an den platonischen Eros,<br />
dessen Mutter die Penia ist, also die Armut, dessen Vater allerdings Poros,<br />
<strong>der</strong> Überfluss, <strong>der</strong> sich mit <strong>der</strong> Armut verband. Nach Hesiod geht Eros aus<br />
dem Weltei hervor, das von <strong>der</strong> Nacht geboren wurde. Das Wesen <strong>der</strong> Nacht<br />
aber ist Mangel, Bedürftigkeit, Sehnsucht. Die Nacht ist nicht die dem Licht<br />
feindliche Finsternis, son<strong>der</strong>n sie harrt sehnsüchtig des Lichts, das sie begierig<br />
empfangen möchte.<br />
Ein an<strong>der</strong>es Bild dieser „ersten Natur“, <strong>der</strong>en ganzes Wesen Begehren<br />
und Sucht ist, ist das verzehrende Feuer, das als ein Nichts „ein alles in sich<br />
ziehen<strong>der</strong> Hunger nach Wesen ist.“ (12) Das Feuer führt zu <strong>der</strong> Stätte des<br />
Feuers, dem Herd, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Göttin Hestia, <strong>der</strong> ältesten Göttin, symbolisiert<br />
wird, die oft mit Ceres und Proserpina vermischt wurde. Das Wesen <strong>der</strong> Ceres,<br />
identisch mit <strong>der</strong> griechischen Demeter, <strong>der</strong> griechischen Entsprechung <strong>der</strong><br />
samothrakischen Axieros, ist Sehnsucht, Sucht, schmachtendes Verlangen.<br />
Ceres alias Demeter schmachtete nach ihrer verlorenen Tochter Proserpina<br />
alias Persephone. Mit den Worten <strong>Schellings</strong>: „Wie Isis im Suchen des verlorenen<br />
Gottes, wird Ceres im Suchen <strong>der</strong> verlorenen Tochter ganz die Suchende.“<br />
(13) Doch liegt <strong>der</strong> Grund des Suchens und <strong>der</strong> Sehnsucht tiefer.<br />
Schelling stellt als allgemeine Struktur fest: „Alles Unterste, unter dem nichts<br />
mehr ist, kann nur Sucht seyn, Wesen, das nicht sowohl ist, als nur trachtet,<br />
zu seyn.“ (13) Das ist auch <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Toten, die man sich in <strong>der</strong> Antike