Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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„Ekstasis“ o<strong>der</strong> die Chymische Hochzeit 125<br />
zunächst als skeptisch erscheinende Grenzziehung <strong>der</strong> menschlichen Wissensmöglichkeit<br />
gar <strong>der</strong> Naturwelt nicht in <strong>der</strong> Beschränktheit <strong>der</strong> menschlichen<br />
Wissensmöglichkeit o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Beschränktheit <strong>der</strong> menschlichen Vernunft<br />
gründet, son<strong>der</strong>n daß das menschliche Wissen überhaupt durch das ab-solute<br />
Wollen Gottes durchkreuzt wird. Konkret heißt das: das ab-solute Wollen<br />
Gottes verbietet es, daß die Naturwelt, eben weil sie Geschöpf Gottes ist, so<br />
gedacht werden könnte und dürfte, als wäre sie, wenn auch als einmal Geschaffenes,<br />
in sich „selbständig“ und somit so etwas „Substantielles“, was<br />
bedeuten würde, daß das Wollen Gottes an dem einmal Gewollten des einmal<br />
Geschaffenen seine Schranke hätte, was aber hieße, daß Gottes Wollen nicht<br />
schlechthin ab-solut wäre. Kurz: Was theologisch „Wun<strong>der</strong>“ hieß, als gleichsam<br />
gelegentlicher Einbruch in die Naturwelt, wird bei Occem über das absolute<br />
Wollen Gottes zum Grundverhältnis Gottes zu seinem Geschöpf, <strong>der</strong><br />
Naturwelt. Daß Spinoza diesen Gottesbegriff einer radikalen Revision unterzieht,<br />
dahin gehend, daß er dem Gott jeden Willen abspricht, ist hinlänglich<br />
bekannt. Und es ist Spinozas Gottesbegriff, mit Blick worauf Schelling den<br />
Satz schreibt: „Das Wissen nämlich, in welchem <strong>der</strong> Rationalismus sein<br />
Wesen hat, ist substantiell zu nennen, inwiefern er allen Actus ausschließt“, 45<br />
und den Satz folgen läßt, <strong>der</strong> oben im Zusammenhang <strong>der</strong> <strong>Schellings</strong>chen<br />
Abgrenzung <strong>der</strong> „positiven“ Philosophie von dem Theosophismus und dem<br />
Rationalismus bereits angeführt wurde: „Dem Rationalismus kann nichts durch<br />
eine That, z. B. durch freie Schöpfung entstehen, er kennt bloß wesentliche<br />
Verhältnisse. Alles folgt ihm bloß modo aeterno, ewiger, d. h. bloß logischer<br />
Weise, durch immanente Bewegung“. 46 Und hier spricht Schelling mit Blick<br />
auf Hegel vom „verfälschten Rationalismus“, 47 weil Hegel, gegen <strong>Schellings</strong><br />
Zuschreibung, daß <strong>der</strong> Rationalismus „allen Actus ausschließt“, „die Entstehung<br />
<strong>der</strong> Welt durch eine freie Entäußerung des absoluten Geistes erklären,<br />
<strong>der</strong> überhaupt thätliche Schöpfung behaupten will“. 48<br />
Damit zurück zum Grundsatz <strong>der</strong> „positiven“ Philosophie: „Ich will den<br />
Gott als Herrn des Seyns“. Wie gesagt: So anzufangen, ist in <strong>der</strong> Tat „eine<br />
neue Erfindung“. Und wie gesagt: Vom Standpunkt <strong>der</strong> „positiven“ Philosophie<br />
läßt sich sagen, daß dieses „Ich will“ von dem „unvordenklichen Seyn“,<br />
von dem „Urseyn“ als „Wollen“ her gedacht sei. Was das „Ich“ des „Ich will“<br />
sonst auch sein mag, das „will“ des „Ich will“ verweist auf das „Wollen“ des<br />
„Urseyns“ als „Sehnsucht“, die als solche vor „allem <strong>Denken</strong>“ und „Wissen“<br />
45 Ebd., S. 124.<br />
46 Ebd., S. 124.<br />
47 Ebd., S. 124.<br />
48 Ebd., S. 124.