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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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„Menschliche Wissenschaft“ 105<br />

antwortung obliegt wie sie Jesus als Mittler zwischen Mensch und Gott hatte,<br />

nämlich die, das Weltsystems insgesamt dadurch zu retten o<strong>der</strong> zu erhalten –<br />

abhängig von <strong>der</strong> Übersetzung des griechischen „σωζειν“ –, 19 daß er in einer<br />

Weise handelt, die dem an ihn gestellten Anspruch genügt. Aus <strong>der</strong> Mittelstellung<br />

des Menschen resultiert seine spezifische <strong>Freiheit</strong>, 20 seine Leistungsfähigkeit<br />

als Mittler im Universum, aber auch seine Gefährdung und seine<br />

Fähigkeit, durch Fehlverhalten die Natur insgesamt zu beeinträchtigen. Der<br />

offensichtlich mangelhafte Zustand <strong>der</strong> Natur ist für Schelling hinreichende<br />

Evidenz dafür, daß <strong>der</strong> Mensch sich dieser ihm anvertrauten Verantwortung<br />

tatsächlich in fehlerhafter Weise bedient hat, daß er zum „verfinsterten Verklärungspunkt“<br />

geworden ist. 21 Die Metapher des lichten Punktes, mit <strong>der</strong><br />

Schelling beispielsweise im System des transscendentalen Idealismus das<br />

Selbstbewußtsein charakterisierte, wird nun ins Negative gespiegelt: 22<br />

„Dadurch also, daß <strong>der</strong> Mensch zwischen dem Nichtseyenden <strong>der</strong> Natur<br />

und dem absolut-Seyenden = Gott in <strong>der</strong> Mitte steht, ist er von beiden<br />

frei. Er ist frei von Gott dadurch, daß er eine unabhängige Wurzel in <strong>der</strong><br />

Natur hat, frei von <strong>der</strong> Natur dadurch, daß das Göttliche in ihm geweckt<br />

ist, das mitten in <strong>der</strong> Natur über <strong>der</strong> Natur. [...] Es ist offenbar, daß das<br />

physische Leben bis zum Menschen fortschreitet [...] Er das Geschöpf, in<br />

welchem das Leibliche als sanfte Unterlage sich dem Geistigen fügen<br />

und eben dadurch zur Beständigkeit erhoben werden sollte [...]. Sowie aber<br />

<strong>der</strong> Mensch, anstatt sein natürliches Leben dem göttlichen unterzuordnen,<br />

vielmehr in sich selbst das zur relativen Unthätigkeit bestimmte (das<br />

natürliche, eigne) Princip aktivirte [...] war auch die Natur wegen des nun<br />

19 Vgl. zu diesem Problem Jörg Jantzen: „ ‚Das räthselhafte Aristotelische σωτηρία‘.<br />

Bemerkungen zu einem Billet von <strong>Schellings</strong> Hand“, in: Wissenschaftsgeschichte zum<br />

Anfassen. Von Frommann bis Holzboog, hrsg. von Günther Bien, Eckart Holzboog und<br />

Tina Koch, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, 285-292.<br />

20 Dazu vgl. Peter L. Oesterreich: „Die <strong>Freiheit</strong>, <strong>der</strong> Irrtum, <strong>der</strong> Tod und die Geisterwelt.<br />

<strong>Schellings</strong> anthropologischer Übergang in die Metaphysik", in: <strong>Schellings</strong> philosophische<br />

Anthropologie, hrsg. von Jörg Jantzen und Peter L. Oesterreich. Stuttgart-Bad<br />

Cannstatt 2002, 23-50, hier S. 32.<br />

21 Vgl. zu dieser Dimension in <strong>Schellings</strong> Naturphilosophie Schmied-Kowarzik, „Von <strong>der</strong><br />

wirklichen, von <strong>der</strong> seyenden Natur“.<br />

22 Zur Düsterheit <strong>der</strong> Geschichtskonzeption <strong>der</strong> Stuttgarter Privatvorlesungen vgl. Oesterreich,<br />

„Die <strong>Freiheit</strong>, <strong>der</strong> Irrtum, <strong>der</strong> Tod und die Geisterwelt“. – Zum Motiv des lichten<br />

Punktes vgl. Claus-Artur Scheier: „Lichter Punkt und blin<strong>der</strong> Fleck. Zum Unterschied<br />

von mo<strong>der</strong>ner und klassischer Rationalität“, in: Natur und Künstlichkeit in einer<br />

europäischen Perspektive. Akten <strong>der</strong> XXV. internationalen Tagung deutsch-italienischer<br />

Studien, Meran 2001, 221-236.

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