Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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„Menschliche Wissenschaft“ 103<br />
sens und die des Menschen direkt zusammen. Er beginnt mit einer Beschreibung<br />
des Menschen, in <strong>der</strong> er diesem bestimmte Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten<br />
abspricht:<br />
„Nun aber im Menschen ist nicht mehr diese Weisheit, in ihm ist kein<br />
objektives Hervorbringen, son<strong>der</strong>n bloß ideales Nachbilden; er ist nicht<br />
<strong>der</strong> magische Beweger aller Dinge; in ihm ist nur noch Wissen. Aber in<br />
diesem Wissen sucht er die ewige <strong>Freiheit</strong> o<strong>der</strong> Weisheit.“ (SW I,9,224)<br />
Er kann Wissen nur suchen, aber genau diese Struktur, immanent durch eine<br />
Bewegung des Suchens verfaßt zu sein, kennzeichnet nach Schelling das<br />
Wissen schlechthin als einen „offenen Punkt“: „Nur im Wissen ist noch <strong>der</strong><br />
offene Punkt, hier kann sich die Weisheit noch suchen und finden.“ (SW<br />
I,9,224) Dieser offene Punkt ist wie<strong>der</strong>um eine in sich doppeldeutige Formulierung,<br />
sozusagen eine Monade mit Fenstern. Aufzulösen ist dieses Bild<br />
durch die Dualität von universeller Möglichkeit und jeweils punktueller Wirklichkeit,<br />
wobei diese Auflösung hier noch einmal invertiert ist: Durch den<br />
Punkt, <strong>der</strong> sich überall hinbewegen kann, wird ebenso wie durch die universelle<br />
Offenheit eines selbst infinitesimal verschwindenden Punktes eine<br />
universelle Möglichkeit dargestellt: „Auch das ruhende Wissen ist an sich<br />
unendlich, das in jede Form sich geben kann“ (SW I,9,222). In genau entsprechen<strong>der</strong><br />
Weise entwickelt Schelling in seiner Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />
Friedrich Immanuel Niethammer ein Bildungskonzept, das die Passivität, die<br />
rezeptive Offenheit des Menschen zur Bedingung für Bildung und Bildbarkeit<br />
macht. 17 Diese Analyse überträgt sich direkt auf die <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> (SW I,9<br />
,225); und noch darüber hinaus sieht Schelling in seinen Überlegungen die<br />
Lösung schlechthin für alle Probleme, die mit <strong>der</strong> Erkennbarkeit von Absoluta<br />
wie <strong>Freiheit</strong> o<strong>der</strong> absolutem Wissen zu tun haben, sofern diese, um erkannt<br />
zu werden, aus ihrer Absolutheit heraustreten müßten. Den Vorläufer dieses<br />
Problems kann man in <strong>der</strong> Nach-Kantischen Frage erblicken, wie das transzendentale<br />
Subjekt überhaupt Gegenstand von Wissenschaft werden könne.<br />
Schelling zieht auch hier die Verbindungslinien direkt: „eben das Indefinible<br />
jenes absoluten Subjekts müsse selbst zur Definition gemacht werden“ (SW<br />
I,9,218), und entsprechend kann <strong>der</strong> Mensch selbst, als „natura anceps“ (SW<br />
I,9,237), „nur die zu sich gekommene <strong>Freiheit</strong>“ (SW I,9,227) sein.<br />
17 Vgl. Paul Ziche: „Ausbildung zum Genie. Schelling und die Bildung zur Innovationsfähigkeit“,<br />
in: Bildung als Mittel und Selbstzweck. Korrektive Erinnerung wi<strong>der</strong> die Verengung<br />
des Bildungsbegriffs, hrsg. von Axel Hutter und Markus Kartheininger. Freiburg<br />
i.Br. 2009, 63-81.