Böse Hexen gibt es nicht - Versuch einer interdisziplinären - Heim

Was aber versteht man nun unter dem Placebo-Effekt? Ein
altes Sprichwort besagt, dass der Glaube Berge versetzt.
Beim Placebo steht kein pharmazeutisch wirksames Mittel
zur Verfügung. Stattdessen wird der Erkrankte hinsichtlich
einer Heilerwartung durch den Heiler (hier also durch die
Hagia) konditioniert. Konditionieren bedeutet, dass sich auf
einen auslösenden Reiz hin eine automatische, bedingte
Reaktion einstellt, auch dann noch, wenn an die Stelle des
auslösenden Reizes ein neutraler Reiz tritt. Das heisst, wenn
die Hagia mit wirksamen Verfahren (pflanzlichen Mitteln
ebenso wie Zaubersprüchen) Kranken helfen konnte, dann
war dies ein auslösender Reiz, welcher als Reaktion im
Idealfall die Gesundung zur Folge hatte. Konnte sie einem
anderen Erkrankten nun aber nicht unmittelbar helfen und
setzte stattdessen „nur“ Zaubersprüche und Rituale ein,
dann war dies ein neutraler Reiz, welcher die
Selbstheilungskräfte des Patienten aktivierte und somit
gleichfalls in einer Gesundung münden konnte.
Die Zaubersprüche waren vermutlich ein Rezitieren uralter
Formeln, die ihren Ursprung im Sammeln und Zubereiten
von Pflanzen hatten. Man kennt so etwas heute noch als
latinisierten „Fachjargon“ gewisser Ärzte. Die Hagia
beeinflusste im Rahmen des Rituals die Psyche ihres
„Kunden“, welche ihrerseits den Hypothalamus in dessen
Gehirn zur Ausschüttung der o. e. körpereigenen
Medikamente veranlasste: Der Selbstheilungsprozess war in
Gang gesetzt worden. Allein die Heilungserwartung stärkte
somit bereits das Immunsystem.
Der Placebo-Effekt ist daher keineswegs zu belächeln. Er ist
genauso wirkungsvoll wie ein von externer Seite
verabreichtes, „richtiges“ Mittel und vermutlich genauso alt