Böse Hexen gibt es nicht - Versuch einer interdisziplinären - Heim

Der Ratsuchende wird bei korrekter Persönlichkeitsanalyse
der Hagia und ihren Weissagungen vertraut haben. Erfuhr er
aber erst einmal - durch welches Verfahren auch immer -
etwas über seine vermeintliche Zukunft, dann trat
wahrscheinlich auch das Phänomen der Self-Fulfilling-
Prophecy ein. Das bedeutet: Je wirkungsvoller die Hagazussa
ihren „Kunden“ beeinflusste, desto eher trafen ihre
Voraussagen auch zu (weil der „Kunde“ selbst entsprechend
handelte) und desto größer wurde ihr Ansehen. Das dieses
sehr groß gewesen sein muss ist schon daran erkennbar, dass
selbst der Römer Diodorus Siculus sich genötigt sah, die
Fähigkeit der Druiden zur Voraussage der Zukunft in seinen
Schriften zu erwähnen.
Gerade zum Jahreswechsel dürfte die Hagia in ihrer
Funktion als Orakel mehr als genug zu tun gehabt haben.
Nach altem heidnischen Glauben erfüllen sich nämlich die
Träume der „Losnächte“ (vom 20.12. zum 21.12. und vom
21.12. auf den 22.12.) sowie die der Rauhnächte (die Nächte
vom 25.12. bis zum 6.1., in denen die Seelen der Toten
Ausgang haben sollen). Lieferte die Hagia in diesem
Zusammenhang aus Bilsen und Tollkirsche hergestellte
Solanazeendrogen, zu deren Wirkungscharakteristika ein
mitunter scheintodähnlicher Schlaf („Schneewittchen“ lässt
grüssen!), das Empfinden einer extremen Zeitdehnung und
die Unterhaltung mit imaginären Personen („...spricht mit
den Geistern...“) gehörten? Es ist durchaus anzunehmen.
Noch heute hat sich das Silvesterbleigießen als Orakel-
Brauchtum aus dieser Zeit erhalten. Bestimmte Rituale, wie
etwa das Verräuchern von Bilsen, Fliegenpilz, Hanf, kleinem
Habichtskraut, Tollkirsche und anderen psychoaktiven