Die Aborigines: Männer und Frauen Frauen wirtschaftlich selb ... - KHA
Die Aborigines: Männer und Frauen Frauen wirtschaftlich selb ... - KHA
Die Aborigines: Männer und Frauen Frauen wirtschaftlich selb ... - KHA
- TAGS
- frauen
- wirtschaftlich
- selb
- kha.at
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
▲<br />
<strong>Die</strong> <strong>Aborigines</strong>: <strong>Männer</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong><br />
(aus: H. Küng, Spurensuche, S. 16f)<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 1 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
<strong>Frauen</strong> <strong>wirtschaftlich</strong> <strong>selb</strong>ständig<br />
<strong>Die</strong> <strong>Frauen</strong> der Ureinwohner sind nicht weniger<br />
aktiv als die <strong>Männer</strong>. Beide sind perfekte Naturkenner.<br />
Doch halten sie sich, wenngleich nicht rigoros,<br />
an eine Arbeitsteilung. <strong>Die</strong> <strong>Frauen</strong> sind<br />
Sammlerinnen. Sie wissen genau, welche Früchte<br />
wo wann reifen, welche Pflanzen, Wurzeln, Knollen,<br />
Beeren, Würmer <strong>und</strong> Insekten eßbar sind. Sie<br />
lehren schon die Kinder, sich in der Natur<br />
zurechtzufinden. …<br />
Bei der Nahrungsbeschaffung herrscht<br />
Gleichberechtigung der Geschlechter. Ist das vielleicht<br />
ein Beweis für eine ursprüngliche <strong>Frauen</strong>herrschaft?<br />
Ein Beleg für die alte Matriarchatsthese<br />
der Bachofen, Morgan <strong>und</strong> Engels, die gerade<br />
mit Verweis auf Australien eine mutterrechtliche<br />
Ur-Gesellschaft behaupteten? Nein, eine solche<br />
dürfte von der neueren Forschung (U. Wesel,<br />
H.␣ Zinser) als Fiktion entlarvt sein. Oder aber zumindest<br />
ein Beleg für eine vollkommene Gleichberechtigung<br />
der <strong>Frauen</strong> im sozialen Prozeß, wie<br />
sie feministische Anthropologinnen (Diana Bell) für<br />
die australischen <strong>Aborigines</strong> zu beweisen versuchten?<br />
Ihre Forschung hat das unbestreitbare Verdienst,<br />
die lange Zeit unter männlichen Anthropologen<br />
herrschende Vorstellung von einer totalen<br />
<strong>Männer</strong>herrschaft gründlich erschüttert zu haben.<br />
Sie hat die Autonomie der <strong>Frauen</strong> vor allem im<br />
<strong>wirtschaftlich</strong>en Bereich sichtbar gemacht.<br />
Politisch <strong>und</strong> rituell dominieren<br />
die <strong>Männer</strong><br />
Im politischen <strong>und</strong> auch im rituellen Bereich herrschen,<br />
man kann es nicht leugnen, die <strong>Männer</strong>. <strong>Die</strong><br />
Heiratsregeln sind <strong>Männer</strong>werk. Freie Partnerwahl<br />
besteht nur für <strong>Männer</strong>. Und die Alten – <strong>Männer</strong>,<br />
nicht <strong>Frauen</strong> – sind die Hüter des Gesetzes. Allerdings<br />
gewährt man den <strong>Frauen</strong> gewisse sexuelle<br />
Freiheiten bezüglich anderer <strong>Männer</strong>. Insbesondere<br />
haben sie ihr eigenes geheimes rituelles Leben <strong>und</strong><br />
Wissen, ihre eigenen Zeremonien <strong>und</strong> heiligen Gegenstände.<br />
Heilungen können auch sie vornehmen.<br />
Vor allem die älteren <strong>Frauen</strong> wissen viel von den<br />
geheimen Riten der <strong>Männer</strong>.<br />
Aber diese eigenen Domänen der <strong>Frauen</strong> beweisen<br />
noch kein Matriarchat. <strong>Die</strong> entscheidenden<br />
Riten <strong>und</strong> die besonders schwierigen Heilungen<br />
sind nun einmal <strong>Männer</strong>sache. Es sind die von<br />
<strong>Männer</strong>n »entlockten« Geräusche der Schwirrhölzer,<br />
aus denen die <strong>Aborigines</strong> die Stimmen der<br />
Ahnen heraushören, <strong>und</strong> diese warnen die <strong>Frauen</strong><br />
vor dem Betreten bestimmter heiliger Orte. Kurz,<br />
im politisch-rituellen Bereich sind die <strong>Frauen</strong> in<br />
ein von <strong>Männer</strong>n definiertes <strong>und</strong> kontrolliertes<br />
Regelwerk eingeb<strong>und</strong>en (E. Supp).<br />
<strong>Die</strong> <strong>Männer</strong> sind Jäger. Sie kennen die Gewohnheiten<br />
der Känguruhs, Emus <strong>und</strong> Opossums –<br />
alles Beuteltiere. Höher entwickelte Säugetiere<br />
gab es in Australien ursprünglich keine. Aber, man<br />
fragt sich, warum werfen die <strong>Männer</strong> zuerst einen<br />
Stein in ein Wasserloch, bevor sie daraus Wasser<br />
entnehmen? Aus Ehrfurcht vor der Natur: Sie fragen<br />
die Wassergeister um Erlaubnis. Ist das nur<br />
Aberglaube? Nicht nur: Das Wasser könnte ja vergiftet,<br />
das Wasserloch das nächste Mal ausgetrocknet<br />
sein.<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲
▲<br />
Der Kampf der Schlangenfrau Kuniya<br />
mit dem Schlangenmann Liru<br />
(aus: H. Küng, Spurensuche, S. 22f)<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 2 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
Meint die Urzeit eine heile, paradiesische Welt?<br />
Nein, im Gegenteil: Schon hier gibt es Gut <strong>und</strong><br />
Böse, Haß <strong>und</strong> Streit. <strong>Die</strong> Ahnengeister sind keine<br />
Götter <strong>und</strong> auch keine moralischen Vorbilder. Das<br />
zeigt die noch heute lebendige Geschichte vom<br />
Kampf der Riesenschlange Kuniya mit Liru, einem<br />
Giftschlangen-Mann. Auf der Südseite des Uluru<br />
hat dieser Kampf – so sehen es die Ureinwohner –<br />
seine tiefen Spuren hinterlassen. Seit Urzeiten erzählen<br />
sie davon:<br />
<strong>Die</strong> Schlangenfrau Kuniya kam damals zum<br />
Uluru, um ihre Eier zu legen. Ihr Neffe aber hatte<br />
eine Schar von Liru-Giftschlangen so sehr erzürnt,<br />
daß die Lirus Speere nach ihm warfen; Löcher im<br />
Felsen zeugen noch heute davon. Ein Speer traf<br />
ihn tödlich.<br />
Als Kuniya das erfährt, wird sie traurig, ja<br />
zornig, worüber ein Liru-Krieger nur spottet. Nach<br />
Rache dürstend, erhebt sie sich zum machtvollen<br />
Tanz. Um ihren Zorn zu mäßigen, speit sie zunächst<br />
Gift in den Sand <strong>und</strong> schleudert ihn in die<br />
Tiefe. Doch dann bewegt sie sich auf den Liru-<br />
Mann zu, <strong>und</strong> – jetzt unmäßig im Zorn – hebt sie<br />
den Hackstock <strong>und</strong> schlägt ihn, zuerst leicht, dann<br />
tödlich.<br />
Noch heute erkennt man am Uluru des<br />
Kampfes Spuren: Feigenbäume <strong>und</strong> Speerweinbüsche<br />
vergiftet, Windungen der Schlangen im<br />
Fels, Kuniyas beide Schläge, des toten Liru-Kriegers<br />
Schild, zu Boden gefallen. Und schließlich das<br />
Wasserloch, zu dem Kuniya ihren toten Neffen<br />
heimgebracht hat <strong>und</strong> wo man noch heute die<br />
Ahnen-Schlange um Regen bittet: ein heiliger Ort.<br />
Eine wahre Geschichte von Schuld <strong>und</strong> Sühne,<br />
Kampf <strong>und</strong> Tod.<br />
<strong>Die</strong>s alles ist also Teil von Tjukurpa, dem<br />
Urgesetz, welches das F<strong>und</strong>ament der Kultur ist bis<br />
auf den heutigen Tag. So haben Verhalten <strong>und</strong><br />
Taten der Ur-Mächte entweder Leben, Glück <strong>und</strong><br />
Heil oder aber Schmerz, Zerstörung, Tod <strong>und</strong> Unheil<br />
gebracht. Der Kampf zwischen Kuniya <strong>und</strong> Liru<br />
ist jedenfalls ein Ereignis, das noch heute von den<br />
australischen Ureinwohnern in Geschichten, Gesang<br />
<strong>und</strong> rituellen Tänzen gefeiert wird.<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲
▲<br />
Was ist Totem <strong>und</strong> was Tabu?<br />
(aus: H. Küng, Spurensuche, S. 24f)<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 3 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
Für die Ureinwohner stammt jedes Individuum von<br />
einem ganz bestimmten Urwesen ab, einem Tier<br />
oder einer Pflanze: dem Totem (nordamerikanisch),<br />
das als Abstammungstier auch sein Schutzgeist ist.<br />
Das Känguruh oder der Emu, eine Schlange oder<br />
ein Vogel werden als Ur-Ahn eines ganzen Stammes<br />
oder Clans verehrt: ein kollektives Totem,<br />
welches für die Totemverwandtschaft <strong>und</strong> für bestimmte<br />
Heiratsverbote (gegen Inzest) maßgebend<br />
ist. Aufgr<strong>und</strong> dieses Totems nennen sich die Menschen<br />
entsprechend Känguruh- oder Schlangenmensch,<br />
was zugleich die Würde der Tiere <strong>und</strong><br />
Pflanzen erhöht.<br />
Machen also die Ureinwohner etwa keinen<br />
Unterschied zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier? Ethnologen<br />
haben das früher behauptet. Doch das ist Unsinn.<br />
Zwischen dem Känguruh <strong>und</strong> dem Menschen<br />
gibt es für die Ureinwohner keine biologische, sondern<br />
eine mythologische Verbindung. Und diese ist<br />
ebensowenig wörtlich zu nehmen wie etwa in unserer<br />
Märchenliteratur die Verwandlung eines Königs<br />
in einen Frosch <strong>und</strong> umgekehrt.<br />
Aber haben die Ureinwohner vielleicht doch<br />
keine Kenntnis von der biologischen Entstehung<br />
des Menschen? Ethnologen haben auch dies frü-<br />
her behauptet. Und auch dies ist Unsinn. <strong>Die</strong> Ureinwohner<br />
kennen nur neben der biologischen<br />
Zeugung <strong>und</strong> der sterblichen Seele noch eine<br />
zweite, spirituelle. Eine solche empfängt die Mutter<br />
später an einer bestimmten Stelle der Landschaft.<br />
<strong>Die</strong>se andere, die unsterbliche Seele des<br />
Kindes (etwa bei ersten Schwangerschaftschmerzen)<br />
stammt von einem Urwesen. Sie ist das<br />
individuelle Totem: <strong>Die</strong>ses beheimatet das Kind in<br />
der Sphäre des Ewigen, bleibt sein Schutzgeist <strong>und</strong><br />
vermittelt ihm Rechte <strong>und</strong> Pflichten. Für solchen<br />
»Empfängnistotemismus« ist der »Empfängnisort«<br />
von entscheidender Bedeutung.<br />
Das Totem ist für die <strong>Aborigines</strong> »tabu«<br />
(polynesisch): das heißt »geheiligt«, »unantastbar«.<br />
<strong>Die</strong> Folge: Ein Totemtier darf nicht gejagt, verw<strong>und</strong>et,<br />
gar getötet werden. Es kann <strong>und</strong> soll aber<br />
durchaus dargestellt werden: auf Steinen <strong>und</strong><br />
Hölzern, in Tänzen <strong>und</strong> Gesängen. Und es soll gefeiert<br />
werden zur Erhaltung der eigenen Art. Und<br />
weil alle Rituale als von den Ahnengeistern eingesetzt<br />
gelten, sollten die zeremoniellen Gesänge,<br />
Körperbemalungen <strong>und</strong> Rituale unverändert<br />
bleiben.<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲
▲<br />
Der australische Mythos vom ersten Menschen<br />
<strong>und</strong> dem Jarranbaum<br />
(aus: H. Halbfas, Das Welthaus, Düsseldorf 4 1990, S. 137)<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 4 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
Ein Mythos der australischen <strong>Aborigines</strong> erzählt<br />
von Berukburn, dem ersten Menschen, der von<br />
Baiame erschaffen <strong>und</strong> zusammen mit seiner Frau<br />
an einen Ort geführt worden war, an dem es sich<br />
gut leben ließ. Baiame aber hatte auf einen Jarranbaum,<br />
in dem ein Bienenvolk lebte, sein heiliges<br />
Zeichen gepflanzt.<br />
„<strong>Die</strong>s ist mein Baum“, sprach er zu Berukburn<br />
<strong>und</strong> seiner Frau, „<strong>und</strong> dies sind auch meine<br />
Bienen. Ihr könnt eure Nahrung suchen, überall in<br />
dem Land, das ich euch gegeben habe. Aber diesen<br />
Baum <strong>und</strong> diese Bienen <strong>und</strong> den Honig, den sie<br />
hervorbringen, die dürft ihr nicht berühren. Wenn<br />
ihr sie aber doch berührt, so werden euch viele<br />
Übel befallen, euch <strong>und</strong> alle, die nach euch kommen<br />
werden.“<br />
Dann zog er sich zurück, <strong>und</strong>, nachdem er<br />
gegangen war, gehorchten Berukburn <strong>und</strong> seine<br />
Frau streng dieser Weisung.<br />
Eines Tages aber, als die Frau nach Feuerholz<br />
suchte, führte sie ihr Weg zu Baiames Baum. Hier<br />
war der Boden übersät mit abgefallenen Zweigen.<br />
Als sie sah, wie der heilige Baum sich über ihr<br />
wölbte, fürchtete sie sich; aber das viele Holz, das<br />
so leicht zu sammeln war, lockte sie näher, <strong>und</strong> sie<br />
raffte einen Arm voll zusammen. Sie empfand eine<br />
drückende Last, die über ihr schwebte, <strong>und</strong> sie erhob<br />
ihre Augen noch einmal. Jetzt war sie dicht<br />
am Baum <strong>und</strong> sah, wie die Bienen um den Baum<br />
schwirrten <strong>und</strong> Honigtropfen auf der Rinde glitzerten.<br />
Der Anblick fesselte sie so, dass sie die Augen<br />
nicht wenden konnte. Niemals zuvor hatte sie<br />
solch süßen Saft gekostet, <strong>und</strong> hier war eine unermeßliche<br />
Fülle, die für viele Mahlzeiten reichen<br />
würde. So konnte sie der Verlockung der schimmernden<br />
Tropfen nicht widerstehen, ließ das Holz<br />
fallen <strong>und</strong> kletterte den Baum hinauf.<br />
Plötzlich erhob sich ein Windstoß, <strong>und</strong> eine<br />
dunkle Gestalt hüllte sie mit furchtbaren sdhwarzen<br />
Schwingen ein. Es war Narahdarn, der Böse,<br />
der Baiame hier eingesetzt hatte, dass er seinen<br />
Jarranbaum bewache.<br />
Berukburns Frau machte, dass sie vom Baume<br />
herunterkam, <strong>und</strong> schlich zu ihrer Behausung,<br />
wo sie sich in der dunkelsten Ecke versteckte.<br />
Das Üble, das sie getan hatte, wurde niemals<br />
wieder geheilt, denn sie hat Narahdarn, den Bösen,<br />
in die Welt gelassen, <strong>und</strong> von diesem Tage an<br />
wurde sie sterblich, sie <strong>und</strong> alle Nachkommen<br />
Berukburns.<br />
<strong>Die</strong>se Tat war das Ende der goldenen Zeit für<br />
Berukburn <strong>und</strong> sein Weib, <strong>und</strong> der Jarranbaum<br />
weinte darüber bitterlich, jedesmal, wenn er daran<br />
dachte. Seine Tränen tropfen die Rinde hinunter, es<br />
ist der rote Gummi, den man oft an Jarranbäumen<br />
findet.<br />
Fragen zum Text<br />
◗ Was ist in diesem Text das Ziel des<br />
Schöpfers?<br />
◗ Suchen <strong>und</strong> erklären Sie Parallelen zum<br />
biblischen Schöpfungsbericht.<br />
◗ Welche Aussage macht dieser Text über den<br />
Menschen?<br />
◗ Wie argumentieren der australische <strong>und</strong> der<br />
biblische Schöpfungsmythos?<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲
▲<br />
Aus dem biblischen Schöpfungsbericht<br />
Genesis 2,8-9. 16-17; 3,1-13<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 5 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
2,8 Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten,<br />
einen Garten an <strong>und</strong> setzte dorthin den Menschen,<br />
den er geformt hatte. 9 Gott, der Herr,<br />
ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen,<br />
verlockend anzusehen <strong>und</strong> mit köstlichen<br />
Früchten, in der Mitte des Gartens aber den<br />
Baum des Lebens <strong>und</strong> den Baum der Erkenntnis<br />
von Gut <strong>und</strong> Böse. …<br />
2,16 Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen:<br />
Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen,<br />
17␣ doch vom Baum der Erkenntnis von Gut <strong>und</strong><br />
Böse darfst du nicht essen; denn sobald du<br />
davon ißt, wirst du sterben. …<br />
3,1 <strong>Die</strong> Schlange war schlauer als alle Tiere des<br />
Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie<br />
sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr<br />
dürft von keinem Baum des Gartens essen?<br />
2␣ <strong>Die</strong> Frau entgegnete der Schlange: V on den<br />
Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen;<br />
3␣ nur von den Früchten des Baumes, der<br />
in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt:<br />
Davon dürft ihr nicht essen, <strong>und</strong> daran dürft ihr<br />
nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. 4␣ Darauf<br />
sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet<br />
nicht sterben. 5␣ Gott weiß vielmehr: Sobald<br />
ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf;<br />
ihr werdet wie Gott <strong>und</strong> erkennt Gut <strong>und</strong> Böse.<br />
6␣ Da sah die Frau, daß es köstlich wäre, von<br />
dem Baum zu essen, daß der Baum eine Augenweide<br />
war <strong>und</strong> dazu verlockte, klug zu werden.<br />
Sie nahm von seinen Früchten <strong>und</strong> aß; sie gab<br />
auch ihrem Mann, der bei ihr war, <strong>und</strong> auch er<br />
aß. 7␣ Da gingen beiden die Augen auf, <strong>und</strong> sie<br />
erkannten, daß sie nackt waren. Sie hefteten<br />
Feigenblätter zusammen <strong>und</strong> machten sich einen<br />
Schurz. 8␣ Als sie Gott, den Herrn, im Garten<br />
gegen den Tagwind einherschreiten hörten,<br />
versteckten sich Adam <strong>und</strong> seine Frau vor Gott,<br />
dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens.<br />
9␣ Gott, der Herr , rief Adam zu <strong>und</strong> sprach: Wo<br />
bist du? 10␣ Er antwortete: Ich habe dich im<br />
Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht,<br />
weil ich nackt bin, <strong>und</strong> versteckte mich.<br />
11␣ Darauf fragte er: W er hat dir gesagt, daß du<br />
nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen,<br />
von dem zu essen ich dir verboten habe?<br />
12␣ Adam antwortete: <strong>Die</strong> Frau, die du mir beigesellt<br />
hast, sie hat mir von dem Baum gegeben,<br />
<strong>und</strong> so habe ich gegessen. 13␣ Gott, der<br />
Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan?<br />
<strong>Die</strong> Frau antwortete: <strong>Die</strong> Schlange hat mich<br />
verführt, <strong>und</strong> so habe ich gegessen.<br />
Fragen zum Text<br />
◗ Wie beschreibt der Jahwist das ursprüngliche<br />
Ziel Gottes?<br />
◗ Was suggeriert die Schlange dem Menschen?<br />
◗ Warum hat Gott das Verbot in Vers 3:3<br />
erlassen?<br />
◗ Was verspricht die Schlange der Frau?<br />
◗ Was fasziniert die Frau am Angebot der<br />
Schlange?<br />
◗ Erklären Sie, welche Aussage die Frau in<br />
Vers 3:13 über den Menschen macht!<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲
▲<br />
Anmerkungen zur biblischen Schöpfungserzählung<br />
(nach H. Haag, Am Morgen der Zeit, Düsseldorf 1995)<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 6 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
Es geht der Bibel nicht darum, wie die Welt wurde<br />
<strong>und</strong> woraus die Welt besteht. Für sie kommt es<br />
allein auf die Frage an:<br />
◗ Wie steht es um den Menschen, was will Gott<br />
mit ihm?<br />
◗ Warum ist der Mensch nicht imstande, in Ruhe<br />
<strong>und</strong> Frieden das Geschenk seines Daseins zu genießen?<br />
◗ Warum verwandelt sich in seiner Nähe das Paradies<br />
der Welt immer wieder in eine Hölle aus<br />
Lüge <strong>und</strong> Lieblosigkeit, Mord <strong>und</strong> Verrat, Herrschaft<br />
<strong>und</strong> Gewalt?<br />
Gott erschuf den Menschen<br />
nach seinem Bild<br />
Was den Menschen zum Bild Gottes macht, ist<br />
weder seine körperliche Erscheinung noch seine<br />
Geistigkeit. Der Mensch ist dazu berufen, in freier<br />
Verantwortung zu handeln. Gott hat den Lauf der<br />
Welt <strong>und</strong> der Geschichte in die Hände des Menschen<br />
gelegt, <strong>und</strong> der Mensch kann sich dieser<br />
Verantwortung in keiner Weise entziehen. Er kann<br />
für den schlechten Lauf der Welt nicht Gott anklagen,<br />
sondern muß schuldbewußt an seine eigene<br />
Brust klopfen.<br />
Aus der Würde, die dem Menschen als Bild<br />
Gottes zukommt, ergibt sich: Nie darf ein Mensch<br />
über einen Menschen herrschen. Über ihn herrscht<br />
nur Gott. Damit ist das Urteil gesprochen über alle<br />
Tyrannen, über die großen Tyrannen der Weltgeschichte,<br />
aber auch über die kleinen Tyrannen, denen<br />
wir in Familie, Gesellschaft, Schule <strong>und</strong> Kirche<br />
begegnen <strong>und</strong> die ihren Mitmenschen das Leben<br />
zur Hölle machen können.<br />
Der Garten<br />
Wir dürfen gewiß nicht wörtlich verstehen, dass<br />
Gott einen Garten gepflanzt <strong>und</strong> den ersten Men-<br />
schen in den Garten hineinversetzt <strong>und</strong> dass der<br />
Mensch in einem wohlbehüteten Garten gelebt<br />
habe. Mit dem Bild vom Garten will der biblische<br />
Erzähler sagen, dass die Menschen in der Nähe<br />
Gottes leben.<br />
Wenn der Garten nicht wörtlich verstanden<br />
werden darf, dann dürfen sinngemäß auch der verbotene<br />
Baum <strong>und</strong> die Frucht des verbotenen Baumes<br />
nicht wörtlich verstanden werden. Gutes <strong>und</strong><br />
Böses erkennen, wissen um Gut <strong>und</strong> Böse bedeutet:<br />
über alles verfügen. Wenn den Menschen verboten<br />
wird, vom Baum des Wissens um Gut <strong>und</strong><br />
Böse zu essen, heißt dies: die Freiheit des Menschen<br />
darf nie absolut sein. Sie findet ihre Grenzen<br />
in der Freiheit des Mitmenschen.<br />
<strong>Die</strong> Schlange<br />
<strong>Die</strong> Schlange sät Zweifel an der Güte Gottes. Als<br />
ob Gott dem Menschen eine unzumutbare Qual<br />
auferlegt hätte, nicht vom „Baum des Lebens“ zu<br />
essen. Ursprünglich hat Gott sein Verbot erlassen,<br />
um den Menschen zu schützen. In der Infragestellung<br />
der Schlange wird daraus ein Gott, der nur<br />
gebietet, um den Menschen niedrig zu halten <strong>und</strong><br />
zu quälen.<br />
<strong>Die</strong> böse Begierde<br />
Sie ist von Anfang an im Menschen. Das Böse ist<br />
in der Anlage des Menschen begründet. Der<br />
Mensch ist nicht nur anfällig für Krankheiten, er<br />
ist auch anfällig für das Böse. Es war völlig unnötig,<br />
zur Erklärung des Bösen den Teufel ins Spiel<br />
zu bringen. <strong>Die</strong> Schlange ist nicht Bild für den<br />
Versucher, sondern für die Versuchung. Freilich<br />
hatte der Teufelsglaube den „großen“ Vorteil, dass<br />
der Mensch die Schuld für seine Sünde auf einen<br />
anderen abschieben konnte.<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲
▲<br />
<strong>Die</strong> Kolonisierung Australiens<br />
(nach: H. Küng, Spurensuche, S. 28)<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 7 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
Triumphstory der Weißen<br />
◗ Australien wird Sträflingskolonie: 1788 die<br />
ersten 717, bis 1868 r<strong>und</strong> 161.000 englische<br />
Strafgefangene.<br />
◗ Zentrum der Wollwirtschaft: 1829 bereits<br />
400.000 weiße Australier.<br />
◗ 1851 Goldf<strong>und</strong>e 1851, zweite große Einwanderungswelle:<br />
1860 bereits eine Million, am Ende<br />
des Goldbooms anfangs des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
vier Millionen Europäer.<br />
◗ Ende des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts über 18 Millionen<br />
Einwohner, mit einem der höchsten Lebensstandards<br />
der Welt: 95% Weiße <strong>und</strong> nur r<strong>und</strong> 2%<br />
Ureinwohner.<br />
Tragödie der Schwarzen<br />
◗ Das Land der Ureinwohner gilt nach europäischem<br />
Recht als kaum bewohntes Niemandsland<br />
(terra nullius) <strong>und</strong> wird zum britischen<br />
Kronland erklärt.<br />
◗ <strong>Die</strong> religiöse Bindung der Ureinwohner an ihr<br />
Land wird mit Füßen getreten.<br />
◗ <strong>Die</strong> Ureinwohner werden »britische Untertanen«.<br />
◗ Europäische Viehzüchter verdrängen die <strong>Aborigines</strong><br />
<strong>und</strong> schlachten sie bisweilen förmlich ab.<br />
◗ Eingeschleppte Krankheiten (Pocken, Masern,<br />
Geschlechtskrankheiten) dezimieren die <strong>Aborigines</strong>:<br />
von 300.000 auf 670.00 im Jahre 1901.<br />
◗ Umerziehung der Ureinwohner in Reservatssiedlungen<br />
<strong>und</strong> Missionsstationen.<br />
◗ Zerstörung von Kultstätten durch Ausbeutung<br />
von Bodenschätzen.<br />
◗ 100.000 mischblütige Kinder noch bis 1970 gewaltsam<br />
von ihren Eltern getrennt.<br />
Situation heute<br />
◗ 1967 rechtliche Gleichstellung der Ureinwohner<br />
mit den Weißen.<br />
◗ 1992 eine gewisse Anerkennung ihrer früheren<br />
Landrechte: massive Landforderungen mit heftigen<br />
Konflikten.<br />
◗ Abbaurechte der Bodenschätze werden nach<br />
wie vor von der Regierung vergeben.<br />
◗ Teilweise Selbstverwaltung der <strong>Aborigines</strong>.<br />
◗ Unterstützung der Ureinwohner heute auch<br />
durch Weiße, allmähliche Versöhnung, vor allem<br />
auf lokaler Ebene.<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲
▲<br />
Afrikanischer Geisterglaube<br />
(nach: H. Küng, Spurensuche, S. 34f)<br />
CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 8 von 8<br />
© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />
▲ ▲<br />
▲ ▲<br />
▲<br />
Kaum die Hälfte der Bewohner Simbabwes nennen<br />
sich heute Christen. Doch alle glauben – christlich<br />
oder islamisch beeinflußt – an Mwari, den einen<br />
Gott <strong>und</strong> Schöpfer. Und überall in diesem Land ist<br />
die traditionelle afrikanische Religiosität noch<br />
lebendig: Eine Welt voller Dämonen <strong>und</strong> Geister –<br />
ähnlich wie im christlichen Mittelalter. Besonders<br />
wichtig die Ahnengeister: Sie sind den Menschen<br />
näher als der ferne Schöpfergott.<br />
Wie überall unter den Stammesreligionen<br />
Schwarzafrikas glaubt man auch in Simbabwe an<br />
allerlei Geister: gute <strong>und</strong> böse, berechenbare <strong>und</strong><br />
unberechenbare.<br />
<strong>Die</strong> Ahnen tun sich k<strong>und</strong> durch eine Mittelsperson,<br />
die von einem Geist in Besitz genommen<br />
ist: das Geistmedium. Nur das Medium kann Geister<br />
besänftigen, gnädig stimmen oder vertreiben<br />
durch Gebet, Gesang, Tanz <strong>und</strong> Opfer.<br />
Ahnengeister (vadzimu)<br />
◗ <strong>Die</strong> Geister der Verstorbenen.<br />
◗ Sie irren zunächst zornig <strong>und</strong> gefährlich umher.<br />
◗ Durch entsprechende Riten können sie heimgeholt<br />
<strong>und</strong> zum schützenden Ahnen eingesetzt<br />
werden.<br />
◗ Sie fungieren als Schutzgeister für die Familie,<br />
besonders die Kinder.<br />
Wandergeister (mashavi)<br />
◗ Geister von Verstorbenen, die in der Fremde<br />
nicht richtig begraben wurden.<br />
◗ Sie irren umher, da sie nicht vergessen sein<br />
wollen.<br />
Stammesgeister (mhondoro)<br />
◗ Gute Geister, die für die Wohlfahrt eines<br />
Stammes <strong>und</strong> dessen Häuptlings Sorge tragen.<br />
Geistmedium (svikiro)<br />
◗ Ist vom Geist in Besitz genommen <strong>und</strong> mit<br />
besonderen Fähigkeiten ausgestattet.<br />
◗ Nur das Medium kann Geister besänftigen,<br />
gnädig stimmen oder vertreiben.<br />
▲ ▲ ▲ ▲<br />
▲