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Die Aborigines: Männer und Frauen Frauen wirtschaftlich selb ... - KHA

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<strong>Die</strong> <strong>Aborigines</strong>: <strong>Männer</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong><br />

(aus: H. Küng, Spurensuche, S. 16f)<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 1 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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<strong>Frauen</strong> <strong>wirtschaftlich</strong> <strong>selb</strong>ständig<br />

<strong>Die</strong> <strong>Frauen</strong> der Ureinwohner sind nicht weniger<br />

aktiv als die <strong>Männer</strong>. Beide sind perfekte Naturkenner.<br />

Doch halten sie sich, wenngleich nicht rigoros,<br />

an eine Arbeitsteilung. <strong>Die</strong> <strong>Frauen</strong> sind<br />

Sammlerinnen. Sie wissen genau, welche Früchte<br />

wo wann reifen, welche Pflanzen, Wurzeln, Knollen,<br />

Beeren, Würmer <strong>und</strong> Insekten eßbar sind. Sie<br />

lehren schon die Kinder, sich in der Natur<br />

zurechtzufinden. …<br />

Bei der Nahrungsbeschaffung herrscht<br />

Gleichberechtigung der Geschlechter. Ist das vielleicht<br />

ein Beweis für eine ursprüngliche <strong>Frauen</strong>herrschaft?<br />

Ein Beleg für die alte Matriarchatsthese<br />

der Bachofen, Morgan <strong>und</strong> Engels, die gerade<br />

mit Verweis auf Australien eine mutterrechtliche<br />

Ur-Gesellschaft behaupteten? Nein, eine solche<br />

dürfte von der neueren Forschung (U. Wesel,<br />

H.␣ Zinser) als Fiktion entlarvt sein. Oder aber zumindest<br />

ein Beleg für eine vollkommene Gleichberechtigung<br />

der <strong>Frauen</strong> im sozialen Prozeß, wie<br />

sie feministische Anthropologinnen (Diana Bell) für<br />

die australischen <strong>Aborigines</strong> zu beweisen versuchten?<br />

Ihre Forschung hat das unbestreitbare Verdienst,<br />

die lange Zeit unter männlichen Anthropologen<br />

herrschende Vorstellung von einer totalen<br />

<strong>Männer</strong>herrschaft gründlich erschüttert zu haben.<br />

Sie hat die Autonomie der <strong>Frauen</strong> vor allem im<br />

<strong>wirtschaftlich</strong>en Bereich sichtbar gemacht.<br />

Politisch <strong>und</strong> rituell dominieren<br />

die <strong>Männer</strong><br />

Im politischen <strong>und</strong> auch im rituellen Bereich herrschen,<br />

man kann es nicht leugnen, die <strong>Männer</strong>. <strong>Die</strong><br />

Heiratsregeln sind <strong>Männer</strong>werk. Freie Partnerwahl<br />

besteht nur für <strong>Männer</strong>. Und die Alten – <strong>Männer</strong>,<br />

nicht <strong>Frauen</strong> – sind die Hüter des Gesetzes. Allerdings<br />

gewährt man den <strong>Frauen</strong> gewisse sexuelle<br />

Freiheiten bezüglich anderer <strong>Männer</strong>. Insbesondere<br />

haben sie ihr eigenes geheimes rituelles Leben <strong>und</strong><br />

Wissen, ihre eigenen Zeremonien <strong>und</strong> heiligen Gegenstände.<br />

Heilungen können auch sie vornehmen.<br />

Vor allem die älteren <strong>Frauen</strong> wissen viel von den<br />

geheimen Riten der <strong>Männer</strong>.<br />

Aber diese eigenen Domänen der <strong>Frauen</strong> beweisen<br />

noch kein Matriarchat. <strong>Die</strong> entscheidenden<br />

Riten <strong>und</strong> die besonders schwierigen Heilungen<br />

sind nun einmal <strong>Männer</strong>sache. Es sind die von<br />

<strong>Männer</strong>n »entlockten« Geräusche der Schwirrhölzer,<br />

aus denen die <strong>Aborigines</strong> die Stimmen der<br />

Ahnen heraushören, <strong>und</strong> diese warnen die <strong>Frauen</strong><br />

vor dem Betreten bestimmter heiliger Orte. Kurz,<br />

im politisch-rituellen Bereich sind die <strong>Frauen</strong> in<br />

ein von <strong>Männer</strong>n definiertes <strong>und</strong> kontrolliertes<br />

Regelwerk eingeb<strong>und</strong>en (E. Supp).<br />

<strong>Die</strong> <strong>Männer</strong> sind Jäger. Sie kennen die Gewohnheiten<br />

der Känguruhs, Emus <strong>und</strong> Opossums –<br />

alles Beuteltiere. Höher entwickelte Säugetiere<br />

gab es in Australien ursprünglich keine. Aber, man<br />

fragt sich, warum werfen die <strong>Männer</strong> zuerst einen<br />

Stein in ein Wasserloch, bevor sie daraus Wasser<br />

entnehmen? Aus Ehrfurcht vor der Natur: Sie fragen<br />

die Wassergeister um Erlaubnis. Ist das nur<br />

Aberglaube? Nicht nur: Das Wasser könnte ja vergiftet,<br />

das Wasserloch das nächste Mal ausgetrocknet<br />

sein.<br />

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Der Kampf der Schlangenfrau Kuniya<br />

mit dem Schlangenmann Liru<br />

(aus: H. Küng, Spurensuche, S. 22f)<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 2 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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Meint die Urzeit eine heile, paradiesische Welt?<br />

Nein, im Gegenteil: Schon hier gibt es Gut <strong>und</strong><br />

Böse, Haß <strong>und</strong> Streit. <strong>Die</strong> Ahnengeister sind keine<br />

Götter <strong>und</strong> auch keine moralischen Vorbilder. Das<br />

zeigt die noch heute lebendige Geschichte vom<br />

Kampf der Riesenschlange Kuniya mit Liru, einem<br />

Giftschlangen-Mann. Auf der Südseite des Uluru<br />

hat dieser Kampf – so sehen es die Ureinwohner –<br />

seine tiefen Spuren hinterlassen. Seit Urzeiten erzählen<br />

sie davon:<br />

<strong>Die</strong> Schlangenfrau Kuniya kam damals zum<br />

Uluru, um ihre Eier zu legen. Ihr Neffe aber hatte<br />

eine Schar von Liru-Giftschlangen so sehr erzürnt,<br />

daß die Lirus Speere nach ihm warfen; Löcher im<br />

Felsen zeugen noch heute davon. Ein Speer traf<br />

ihn tödlich.<br />

Als Kuniya das erfährt, wird sie traurig, ja<br />

zornig, worüber ein Liru-Krieger nur spottet. Nach<br />

Rache dürstend, erhebt sie sich zum machtvollen<br />

Tanz. Um ihren Zorn zu mäßigen, speit sie zunächst<br />

Gift in den Sand <strong>und</strong> schleudert ihn in die<br />

Tiefe. Doch dann bewegt sie sich auf den Liru-<br />

Mann zu, <strong>und</strong> – jetzt unmäßig im Zorn – hebt sie<br />

den Hackstock <strong>und</strong> schlägt ihn, zuerst leicht, dann<br />

tödlich.<br />

Noch heute erkennt man am Uluru des<br />

Kampfes Spuren: Feigenbäume <strong>und</strong> Speerweinbüsche<br />

vergiftet, Windungen der Schlangen im<br />

Fels, Kuniyas beide Schläge, des toten Liru-Kriegers<br />

Schild, zu Boden gefallen. Und schließlich das<br />

Wasserloch, zu dem Kuniya ihren toten Neffen<br />

heimgebracht hat <strong>und</strong> wo man noch heute die<br />

Ahnen-Schlange um Regen bittet: ein heiliger Ort.<br />

Eine wahre Geschichte von Schuld <strong>und</strong> Sühne,<br />

Kampf <strong>und</strong> Tod.<br />

<strong>Die</strong>s alles ist also Teil von Tjukurpa, dem<br />

Urgesetz, welches das F<strong>und</strong>ament der Kultur ist bis<br />

auf den heutigen Tag. So haben Verhalten <strong>und</strong><br />

Taten der Ur-Mächte entweder Leben, Glück <strong>und</strong><br />

Heil oder aber Schmerz, Zerstörung, Tod <strong>und</strong> Unheil<br />

gebracht. Der Kampf zwischen Kuniya <strong>und</strong> Liru<br />

ist jedenfalls ein Ereignis, das noch heute von den<br />

australischen Ureinwohnern in Geschichten, Gesang<br />

<strong>und</strong> rituellen Tänzen gefeiert wird.<br />

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Was ist Totem <strong>und</strong> was Tabu?<br />

(aus: H. Küng, Spurensuche, S. 24f)<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 3 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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Für die Ureinwohner stammt jedes Individuum von<br />

einem ganz bestimmten Urwesen ab, einem Tier<br />

oder einer Pflanze: dem Totem (nordamerikanisch),<br />

das als Abstammungstier auch sein Schutzgeist ist.<br />

Das Känguruh oder der Emu, eine Schlange oder<br />

ein Vogel werden als Ur-Ahn eines ganzen Stammes<br />

oder Clans verehrt: ein kollektives Totem,<br />

welches für die Totemverwandtschaft <strong>und</strong> für bestimmte<br />

Heiratsverbote (gegen Inzest) maßgebend<br />

ist. Aufgr<strong>und</strong> dieses Totems nennen sich die Menschen<br />

entsprechend Känguruh- oder Schlangenmensch,<br />

was zugleich die Würde der Tiere <strong>und</strong><br />

Pflanzen erhöht.<br />

Machen also die Ureinwohner etwa keinen<br />

Unterschied zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier? Ethnologen<br />

haben das früher behauptet. Doch das ist Unsinn.<br />

Zwischen dem Känguruh <strong>und</strong> dem Menschen<br />

gibt es für die Ureinwohner keine biologische, sondern<br />

eine mythologische Verbindung. Und diese ist<br />

ebensowenig wörtlich zu nehmen wie etwa in unserer<br />

Märchenliteratur die Verwandlung eines Königs<br />

in einen Frosch <strong>und</strong> umgekehrt.<br />

Aber haben die Ureinwohner vielleicht doch<br />

keine Kenntnis von der biologischen Entstehung<br />

des Menschen? Ethnologen haben auch dies frü-<br />

her behauptet. Und auch dies ist Unsinn. <strong>Die</strong> Ureinwohner<br />

kennen nur neben der biologischen<br />

Zeugung <strong>und</strong> der sterblichen Seele noch eine<br />

zweite, spirituelle. Eine solche empfängt die Mutter<br />

später an einer bestimmten Stelle der Landschaft.<br />

<strong>Die</strong>se andere, die unsterbliche Seele des<br />

Kindes (etwa bei ersten Schwangerschaftschmerzen)<br />

stammt von einem Urwesen. Sie ist das<br />

individuelle Totem: <strong>Die</strong>ses beheimatet das Kind in<br />

der Sphäre des Ewigen, bleibt sein Schutzgeist <strong>und</strong><br />

vermittelt ihm Rechte <strong>und</strong> Pflichten. Für solchen<br />

»Empfängnistotemismus« ist der »Empfängnisort«<br />

von entscheidender Bedeutung.<br />

Das Totem ist für die <strong>Aborigines</strong> »tabu«<br />

(polynesisch): das heißt »geheiligt«, »unantastbar«.<br />

<strong>Die</strong> Folge: Ein Totemtier darf nicht gejagt, verw<strong>und</strong>et,<br />

gar getötet werden. Es kann <strong>und</strong> soll aber<br />

durchaus dargestellt werden: auf Steinen <strong>und</strong><br />

Hölzern, in Tänzen <strong>und</strong> Gesängen. Und es soll gefeiert<br />

werden zur Erhaltung der eigenen Art. Und<br />

weil alle Rituale als von den Ahnengeistern eingesetzt<br />

gelten, sollten die zeremoniellen Gesänge,<br />

Körperbemalungen <strong>und</strong> Rituale unverändert<br />

bleiben.<br />

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Der australische Mythos vom ersten Menschen<br />

<strong>und</strong> dem Jarranbaum<br />

(aus: H. Halbfas, Das Welthaus, Düsseldorf 4 1990, S. 137)<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 4 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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Ein Mythos der australischen <strong>Aborigines</strong> erzählt<br />

von Berukburn, dem ersten Menschen, der von<br />

Baiame erschaffen <strong>und</strong> zusammen mit seiner Frau<br />

an einen Ort geführt worden war, an dem es sich<br />

gut leben ließ. Baiame aber hatte auf einen Jarranbaum,<br />

in dem ein Bienenvolk lebte, sein heiliges<br />

Zeichen gepflanzt.<br />

„<strong>Die</strong>s ist mein Baum“, sprach er zu Berukburn<br />

<strong>und</strong> seiner Frau, „<strong>und</strong> dies sind auch meine<br />

Bienen. Ihr könnt eure Nahrung suchen, überall in<br />

dem Land, das ich euch gegeben habe. Aber diesen<br />

Baum <strong>und</strong> diese Bienen <strong>und</strong> den Honig, den sie<br />

hervorbringen, die dürft ihr nicht berühren. Wenn<br />

ihr sie aber doch berührt, so werden euch viele<br />

Übel befallen, euch <strong>und</strong> alle, die nach euch kommen<br />

werden.“<br />

Dann zog er sich zurück, <strong>und</strong>, nachdem er<br />

gegangen war, gehorchten Berukburn <strong>und</strong> seine<br />

Frau streng dieser Weisung.<br />

Eines Tages aber, als die Frau nach Feuerholz<br />

suchte, führte sie ihr Weg zu Baiames Baum. Hier<br />

war der Boden übersät mit abgefallenen Zweigen.<br />

Als sie sah, wie der heilige Baum sich über ihr<br />

wölbte, fürchtete sie sich; aber das viele Holz, das<br />

so leicht zu sammeln war, lockte sie näher, <strong>und</strong> sie<br />

raffte einen Arm voll zusammen. Sie empfand eine<br />

drückende Last, die über ihr schwebte, <strong>und</strong> sie erhob<br />

ihre Augen noch einmal. Jetzt war sie dicht<br />

am Baum <strong>und</strong> sah, wie die Bienen um den Baum<br />

schwirrten <strong>und</strong> Honigtropfen auf der Rinde glitzerten.<br />

Der Anblick fesselte sie so, dass sie die Augen<br />

nicht wenden konnte. Niemals zuvor hatte sie<br />

solch süßen Saft gekostet, <strong>und</strong> hier war eine unermeßliche<br />

Fülle, die für viele Mahlzeiten reichen<br />

würde. So konnte sie der Verlockung der schimmernden<br />

Tropfen nicht widerstehen, ließ das Holz<br />

fallen <strong>und</strong> kletterte den Baum hinauf.<br />

Plötzlich erhob sich ein Windstoß, <strong>und</strong> eine<br />

dunkle Gestalt hüllte sie mit furchtbaren sdhwarzen<br />

Schwingen ein. Es war Narahdarn, der Böse,<br />

der Baiame hier eingesetzt hatte, dass er seinen<br />

Jarranbaum bewache.<br />

Berukburns Frau machte, dass sie vom Baume<br />

herunterkam, <strong>und</strong> schlich zu ihrer Behausung,<br />

wo sie sich in der dunkelsten Ecke versteckte.<br />

Das Üble, das sie getan hatte, wurde niemals<br />

wieder geheilt, denn sie hat Narahdarn, den Bösen,<br />

in die Welt gelassen, <strong>und</strong> von diesem Tage an<br />

wurde sie sterblich, sie <strong>und</strong> alle Nachkommen<br />

Berukburns.<br />

<strong>Die</strong>se Tat war das Ende der goldenen Zeit für<br />

Berukburn <strong>und</strong> sein Weib, <strong>und</strong> der Jarranbaum<br />

weinte darüber bitterlich, jedesmal, wenn er daran<br />

dachte. Seine Tränen tropfen die Rinde hinunter, es<br />

ist der rote Gummi, den man oft an Jarranbäumen<br />

findet.<br />

Fragen zum Text<br />

◗ Was ist in diesem Text das Ziel des<br />

Schöpfers?<br />

◗ Suchen <strong>und</strong> erklären Sie Parallelen zum<br />

biblischen Schöpfungsbericht.<br />

◗ Welche Aussage macht dieser Text über den<br />

Menschen?<br />

◗ Wie argumentieren der australische <strong>und</strong> der<br />

biblische Schöpfungsmythos?<br />

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Aus dem biblischen Schöpfungsbericht<br />

Genesis 2,8-9. 16-17; 3,1-13<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 5 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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2,8 Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten,<br />

einen Garten an <strong>und</strong> setzte dorthin den Menschen,<br />

den er geformt hatte. 9 Gott, der Herr,<br />

ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen,<br />

verlockend anzusehen <strong>und</strong> mit köstlichen<br />

Früchten, in der Mitte des Gartens aber den<br />

Baum des Lebens <strong>und</strong> den Baum der Erkenntnis<br />

von Gut <strong>und</strong> Böse. …<br />

2,16 Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen:<br />

Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen,<br />

17␣ doch vom Baum der Erkenntnis von Gut <strong>und</strong><br />

Böse darfst du nicht essen; denn sobald du<br />

davon ißt, wirst du sterben. …<br />

3,1 <strong>Die</strong> Schlange war schlauer als alle Tiere des<br />

Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie<br />

sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr<br />

dürft von keinem Baum des Gartens essen?<br />

2␣ <strong>Die</strong> Frau entgegnete der Schlange: V on den<br />

Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen;<br />

3␣ nur von den Früchten des Baumes, der<br />

in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt:<br />

Davon dürft ihr nicht essen, <strong>und</strong> daran dürft ihr<br />

nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. 4␣ Darauf<br />

sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet<br />

nicht sterben. 5␣ Gott weiß vielmehr: Sobald<br />

ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf;<br />

ihr werdet wie Gott <strong>und</strong> erkennt Gut <strong>und</strong> Böse.<br />

6␣ Da sah die Frau, daß es köstlich wäre, von<br />

dem Baum zu essen, daß der Baum eine Augenweide<br />

war <strong>und</strong> dazu verlockte, klug zu werden.<br />

Sie nahm von seinen Früchten <strong>und</strong> aß; sie gab<br />

auch ihrem Mann, der bei ihr war, <strong>und</strong> auch er<br />

aß. 7␣ Da gingen beiden die Augen auf, <strong>und</strong> sie<br />

erkannten, daß sie nackt waren. Sie hefteten<br />

Feigenblätter zusammen <strong>und</strong> machten sich einen<br />

Schurz. 8␣ Als sie Gott, den Herrn, im Garten<br />

gegen den Tagwind einherschreiten hörten,<br />

versteckten sich Adam <strong>und</strong> seine Frau vor Gott,<br />

dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens.<br />

9␣ Gott, der Herr , rief Adam zu <strong>und</strong> sprach: Wo<br />

bist du? 10␣ Er antwortete: Ich habe dich im<br />

Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht,<br />

weil ich nackt bin, <strong>und</strong> versteckte mich.<br />

11␣ Darauf fragte er: W er hat dir gesagt, daß du<br />

nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen,<br />

von dem zu essen ich dir verboten habe?<br />

12␣ Adam antwortete: <strong>Die</strong> Frau, die du mir beigesellt<br />

hast, sie hat mir von dem Baum gegeben,<br />

<strong>und</strong> so habe ich gegessen. 13␣ Gott, der<br />

Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan?<br />

<strong>Die</strong> Frau antwortete: <strong>Die</strong> Schlange hat mich<br />

verführt, <strong>und</strong> so habe ich gegessen.<br />

Fragen zum Text<br />

◗ Wie beschreibt der Jahwist das ursprüngliche<br />

Ziel Gottes?<br />

◗ Was suggeriert die Schlange dem Menschen?<br />

◗ Warum hat Gott das Verbot in Vers 3:3<br />

erlassen?<br />

◗ Was verspricht die Schlange der Frau?<br />

◗ Was fasziniert die Frau am Angebot der<br />

Schlange?<br />

◗ Erklären Sie, welche Aussage die Frau in<br />

Vers 3:13 über den Menschen macht!<br />

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Anmerkungen zur biblischen Schöpfungserzählung<br />

(nach H. Haag, Am Morgen der Zeit, Düsseldorf 1995)<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 6 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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Es geht der Bibel nicht darum, wie die Welt wurde<br />

<strong>und</strong> woraus die Welt besteht. Für sie kommt es<br />

allein auf die Frage an:<br />

◗ Wie steht es um den Menschen, was will Gott<br />

mit ihm?<br />

◗ Warum ist der Mensch nicht imstande, in Ruhe<br />

<strong>und</strong> Frieden das Geschenk seines Daseins zu genießen?<br />

◗ Warum verwandelt sich in seiner Nähe das Paradies<br />

der Welt immer wieder in eine Hölle aus<br />

Lüge <strong>und</strong> Lieblosigkeit, Mord <strong>und</strong> Verrat, Herrschaft<br />

<strong>und</strong> Gewalt?<br />

Gott erschuf den Menschen<br />

nach seinem Bild<br />

Was den Menschen zum Bild Gottes macht, ist<br />

weder seine körperliche Erscheinung noch seine<br />

Geistigkeit. Der Mensch ist dazu berufen, in freier<br />

Verantwortung zu handeln. Gott hat den Lauf der<br />

Welt <strong>und</strong> der Geschichte in die Hände des Menschen<br />

gelegt, <strong>und</strong> der Mensch kann sich dieser<br />

Verantwortung in keiner Weise entziehen. Er kann<br />

für den schlechten Lauf der Welt nicht Gott anklagen,<br />

sondern muß schuldbewußt an seine eigene<br />

Brust klopfen.<br />

Aus der Würde, die dem Menschen als Bild<br />

Gottes zukommt, ergibt sich: Nie darf ein Mensch<br />

über einen Menschen herrschen. Über ihn herrscht<br />

nur Gott. Damit ist das Urteil gesprochen über alle<br />

Tyrannen, über die großen Tyrannen der Weltgeschichte,<br />

aber auch über die kleinen Tyrannen, denen<br />

wir in Familie, Gesellschaft, Schule <strong>und</strong> Kirche<br />

begegnen <strong>und</strong> die ihren Mitmenschen das Leben<br />

zur Hölle machen können.<br />

Der Garten<br />

Wir dürfen gewiß nicht wörtlich verstehen, dass<br />

Gott einen Garten gepflanzt <strong>und</strong> den ersten Men-<br />

schen in den Garten hineinversetzt <strong>und</strong> dass der<br />

Mensch in einem wohlbehüteten Garten gelebt<br />

habe. Mit dem Bild vom Garten will der biblische<br />

Erzähler sagen, dass die Menschen in der Nähe<br />

Gottes leben.<br />

Wenn der Garten nicht wörtlich verstanden<br />

werden darf, dann dürfen sinngemäß auch der verbotene<br />

Baum <strong>und</strong> die Frucht des verbotenen Baumes<br />

nicht wörtlich verstanden werden. Gutes <strong>und</strong><br />

Böses erkennen, wissen um Gut <strong>und</strong> Böse bedeutet:<br />

über alles verfügen. Wenn den Menschen verboten<br />

wird, vom Baum des Wissens um Gut <strong>und</strong><br />

Böse zu essen, heißt dies: die Freiheit des Menschen<br />

darf nie absolut sein. Sie findet ihre Grenzen<br />

in der Freiheit des Mitmenschen.<br />

<strong>Die</strong> Schlange<br />

<strong>Die</strong> Schlange sät Zweifel an der Güte Gottes. Als<br />

ob Gott dem Menschen eine unzumutbare Qual<br />

auferlegt hätte, nicht vom „Baum des Lebens“ zu<br />

essen. Ursprünglich hat Gott sein Verbot erlassen,<br />

um den Menschen zu schützen. In der Infragestellung<br />

der Schlange wird daraus ein Gott, der nur<br />

gebietet, um den Menschen niedrig zu halten <strong>und</strong><br />

zu quälen.<br />

<strong>Die</strong> böse Begierde<br />

Sie ist von Anfang an im Menschen. Das Böse ist<br />

in der Anlage des Menschen begründet. Der<br />

Mensch ist nicht nur anfällig für Krankheiten, er<br />

ist auch anfällig für das Böse. Es war völlig unnötig,<br />

zur Erklärung des Bösen den Teufel ins Spiel<br />

zu bringen. <strong>Die</strong> Schlange ist nicht Bild für den<br />

Versucher, sondern für die Versuchung. Freilich<br />

hatte der Teufelsglaube den „großen“ Vorteil, dass<br />

der Mensch die Schuld für seine Sünde auf einen<br />

anderen abschieben konnte.<br />

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<strong>Die</strong> Kolonisierung Australiens<br />

(nach: H. Küng, Spurensuche, S. 28)<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 7 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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Triumphstory der Weißen<br />

◗ Australien wird Sträflingskolonie: 1788 die<br />

ersten 717, bis 1868 r<strong>und</strong> 161.000 englische<br />

Strafgefangene.<br />

◗ Zentrum der Wollwirtschaft: 1829 bereits<br />

400.000 weiße Australier.<br />

◗ 1851 Goldf<strong>und</strong>e 1851, zweite große Einwanderungswelle:<br />

1860 bereits eine Million, am Ende<br />

des Goldbooms anfangs des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

vier Millionen Europäer.<br />

◗ Ende des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts über 18 Millionen<br />

Einwohner, mit einem der höchsten Lebensstandards<br />

der Welt: 95% Weiße <strong>und</strong> nur r<strong>und</strong> 2%<br />

Ureinwohner.<br />

Tragödie der Schwarzen<br />

◗ Das Land der Ureinwohner gilt nach europäischem<br />

Recht als kaum bewohntes Niemandsland<br />

(terra nullius) <strong>und</strong> wird zum britischen<br />

Kronland erklärt.<br />

◗ <strong>Die</strong> religiöse Bindung der Ureinwohner an ihr<br />

Land wird mit Füßen getreten.<br />

◗ <strong>Die</strong> Ureinwohner werden »britische Untertanen«.<br />

◗ Europäische Viehzüchter verdrängen die <strong>Aborigines</strong><br />

<strong>und</strong> schlachten sie bisweilen förmlich ab.<br />

◗ Eingeschleppte Krankheiten (Pocken, Masern,<br />

Geschlechtskrankheiten) dezimieren die <strong>Aborigines</strong>:<br />

von 300.000 auf 670.00 im Jahre 1901.<br />

◗ Umerziehung der Ureinwohner in Reservatssiedlungen<br />

<strong>und</strong> Missionsstationen.<br />

◗ Zerstörung von Kultstätten durch Ausbeutung<br />

von Bodenschätzen.<br />

◗ 100.000 mischblütige Kinder noch bis 1970 gewaltsam<br />

von ihren Eltern getrennt.<br />

Situation heute<br />

◗ 1967 rechtliche Gleichstellung der Ureinwohner<br />

mit den Weißen.<br />

◗ 1992 eine gewisse Anerkennung ihrer früheren<br />

Landrechte: massive Landforderungen mit heftigen<br />

Konflikten.<br />

◗ Abbaurechte der Bodenschätze werden nach<br />

wie vor von der Regierung vergeben.<br />

◗ Teilweise Selbstverwaltung der <strong>Aborigines</strong>.<br />

◗ Unterstützung der Ureinwohner heute auch<br />

durch Weiße, allmähliche Versöhnung, vor allem<br />

auf lokaler Ebene.<br />

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Afrikanischer Geisterglaube<br />

(nach: H. Küng, Spurensuche, S. 34f)<br />

CD-ROM „Spurensuche“ Materialienblatt zu den Stammesreligionen Blatt 8 von 8<br />

© 1999 – Hans Küng / Stephan Schlensog<br />

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Kaum die Hälfte der Bewohner Simbabwes nennen<br />

sich heute Christen. Doch alle glauben – christlich<br />

oder islamisch beeinflußt – an Mwari, den einen<br />

Gott <strong>und</strong> Schöpfer. Und überall in diesem Land ist<br />

die traditionelle afrikanische Religiosität noch<br />

lebendig: Eine Welt voller Dämonen <strong>und</strong> Geister –<br />

ähnlich wie im christlichen Mittelalter. Besonders<br />

wichtig die Ahnengeister: Sie sind den Menschen<br />

näher als der ferne Schöpfergott.<br />

Wie überall unter den Stammesreligionen<br />

Schwarzafrikas glaubt man auch in Simbabwe an<br />

allerlei Geister: gute <strong>und</strong> böse, berechenbare <strong>und</strong><br />

unberechenbare.<br />

<strong>Die</strong> Ahnen tun sich k<strong>und</strong> durch eine Mittelsperson,<br />

die von einem Geist in Besitz genommen<br />

ist: das Geistmedium. Nur das Medium kann Geister<br />

besänftigen, gnädig stimmen oder vertreiben<br />

durch Gebet, Gesang, Tanz <strong>und</strong> Opfer.<br />

Ahnengeister (vadzimu)<br />

◗ <strong>Die</strong> Geister der Verstorbenen.<br />

◗ Sie irren zunächst zornig <strong>und</strong> gefährlich umher.<br />

◗ Durch entsprechende Riten können sie heimgeholt<br />

<strong>und</strong> zum schützenden Ahnen eingesetzt<br />

werden.<br />

◗ Sie fungieren als Schutzgeister für die Familie,<br />

besonders die Kinder.<br />

Wandergeister (mashavi)<br />

◗ Geister von Verstorbenen, die in der Fremde<br />

nicht richtig begraben wurden.<br />

◗ Sie irren umher, da sie nicht vergessen sein<br />

wollen.<br />

Stammesgeister (mhondoro)<br />

◗ Gute Geister, die für die Wohlfahrt eines<br />

Stammes <strong>und</strong> dessen Häuptlings Sorge tragen.<br />

Geistmedium (svikiro)<br />

◗ Ist vom Geist in Besitz genommen <strong>und</strong> mit<br />

besonderen Fähigkeiten ausgestattet.<br />

◗ Nur das Medium kann Geister besänftigen,<br />

gnädig stimmen oder vertreiben.<br />

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