Hat die Pflanzenforschung mit gentechnischen Methoden in der ...

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07.02.2013 Aufrufe

Risiken von Freisetzungsversuchen Dr. A. Hilbeck Biosicherheitsforschung und Freisetzungsversuche Referat von Dr. Angelika Hilbeck, Geobotanisches Institut, ETH Zürich Chancen der Biosicherheitsforschung für die Grüne Gentechnik Die Frage, ob Risiken von Freisetzungsversuchen mit GVO verlässlich abschätzbar sind, lässt sich nicht beantworten. Der Grund dafür liegt in der Natur von biologischen Organismen und der Komplexität von ökologischen Systemen und deren Evolution. Bei einer Freisetzung von GVO sind wir mit zwei Arten von Risiken konfrontiert – denjenigen, die wir aufgrund ihrer Vorhersehbarkeit (bekannte statistische Wahrscheinlichkeiten, Kenntnis der ökologischen Systeme) relativ gut abschätzen können, und jenen, die wir aufgrund ihrer Nichtvorhersehbarkeit nicht abschätzen können. Nicht abschätzbare Risiken von GVO begründen sich in der Neuartigkeit des GVO, unseren limitierten Kenntnissen über ökologische Prozesse und deren Evolution und einem Grad an naturgegebener Unvorhersagbarkeit von ökologischen Systemen, die nicht-lineare bis chaotische Prozesse aufweisen können. Die Gentechnologie produziert biologische Organismen mit neuartigen Kombinationen an Genen und Eigenschaften, deren ökologisches Verhalten und Evolution folglich unbekannt sind. Sie unterliegen aber den gleichen ökologischen Prozessen und Gesetzmässigkeiten der Evolution. Damit ist dieser Technologie inhärent, dass es immer vorhersehbare und unvorhersehbare Risiken geben wird. Eine verantwortungsbewusste Risikoabschätzung für Freisetzungen setzt sich sowohl mit den vorhersehbaren als auch mit den nicht vorhersehbaren Risiken auseinander. Die Herausforderung hierbei ist weniger die Beurteilung der vorhersehbaren Ereignisse, die sich aus Kenntnis über die Zieleigenschaften der GVP und des unmittelbaren Freisetzungsraumes ergeben, sondern die bis dahin kaum erforschten Nichtzieleigenschaften und –auswirkungen, insbesondere wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten und der GVO wider allem menschlichen Ermessen entweicht. Die Genauigkeit einer Risikoabschätzung wird bestimmt durch die verfügbaren Daten. Hier kann die Biosicherheitsforschung einen wichtigen Beitrag mit komplementären Daten über Nichtzieleigenschaften und -auswirkungen leisten, vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig involviert und kann den Prozess der GVO-Entwicklung informieren. Sicherheitsmassnahmen, die sich aus einer Risikoabschätzung ableiten, müssen auch für den Eventualfall Vorsorge tragen, dass die Sicherheitsmassnahmen nicht funktionieren. Hierfür müssen Instrumente bereitstehen, die erlauben, die Verbreitungswege schnell und verlässlich zu erkennen und das Ausmass der Verbreitung und ihre Auswirkung

Risiken von Freisetzungsversuchen Dr. A. Hilbeck zu quantifizieren mit dem Ziel der Rückholung des GVO. Freisetzungen – welche Funktion haben sie? Über die prinzipielle Strategie zur Sicherheitsforschung und Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) herrscht weitgehender Konsens. Grundsätzlich wird für jeden Einzelfall – auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, plausibler Annahmen und Szenarien – eine Risikoabschätzung durchgeführt und in einem Schritt-für-Schritt-Verfahren werden Erfahrungen mit dem jeweiligen gentechnisch veränderten Organismus gewonnen. Eine Freisetzung wird demnach als ein wichtiger Abschnitt im Kontinuum der Forschung und Entwicklung von GVO vom ‚Labor – Gewächshaus – kleinräumige Freisetzungen – grossräumige Freisetzungen – Kommerzialisierung’ betrachtet 14 . Es ist der erste Schritt vom kontrollierten geschlossenen System in das offene System Umwelt. Damit ist eine signifikante Reduktion der möglichen Kontrollmassnahmen verbunden. Aufgrund der Fähigkeit zur Reproduktion und Verbreitung von biologischen Organismen kann dieser Schritt grundsätzlich irreversibel sein 15 . Dem Konsens über die prinzipiell sinnvollen Phasen der Risikoermittlung steht nach wie vor ein wissenschaftlicher und politischer Dissens hinsichtlich der für die Risikoabschätzung notwendigen Datenbasis und den davon abgeleiteten Sicherheitsmaßnahmen gegenüber. Dieser Dissens dreht sich im Wesentlichen darum, wann ein geeigneter Zeitpunkt für eine Freisetzung vorliegt und welcher Stand der Erkenntnisse aus den vorherigen Stufen gegeben sein muss, um genügend Sicherheit für die nächsten Stufen zu gewährleisten und einen lohnenden Erkenntnisgewinn erwarten zu lassen. 16 Die Sicherheitsmassnahmen leiten sich 14 „Freisetzungen von GVO im Forschungsbereich ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von GVO abgeleitet sind oder diese enthalten.“ ... „Die Einbringung von GVO in die Umwelt sollte nach dem ‚Stufenprinzip’ erfolgen, d.h., die Einschliessung der GVO wird nach und nach stufenweise gelockert und ihre Freisetzung in der gleichen Weise ausgeweitet, jedoch nur dann, wenn die Bewertung der vorherigen Stufen in bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergibt, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann.“ (EU-Richtlinie 2001/18/EG; Hervorhebungen Hilbeck) 15 „Lebende Organismen, die in grossen oder kleinen Mengen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt freigesetzt werden, können sich in dieser fortpflanzen .... Die Auswirkungen solcher Freisetzungen können unumkehrbar sein.“ (EG Richtlinie 2001/18/EG; Hervorhebungen Hilbeck) 16 Aus Art. 6 Abs. 2 GTG lässt sich das Kriterium ableiten: Eine Freisetzung ist dann zulässig, wenn die gewünschte Zielwirkung im Labor ausreichend erforscht und beschrieben wurde und kein weiterer Erkenntnisgewinn im geschlossenen System zu erwarten ist. Dazu muss eine solide Datengrundlage für Risikoanalyse und Sicherheitseinschätzung vorhanden sein (z.B. wenn die freizusetzende transgene Pflanze ausreichend charakterisiert ist; vgl. Andow et al., Chap 1, In: Hilbeck & Andow, Environmental Risk Assessment of Transgenic Plants, 2005, CABI Publishers). 41

Risiken von Freisetzungsversuchen Dr. A. Hilbeck<br />

zu quantifizieren <strong>mit</strong> dem Ziel <strong>der</strong> Rückholung des GVO.<br />

Freisetzungen – welche Funktion haben sie?<br />

Über <strong>die</strong> pr<strong>in</strong>zipielle Strategie zur Sicherheitsforschung und Risikobewertung gentechnisch<br />

verän<strong>der</strong>ter Pflanzen (GVP) herrscht weitgehen<strong>der</strong> Konsens. Grundsätzlich wird für jeden<br />

E<strong>in</strong>zelfall – auf <strong>der</strong> Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, plausibler Annahmen und<br />

Szenarien – e<strong>in</strong>e Risikoabschätzung durchgeführt und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schritt-für-Schritt-Verfahren<br />

werden Erfahrungen <strong>mit</strong> dem jeweiligen gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Organismus gewonnen.<br />

E<strong>in</strong>e Freisetzung wird demnach als e<strong>in</strong> wichtiger Abschnitt im Kont<strong>in</strong>uum <strong>der</strong> Forschung und<br />

Entwicklung von GVO vom ‚Labor – Gewächshaus – kle<strong>in</strong>räumige Freisetzungen –<br />

grossräumige Freisetzungen – Kommerzialisierung’ betrachtet 14 . Es ist <strong>der</strong> erste Schritt vom<br />

kontrollierten geschlossenen System <strong>in</strong> das offene System Umwelt. Da<strong>mit</strong> ist e<strong>in</strong>e signifikante<br />

Reduktion <strong>der</strong> möglichen Kontrollmassnahmen verbunden. Aufgrund <strong>der</strong> Fähigkeit zur<br />

Reproduktion und Verbreitung von biologischen Organismen kann <strong>die</strong>ser Schritt grundsätzlich<br />

irreversibel se<strong>in</strong> 15 .<br />

Dem Konsens über <strong>die</strong> pr<strong>in</strong>zipiell s<strong>in</strong>nvollen Phasen <strong>der</strong> Risikoer<strong>mit</strong>tlung steht nach wie vor<br />

e<strong>in</strong> wissenschaftlicher und politischer Dissens h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> für <strong>die</strong> Risikoabschätzung<br />

notwendigen Datenbasis und den davon abgeleiteten Sicherheitsmaßnahmen gegenüber.<br />

Dieser Dissens dreht sich im Wesentlichen darum, wann e<strong>in</strong> geeigneter Zeitpunkt für e<strong>in</strong>e<br />

Freisetzung vorliegt und welcher Stand <strong>der</strong> Erkenntnisse aus den vorherigen Stufen gegeben<br />

se<strong>in</strong> muss, um genügend Sicherheit für <strong>die</strong> nächsten Stufen zu gewährleisten und e<strong>in</strong>en<br />

lohnenden Erkenntnisgew<strong>in</strong>n erwarten zu lassen. 16 Die Sicherheitsmassnahmen leiten sich<br />

14 „Freisetzungen von GVO im Forschungsbereich ist <strong>in</strong> den meisten Fällen e<strong>in</strong> notwendiger Schritt auf dem Weg zur<br />

Entwicklung neuer Produkte, <strong>die</strong> von GVO abgeleitet s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> <strong>die</strong>se enthalten.“ ... „Die E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung von GVO <strong>in</strong> <strong>die</strong> Umwelt<br />

sollte nach dem ‚Stufenpr<strong>in</strong>zip’ erfolgen, d.h., <strong>die</strong> E<strong>in</strong>schliessung <strong>der</strong> GVO wird nach und nach stufenweise gelockert und ihre<br />

Freisetzung <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Weise ausgeweitet, jedoch nur dann, wenn <strong>die</strong> Bewertung <strong>der</strong> vorherigen Stufen <strong>in</strong> bezug auf den<br />

Schutz <strong>der</strong> menschlichen Gesundheit und <strong>der</strong> Umwelt ergibt, dass <strong>die</strong> nächste Stufe e<strong>in</strong>geleitet werden kann.“ (EU-Richtl<strong>in</strong>ie<br />

2001/18/EG; Hervorhebungen Hilbeck)<br />

15 „Lebende Organismen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> grossen o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Mengen zu experimentellen Zwecken o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Form von kommerziellen<br />

Produkten <strong>in</strong> <strong>die</strong> Umwelt freigesetzt werden, können sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser fortpflanzen .... Die Auswirkungen solcher Freisetzungen<br />

können unumkehrbar se<strong>in</strong>.“ (EG Richtl<strong>in</strong>ie 2001/18/EG; Hervorhebungen Hilbeck)<br />

16 Aus Art. 6 Abs. 2 GTG lässt sich das Kriterium ableiten: E<strong>in</strong>e Freisetzung ist dann zulässig, wenn <strong>die</strong> gewünschte Zielwirkung<br />

im Labor ausreichend erforscht und beschrieben wurde und ke<strong>in</strong> weiterer Erkenntnisgew<strong>in</strong>n im geschlossenen System zu<br />

erwarten ist. Dazu muss e<strong>in</strong>e solide Datengrundlage für Risikoanalyse und Sicherheitse<strong>in</strong>schätzung vorhanden se<strong>in</strong> (z.B.<br />

wenn <strong>die</strong> freizusetzende transgene Pflanze ausreichend charakterisiert ist; vgl. Andow et al., Chap 1, In: Hilbeck & Andow,<br />

Environmental Risk Assessment of Transgenic Plants, 2005, CABI Publishers).<br />

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