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Auswirkungen des demografischen Wandels auf die kulturellen

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Zusammenfassung<br />

Kurzexpertise: <strong>Auswirkungen</strong> <strong>des</strong> <strong>demografischen</strong><br />

<strong>Wandels</strong> <strong>auf</strong> <strong>die</strong> <strong>kulturellen</strong> Einrichtungen<br />

in ländlichen Räumen<br />

Im Auftrag<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>ministeriums <strong>des</strong> Innern


ICG culturplan Unternehmensberatung<br />

Bei der Betrachtung der <strong>Auswirkungen</strong> <strong>des</strong> <strong>demografischen</strong> <strong>Wandels</strong> <strong>auf</strong> <strong>die</strong> kulturelle<br />

Infrastruktur in den ländlichen Räumen der Neuen Bun<strong>des</strong>länder sind folgende demografische<br />

Trends von Bedeutung:<br />

� Ein weiterer Rückgang der Bevölkerung in den Neuen Ländern ist wahrscheinlich.<br />

� Betroffen von <strong>die</strong>sem Rückgang ist vor allem der ländliche Raum, sind <strong>die</strong> peripheren<br />

Regionen und manche Region in der Mitte <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, <strong>die</strong> entfernt von den Ballungszentren<br />

liegt.<br />

� Der Bevölkerungsrückgang hat zwei wesentliche Quellen:<br />

● Interregionale Abwanderung, häufig wirtschaftlich motiviert<br />

Wirtschaftlich motivierte Wanderung reagiert sensibel <strong>auf</strong> wirtschaftliche Faktoren,<br />

sie kann <strong>auf</strong>hören oder sogar <strong>die</strong> Richtung wechseln, wenn wirtschaftliche<br />

Parameter sich ändern.<br />

● Demografische Schrumpfung<br />

Dieser Trend ist nach heutigem Wissen stabil.<br />

Laut Statistik der öffentlichen Kulturausgaben (Kulturfinanzbericht) gibt es einen Zusammenhang<br />

zwischen Größe der Kommunen und kommunalen Kulturausgaben. Je<br />

kleiner <strong>die</strong> Gebietskörperschaft, <strong>des</strong>to niedriger sind Kulturausgaben. Die Spanne<br />

reicht von 122 Euro pro Jahr und Kopf in Großstädten mit über 500.000 Einwohnern<br />

bis zu 3 Euro in Gemeinden unter 3.000 Einwohner. 1 Lan<strong>des</strong>ausgaben verteilen sich<br />

nach einem ähnlichen Muster. Das Ausgangsniveau von Kulturausgaben ist im ländlichen<br />

Raum niedrig. Kultur ist städtisch.<br />

Dazu quer steht ein Befund zu den Kulturausgaben in den Neuen Ländern. Aus der<br />

DDR erbten <strong>die</strong> Neuen Länder eine reiche und verzweigte kulturelle Infrastruktur. Dies<br />

spiegelt sich bis heute in den Kulturausgaben. Nach einer Untersuchung <strong>des</strong> ifo-<br />

Instituts Dresden lagen <strong>die</strong> Kulturausgaben (Lan<strong>des</strong>- und kommunale Ausgaben ad<strong>die</strong>rt,<br />

incl. der Ausgaben für kirchliche Angelegenheiten) in den Flächenländern im Osten<br />

mit 108 Euro pro Einwohner bei über 180% der Ausgaben in den Flächenländern<br />

im Westen, <strong>die</strong> aus dem Länderfinanzausgleich Geld empfangen. 2 Dies verweist nicht<br />

nur <strong>auf</strong> andere politische Prioritäten in den Haushalten der Neuen Länder. Auch fiskalische<br />

Spielräume sind hier dank einiger Sondereinflüsse <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Einnahmen in den<br />

Haushalten derzeit noch weitaus günstiger als in den westlichen Bezugsländern. Der<br />

Solidarpakt II wird gemäß Planungsstand 2010 bis zum Jahr 2019 ausl<strong>auf</strong>en. 2005<br />

1 Statistische Ämter <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und der Länder (Hrsg.): Kulturfinanzbericht der statistischen<br />

Ämter <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und der Länder, Wiesbaden, 2008, S. 30.<br />

2 Im Folgenden beziehen wir uns <strong>auf</strong> ifo Institut für Wirtschaftsforschung: Die demographische<br />

Entwicklung in Ostdeutschland, Gutachten im Auftrag <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>ministeriums für Wirtschaft<br />

und Technologie, München, 2007.<br />

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lagen <strong>die</strong> Einnahmen der l<strong>auf</strong>enden Rechnung 4.026 Euro pro Einwohner 2005 in den<br />

östlichen Flächenländern bei fast 120% der westlichen Länder.<br />

Der Bevölkerungsrückgang und <strong>die</strong> zu erwartenden fiskalischen Entwicklungen in den<br />

östlichen Bun<strong>des</strong>ländern sind Grundlage für eine brisante Prognose: Berücksichtigt<br />

man den Standard der Ausgaben der „armen“ westlichen Bun<strong>des</strong>länder und demografische<br />

Effekte, müsste der öffentliche Aufwand für Kultur bei Kommunen und Ländern<br />

in den nächsten zehn Jahren um insgesamt mehr als 50% sinken.<br />

Auf solchen Konsoli<strong>die</strong>rungsbedarf ist <strong>die</strong> kulturpolitische Fachdiskussion nicht vorbereitet.<br />

Im Gegenteil: Fast durchgängig wird dort <strong>die</strong> Position vertreten, dass in der Kultur<br />

keinesfalls gekürzt werden darf. Diese Position wird regelmäßig kulturpolitisch begründet,<br />

sie bleibt ebenso regelmäßig ohne kulturökonomische Grun<strong>die</strong>rung.<br />

Wir nehmen bei der Bewertung kulturpolitischer Optionen in der <strong>demografischen</strong> Veränderung<br />

<strong>die</strong> absehbare Veränderung öffentlicher Finanzkraft mit ins Kalkül. Dies ist<br />

eine rein gutachterliche Stellung. Ob kulturelle Ausgabenprogramme mit einer Priorität<br />

gegenüber anderen öffentlichen Ausgaben belegt werden, ist eine Frage politischer<br />

Abwägung. In der fachlichen Debatte wird kaum diskutiert, wie <strong>die</strong> Folgen der <strong>demografischen</strong><br />

und fiskalischen Entwicklung kulturpolitisch zu bearbeiten sind. Diskutiert<br />

werden vielmehr Strategien, mit denen sich öffentliche Kulturinstitutionen gegen <strong>die</strong><br />

absehbaren Mittel- und Besuchsrückgänge immunisieren können. Wir bezweifeln, dass<br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong>sem Weg <strong>die</strong> Folgen demografischer und fiskalischer Entwicklungen angemessen<br />

bearbeitet werden können. Ein kulturökonomischer Fokus erscheint uns unerlässlich.<br />

Auf der Länderebene ist <strong>die</strong> Diskussion weiter. Die fünf östlichen Bun<strong>des</strong>länder versuchen,<br />

<strong>die</strong> Kommunen für Demografie zu sensibilisieren und arbeiten an einem länderübergreifenden<br />

Austausch zum Thema. Die Arbeit der Kommunen soll unterstützt und<br />

koordiniert werden. Die Planungen und Maßnahmen der Länder sind – mit einigen<br />

Ausnahmen – nicht spezifisch <strong>auf</strong> Kulturpolitik ausgerichtet. Nur in Brandenburg gibt es<br />

bis jetzt eine lan<strong>des</strong>weite kulturelle Planung, <strong>die</strong> regelmäßig fortgeschrieben wird. In<br />

Sachsen wird <strong>auf</strong> der Ebene der Kulturräume geplant. Die anderen Länder widmen<br />

sich dem Thema Kultur und Demografie in einmaligen Anläufen und haben Planung<br />

nicht verstetigt.<br />

Sowohl in der fachlichen Diskussion als auch bei den Konzepten der ostdeutschen<br />

Bun<strong>des</strong>länder lässt sich große Zurückhaltung in der Auseinandersetzung mit den <strong>kulturellen</strong><br />

Folgen <strong>des</strong> <strong>demografischen</strong> <strong>Wandels</strong> feststellen. Es scheint, als gäbe es ein<br />

Unbehagen, der Bevölkerung mitzuteilen, welche tiefgreifenden Einschnitte Wande-<br />

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rung und demografische Entwicklung in allen Lebensbereichen mit sich bringen werden.<br />

Nicht ausreichend kommuniziert wird, wie sehr <strong>die</strong> Anpassung an Demografie<br />

eine dauernde Aufgabe ist und nicht mit einem einmaligen Akt beendet.<br />

Um der <strong>demografischen</strong> Entwicklung in den ländlichen Bereichen der neuen Bun<strong>des</strong>länder<br />

gerecht zu werden, muss vorurteilslos über folgende Herausforderungen<br />

nachgedacht werden:<br />

� Ein Rückgang der Bevölkerung bedingt l<strong>auf</strong>enden Anpassungsbedarf der <strong>kulturellen</strong><br />

Infrastruktur.<br />

● Das potentielle Publikum wird kleiner und verändert seine Zusammensetzung<br />

● Zusammen mit dem allgemeinen Steuer<strong>auf</strong>kommen sinken auch <strong>die</strong> Haushaltsmittel<br />

für Kultur, falls politisch keine anderen Beschlüsse gefasst werden<br />

● Die Verteilung der Bevölkerung in der Fläche verändert sich<br />

� Das Spektrum der Anpassungen muss über vereinzelte Kürzungen öffentlicher Zuwendungen<br />

hinaus stärker <strong>auf</strong> strukturelle Veränderungen abzielen.<br />

Grundsätzlich kommen infrage:<br />

● Einsparungen bei Institutionen<br />

● Aufgabenmodifikationen<br />

● Räumliche Neuorganisation der <strong>kulturellen</strong> Infrastruktur<br />

● Kooperationen<br />

● Zusammenschlüsse und Bündnisse<br />

● Übergabe an Private<br />

● Schließung, Offenlassen, auch von Denkmalen<br />

� Kulturelle Einrichtungen außerhalb von Städten und Verdichtungsgebieten<br />

werden es am schwersten haben: Hier ist öffentlich geförderte Kultur bereits jetzt<br />

dünn gesät und hier wird <strong>die</strong> Verminderung der Bevölkerung am stärksten zu spüren<br />

sein.<br />

● Für dünn besiedelte Flächen kann eine ‚kulturelle Grundversorgung‘ nicht sichergestellt<br />

werden.<br />

● Es muss <strong>auf</strong> bürgerschaftliches Engagement gesetzt werden.<br />

● Es muss zugelassen werden, dass Gebiete ohne öffentlich finanzierte kulturelle<br />

Infrastruktur entstehen.<br />

� Es ist nicht überall plausibel, von externen Kulturnutzern, Kulturtouristen etc. zu erwarten,<br />

dass sie wegbrechende Kulturbesuche kompensieren. Nur, wo es intensiven<br />

Tourismus gibt, können auch Kultureinrichtungen von externen Nutzern<br />

profitieren oder sich <strong>auf</strong> sie einrichten.<br />

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Zusammengefasst: Tiefgreifende Veränderungen im derzeitigen institutionellen Gefüge<br />

öffentlich finanzierter Kultur sind nicht zu vermeiden.<br />

Handlungsempfehlungen zur <strong>kulturellen</strong> Entwicklung von Räumen sind mit einem<br />

strukturellen Problem behaftet. Jenseits <strong>des</strong> Einzelfalls ist nur ein geringer Konkretisierungsgrad<br />

möglich. Für <strong>die</strong> kulturelle Entwicklung von Kommunen oder Regionen gibt<br />

es keine Blaupausen, <strong>die</strong> unabhängig von lokalen Gegebenheiten angewendet werden<br />

können. Kultur ist abhängig von örtlichen Möglichkeiten, von Bürgerengagement, von<br />

existierenden Strukturen und historischen Zusammenhängen. Alleinstellung durch Kultur<br />

kann nur gelingen, wenn an <strong>die</strong>se Möglichkeiten angeknüpft wird. Wo kopiert wird,<br />

verlieren gute Ansätze schnell ihre Wirksamkeit.<br />

Die zu erwartenden fiskalischen und <strong>demografischen</strong> Rahmenbedingungen machen<br />

einige allgemeine Planungsansätze besonders dringlich. Sie fokussieren <strong>die</strong> Aufmerksamkeit.<br />

In der folgenden Liste sind solche Ansätze unter vier Überschriften zusammengefasst.<br />

� Planung im Kontext <strong>des</strong> <strong>Wandels</strong> staatlicher Aufgaben<br />

Solange <strong>die</strong> <strong>demografischen</strong> Trends anhalten, bleibt der Um- und Rückbau von Infrastrukturen<br />

eine ständige Aufgabe. Wie sich politische Entscheidungslagen in der<br />

Kulturpolitik entwickeln, ist nicht absehbar.<br />

Für Planung bedeutet <strong>die</strong>s:<br />

● Planung sollte so erfolgen, dass Flexibilität in den Kulturhaushalten erhalten<br />

bleibt oder erhöht wird. Eine langfristige institutionelle Festlegung von Haushalten<br />

ist problematisch. Andererseits sollten öffentlich gewünschte Strukturen verlässlich<br />

gefördert werden – <strong>die</strong> Kombination beider Perspektiven ist anspruchsvoll.<br />

● Die Förderung von Projekten ist der von Strukturen grundsätzlich vorzuziehen.<br />

Projekte müssen mit einem mehrjährigen Zeithorizont gefördert werden, wo <strong>die</strong><br />

Planungen überjährig sind. Degressive Förderung unterstützt <strong>die</strong> Überführung in<br />

dauerhafte private Trägerschaft.<br />

● Wo Kulturorte geplant werden, sollen solche Vorhaben den Vorzug bekommen,<br />

<strong>die</strong> keine hohe Mittelbindung in Bauten bewirken.<br />

� Aufmerksamkeit für bürgerschaftliche Entwicklungen und Strukturen<br />

In dem Maße, in dem sich der Staat aus Aufgaben und aus Flächen graduell oder<br />

vollständig zurückzieht, muss privates Engagement eine größere Rolle spielen. Planung<br />

kann solches Engagement nicht herstellen, aber unterstützen. Eine wichtige<br />

Voraussetzung für <strong>die</strong> Mobilisierung von Engagement ist <strong>die</strong> frühzeitige Beteiligung<br />

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und Einbindung von Vereinen und zivilgesellschaftlichen Initiativen in den Planungsprozess.<br />

● Bürgerschaftliche Initiativen, in welcher Form sie sich auch organisieren, brauchen<br />

flexible, verlässliche, ressortübergreifende Unterstützung; oft nicht dauerhaft,<br />

sondern degressiv, aber oft auch an Stellen, an denen sich <strong>die</strong> öffentliche<br />

Hand normalerweise nicht engagiert. Freiwilligkeit bleibt <strong>die</strong> Voraussetzung der<br />

Zusammenarbeit.<br />

● Solche Art zu fördern hat <strong>Auswirkungen</strong> <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Trägerschaft kultureller Arbeit.<br />

Wo <strong>die</strong>s möglich ist, ist eine bürgerschaftliche Trägerschaft der öffentlichen vorzuziehen.<br />

Das trifft sich auch mit der Anforderung, flexibel zu fördern.<br />

� Aufmerksamkeit für kulturwirtschaftliche Chancen<br />

Bisher wird in der Kulturförderung in der Bun<strong>des</strong>republik wenig Aufmerksamkeit <strong>auf</strong><br />

<strong>die</strong> ordnungspolitische Seite der Kulturförderung gerichtet. Ein Großteil von Kulturförderung<br />

ist meritorisch, greift aus übergeordneten Zielsetzungen heraus in den<br />

Markt ein. Immer führt meritorisches Handeln <strong>des</strong> Staates zu einer Veränderung der<br />

Marktchancen für private Anbieter. Bei einem graduellen Abbau staatlichen Engagements<br />

dar<strong>auf</strong> geachtet werden, dass private Chancen sich eröffnen.<br />

● Wo private Angebote möglich sind, sollten sie Vorzug vor öffentlichen Angeboten<br />

bekommen.<br />

● Bei öffentlichen <strong>kulturellen</strong> Institutionen oder Förderungen ist zu bedenken, wie<br />

sie mit privatwirtschaftlichen Anreizen verbunden werden können. Die Einladung<br />

privatwirtschaftlichen Engagements führt oft zu besseren, umfangreicheren und<br />

preiswerteren Angeboten als Kultur in öffentlicher Trägerschaft.<br />

� Verlässlichkeit staatlichen Handelns<br />

Die bisher beschriebenen Förder- und Handlungsprinzipien in der Kulturpolitik sind<br />

dann besonders wirksam, wenn kulturpolitische Partner in verlässlichen Planungsumgebungen<br />

arbeiten können.<br />

● Kurzfristige Förderinstrumente sind keine geeignete Basis für <strong>die</strong> Entstehung<br />

nachhaltiger und selbst tragender Strukturen. Perspektiven müssen langfristiger<br />

sein. Geförderte sollten nicht Bittsteller, sondern gleichberechtigte Partner sein.<br />

● Dazu gehört, dass Förderung <strong>auf</strong> der Basis klarer Zielvereinbarungen vergeben<br />

wird. Öffentliche Förderung richtet sich nach Zielen, Geförderte gehen Leistungsversprechen<br />

ein. Regelmäßige Evaluation anhand aussagekräftiger Kriterien unterstützt<br />

<strong>die</strong> Einhaltung von Vereinbarungen.<br />

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Eine schlanke und gleichzeitig wirkungsvolle Planung in der Kulturpolitik sollte einem<br />

Verfahren folgen, das schematisch im folgenden Schaubild dargestellt ist:<br />

Evaluierung<br />

Sind Kulturinstitutionen fit für<br />

<strong>die</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben oder<br />

braucht es Veränderungen im<br />

Management, in der Organisation<br />

bzw. im Zusammenspiel mit<br />

Die drei Schritte<br />

● Zieldefinition<br />

● Aufgabenkritik und<br />

● Evaluierung<br />

sind im Gesamtprozess verzahnt. Konsequent ist ein schrittweises Vorgehen in der<br />

Planung von der Zielüberprüfung bis zur Einzelevaluierung.<br />

In Planungsprozessen muss <strong>die</strong> Bevölkerung mitgenommen werden – gerade<br />

Schrumpfungsprozesse sind schmerzlich. Wichtig für kulturelle Planungsprozesse wird<br />

sein, dass mit klaren inhaltlichen und finanziellen Zielen gearbeitet wird, dass eine<br />

nachvollziehbare und sorgfältige Aufgabenkritik erfolgt und dass der Bevölkerung <strong>die</strong><br />

Möglichkeit zur Beteiligung gegeben wird. Kulturpolitik muss lernen, klar zu kommunizieren,<br />

Interessenpositionen und fachliche Positionen deutlich zu markieren und <strong>die</strong><br />

Öffentlichkeit bei ihren Entscheidungen mitzunehmen.<br />

Das Gutachten definiert vier Handlungsfelder öffentlicher Kulturpolitik, jede <strong>die</strong>ser<br />

kulturpolitischen Aufgaben verlangt vor dem Hintergrund der wahrscheinlichen fiskalischen<br />

und <strong>demografischen</strong> Entwicklung eine eigene Antwort.<br />

� Kulturelle Anschauung/Erfahrung für <strong>die</strong> Bevölkerung ermöglichen<br />

� Der Bevölkerung Zugang zu kultureller Bildung ermöglichen<br />

3<br />

Zielüberprüfung<br />

Was soll kulturpolitisch erreicht werden?<br />

Wieviel Geld ist <strong>die</strong> Kultur wert?<br />

Wie wird Erfolg bei der Erreichung von<br />

Zielen überprüft?<br />

1<br />

Überprüfung<br />

kulturpolitischer<br />

Strategien<br />

anderen <strong>kulturellen</strong> Akteuren? 2<br />

Ergebnis<br />

Flexible Anpassung von Kulturpolitik an <strong>die</strong> Gesamtlage<br />

Szenarien für eine konstruktive und nachhaltige Kulturpolitik<br />

Rationale Steuerung notwendiger Anpassungen<br />

Aufgabenkritik<br />

Stimmen <strong>die</strong> tatsächlichen<br />

<strong>kulturellen</strong> Aktivitäten mit den<br />

kulturpolitischen Zielen überein?<br />

Was ist hier zu ändern?<br />

Wo gibt es Fehlstellen, wo<br />

Optimierungspotenziale?<br />

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� Kulturelles Erbe (Bauten, Archive) sichern<br />

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� Kultur für Dritte (Tourismus etc.) bereitstellen/Kultur für Marketing nutzen<br />

Kulturpolitik ist <strong>auf</strong> allen Feldern gefordert, reversibel zu planen, spezifische räumliche<br />

Potentiale zu erkennen, privates Engagement einzubeziehen.<br />

Planungsprozesse müssen kommunal, regional, <strong>auf</strong> Lan<strong>des</strong>ebene und teilweise auch<br />

länderübergreifend <strong>auf</strong>gesetzt werden. Regelmäßig sind drei Schritte zu durchl<strong>auf</strong>en:<br />

� Zieldefinition: Überprüfung und Formulierung kulturpolitischer Ziele im Rahmen der<br />

finanziellen und <strong>demografischen</strong> Entwicklungen<br />

� Aufgabenkritik: Mit welchen Angeboten, Institutionen und Fördermaßnahmen werden<br />

<strong>die</strong> kulturpolitischen Ziele am besten erfüllt?<br />

� Evaluation: Auf Institutionen bezogene Maßnahmen<br />

Die im Gutachten dokumentierten Praxisbeispiele veranschaulichen Formen zivilgesellschaftlicher<br />

Selbsttätigkeit und setzen sich mit Kulturentwicklung angesichts leerer<br />

werdender ländlichen Räumen und schwindender staatlicher Ressourcen auseinander.<br />

Im Bericht sind Projekte und Initiativen aus dem <strong>kulturellen</strong> Feld beschrieben, <strong>die</strong> beispielhaft<br />

zeigen, wie im ländlichen Raum mit demografischem Wandel und daraus resultierenden<br />

Herausforderungen für Kulturentwicklung umgegangen werden kann. Gesucht<br />

wurde nach <strong>kulturellen</strong> Projekten und Initiativen, <strong>die</strong> in weitgehender Unabhängigkeit<br />

von öffentlichen Geldern und trotz kleiner Nutzerzahlen im Nahraum funktionieren.<br />

In einem zweiten Schritt wurden mögliche Beispiele <strong>auf</strong> der Basis eines detaillierten<br />

Kriterienkatalogs analysiert. Mit Hilfe <strong>die</strong>ser Kriterien wurde ermittelt, ob und in welcher<br />

Weise eine kulturelle Unternehmung oder eine Initiative <strong>auf</strong> spezifische Herausforderungen<br />

und Chancen <strong>des</strong> <strong>demografischen</strong> <strong>Wandels</strong> eingeht.<br />

Sieben Fallbeispiele sind das Ergebnis der Suche:<br />

� Buchdorf Mühlbeck-Friedersdorf (Sachsen-Anhalt): Dreizehn Antiquariate mit<br />

unterschiedlichen Schwerpunkten sind in dem ersten Buchdorf Deutschlands versammelt.<br />

Am Anfang standen eine Idee und ein leerer Schulraum, heute hat der<br />

Verein rund 40 Mitglieder. Besucher kommen aus dem In- und Ausland, um ein<br />

weitgefächertes Angebot gebrauchter Büchern und Zeitschriften einzusehen.<br />

� Land Leben Kunst Werk (Sachsen-Anhalt): Der bis heute bestehende jährliche<br />

Kunstsommer war der Ursprung <strong>die</strong>ser Unternehmung an der Schnittstelle von Kultur,<br />

Bildung und ländlicher Entwicklung. Die Umsetzung eines geförderten Jugend-<br />

Bildungskonzepts erforderte größere Räumlichkeiten. Diese fand der Verein in ei-<br />

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nem leer stehenden Schloss, von dem u.a. der Gutspark wieder zugänglich gemacht<br />

wurde. Zudem entstanden ein Hochseilparcours und ein Skulpturenpark.<br />

� Auerworld-Palast & Festival (Thüringen): Der Auerworld-Palast ist ein besonderer<br />

kultureller Anziehungspunkt und Veranstaltungsort, der Kuppelbau mit 25 Metern<br />

Durchmesser besteht aus lebenden Weiden. Initiiert wurde er von dem Förderverein<br />

Auerstedt, ein Verein, der <strong>die</strong> Region kulturell und wirtschaftlich beleben will. Das<br />

jährliche Auerworld-Musikfestival ist Kernstück der <strong>kulturellen</strong> Veranstaltungsreihen.<br />

� Kunst- & Museumsprojekt Zschadraß (Sachsen): Der Keim für das Kunst- und<br />

Museumsprojekt Zschadraß wurde 2002 bei einer Entrümpelung von nicht genutzten<br />

Räumen <strong>des</strong> örtlichen Klinikgelän<strong>des</strong> gelegt. Bei der Aufräumaktion kamen historische<br />

Artefakte und Dokumente zum Vorschein, bedeutsam sowohl für <strong>die</strong> Geschichte<br />

der Klinik, als auch für <strong>die</strong> der Psychiatrie in Deutschland. In Zusammenarbeit<br />

von einem Künstler, Klinikpersonal und Patienten entstand eine Dauerausstellung,<br />

<strong>die</strong> 2003 eröffnete.<br />

� Kulturform Pampin (Mecklenburg-Vorpommern):Über <strong>die</strong> Ländergrenze Brandenburg<br />

– Mecklenburg-Vorpommern hinweg entstand durch private Initiative ein regionales<br />

Netzwerk, das bestehende Kulturangebote vernetzt und gemeinsam Projekte<br />

umsetzt. Das 2007 eröffnete Kulturforum besteht im Kern aus einer Kulturhalle, einer<br />

kleinen Galerie und dem 6.000 qm großen Skulpturenpark. In der Kulturhalle<br />

finden jährlich bis zu drei große Ausstellungen statt, zukünftig sind jährlich vier weitere<br />

Fest-Veranstaltungen geplant.<br />

� Projekt Stiftung Zukunft Altmark (Sachsen-Anhalt): Das stark verfallene Gut<br />

Zichau wurde von dem Enkel der ehemaligen Eigentümer erworben und wird derzeit<br />

umgestaltet. Ein ehemaliger Rinderstall wird zur ‚Kulturaktionsfläche‘, der Landschaftspark<br />

wird wieder hergestellt und ein Gartenhotel soll entstehen. Kulturelle<br />

Veranstaltungsformate sind für Bewohner der gesamten Region geplant.<br />

� Kunstbauerkino (Sachsen): In einem kleinen Dorf in der Nähe <strong>des</strong> Dreiländerecks<br />

werden an fünf Tagen der Woche Filme gezeigt. Das kleine Programmkino existiert<br />

seit 1993, der Spielort in einer alten Bäckerei wurde <strong>auf</strong> 60 Plätze erweitert. Die alte<br />

Bäckerei beherbergt neben dem Kunstbauerkino auch ein Kulturcafé und <strong>die</strong> Umweltbibliothek<br />

Großhennersdorf. Der Großteil der Kinobesucher kommt aus der Umgebung.<br />

Die ausgewählten Projekte wurden systematisch dar<strong>auf</strong> untersucht, wie Kulturentwicklung<br />

unter den derzeitig absehbaren <strong>demografischen</strong> Entwicklungen <strong>auf</strong> dem Land im<br />

Osten funktionieren kann. Die Projekte werden als <strong>auf</strong> Dauer angelegte Kultur-Unternehmungen<br />

betrachtet, <strong>die</strong> sich anhand von vier Dimensionen beschreiben lassen: (1)<br />

<strong>die</strong> zu Grunde liegenden Visionen und daraus abgeleitete Ziele, (2) <strong>die</strong> zur schrittwei-<br />

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sen Umsetzung angesetzten Maßnahmen und Aktivitäten. Das sind im Falle eines Kulturunternehmens<br />

vor allem kulturelle Angebote. Das Unternehmen kann auch <strong>auf</strong> angrenzenden<br />

Handlungsfeldern agieren, um <strong>die</strong> nicht deckungsfähige Kultur- und Bildungsarbeit<br />

mitzufinanzieren. In <strong>die</strong> Untersuchung sind außerdem Informationen über<br />

(3) Ressourcenhaushalt und (4) Steuerungsmechanismen sowie steuernde Akteure<br />

eingeflossen.<br />

Auf der Suche nach Zugängen zu einer weiteren Systematisierung der Fallbeispiele<br />

zeigte sich, dass sie sich sinnvoll nach ihrem Entstehungsanlass gliedern lassen. Vier<br />

Ausprägungen können <strong>auf</strong> der Basis <strong>die</strong>ser Unterscheidung als günstige Bedingungen<br />

für <strong>die</strong> Gründung von Kulturprojekten im ländlichen Raum ausgewiesen werden:<br />

� Symbolträchtige Orte wie Kirche, Burg, Hügelgrab.<br />

� Lokal manifeste Bedürfnisse, wie nach Jugendkultur, nach Begegnungsräumen,<br />

nach Möglichkeiten sinnstiftender Betätigung vor Ort.<br />

� Wirtschaftliche Umfeldbedingungen, wie niedrigpreisiger Raum (Freiraum und bebauter<br />

Raum), Strukturförderfonds, niedrige Lebenshaltungskosten.<br />

� Wachsen<strong>des</strong> Interesse an der (Wieder)Aneignung von Nahrungsmittelproduktion<br />

und damit verbunden an ländlichen Lebensweisen (beispielhaft <strong>die</strong> Bewegung der<br />

Community Supported Agriculture CSA).<br />

Vorgelegt von:<br />

� Dieter Haselbach<br />

� Cerstin Gerecht<br />

� Corinna Vosse<br />

� Sebastian Kutz<br />

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