Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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schwächeren LeserInnen zu vermeiden. Differenzierte<br />
Leseförderung ist nicht nur didaktisch begründet:<br />
Wegen der bereits angesprochenen Öffentlichkeitswirkung<br />
von Förderungsmaßnahmen<br />
in der Schulklasse ist die „Statuspolitik“ der zu<br />
Fördernden immer mitzudenken.<br />
Schrift <strong>und</strong> Bild<br />
Bei der Auswahl von Texten ist die unterschiedliche<br />
Nähe von Mädchen <strong>und</strong> Buben zur Bildlichkeit<br />
zu berücksichtigen. Um an ihren außerschulischen<br />
Texterfahrungen ansetzen zu können, sind<br />
die im Alltag von den Mädchen <strong>und</strong> Buben genutzten<br />
Texte zu analysieren: Wie ist das Verhältnis<br />
Schrift zu Bild? Welche Arten von Bildern sind<br />
den Buben, welche den Mädchen vertraut? Wie<br />
sind die Texte mit den Bildern verknüpft, welche<br />
Funktionen haben die Texte, welche die Bilder?<br />
Wie unterscheiden sich diese Lesestoffe von den<br />
Materialien, die ich im <strong>Unterricht</strong> verwende? Sind<br />
die schulischen Texte auf Basis der den Mädchen<br />
<strong>und</strong> Buben aus ihrem Alltag vertrauten Texte eher<br />
„männlich“ oder eher „weiblich“ strukturiert? Welche<br />
Figuren finden sich in den Alltagstexten wie<br />
dargestellt, welche in den Texten der Schule? Können<br />
diese den Mädchen <strong>und</strong> Buben als Modelle zur<br />
Identifikation dienen oder auch zur Abgrenzung?<br />
Eine wichtige Frage ist hier auch, welcher Sphäre<br />
die Texte der Schule auf den ersten Blick zuzuordnen<br />
sind <strong>und</strong> welchen Eindruck ihre Gestaltung<br />
vermittelt. Handelt es sich – aus der Perspektive der<br />
SchülerInnen – etwa um seriöse Arbeitsunterlagen<br />
oder Freizeitspaß, um wichtige Fakten oder belanglos<br />
Unterhaltsames? Werden in der Textgestaltung<br />
die „Lesegewohnheiten“ der Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendlichen ernst genommen oder – um ihr Wohlwollen<br />
zu gewinnen – eher gedankenlos übernommen?<br />
Haben Bilder z.B. eine den Text inhaltlich<br />
unterstützende <strong>und</strong> ergänzende Funktion oder dienen<br />
sie lediglich dazu, Elemente aus der Populärkultur<br />
von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen einzuführen?<br />
In der Textgestaltung ist große Sensibilität der<br />
Schulbuchverlage notwendig: Einerseits geht es<br />
darum, die Texte <strong>für</strong> die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />
attraktiv zu machen. Andererseits sollten schuli-<br />
GESCHLECHTERSENSIBLE LESEFÖRDERUNG<br />
sche Materialien den Charakter von Seriosität <strong>und</strong><br />
vor allem Glaubwürdigkeit vermitteln, ohne langweilig<br />
<strong>und</strong> antiquiert zu wirken. Für die Gestaltung<br />
von Texten <strong>für</strong> die Schule stellt das hohe Anforderungen<br />
an das semiotisches Hintergr<strong>und</strong>wissen<br />
über Schrift <strong>und</strong> Bild, wie z.B. spezifische Layouts<br />
von Seiten, wie Farben, Formen etc. von unterschiedlichen<br />
Zielgruppen interpretiert werden. Facetten<br />
von Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit sind<br />
hier immer impliziert.<br />
Lesemedien, Genres, Inhalte, Lesestrategien<br />
Es ist gr<strong>und</strong>sätzlich zu unterscheiden zwischen der<br />
Förderung von Lesemotivation, Lesekompetenz<br />
<strong>und</strong> literarischen Kompetenzen. <strong>Lesen</strong> ist nicht<br />
mit Buchlesen gleichzusetzen oder auf die Buchlektüre<br />
zu reduzieren. Bücher beschränken sich<br />
nicht auf (anspruchsvolle) belletristische Literatur.<br />
Texte, welche die Lesekompetenz weiterentwickeln,<br />
sind <strong>für</strong> die SchülerInnen nicht unbedingt attraktiv.<br />
Auch bei den Lesemedien ist zu fragen, welche den<br />
Schülern <strong>und</strong> welche den Schülerinnen aus ihrem<br />
Alltag vertraut sind <strong>und</strong> zu welchen Zwecken sie<br />
diese jeweils nutzen. Dieses Wissen sollte ermöglichen,<br />
in etwa einzuschätzen, welche Zuschreibungen<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche Lesemedien <strong>und</strong><br />
Textgenres zuweisen, die <strong>für</strong> die Welt der Schule<br />
typisch sind <strong>und</strong> warum spezifische Angebote bei<br />
Mädchen <strong>und</strong> Buben möglicherweise auf besonders<br />
wenig Gegenliebe stoßen.<br />
Die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sollten in der Schule<br />
bzw. Schulklasse Zugang zu einer thematisch<br />
möglichst breiten Vielfalt an Lesemedien <strong>und</strong> Genres<br />
haben, die ihnen zum einen aus ihrem Alltag<br />
vertraut sind <strong>und</strong> die zum anderen die Palette ihrer<br />
Alltagslektüre erweitern.<br />
Eine wichtige Frage ist, welchen Stellenwert <strong>und</strong><br />
welche Funktionen die Mädchen <strong>und</strong> Buben den<br />
verschiedenen „alten“ <strong>und</strong> „neuen“ Lesemedien<br />
in ihrem Alltag geben. An welche Medien <strong>und</strong><br />
Genres <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Lesestrategien sollten<br />
die Buben herangeführt werden, an welche die<br />
Mädchen?<br />
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