Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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GESCHLECHTERSENSIBLE LESEFÖRDERUNG<br />
Je mehr man als Lehrerin <strong>und</strong> Lehrer über Lesegewohnheiten<br />
in den Lebenswelten der Schüler<br />
<strong>und</strong> Schülerinnen <strong>und</strong> die damit verknüpften Bedeutungszuweisungen<br />
an das <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> an Lesemedien<br />
weiß, umso eher kann man diese Gegebenheiten<br />
in der Leseförderung berücksichtigen<br />
<strong>und</strong> adäquate Texte <strong>und</strong> Strategien aussuchen, die<br />
von den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen angenommen<br />
werden (können).<br />
Geschriebene Sprache, gesprochene Sprache<br />
Die Spezifika der schriftlichen Sprache müssen jenen<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, die mit diesem<br />
Kommunikationsmodus wenig vertraut sind, deutlich<br />
gemacht <strong>und</strong> gezeigt werden. Wie Elemente<br />
der mündlichen Sprache in das Schriftliche übersetzt<br />
werden, erschließt sich z.B. <strong>Lesen</strong>eulingen,<br />
denen wenig vorgelesen wurde, nicht automatisch<br />
von selbst, <strong>und</strong> auch ältere SchülerInnen haben<br />
hier Schwierigkeiten, wie Beispiele in Kapitel II.1<br />
<strong>und</strong> IV.1 zeigen. Für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, die<br />
an die audiovisuelle Sprache des Fernsehens <strong>und</strong><br />
der Computer- <strong>und</strong> Konsolenspiele gewöhnt sind,<br />
haben schriftliche Texte, in denen konkretes Zeigen<br />
in Schrift übersetzt wird, oft einen sehr abstrakten<br />
Charakter. Sie vermissen das bewegte<br />
Bild. Die in der Sprache im Gegensatz zum Visuellen<br />
fehlende Konkretheit, was z.B. Farben,<br />
Größen, Positionierungen etc. betrifft, macht Texte<br />
<strong>für</strong> sehr lesefern aufgewachsene Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
oft langweilig, kompliziert <strong>und</strong> unverständlich.<br />
„Für die meisten Mädchen <strong>und</strong> Jungen gilt, dass<br />
sie auf unterschiedliche Art Zugang zum <strong>Lesen</strong><br />
<strong>und</strong> zu den verschiedenen literarischen Welten<br />
finden. Das elektronische Buch (die CD-ROM) erleichtert<br />
vielen Jungen den Zugang zu fiktionalen<br />
Stoffen <strong>und</strong> führt sie ein in Geschichten; oft<br />
finden sie über den Bildschirm zu gedruckten Büchern<br />
– vor allem dann, wenn diese Spannendes<br />
<strong>und</strong> Dynamisches erzählen. Mädchen finden den<br />
Zugang zur gedruckten Erzählung meist schneller.<br />
Die interaktiven Möglichkeiten von CD-ROM-<br />
Versionen, welche Jungen häufiger auch außerhalb<br />
der Schule nutzen, sollten Mädchen ungestört<br />
<strong>und</strong> in ihrem Tempo kennen lernen können.<br />
Der <strong>Unterricht</strong> fördert Mädchen <strong>und</strong> Jungen,<br />
wenn er Lesestoffe <strong>für</strong> beide Geschlechter bereithält,<br />
wenn er alle zum Gebrauch der verschiedenen<br />
Medien auffordert <strong>und</strong> wenn er Raum zum<br />
Gespräch unter den Leserinnen <strong>und</strong> den Lesern<br />
lässt. Kinder akzeptieren einander als Expertinnen<br />
<strong>und</strong> Experten <strong>für</strong> guten Lesegeschmack, sie<br />
nehmen voneinander Empfehlungen zum weiteren<br />
<strong>Lesen</strong> an, sie lernen von einander: die Mädchen<br />
von den Mädchen, die Jungen von den Jungen<br />
<strong>und</strong> nicht selten regen sich die Mädchen <strong>und</strong><br />
Jungen einer Klasse auch wechselseitig an.<br />
Leseempfehlungen, Entdeckungen in Literatur<br />
<strong>und</strong> Medien sollten also abwechselnd in<br />
geschlechtergetrennten <strong>und</strong> in durchmischten<br />
Gruppen stattfinden.“<br />
Andrea Bertschi-Kaufmann 86<br />
Um Schriftlichkeit in ihren Besonderheiten verständlich<br />
zu machen, sind vor allem die im vorherigen<br />
Abschnitt angesprochenen Prinzipien des<br />
Medien- <strong>und</strong> Moduswechsels sowie des handlungsorientierten<br />
Arbeitens mit Texten zielführend.<br />
Codes der Übersetzung verschriftlichter Inhalte<br />
sind <strong>für</strong> die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen transparent<br />
zu machen. Hier bietet es sich an, die Schülerinnen<br />
<strong>und</strong> Schüler nach ihren Lesefähigkeiten<br />
in Gruppen zu teilen, um Zuschreibungen von<br />
„Dummsein“ <strong>und</strong> dgl. durch die besseren an die<br />
86) Bertschi-Kaufmann 2000, S. 362f.