Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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Zu diesen Vorzügen des Schreibens mit dem Computer<br />
kommt noch die Motivationssteigerung<br />
durch das Arbeiten mit dem Computer sowie vor<br />
allem <strong>für</strong> die Buben die Möglichkeit, zu zeigen, was<br />
sie hier können.<br />
„Für viele Kinder ermöglicht der Bildschirm einen<br />
einfacheren Zugang zur Schrift. Hier sind Texte oft<br />
begleitet von erklärenden Bildern <strong>und</strong> von Ton:<br />
vorlesende Stimmen können mit der Maus aktiviert<br />
werden, Bilder oder Videoelemente erklären<br />
den Text. Diese verschiedenen Elemente können<br />
die Nutzerinnen <strong>und</strong> Nutzer selber per Mausklick<br />
abrufen, sie können – <strong>und</strong> müssen – dabei auswählen<br />
<strong>und</strong> sich ihre eigenen Lesewege suchen.<br />
Die interaktiven Möglichkeiten sind <strong>für</strong> viele Kinder<br />
attraktiv; die Arbeit am Bildschirm weckt neue<br />
<strong>und</strong> z.T. andere Interessen an Schrift <strong>und</strong> Literatur,<br />
<strong>und</strong> sie regt die Lesetätigkeit der Kinder an. Zudem<br />
fällt den meisten auch das Schreiben mit der<br />
Tastatur leichter. Der am Bildschirm verfasste Text<br />
hat den Charakter des Vorläufigen, er kann jederzeit<br />
verändert <strong>und</strong> korrigiert werden; Schreibblockaden<br />
treten hier deshalb seltener auf. Mit den<br />
neuen Technologien können Kinder auch auf unkomplizierte<br />
Art miteinander kommunizieren <strong>und</strong><br />
sie erhalten im Internet meist auch innert kurzer<br />
Zeit Reaktionen auf ihre Texte.“<br />
Andrea Bertschi-Kaufmann 85<br />
Strategien der Visualisierung von geplanten Inhalten<br />
eines zu schreibenden Textes, wie Diagramme,<br />
Mindmaps etc., helfen, einen Einstieg in das Schreiben<br />
zu finden. Auf Basis dieser Visualisierungen<br />
können auch zu ein <strong>und</strong> demselben Inhalt Texte in<br />
unterschiedlichen Genres umgesetzt werden: Einerseits<br />
erlernen die SchülerInnen die Regeln spezifischer<br />
Genres im praktischen Tun kennen <strong>und</strong> anwenden.<br />
Andererseits wird „das Gemachte“ an<br />
Texten <strong>für</strong> sie klar erkenn- <strong>und</strong> nachvollziehbar.<br />
Speziell schwache LeserInnen können durch dieses<br />
sehr pragmatische Herangehen an Texte <strong>und</strong> an<br />
das Schreiben Zugangsbarrieren abbauen.<br />
85) Bertschi-Kaufmann 2000, S. 365.<br />
GESCHLECHTERSENSIBLE LESEFÖRDERUNG<br />
Schriftliche Kommunikation bzw. <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong><br />
Schreiben können auch anhand des Schreibens<br />
von SMS-Nachrichten thematisiert werden. Wann<br />
<strong>und</strong> wem schreiben Mädchen SMS? Wie ist das bei<br />
Buben? Unterscheiden sich diese Nachrichten?<br />
Wie können diese reduzierten Texte lesbar bleiben?<br />
Welche Konventionen hat das Schreiben generell?<br />
Welchen Sinn haben diese Konventionen?<br />
Wichtig ist hier, diese unterschiedlichen Konventionen,<br />
vor allem das Genre von SMS-Nachrichten,<br />
nicht abzuwerten, sondern auf die historische Veränderlichkeit<br />
von Sprache <strong>und</strong> Schriftlichkeit als<br />
Hintergr<strong>und</strong> zu rekurrieren.<br />
Der Text<br />
Lesewelten sind Lebenswelten<br />
Kinder haben, wenn sie in die Schule kommen, sehr<br />
unterschiedliche Erfahrungen mit Schriftlichkeit.<br />
Manche sind in sehr anregenden Schriftumgebungen<br />
aufgewachsen <strong>und</strong> können zum Teil bereits lesen.<br />
Andere wiederum kommen aus Familien, in<br />
denen <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben kaum eine Rolle spielen,<br />
es außer den sehr funktional ausgerichteten Lesematerialien<br />
des Alltags kaum Lesestoffe gibt<br />
<strong>und</strong> Schreibaufgaben als unangenehme <strong>und</strong> mühselige<br />
Pflicht vorgelebt werden.<br />
Nach wie vor gibt es auch Lebenswelten, in denen<br />
<strong>Lesen</strong> als „inneres Tun“ weniger hoch bewertet<br />
wird als „äußeres Tun“, Handeln, bei dem Dinge<br />
verändert werden. Im Besonderen gilt das <strong>für</strong> das<br />
<strong>Lesen</strong> von erzählender Literatur. Das <strong>Lesen</strong> von<br />
Belletristik wird hier häufig abschätzig als Zeitverschwendung<br />
bewertet, das - noch dazu - weiblich<br />
konnotiert ist. Diese zusätzliche Abwertung<br />
geht auf die in diesen eher bildungsfernen Kontexten<br />
häufig noch stark ausgeprägte traditionelle<br />
Geschlechterhierarchie zurück, dass „Männliches“<br />
höher bewertet wird als „Weibliches“. „Buchlesen“<br />
wird mit weltfremder Intellektualität, weit ab von<br />
(traditionell männlich konnotierter) Handlungsfähigkeit<br />
gleichgesetzt. Bücher lesen am ehesten<br />
noch Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> Frauen, aber keine<br />
„richtigen“ Männer - so könnte man diese Haltung<br />
zusammenfassen, in der sich auch Modernisierungsängste<br />
widerspiegeln.<br />
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