Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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GESCHLECHTERSENSIBLE LESEFÖRDERUNG<br />
In dieser Erschließungsarbeit müssten allerdings<br />
– neben literarisch-ästhetischen Ansprüchen der<br />
KJL-Kritik – die Erwartungen der jungen LeserInnen<br />
entsprechend berücksichtigt werden.<br />
Dieser Anspruch bezieht sich auch auf die Sensibilität<br />
<strong>für</strong> <strong>Gender</strong>differenzen beim <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> im<br />
Medienumgang insgesamt. Zusätzlich ist ein erweitertes<br />
Verständnis dessen erforderlich, was einerseits<br />
„(Kinder- <strong>und</strong> Jugend-)Literatur“ <strong>und</strong> was<br />
andererseits „<strong>Lesen</strong>“ ist, wenn die Förderung der<br />
Lesemotivation von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ein<br />
Ziel dieser Erschließungsarbeit ist. Die Konzentration<br />
auf das Medium Buch entspricht weder den<br />
aktuellen Gegebenheiten des KJL-Marktes noch<br />
der Lesepraxis vieler Kinder <strong>und</strong> Jugendlicher.<br />
Vor allem <strong>für</strong> die Unterstützung des <strong>Lesen</strong>lernens<br />
von Buben ist es dringend erforderlich, auch den<br />
Markt der Kinderliteratur auf CD-ROM zu erschließen:<br />
Ein Schweizer Forschungsprojekt zeigt,<br />
dass die Lese(lern)motivation der Buben durch<br />
dieses neue Lesemedium deutlich gefördert werden<br />
kann. 81<br />
Handlungsorientiertes Arbeiten mit Texten<br />
Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen, die wenig Erfahrungen<br />
mit der abstrahierten Sprache schriftlicher Texte<br />
<strong>und</strong> mit ihren Codes haben, brauchen Unterstützung,<br />
um zu erfahren, was in Texten alles drinnen<br />
stecken <strong>und</strong> wie man sich diese Inhalte erschließen<br />
kann. Neben dem expliziten Zeigen <strong>und</strong> Anleiten,<br />
wie man Texte verstehend liest, ist <strong>für</strong> sie die handlungsorientierte<br />
Auseinandersetzung mit Texten<br />
eine wichtige Zugangsmöglichkeit. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
können so Erfahrungen <strong>und</strong> Wissen aus<br />
ihrem Alltagsleben mit den Inhalten des Textes verbinden<br />
– <strong>und</strong>: Sie können sich im aktiven Tun selbst<br />
einbringen.<br />
Körperliche Bewegung <strong>und</strong> Aktivitäten, deren Ergebnis<br />
sichtbare Veränderungen in der Umwelt<br />
sind, sind besonders <strong>für</strong> Buben sehr motivierend.<br />
Arbeit mit Texten sollte sich nicht auf das Sprachliche<br />
beschränken. Je nach Alter der Schüler <strong>und</strong><br />
Schülerinnen können hier Rollenspiele gemacht<br />
werden, jüngere Kinder können malen oder Modelle<br />
von Handlungsorten <strong>und</strong> dergleichen basteln,<br />
Jugendliche können auf Flipcharts Diagramme<br />
entwickeln etc. Wichtig ist, dass die Schüler <strong>und</strong><br />
Schülerinnen große Papierformate zur Verfügung<br />
haben, um möglichst nicht eingeengt zu sein. In einem<br />
weiteren Schritt können elaborierte Darstellungen<br />
auf das Wesentliche reduziert <strong>und</strong> z.B. in<br />
Power Point-Präsentationen transferiert werden.<br />
Buben können hier ihre Fachkenntnisse einbringen.<br />
Visualisierungen (Grafiken, Fotos, Malereien<br />
etc.) können z.B. den Text ergänzen, neue Facetten,<br />
die nicht oder nur beschränkt über Schrift vermittelt<br />
werden, können erarbeitet werden (z.B.<br />
Farben oder Musik).<br />
Wechsel von Medium, Modus, Genre <strong>und</strong><br />
Perspektiven<br />
Was das Verständnis von Texten betrifft, sind unterschiedliche<br />
Visualisierungstechniken besonders <strong>für</strong><br />
Buben hilfreich. In Londoner Schulprojekten zeigte<br />
sich, dass Buben durch Mind-Maps <strong>und</strong> verschiedene<br />
Formen von Diagrammen auch in ihrem<br />
Schreiben stark unterstützt werden: Die Visualisierungen<br />
stellen z.B. „greifbare“ Ansätze <strong>für</strong> den Beginn<br />
<strong>und</strong> die Struktur von Texten zur Verfügung. 82<br />
Mädchen wiederum können durch Visualisierungsstrategien<br />
in einer strukturierten Auseinandersetzung<br />
mit Inhalten unterstützt werden. Eine<br />
auf inhaltliche Elemente <strong>und</strong> deren Zusammenhänge<br />
konzentrierte „Übersetzung“ von Texten erfordert<br />
auch eine distanziertere Haltung zum Geschriebenen.<br />
Mädchen, in deren Lektürepraxis das<br />
identifikatorische <strong>Lesen</strong> dominiert, üben auf diese<br />
Weise einen Textzugang, der <strong>für</strong> informationsorientiertes<br />
<strong>Lesen</strong> von zentraler Bedeutung ist.<br />
Bei Schreibaktivitäten von SchülerInnen im Anschluss<br />
an die Lektüre von Texten ist die Übernahme<br />
der Rolle von ProtagonistInnen auch deswegen<br />
eine hilfreiche Strategie, weil dadurch vermieden<br />
wird, dass sich die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />
in der Öffentlichkeit der Schulklasse über sich<br />
selbst <strong>und</strong> ihre eigenen Gefühle äußern müssen,<br />
was von Buben besonders stark abgelehnt wird.<br />
81) Vgl. Bertschi-Kaufmann 2001. 82) Vgl. Safford/O'Sullivan/Barrs 2004.