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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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sen oder Erzählen durch die Lehrpersonen, Einsatz<br />

von Hörkassetten, Zugang zur Geschichte<br />

über Illustrationen, handlungs- <strong>und</strong> produktionsorientierter<br />

Umgang mit den ästhetischen Welten<br />

scheinen als Wege der Entwicklung von Lesemotivation<br />

<strong>und</strong> ästhetischer Genussfähigkeit geeignet<br />

zu sein.“ 78<br />

Die Öffentlichkeit der Schulklasse als Kontext<br />

schulischer Leseförderung<br />

Die Auswahl sowohl von Lesemedien als auch<br />

Texten durch LehrerInnen muss diese ungleichen<br />

Erwartungen berücksichtigen. Geht es um die Förderung<br />

der Lesemotivation, sind die Ansprüche der<br />

zu Fördernden in den Mittelpunkt rücken. Die<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen sollten allerdings auf keinen<br />

Fall unterfordert werden.<br />

Mit der Entscheidung <strong>für</strong> eher anspruchsvolle oder<br />

weniger anspruchsvolle Lesestoffe vermittle ich als<br />

Lehrerin meinen SchülerInnen immer auch implizit,<br />

wie ich ihre Lesekompetenzen <strong>und</strong> ihre Lesemotivation<br />

einschätze – etwa über die Komplexität<br />

der Sprache <strong>und</strong> des Inhalts oder über die Gestaltung<br />

der Texte (Textlänge, Schriftgröße, Abbildungen).<br />

Die Texte sollten die Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler herausfordern, aber auch nicht überfordern.<br />

Um diese schwierige Balance zu halten, sind<br />

einerseits Differenzierungen der Lesestoffe, abgestimmt<br />

auf die Interessen der SchülerInnen <strong>und</strong><br />

ihre Kompetenzen, notwendig. Andererseits sollten<br />

die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen eingeb<strong>und</strong>en werden,<br />

indem sie selbst von ihnen gelesene Texte beurteilen,<br />

ob diese langweilig oder interessant waren <strong>und</strong><br />

was da<strong>für</strong> jeweils verantwortlich war. Diese Diskussion<br />

von Texten auch dahingehend, was sie <strong>für</strong><br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche attraktiv macht, thematisiert<br />

das <strong>Lesen</strong> als eine Aktivität unter vielen. Texte<br />

werden in diesem auch als Dekonstruktion zu verstehenden<br />

Prozess als Entitäten mit unterschiedlichsten<br />

Facetten begreifbar <strong>und</strong> in ihrer Komplexität<br />

<strong>für</strong> die SchülerInnen durchschaubar gemacht.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Botschaften, die LehrerInnen mit ihrer<br />

Textwahl den SchülerInnen darüber vermitteln,<br />

GESCHLECHTERSENSIBLE LESEFÖRDERUNG<br />

wie sie die SchülerInnen einschätzen, ist vor allem<br />

bei älteren Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen mit so genannter<br />

Leichtleselektüre sehr sensibel vorzugehen.<br />

Die Zuschreibung von geringen Lesefähigkeiten<br />

durch die Auswahl von Lesestoffen findet<br />

in der Öffentlichkeit der Schulklasse statt, Statuseinbußen<br />

bei den MitschülerInnen als „offiziell“<br />

schwache LeserInnen sind mögliche Effekte, die<br />

einer Förderung der Lesemotivation kaum förderlich<br />

sind.<br />

Der „Öffentlichkeitseffekt“ von schulischer Leseförderung<br />

ist bei allen Strategien, Empfehlungen<br />

etc. zu beachten. Besonders Buben reagieren sehr<br />

sensibel darauf, wie sie in ihrer Peergroup wahrgenommen<br />

werden: 79 Zuschreibungen der Lehrer-<br />

Innen an Lesegewohnheiten, Leseinteressen <strong>und</strong><br />

Lesekompetenzen fließen in den sozialen Status einer<br />

Person ein. Dies ist umso mehr der Fall, je<br />

wichtiger in einem sozialen Kontext das <strong>Lesen</strong> ist.<br />

Wenn Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen, die Schwierigkeiten<br />

mit dem <strong>Lesen</strong> haben, Aufgaben vermeiden,<br />

in denen es um <strong>Lesen</strong> geht, hat das auch mit der<br />

Statuspolitik der SchülerInnen in der Schulklasse<br />

<strong>und</strong> in ihren Peergroups zu tun.<br />

Der Nutzwert des <strong>Lesen</strong>s <strong>und</strong> des Gelesenen<br />

Soll das <strong>Lesen</strong> <strong>für</strong> die zu Fördernden sinnvoll <strong>und</strong><br />

attraktiv sein, bedeutet das auch, dass die Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler mit Texten „etwas anfangen“<br />

können, dass sie deren Inhalte <strong>für</strong> ihre eigenen<br />

Ziele <strong>und</strong> in ihrem Alltag brauchen <strong>und</strong> anwenden<br />

können. „Etwas damit anfangen können“ kann<br />

sehr Vieles <strong>und</strong> sehr Unterschiedliches bedeuten,<br />

angefangen bei Hilfestellungen, um ein konkretes<br />

Problem zu lösen, Spaß haben <strong>und</strong> Langeweile<br />

vermeiden bis zu aktuellen Modetipps oder Modellen<br />

da<strong>für</strong>, wie man sich in spezifischen Situationen<br />

verhalten kann.<br />

Handlungsrelevanz von Texten schließt an die Alltagspraxis<br />

der Mädchen <strong>und</strong> Buben an. Fragen, die<br />

sich hier stellen, sind: Was interessiert die jeweiligen<br />

Altersgruppen? Welche Themen oder Personen<br />

sind gerade aktuell? Wie kann man Beispiele<br />

78) Richter/Plath 2003, S. 47. 79) Vgl. dazu vor allem Arbeiten von Gemma Moss an Schulen in<br />

Großbritannien (1999).<br />

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