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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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EINLEITUNG<br />

EINLEITUNG<br />

<strong>Lesen</strong> lernt man durch <strong>Lesen</strong>8 – von dieser auch in<br />

PISA bestätigten Maxime ausgehend steht die Lesemotivation<br />

der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen im<br />

Mittelpunkt der Broschüre. Die Lesemotivation<br />

umfasst auch die Freude am <strong>Lesen</strong>, sie ist allerdings<br />

weiter gefasst. Es geht weniger darum, allen Kindern<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen Spaß am <strong>Lesen</strong> zu vermitteln<br />

– ein schönes Ziel, das aber wohl von Anfang<br />

an zum Scheitern verurteilt wäre. Wichtiger ist vielmehr,<br />

dass möglichst alle das <strong>Lesen</strong> unterschiedlichster<br />

Texte <strong>und</strong> aus unterschiedlichsten Gründen<br />

immer wieder als etwas erfahren, das sich <strong>für</strong> sie<br />

lohnt <strong>und</strong> der Mühe wert ist, die das <strong>Lesen</strong> vor allem<br />

<strong>für</strong> jene darstellt, die Probleme dabei haben.<br />

Die Lesekompetenz ist vor allem das Ergebnis der<br />

Lesesozialisation, der Erfahrungen, die man im<br />

Laufe des Lebens mit Schriftlichkeit allgemein <strong>und</strong><br />

mit <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Lesemedien im Besonderen macht.<br />

Die größte Bedeutung <strong>für</strong> die Lesesozialisation<br />

kommt dem familialen Umfeld zu. Kinder aus<br />

lesefernen Familien stehen zumeist selbst dem<br />

<strong>Lesen</strong> eher distanziert gegenüber. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> hat die Schule eine so große Relevanz <strong>für</strong><br />

die Leseförderung: Hier können alle Kinder, auch<br />

jene aus lesefernen Familien, mit Förderungsangeboten<br />

erreicht werden. Die schulische Leseförderung<br />

hat eine demokratiepolitische Kompensationsfunktion,<br />

indem sie der Fortsetzung sozialer<br />

Ungleichheiten entgegenwirken kann.<br />

Was es in unserer Gesellschaft bedeutet, ein Bub/<br />

ein Mann oder ein Mädchen/eine Frau zu sein,<br />

geht auf historisch gewachsene soziale Zuschreibungen<br />

zurück. Die soziale Konstruktion von<br />

Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit ist der Gr<strong>und</strong><br />

da<strong>für</strong>, dass hier von Geschlecht als dem sozialen<br />

Geschlecht die Rede ist <strong>und</strong> nicht von Geschlecht<br />

als dem biologischen Geschlecht. <strong>Lesen</strong> ist keine<br />

„geschlechterneutrale“ Praxis, Lesemedien sind<br />

nicht geschlechterneutral. Das <strong>Lesen</strong> von erzählender<br />

Literatur ist z.B. stark weiblich konnotiert,<br />

8) Man kann allerdings nicht von einem Kausalzusammenhang ausgehen,<br />

dass man dann, wenn man häufig liest, auch besser liest.<br />

Diese Verhältnisse sind komplexer, Lesekompetenz <strong>und</strong> Zeitaufwand<br />

<strong>für</strong> das <strong>Lesen</strong> stehen in wechselseitigen Zusammenhängen<br />

– dazu kommen noch Anspruch von Texten, Lesestrategien<br />

etc. Dazu mehr in den Kapiteln III bis VI .<br />

das <strong>Lesen</strong> von Sachbüchern hingegen eher männlich.<br />

Diese Zuschreibungen spiegeln sich in allen<br />

Daten zum <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> zu Lesegewohnheiten wider.<br />

Sie bedeuten gleichzeitig, dass auch den Leseförderungsmaßnahmen<br />

immer Geschlechterzuordnungen<br />

eingeschrieben sind. Ich hoffe, dass diese<br />

Broschüre, die Praxisvorschläge <strong>und</strong> Lesebeispiele<br />

einen Beitrag dazu leisten, dass Geschlechterdifferenzen<br />

sensibel wahrgenommen werden. Sowohl<br />

Mädchen als auch Buben sollten in ihrem<br />

Tun, was Schriftlichkeit <strong>und</strong> <strong>Lesen</strong> im weitesten<br />

Sinne betrifft, nicht durch soziale Zuschreibungen,<br />

was „üblicherweise“ Mädchen machen <strong>und</strong><br />

was Buben, eingeschränkt werden. Ziel ist dabei<br />

nicht das Neutralisieren von Unterschieden. Es<br />

geht darum zu sehen, wo sich Mädchen <strong>und</strong> Buben<br />

in ihrer Lesepraxis unterscheiden <strong>und</strong> ob <strong>und</strong> wo<br />

diese unterschiedlichen Orientierungen <strong>für</strong> sie<br />

Nachteile mit sich bringen können. Diese Nachteile<br />

sollten durch gezielte Maßnahmen so weit als möglich<br />

verhindert, die jeweiligen Stärken sollten ausgebaut<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> alle erschlossen werden.<br />

Wie ist diese Broschüre zu lesen? Sie ist als<br />

Ressource zur Auseinandersetzung mit den Geschlechterdifferenzen<br />

beim <strong>Lesen</strong> gedacht. Sie soll<br />

helfen, diese Unterschiede zu erkennen <strong>und</strong> in ihrer<br />

Komplexität zu verstehen. Im ersten Teil werden<br />

theoretische <strong>und</strong> empirische Erkenntnisse behandelt,<br />

der zweite Teil stellt daraus abgeleitete<br />

Prinzipien <strong>und</strong> Praxisanregungen <strong>für</strong> eine geschlechtersensible<br />

Leseförderung vor. An der Leseförderungspraxis<br />

interessierte LeserInnen können<br />

direkt bei Kapitel VII einsteigen, ausführliche<br />

Hintergründe <strong>und</strong> Erklärungen finden sich in den<br />

Kapiteln I bis VI. Aufgr<strong>und</strong> der Struktur, dass die<br />

einzelnen Abschnitte auch jeweils <strong>für</strong> sich stehen<br />

können, wird bereits Erläutertes mitunter wiederholt<br />

<strong>und</strong> noch einmal zusammengefasst.<br />

Der Text richtet sich an Leserinnen <strong>und</strong> Leser, die<br />

sich <strong>für</strong> die Praxis der schulischen Leseförderung<br />

interessieren. Die Anwendungspraxis steht im<br />

Vordergr<strong>und</strong>. Die <strong>für</strong> ein wissenschaftliches Fachpublikum<br />

notwendigen Querverweise <strong>und</strong> Differenzierungen<br />

wurden aus Gründen des Textumfangs<br />

<strong>und</strong> der Lesbarkeit ausgespart. Hier ver-

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