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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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GESCHLECHTERSENSIBLE LESEFÖRDERUNG<br />

sichtigen, häufig der, dass die SchülerInnen das<br />

<strong>Lesen</strong> noch mehr ablehnen. Dass gerade die Schullektüre<br />

die Freude am <strong>Lesen</strong> nehmen kann, zieht<br />

sich z.B. wie ein roter Faden durch Texte der lesebiographischen<br />

Forschung.<br />

Die Anforderungen des Literaturunterrichts vor allem<br />

in den Schultypen, die mit Matura abschließen,<br />

tragen zu dieser schwierigen Situation der schulischen<br />

Leseförderung noch bei: Häufig sind Texte<br />

zu lesen, die weder <strong>für</strong> Jugendliche geschrieben<br />

wurden, noch <strong>für</strong> ihren jeweiligen Alltag oder ihre<br />

Bedürfnisse von Relevanz sind. Diese Pflichtlektüre<br />

<strong>und</strong> der Umgang mit Texten im Literaturunterricht<br />

stehen in den meisten Fällen im Gegensatz<br />

zu einem lustbetonten <strong>und</strong> selbstbestimmten<br />

Leseerlebnis. „Interpretationszwang“ oder „Bücher<br />

tot reden“ lauten diesbezügliche Stichworte<br />

aus Lesebiographien. Das gemeinsame Erarbeiten<br />

von literarischen Texten in der Öffentlichkeit der<br />

Schulklasse steht überdies der besonderen Individualität,<br />

durchaus auch Intimität, des <strong>Lesen</strong>s von<br />

erzählender Literatur diametral gegenüber. Diese<br />

ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Text mit eigenen<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Vorstellungen zu rekonstruieren<br />

<strong>und</strong> aufzufüllen, sich selbst in die Lektüre<br />

einzubringen (vgl. Kapitel IV.1).<br />

Obwohl <strong>für</strong> Jugendliche das Lesemedium Buch<br />

(sowohl Belletristik als auch Sachbücher) einen<br />

nachrangigen Stellenwert in ihrer Freizeit hat<br />

<strong>und</strong> sie Zeitschriften <strong>und</strong> Zeitungen sowie auch<br />

E-Mails <strong>und</strong> Websites deutlich häufiger lesen (vgl.<br />

Kapitel VI.3), konzentriert sich die schulische Leseförderung<br />

nach wie vor sehr stark auf das Buch<br />

<strong>und</strong> traditionelle Textformen. Da die Lesehäufigkeit<br />

von erzählender Literatur am stärksten mit<br />

der Lesekompetenz korreliert, 76 erscheint diese<br />

Strategie auch zweckmäßig. Es stellt sich allerdings<br />

die Frage, ob die Lesemotivation gr<strong>und</strong>legend<br />

gefördert werden kann, wenn das Lesemedium<br />

<strong>und</strong> die Textgenres, mit denen die Schule versucht,<br />

dieses Ziel zu erreichen, von den zu Fördernden<br />

eher weniger geschätzt <strong>und</strong> mit „Pflicht“<br />

assoziiert werden.<br />

76) Vgl. Böck/Wallner-Paschon 2002d, S. 36.<br />

Die Distanz gerade jener Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />

zum <strong>Lesen</strong>, die aufgr<strong>und</strong> ihrer unterdurchschnittlichen<br />

Leseleistung Unterstützung brauchen,<br />

sowie die derzeitigen Veränderungen der<br />

Lesegewohnheiten infolge des medialen Wandels<br />

stellen große Herausforderungen an die Konzeption<br />

von schulischer Leseförderung. Die Geschlechterunterschiede<br />

beim <strong>Lesen</strong>, deren Hintergründe<br />

<strong>und</strong> möglichen Effekte erfordern besondere<br />

Aufmerksamkeit. So leitet sich aus den<br />

Ergebnissen von PISA I <strong>und</strong> II die Frage ab, inwieweit<br />

längerfristig Burschen <strong>und</strong> Männer aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer geringeren Lesekompetenz in ihrem<br />

Berufsleben sowie in Bezug auf die Anforderung<br />

des selbstbestimmten Lernens benachteiligt sein<br />

werden.<br />

3 Prinzipien <strong>und</strong> Strategien<br />

einer geschlechtersensiblen<br />

Leseförderung in der Schule<br />

Wie können Buben <strong>und</strong> Mädchen unterstützt werden,<br />

um ihre Lesemotivation <strong>und</strong> ihre Lesekompetenz<br />

zu entwickeln? Um diese Frage zu beantworten,<br />

ist ein analytischer Zugang essenziell, der<br />

dieses komplexe Feld „<strong>Lesen</strong>“ differenziert <strong>und</strong><br />

handhabbar macht. Im Folgenden orientiere ich<br />

mich an dem Modell des <strong>Lesen</strong>s, das ich im Kapitel<br />

II.2 vorgestellt habe. Die zentralen Komponenten<br />

des <strong>Lesen</strong>s sind die Person, d.h. der Leser/die<br />

Leserin, der Text, die Lesesituation sowie<br />

die Lesestrategie. In Letzterer treffen sich die<br />

Merkmale <strong>und</strong> Ziele der Person, die Charakteristika<br />

des Textes sowie der jeweiligen Lesesituation.<br />

<strong>Lesen</strong> ist keine geschlechterneutrale Praxis. Diesen<br />

Ebenen des <strong>Lesen</strong>s sind mehr oder weniger<br />

deutlich Bilder von Weiblichkeit <strong>und</strong> Männlichkeit<br />

eingeschrieben. Diese Zuschreibungen müssen als<br />

Facetten der sozialen Realität, die die Lesepraxis<br />

der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler beeinflussen, bei<br />

der Entwicklung von Förderungsmaßnahmen immer<br />

berücksichtigt werden. Strategien der Leseförderung<br />

müssen immer hinterfragen, inwieweit<br />

sie je <strong>für</strong> Mädchen <strong>und</strong> Buben adäquat oder noch<br />

spezifisch abzustimmen sind.

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