Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
70<br />
MÄDCHEN UND BUBEN LESEN – ABER NICHT DAS GLEICHE<br />
ihren Zielen entspricht, durch den Text suchen. Sie<br />
müssen selbst die <strong>für</strong> das Textverständnis <strong>und</strong> <strong>für</strong> den<br />
Aufbau von Wissen notwendige Kohärenz zwischen<br />
einzelnen Textsegmenten herstellen. Bei kontinuierlich<br />
organisierten Texten wird diese Aufgabe von<br />
den AutorInnen des Textes übernommen, indem sie<br />
den (aus ihrer Sicht idealen) Lesepfad vorgeben.<br />
Gerade Mädchen brauchen hier besondere Unterstützung,<br />
um in ihrem späteren Berufsleben sowie<br />
dann, wenn sie sich selbständig Wissen aus Medien<br />
aneignen müssen, nicht benachteiligt zu sein <strong>und</strong><br />
über die entsprechenden Kompetenzen verfügen,<br />
die neuen Texte <strong>für</strong> ihre Zwecke zu nutzen.<br />
4 <strong>Lesen</strong> im Medienkontext<br />
<strong>Lesen</strong> in der neuen Medienlandschaft<br />
<strong>Lesen</strong> ist Teil des Medien- <strong>und</strong> Kommunikationsalltags.<br />
Menschen kombinieren die ihnen zur Verfügung<br />
stehenden Medien in je spezifischen Medienmenüs,<br />
die im Kontext ihrer Lebenswelten<br />
stehen <strong>und</strong> entstanden sind <strong>und</strong> die <strong>für</strong> sie jeweils<br />
stimmig sind <strong>und</strong> Sinn machen. Der Umgang mit<br />
Medien – <strong>und</strong> damit auch der Umgang mit Schriftlichkeit<br />
– ist Teil des Habitus einer Person. Dabei<br />
lassen sich verschiedene Orientierungen unterscheiden.<br />
Die Bereitschaft <strong>für</strong> Engagement (z.B.<br />
sich auf komplexe Inhalte oder Darstellungsformen<br />
einzulassen) <strong>und</strong> Interesse an der Auseinandersetzung<br />
mit Neuem, die im Sinne eines Aktivitäts-Passivitäts-Kontinuums<br />
verstanden werden<br />
können, sind hier wichtige Differenzierungskriterien.<br />
Eine aktive Freizeitgestaltung impliziert im Allgemeinen<br />
auch ein vielseitiges Medienmenü, was<br />
das Spektrum der genutzten Medien, Genres <strong>und</strong><br />
Inhalte betrifft, die auch hier in ihrer Konkretisierung<br />
wieder als Bündel unterschiedlicher<br />
Merkmale zu verstehen sind. Stehen eher nach außen<br />
orientierte Freizeitaktivitäten <strong>und</strong> das Interesse<br />
an Spaß <strong>und</strong> Unterhaltung im Mittelpunkt,<br />
hat z.B. das belletristische <strong>Lesen</strong> weniger Platz in<br />
diesen Freizeitalltagen. Personen mit mannigfaltigen<br />
Freizeitinteressen, die auch die Auseinandersetzung<br />
mit Innenwelten <strong>und</strong> neuen Themen<br />
umfassen, geben hingegen der Lektüre auch<br />
von erzählender Literatur zumeist einen sehr<br />
hohen Stellenwert. 59<br />
Für Mediennutzungsgewohnheiten bedeuten diese<br />
Orientierungen, dass z.B. eher unterhaltungsorientierte<br />
eher informationsorientierten Schwerpunktsetzungen<br />
gegenüberstehen. Spezifische Medienmenüs<br />
konzentrieren sich z.B. auf die tagesaktuellen<br />
Medien Fernsehen, Radio <strong>und</strong> Zeitung,<br />
bei anderen wiederum stehen eher „individuelle“<br />
Medien im Mittelpunkt, wie Computer/Internet,<br />
Musikmedien, Bücher, die mit tagesaktuellen Medien<br />
kombiniert werden oder nicht.<br />
Ein durchgängiges Ergebnis der Mediennutzungsforschung<br />
ist, dass Personen, die überdurchschnittlich<br />
viel fernsehen <strong>und</strong> sich <strong>für</strong> (aktuelle)<br />
Information in den Medien nur wenig interessieren,<br />
auch in Zeitungen <strong>und</strong> Zeitschriften eher<br />
die unterhaltenden Ressorts rezipieren <strong>und</strong> nur<br />
selten Bücher lesen. Umgekehrt nutzen Menschen,<br />
die sehr oft Bücher lesen <strong>und</strong> sich dabei<br />
nicht auf Belletristik beschränken, eher die gesamte<br />
Medienvielfalt, also auch die audiovisuellen<br />
sowie die interaktiven Medien. Diese Tendenzen,<br />
die sich durchgehend in unterschiedlichen<br />
Typologien der Mediennutzung <strong>und</strong> Freizeitgestaltung<br />
zeigen, hängen – neben anderen Faktoren<br />
– vor allem mit Bildungsabschlüssen <strong>und</strong><br />
Geschlecht zusammen.<br />
Je höher die Bildung, umso vielfältiger sind die<br />
Medienmenüs, <strong>und</strong> umso eher steht das Interesse<br />
an Information im Vordergr<strong>und</strong>. Schriftliche Medien,<br />
wie Buch, Zeitung, Zeitschrift sowie Computer<br />
<strong>und</strong> Internet, haben dabei häufig einen zentralen<br />
Stellenwert. Je niedriger die Bildung, umso<br />
eher konzentrieren sich Medienmenüs auf die<br />
tagesaktuellen Medien, allen voran das Fernsehen,<br />
kombiniert mit Zeitschriften <strong>und</strong> zunehmend<br />
Computer/Internet. Die Vorliebe <strong>für</strong> unterhaltende<br />
Angebote rückt in den Vordergr<strong>und</strong>, <strong>und</strong><br />
Medien, die einen höheren Aufwand an ihre Beschaffung<br />
<strong>und</strong> Auswahl stellen, wie z.B. Tonträger<br />
<strong>und</strong> Bücher, werden eher ausgeklammert.<br />
59) Vgl. z.B. Böck 1998, S. 326ff. <strong>und</strong> 2000, S. 47ff.