Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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MÄDCHEN UND BUBEN LESEN – ABER NICHT DAS GLEICHE<br />
VI. Mädchen <strong>und</strong> Buben lesen –<br />
aber nicht das Gleiche<br />
1 Die sozialwissenschaftliche<br />
Leseforschung<br />
„<strong>Lesen</strong>“ ist Forschungsthema unterschiedlichster<br />
Disziplinen. Die Psychologie untersucht u.a. kognitive<br />
Abläufe des Leseprozesses, Lesefertigkeiten<br />
<strong>und</strong> ihre Bedingungen, das Erlernen des <strong>Lesen</strong>s<br />
<strong>und</strong> Schreibens sowie Schwierigkeiten dabei usw.<br />
Die Literaturwissenschaft beschäftigt sich in erster<br />
Linie mit literarischen Texten <strong>und</strong> ihren AutorInnen<br />
sowie der Textrezeption. Semiotische Ansätze<br />
interessieren sich <strong>für</strong> das Gefüge Modus, Medium,<br />
Genre, Inhalt <strong>und</strong> Form.<br />
Die sozialwissenschaftliche Leseforschung thematisiert<br />
„<strong>Lesen</strong>“ als kommunikatives medienbezogenes<br />
Handeln. Die Analyse der Motivationen,<br />
unterschiedliche Lesemedien zu nutzen <strong>und</strong> welche<br />
Funktionen diese Medien <strong>und</strong> ihre Lektüre <strong>für</strong><br />
die LeserInnen haben, ist eines der Ziele dieser<br />
Forschungsrichtung. Weitere Themen sind der<br />
Zeitaufwand <strong>für</strong> das <strong>Lesen</strong> (Dauer, Häufigkeit),<br />
Genre-, Themen- <strong>und</strong> Medienpräferenzen, Einstellungen<br />
zum <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> zu Lesemedien, die Lesesozialisation<br />
<strong>und</strong> anderes mehr.<br />
Je nach Forschungsinteresse werden die verschiedenen<br />
Lesemedien berücksichtigt oder ein Medium<br />
steht im Zentrum des Interesses. Wie bereits<br />
erwähnt, lag der Fokus der sozialwissenschaftlichen<br />
Leseforschung z.B. lange Zeit in erster Linie<br />
auf der Buchlektüre bzw. auf dem literarischen<br />
<strong>Lesen</strong>, bevor die Bandbreite der Lesemedien in<br />
den Blickpunkt der Forschung gerückt ist.<br />
Kommunikationswissenschaftliche Arbeiten untersuchen<br />
das <strong>Lesen</strong> zumeist im Kontext der Mediennutzungsgewohnheiten.<br />
Dabei finden Lesestoffe<br />
des Alltags wenig Beachtung, weil sie keine Massenmedien<br />
im eigentlichen Sinn sind, sondern eher<br />
sehr pragmatisch ausgerichtete Texte. Auch das<br />
berufliche bzw. berufsbedingte <strong>Lesen</strong> ist nur selten<br />
Thema der kommunikationswissenschaftlichen Leseforschung,<br />
zumindest im deutschen Sprachraum.<br />
Durch das Zusammenwachsen von Arbeit <strong>und</strong> Freizeit<br />
<strong>und</strong> die Anforderung des lebensbegleitenden<br />
Lernens ist die Konzentration des Forschungsinteresses<br />
auf das im Freizeitkontext stattfindende <strong>Lesen</strong><br />
zunehmend obsolet. Die in den medien- <strong>und</strong><br />
kommunikationstechnologischen Innovationen begründeten<br />
Veränderungen der Lesemedien <strong>und</strong><br />
des <strong>Lesen</strong>s selbst sind neben der notwendigen integrativen<br />
Betrachtung des <strong>Lesen</strong>s als Teil auch<br />
des beruflichen Alltags zentrale Herausforderungen<br />
an eine zeitgemäße Leseforschung, die diesen<br />
Entwicklungsprozessen Rechnung trägt. Dazu<br />
kommt, dass das Schreiben auch in der Forschung<br />
den Stellenwert bekommen muss, der seiner Bedeutung<br />
im Alltag entspricht.<br />
Hintergründe <strong>und</strong> Zielsetzungen<br />
Einer der Ausgangspunkte der sozialwissenschaftlichen<br />
Leseforschung liegt im demokratiepolitischen<br />
Anspruch der Chancengleichheit aller<br />
Mitglieder einer Gesellschaft. Die <strong>Kultur</strong>techniken<br />
<strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben sind Voraussetzungen <strong>für</strong> eine<br />
umfassende Partizipation am öffentlichen Leben.<br />
<strong>Lesen</strong> eröffnet den Zugang zu via Schrift vermittelten<br />
Inhalten <strong>und</strong> ist deshalb eine wesentliche<br />
Bedingung <strong>für</strong> kommunikative Chancengleichheit.<br />
Es gilt, bestehende Ungleichheiten in Bezug auf<br />
<strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben <strong>und</strong> deren Ursachen festzustellen,<br />
um Empfehlungen <strong>für</strong> Maßnahmen zu entwickeln,<br />
wie diese reduziert bzw. verhindert werden<br />
können. So ist ein wichtiges Ziel herauszufinden,<br />
wie jemand zu einem Leser, zu einer Leserin<br />
wird, um die Bedingungen der Lesesozialisation<br />
entsprechend gestalten zu können.<br />
Das Interesse der Forschung am Stellenwert des<br />
<strong>Lesen</strong>s <strong>und</strong> der Lesemedien hat auch mit dem medialen<br />
Wandel zu tun. Die Sorge um die kulturell