Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
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STRATEGIEN DES LESENS<br />
des <strong>Lesen</strong>s am Bildschirm wird selektiv-punktuelles<br />
<strong>Lesen</strong> wichtiger. Dadurch sowie durch die Möglichkeit,<br />
als LeserIn Texte zu bearbeiten, verändert<br />
sich auch die „Autorschaft“ bzw. Autorität der<br />
VerfasserInnen von Texten. Zum einen legen bei<br />
gedruckten Texten die AutorInnen durch die von<br />
ihnen geschaffene Struktur den LeserInnen einen<br />
Lesepfad nahe. Bei Hypertexten mit ihren Links,<br />
die zum Anklicken einladen, bestimmen die LeserInnen<br />
ihren Lesepfad in höherem Ausmaß<br />
selbst. Dadurch steigen die Anforderungen an die<br />
LeserInnen, Kohärenz zwischen den einzelnen<br />
Textausschnitten herzustellen – eine Aufgabe, die<br />
bei kontinuierlichen Texten den LeserInnen durch<br />
die Vorgaben der AutorInnen zum Teil abgenommen<br />
wird. Zum anderen können die LeserInnen<br />
Texte am Bildschirm zum Teil direkt bearbeiten.<br />
Dadurch ändert sich ihre Position in Bezug auf<br />
den Text <strong>und</strong> ihre Rolle als Rezipierende: Sie können<br />
aktiv auf Vorgegebenes Einfluss nehmen <strong>und</strong><br />
sich selbst als Schreibende einbringen <strong>und</strong> ihre<br />
Gedanken zum Ausdruck bringen. Durch dieses<br />
Handeln werden Texte auch anders angeeignet als<br />
durch ausschließliches <strong>Lesen</strong>.<br />
Eine geschlechtersensible Leseförderung achtet<br />
darauf, dass Mädchen <strong>und</strong> Buben auch mit anderen<br />
als den von ihnen üblicherweise bevorzugten Genres<br />
arbeiten. So sollten Buben mehr erzählende<br />
<strong>und</strong> vor allem auch längere Texte lesen <strong>und</strong> lernen,<br />
diese mit ihren Alltagserfahrungen zu verknüpfen.<br />
Dadurch sollten sie ihren „Leseatem“, die Ausdauer<br />
beim <strong>Lesen</strong>, sowie ihre Lesekompetenz <strong>und</strong><br />
reflektierenden Fähigkeiten im Umgang mit Geschriebenem<br />
ausbauen. Mädchen wiederum sollten<br />
häufiger selektive Lesestrategien bei der Lektüre<br />
von faktenorientierten Texten anwenden, um<br />
bei der Arbeit mit Texten am Bildschirm nicht benachteiligt<br />
zu sein. Anders als bei der (kontinuierlichen)<br />
Lektüre von kontinuierlichen Texten muss<br />
beim selektiven <strong>Lesen</strong>, wo die LeserInnen einen eigenen<br />
Lesepfad wählen, durch die LeserInnen Kohärenz<br />
zwischen den einzelnen Abschnitten hergestellt<br />
werden, um den Text bzw. die Textausschnitte<br />
zu verstehen. Techniken, inhaltliche Strukturen<br />
<strong>und</strong> Zusammenhänge herauszukristallisieren, sollten<br />
<strong>für</strong> sie vor allem an Themen, die allgemein eher<br />
den Buben zugeordnet werden (z.B. technische Beschreibungen),<br />
transparent gemacht werden.<br />
2 Veränderungen von Schriftlichkeit<br />
<strong>und</strong> <strong>Lesen</strong><br />
Als <strong>Kultur</strong>technik verändern sich die Funktionen<br />
von Schriftlichkeit mit dem gesellschaftlichen Wandel.<br />
So sind <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben als Basisqualifikationen<br />
nicht nur mit der wachsenden Bedeutung<br />
von Information <strong>und</strong> Kommunikation wichtiger<br />
geworden. Die Anforderung des selbstbestimmten,<br />
lebensbegleitenden Lernens hat die Relevanz<br />
der Kompetenzen im Umgang mit Schrift<br />
noch einmal gesteigert. Die Sorge um die Buben<br />
<strong>und</strong> ihre offensichtlichen Lesekompetenzprobleme<br />
leitet sich auch aus diesen Veränderungen ab.<br />
<strong>Lesen</strong> als Zugang zu Information ist wichtiger geworden.<br />
Dieser Trend spiegelt sich auch in den bereits<br />
beschriebenen langfristigen Veränderungen<br />
der Lesegewohnheiten wider.<br />
Neben dem allgemeinen gesellschaftlichen Wandel<br />
verändern sich <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben vor allem auch<br />
mit den medialen <strong>und</strong> kommunikationstechnologischen<br />
Innovationen. Auch diese Veränderungen<br />
wurden bereits aufgezeigt. Einer ihrer zentralen<br />
Aspekte ist, dass der Bildschirm die (Buch-)Seite als<br />
wichtigstes Ausgabemedium ablöst („from page to<br />
screen“). Die Schrift verliert ihre Jahrh<strong>und</strong>erte währende<br />
Vorherrschaft zumindest teilweise zugunsten<br />
von Visualisierungen <strong>und</strong> steht als Kommunikationsmodus<br />
immer häufiger gleichwertig neben dem<br />
Bild. Für die Darstellung von Inhalten werden die<br />
jeweiligen Stärken dieser Modi gewählt <strong>und</strong> kombiniert:<br />
das Schriftsprachliche, um zu erzählen, das<br />
Visuelle, um zu zeigen. Diese Multimodalität, in<br />
der die einzelnen Modi sich mit ihren je spezifischen<br />
Darstellungspotentialen ergänzen, ist ein<br />
Charakteristikum zeitgemäßer Kommunikation.<br />
Mit den neuen Medien sind neue Genres entstanden<br />
(z.B. Doku-Fiction bei literarischen Werken<br />
auf CD-ROM) bzw. haben sich bestehende Genres<br />
verändert (z.B. Brief <strong>und</strong> E-Mail). Zwischen den<br />
Medien selbst gibt es Übertragungsprozesse, etwa