Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Genres sind auf die jeweiligen Kontexte abgestimmt.<br />
Als Essay angelegte Unterlagen erwecken<br />
bei der Bewerbung um eine Stelle als RedakteurIn<br />
in Radio <strong>und</strong> Fernsehen möglicherweise Aufmerksamkeit<br />
<strong>und</strong> Interesse. In technischen oder<br />
kaufmännischen Branchen werden sie vermutlich<br />
bereits in der ersten R<strong>und</strong>e als unangemessen aussortiert.<br />
In Genres drücken sich auch die sozialen Beziehungen<br />
zwischen den TeilnehmerInnen an einer<br />
Kommunikationssituation aus. In einem Interview<br />
ist das z.B. das Verhältnis von „Unterschiedlichkeit“:<br />
Jemand weiß mehr als andere; im Interview<br />
wird klargestellt, was das ist – <strong>und</strong> dieses Wissen<br />
wird bis zu einem gewissen Grad den Nicht- oder<br />
Weniger-Wissenden zugänglich gemacht. (Gleichzeitig<br />
wird auch klar, wie viel mehr an Wissen oder<br />
Kompetenzen der/die Interviewte hat, seine bzw.<br />
ihre Position als Experte/Expertin wird verankert.)<br />
„Unterschiedlichkeit“ bezieht sich auch auf die<br />
Machtverhältnisse in der Interviewsituation. Die<br />
sozialen Relationen, die in der formalen Struktur<br />
des Genres „Interview“ festgelegt sind, enthalten<br />
sowohl Rechte als auch Verpflichtungen: Der/die<br />
Interviewende hat das Recht <strong>und</strong> den Auftrag zu<br />
fragen. Der/die Interviewte ist verpflichtet zu antworten.<br />
Er/sie kann sich dieser Verpflichtung aber<br />
auch entziehen, wie etwa Interviews mit PolitikerInnen<br />
immer wieder zeigen. JournalistInnen können<br />
durch Nachfragen auf diese Antwortverpflichtung<br />
auf Seiten der Befragten <strong>und</strong> auf ihre<br />
Rolle als jene, die mit ihren Fragen das ExpertInnenwissen<br />
den Zuhörenden, LeserInnen etc. zugänglich<br />
machen sollen, bestehen bzw. auch mit der<br />
Feststellung, „Sie verweigern zu dieser Frage die<br />
Antwort“, explizit machen, dass der/die Interviewte,<br />
aus welchen Gründen auch immer, die Regeln<br />
des Genres „Interview“ bricht. Kompetente<br />
InterviewerInnen erkennt man unter anderem daran,<br />
dass sie mit den Regeln dieses Genres umzugehen<br />
<strong>und</strong> diese auch entsprechend einzusetzen<br />
wissen, ohne den Interviewten zuviel Spielraum zu<br />
geben oder sie in die Enge zu treiben.<br />
Um Texte zu verstehen, ist Genrewissen notwendig,<br />
damit man das Kommunizierte adäquat einordnen<br />
<strong>und</strong> sich den Textaussagen gegenüber entsprechend<br />
positionieren kann. Letzteres ist vor allem<br />
<strong>für</strong> die eigene Textproduktion relevant. Genres<br />
anzuwenden bedeutet auch, dass man diese<br />
Regeln anerkennt <strong>und</strong> sich ihnen „unterordnet“.<br />
Hier stellt sich die Frage, inwieweit diese von außen<br />
an sie herangetragenen Vorgaben von Mädchen<br />
<strong>und</strong> Buben/Burschen akzeptiert <strong>und</strong> angewendet<br />
werden. Schwierigkeiten von Buben/Burschen<br />
in der Textproduktion könnten z.B. auch<br />
darin begründet sein, dass sie weniger bereit sind,<br />
sich an diesen Anforderungen zu orientieren – ein<br />
Faktor, der bereits weiter oben im Zusammenhang<br />
damit angesprochen wurde, dass in der schriftlichen<br />
Kommunikation andere Konventionen gelten<br />
als in der mündlichen.<br />
DER TEXT<br />
43