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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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DER TEXT<br />

erklärt, warum er in der Schule gerne vorliest, folgendermaßen:<br />

„Da les’ ich gern, da hört mir endlich<br />

jemand zu. Zu Hause hört mir ja nie einer zu.<br />

Zu Hause bin ich immer im Zimmer, les’ allein, das<br />

ist fad, in der Klasse sind ja mehrere <strong>und</strong> da les’ ich<br />

gern.“ 24<br />

<strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben als Zugangsinstrumente<br />

<strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben sind Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

den individuellen Erfolg in unseren hochentwickelten<br />

Wirtschaftssystemen <strong>und</strong> eine umfassende<br />

Partizipation am gesellschaftlichen Leben. Eine<br />

aktiv gestaltende Teilhabe erfordert allerdings neben<br />

dem Nachvollziehen der Botschaften anderer,<br />

dass wir unsere eigenen Bedürfnisse <strong>und</strong> Interessen<br />

ausdrücken können, entweder durch Reden<br />

oder Schreiben oder auch durch visuelle Darstellungen<br />

sowie andere Aktivitäten (z.B. Demonstrationen<br />

oder künstlerische Interventionen im öffentlichen<br />

Raum). Die eminente Bedeutung des<br />

Schreibens als auch demokratiepolitisch notwendige<br />

Ergänzung des <strong>Lesen</strong>s wird in der Diskussion<br />

r<strong>und</strong> um PISA <strong>und</strong> um Leseförderung zumeist ausgeblendet.<br />

Dabei sind mit den neuen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien<br />

auch die Anforderungen,<br />

sich schriftlich ausdrücken <strong>und</strong> schriftliche<br />

Aufgaben erledigen zu können, enorm gestiegen.<br />

Gleichzeitig hat die elektronische Textverarbeitung<br />

das Schreiben in vielem vereinfacht: die Möglichkeit,<br />

Texte mehrmals zu überarbeiten, ohne<br />

dass Spuren hinterlassen werden <strong>und</strong> ohne dass erneutes<br />

Schreiben erforderlich ist; das standardisierte<br />

Schriftbild, das durch die verschiedenen<br />

Schrifttypen <strong>und</strong> Layoutmöglichkeiten Texten ein<br />

völlig anderes Aussehen gibt als handschriftlich<br />

verfasste Texte es haben; die Rechtschreibüberprüfung,<br />

die hilft, zumindest die gröbsten Fehler<br />

zu korrigieren. Motivierend kommt vor allem <strong>für</strong><br />

Buben noch dazu, dass Schreiben mit dem Computer<br />

zu einem technischen Vorgang geworden ist<br />

<strong>und</strong> sie hier ihre Expertise im Computerumgang<br />

anwenden können.<br />

24) Böck, 2000, S. 101.<br />

Mit dem Schreiben wird die Autorschaft von Texten<br />

angesprochen, die immer auch eine Frage von<br />

Definitions- <strong>und</strong> Gestaltungsmacht ist: Wer<br />

schreibt Texte <strong>für</strong> wen? Wer bestimmt <strong>und</strong> wählt<br />

aus, was <strong>für</strong> andere, <strong>für</strong> die LeserInnen, wichtig ist<br />

<strong>und</strong> was diese wissen sollen? Was bedeutet es,<br />

wenn jemand sich schriftlich nicht „gut“, den Konventionen<br />

der Orthographie <strong>und</strong> Grammatik entsprechend,<br />

ausdrücken kann?<br />

Debatten über Rechtschreibreformen <strong>und</strong> die Notwendigkeit,<br />

dass Rechtschreibung nach wie vor<br />

ein zentrales Bildungsziel des Deutschunterrichts<br />

ist, sind immer auch Diskussionen über soziale<br />

Unterschiede <strong>und</strong> Ab- bzw. Ausgrenzungen.<br />

Schrift ist in diesem Sinne auch ein Modus von (Bildungs-)Eliten.<br />

Die Förderung der Schreibkompetenzen<br />

hat – wie die Leseförderung – einen emanzipatorischen<br />

Anspruch mit dem Ziel, soziale <strong>und</strong><br />

Bildungsunterschiede auszugleichen.<br />

Dass Frauen, obwohl sie mehr – <strong>und</strong> laut PISA –<br />

auch besser lesen (<strong>und</strong> wohl auch schreiben – da<strong>für</strong><br />

gibt es allerdings keine empirischen Daten) als<br />

Männer, nach wie vor in vielen Bereichen des gesellschaftlichen<br />

Lebens benachteiligt sind, zeigt,<br />

dass <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben einerseits nur Bausteine<br />

dessen sind, was den beruflichen <strong>und</strong> sozialen<br />

Erfolg bzw. die gesellschaftliche Position <strong>und</strong> deren<br />

Gestaltungschancen ausmacht. Andererseits ist<br />

eine differenzierte Betrachtung des „<strong>Lesen</strong>s“ unerlässlich,<br />

<strong>und</strong> zwar danach, welche Lesestoffe,<br />

welche Lesemedien <strong>und</strong> Genres von Männern bevorzugt<br />

werden <strong>und</strong> welche von Frauen <strong>und</strong> welche<br />

Relevanz diese in den unterschiedlichen Sphären<br />

des gesellschaftlichen Lebens haben. Aus dieser<br />

Differenzierung leiten sich wiederum Zielsetzungen<br />

vor allem <strong>für</strong> die Leseförderung der Mädchen<br />

ab: Welchen Textgattungen <strong>und</strong> Strategien<br />

des <strong>Lesen</strong>s müssen sie sich verstärkt zuwenden, um<br />

mit zu erwartenden Anforderungen im beruflichen<br />

Leben zurechtzukommen?

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