07.02.2013 Aufrufe

Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

36<br />

DER TEXT<br />

IV. Der Text<br />

1 Der Modus Schrift<br />

Schrift <strong>und</strong> Sprache<br />

<strong>Lesen</strong> ist die Rezeption von Schrift. Schrift <strong>und</strong> damit<br />

auch die Kompetenzen ihrer Anwendung, das<br />

<strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben, sind „gesellschaftliche Totalphänomene“<br />

in unseren hochentwickelten Gesellschaften,<br />

die ohne sie nicht funktionieren könnten.<br />

Schrift ist eine Form der sprachlichen Kommunikation<br />

mit spezifischen Merkmalen. Anders als<br />

allgemein angenommen, ist Schrift nicht das bloße<br />

Niederschreiben von sprachlichen Aussagen.<br />

Der Begriff der „Schriftsprache“ macht dies deutlich.<br />

Je nach kommunikativem Kontext bewegt<br />

sich gesprochene Sprache auf einem Kontinuum<br />

zwischen informell bis formell. Schriftliche Botschaften<br />

bewegen sich ebenfalls auf einem ähnlichen<br />

Kontinuum, haben aber traditionell einen<br />

eher formellen Charakter. Ein zentraler Unterschied<br />

zwischen schriftlichen <strong>und</strong> gesprochenen<br />

Aussagen ist, dass Elemente der gesprochenen<br />

Sprache, wie Tonfall, Pausen, Betonung etc., sowie<br />

außersprachliche Ebenen (Mimik, Gestik) der direkten<br />

interpersonalen Kommunikation verschriftlicht<br />

werden müssen. Das Schriftliche ist damit<br />

elaborierter als das Mündliche.<br />

Mit E-Mail <strong>und</strong> SMS als neuen Formen der schriftlichen<br />

interpersonalen Kommunikation wurden<br />

sehr informelle Textgenres entwickelt, die der gesprochenen<br />

Sprache nahe stehen. Wortlaut, Lexis,<br />

Syntax <strong>und</strong> Grammatik der gesprochenen Sprache<br />

werden mehr oder weniger direkt verschriftlicht.<br />

Emoticons <strong>und</strong> Akronyme gleichen zumindest zum<br />

Teil das Fehlen emotionaler Aspekte des Mündlichen<br />

aus.<br />

Die Kritik an dieser „Verstümmelung“ der (geschriebenen)<br />

Sprache ist einerseits ein Hinweis<br />

auf die Eigenständigkeit des Geschriebenen als<br />

Zeichensystem mit seinen eigenen Regeln, wie et-<br />

wa der Rechtschreibung, <strong>und</strong> auf die hohe soziokulturelle<br />

Bewertung des Schriftlichen andererseits.<br />

Sprache <strong>und</strong> Schrift unterscheiden sich auf unterschiedlichsten<br />

Ebenen:<br />

Neben bereits angesprochenem Wegfallen bestimmter<br />

sprachlicher Ebenen bei schriftlichen<br />

Kommunikaten liegt ein zentraler Unterschied<br />

zwischen diesen Zeichensystemen in ihrer Materialität:<br />

Die Schallwellen der Sprache sind flüchtig.<br />

Schrift ist durch das Schreiben bzw. den Druck<br />

beständige, materialisierte Kommunikation, sofern<br />

das Trägermedium beständig ist. Mit den Bildschirmmedien<br />

sind auch immaterielle Texte entstanden,<br />

die besondere Anforderungen an die Rezeption<br />

<strong>und</strong> auch Speicherung dieser Texte stellen.<br />

Dazu kommt, dass Übersichtlichkeit <strong>und</strong> Zurechtfinden<br />

z.B. besonders bei langen Texten am Bildschirm<br />

schwer fallen, wenn keine Unterstützung <strong>für</strong><br />

die Orientierung der LeserInnen vorgesehen ist.<br />

Der im Vergleich zu sprachlichen Äußerungen formelle<br />

Charakter von Schrifttexten ist darin begründet,<br />

dass der Schreibvorgang in den meisten<br />

Fällen mehr Planung erlaubt bzw. auch erfordert<br />

als die sprachliche Übermittlung dieser Inhalte.<br />

Geschriebene Texte können überarbeitet oder<br />

noch einmal geschrieben werden, in der direkten<br />

Rede sind Fehler durch Reformulierungen zwar zu<br />

korrigieren, aber nicht „wegzulöschen“. Die<br />

elektronische Textverarbeitung hat das Schreiben<br />

in dieser Hinsicht um Vieles einfacher <strong>und</strong> auch<br />

spielerischer gemacht. Gleichzeitig sind durch diese<br />

neuen Korrekturmöglichkeiten aber auch die<br />

Erwartungen an die Qualität von Texten gestiegen.<br />

Ein weiterer Unterschied zwischen gesprochenen<br />

<strong>und</strong> schriftlichen Kommunikaten ist, dass – zumindest<br />

in bestimmten interpersonalen Kommunikationssituationen<br />

– bei Ersteren die Möglichkeit<br />

des Rückfragens bei Verständnisproblemen be-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!