Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
30<br />
DIE LESERIN, DER LESER<br />
sation – spielen „Lesevorbilder“ als Rollenmodelle:<br />
<strong>Lesen</strong> Frauen <strong>und</strong> Männer des persönlichen<br />
Umfelds? Wenn ja, welche Frauen, welche<br />
Männer sind das? Und was lesen sie <strong>und</strong> warum?<br />
Sind diese Personen Identifikationsfiguren<br />
oder grenzt man sich von ihnen <strong>und</strong> dem, was sie<br />
tun <strong>und</strong> <strong>für</strong> wichtig halten, ab?<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, die nicht gerne lesen,<br />
kommen zumeist aus lesefernen Familien, während<br />
begeisterte LeserInnen weit überwiegend in<br />
lesefre<strong>und</strong>lichen Elternhäusern aufwachsen. Traditionen<br />
des <strong>Lesen</strong>s setzen sich sozusagen über<br />
Generationen hinweg fort. Der starke Einfluss<br />
der Familie auf die Lesesozialisation ist auch einer<br />
der Gründe, warum es sehr schwierig ist, Einstellungen<br />
<strong>und</strong> Gewohnheiten von Kindern, die<br />
dem <strong>Lesen</strong> distanziert gegenüberstehen, durch<br />
Interventionen zu ändern. Gleichzeitig ist aber<br />
gerade dieser Zusammenhang der wichtigste<br />
Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> Leseförderungsmaßnahmen außerhalb<br />
der Familie, da nur so familienbedingte<br />
Nachteile ausgeglichen werden können.<br />
■ Kindergarten<br />
Der Kindergarten ist die erste Institution, in der<br />
ein Großteil der Kinder mit Maßnahmen der<br />
Leseförderung erreicht werden kann, vor allem<br />
auch jene Kinder, die in einem lesefernen Umfeld<br />
aufwachsen. Neben der Förderung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
von sozialen Kompetenzen können<br />
hier Vorschulkinder mit Schrift- <strong>und</strong> damit auch<br />
Leseumgebungen vertraut gemacht <strong>und</strong> auf das<br />
<strong>Lesen</strong>lernen vorbereitet werden. Besonders<br />
wichtig ist die Förderung der phonologischen<br />
Bewusstheit, dass die Sprache als „Fluss“ von<br />
Lauten in einzelne Segmente zerlegt werden<br />
kann, die – in alphabetischen Schriften – durch<br />
Buchstaben wiedergegeben werden. Bettina<br />
Hurrelmann <strong>und</strong> ihr Team konnten z.B. Anfang<br />
der 1990er Jahre zeigen, dass Kinder, die in ihrer<br />
Kindheit häufig Wort-, Sprach- <strong>und</strong> Singspiele<br />
gemacht haben, im Alter von zehn Jahren<br />
besser lesen konnten als Kinder, die keinen spielerischen<br />
Umgang mit der Sprache geübt hatten. 16<br />
16) Vgl. Hurrelmann/Hammer/Nieß 1993, S. 135ff.<br />
Die Ergebnisse von PISA 2003 haben unter anderem<br />
dazu geführt, dass die Bedeutung des Kindergartens<br />
als Instanz der Lesesozialisation, die<br />
eine wichtige Vorstufe des <strong>Lesen</strong>lernens ist, mehr<br />
Aufmerksamkeit braucht. So können im Kindergarten<br />
z.B. Verzögerungen in der Sprachentwicklung<br />
frühzeitig erkannt <strong>und</strong> gezielte Fördermaßnahmen<br />
gesetzt werden. Kinder mit massiven<br />
Sprachentwicklungsschwierigkeiten haben<br />
weit überwiegend große Schwierigkeiten beim<br />
<strong>Lesen</strong>- <strong>und</strong> Schreibenlernen, die sie oft bis zum<br />
Ende ihrer Pflichtschulzeit nicht ausgleichen<br />
können.<br />
■ Schule<br />
Die Schule ist jene Instanz der Lesesozialisation,<br />
die im Besonderen <strong>für</strong> Kinder, die aus lesefernen<br />
Elternhäusern kommen, eine zentrale<br />
kompensatorische Funktion hat. Die Schule sollte<br />
die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler von Anfang an<br />
mit der Vielfalt der Lesestoffe <strong>und</strong> Textgattungen,<br />
den verschiedensten Lesemedien sowie der<br />
Funktionsvielfalt des <strong>Lesen</strong>s bekannt <strong>und</strong> vertraut<br />
<strong>und</strong> so das <strong>Lesen</strong> <strong>für</strong> sie attraktiv machen.<br />
Ein Problem der Schule ist hier, dass zwischen<br />
den Alltagserfahrungen der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
<strong>und</strong> den Anforderungen der Schule<br />
in Bezug auf das <strong>Lesen</strong> zum Teil große Diskrepanzen<br />
bestehen, zwischen denen es zu vermitteln<br />
gilt. So assoziieren viele SchülerInnen mit<br />
dem <strong>Lesen</strong> vor allem ab dem ersten Leseknick,<br />
der zwischen zehn <strong>und</strong> zwölf Jahren stattfindet,<br />
„Pflicht“ <strong>und</strong> „Arbeit“. Dies gilt speziell <strong>für</strong> das<br />
Buchlesen. Gleichzeitig steht in der schulischen<br />
Leseförderung nach wie vor das literarische Buch<br />
im Mittelpunkt vieler Strategien, das <strong>Lesen</strong> <strong>für</strong><br />
die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler attraktiv zu machen.<br />
Hier stellt sich die Frage, ob die zu Fördernden<br />
mit diesem von ihnen besonders negativ<br />
bewerteten Medium überhaupt erreicht werden<br />
können. Dazu kommt noch das Problem,<br />
dass besonders Buben & Burschen der erzählenden<br />
Literatur sehr distanziert bis ablehnend<br />
gegenüberstehen. Neue, zeitgemäße Formen der<br />
schulischen Leseförderung sind zu entwickeln,<br />
um das <strong>Lesen</strong> <strong>für</strong> die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen,