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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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geschwindigkeit – ist, das Erlesene mit Inhalten, mit<br />

Bedeutung zu füllen <strong>und</strong> nachzuvollziehen.<br />

Die Lesesozialisation ist kein mit dem Ende der<br />

Kindheit oder der Jugend abgeschlossener Prozess<br />

– <strong>und</strong> sie beginnt nicht erst mit dem <strong>Lesen</strong>lernen,<br />

sondern setzt ein, sobald wir unsere Umgebung<br />

wahrnehmen. Veränderungen unserer Lebenswelten<br />

<strong>und</strong> Alltagsanforderungen, neue Möglichkeiten<br />

der Alltagsgestaltung oder spezifische<br />

schrift- <strong>und</strong> lesebezogene Erlebnisse können jederzeit<br />

dazu führen, dass wir unsere Lesegewohnheiten<br />

umstellen. Es sind allerdings vor allem die<br />

Erfahrungen, die wir in unseren ersten Lebensjahren,<br />

in der Kindheit sowie auch in der Jugend<br />

machen, die unsere späteren Lesegewohnheiten,<br />

besonders was Medien- <strong>und</strong> Genrepräferenzen betrifft,<br />

wesentlich prägen.<br />

Auch in der Lesesozialisation spielen die Einflüsse<br />

der Außenwelten sowie die Innenwelten zusammen.<br />

Bei letzteren spricht man von der Selbstsozialisation:<br />

Je nachdem, ob die Erfahrungen mit<br />

dem <strong>Lesen</strong> subjektiv als positiv oder negativ erlebt<br />

werden, werden Entscheidungen künftig eher <strong>für</strong><br />

oder gegen das <strong>Lesen</strong> getroffen. Dies beeinflusst<br />

wiederum die möglichen Erfahrungspotentiale mit<br />

dem <strong>Lesen</strong>, mit Lesemedien <strong>und</strong> Texten. Sowohl<br />

die Lesemotivation fördernde als auch hemmende<br />

Außeneinflüsse können durch den eigenen Bezug<br />

zum <strong>Lesen</strong> verstärkt oder auch vermindert<br />

werden.<br />

Was die Selbstsozialisation betrifft, ist der Bef<strong>und</strong><br />

der Leseforschung bemerkenswert, dass Personen<br />

mit vielfältigen Freizeitinteressen <strong>und</strong> -aktivitäten<br />

auch häufiger lesen als Personen, deren Freizeitgestaltung<br />

als eher inaktiv zu beschreiben ist. Ein<br />

gewisses Aktivitätspotential dürfte eine Voraussetzung<br />

da<strong>für</strong> sein, die <strong>für</strong> das <strong>Lesen</strong> – im Gegensatz<br />

z.B. zum Fernsehen – erforderlichen Vorleistungen<br />

zu erbringen: Lesestoff besorgen, ein Lesemedium<br />

wählen, aus (vor allem nicht-kontinuierlichen)<br />

Texten eine Textstelle zu selektieren, die<br />

Konzentration <strong>für</strong> das <strong>Lesen</strong> aufbringen, was im<br />

Allgemeinen einen zumindest teilweisen Rückzug<br />

aus der jeweiligen sozialen Situation bedeutet. Letz-<br />

teres erklärt, warum in ihrer Freizeitgestaltung besonders<br />

stark nach außen orientierte Gruppen (z.B.<br />

häufig ausgehen oder sich mit Fre<strong>und</strong>Innen treffen)<br />

erzählende Literatur nur unterdurchschnittlich lesen:<br />

Gerade das literarische <strong>Lesen</strong> setzt Zeiten der<br />

Ruhe <strong>und</strong> entsprechende Muße voraus.<br />

Instanzen der Lesesozialisation<br />

■ Familie<br />

Die wichtigste Instanz der Lesesozialisation ist<br />

die Familie. Kinder sehen <strong>und</strong> erleben von Anfang<br />

an mit, welchen Stellenwert ihre zentralen<br />

Bezugspersonen der Schriftlichkeit <strong>und</strong> dem <strong>Lesen</strong><br />

im Alltag geben. Je nachdem, ob <strong>und</strong> welche<br />

Lesemedien selbstverständlich in der häuslichen<br />

Umgebung vorhanden sind <strong>und</strong> ob, wie <strong>und</strong> zu<br />

welchen Zwecken diese von wem genutzt werden,<br />

wird Schrift <strong>und</strong> <strong>Lesen</strong>, werden Texte <strong>und</strong><br />

Lesemedien als interessant, nützlich <strong>und</strong> wichtig,<br />

als etwas, das Freude macht <strong>und</strong> über das man<br />

sich unterhalten kann, wahrgenommen oder als<br />

etwas, das „sein muss“, das man möglichst vermeidet,<br />

weil es Mühe bedeutet <strong>und</strong> mit ungeliebter<br />

Arbeit verknüpft ist, das langweilig ist<br />

oder das man einfach nicht macht, weil es „die<br />

anderen“ tun usw.<br />

Kinder lernen, welche Texte in der Lebenswelt<br />

ihrer Familie als wichtig gelten <strong>und</strong> welche z.B.<br />

nicht Teil dieser Lebenswelt sind, sondern anderen<br />

Lebenswelten zugeordnet werden. Sie lernen<br />

auch, welche Texte <strong>und</strong> welche Formen des<br />

Umgangs mit Texten „typisch“ sind <strong>für</strong> Frauen<br />

<strong>und</strong> welche <strong>für</strong> Männer. Im Prozess des Hineinwachsens<br />

in ihre Lebenswelten nehmen Mädchen<br />

<strong>und</strong> Buben auch wahr, was <strong>für</strong> sie in Bezug<br />

auf <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Lesemedien möglich ist bzw. von<br />

ihnen erwartet wird. Sie lernen, ob z.B. das <strong>Lesen</strong><br />

von erzählender Literatur als Zeichen <strong>für</strong><br />

(positiv bewertete) Neugier <strong>und</strong> Interesse an<br />

<strong>Kultur</strong> interpretiert wird oder als sinnlose Verschwendung<br />

von Zeit, die man mit anderen Aktivitäten<br />

besser nutzen könnte.<br />

Eine wichtige Rolle – sowohl in der Familie als<br />

auch <strong>für</strong> die anderen Instanzen der Lesesoziali-<br />

DIE LESERIN, DER LESER<br />

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