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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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DIE LESERIN, DER LESER<br />

III. Die Leserin, der Leser<br />

1 Lebenswelt <strong>und</strong> Habitus<br />

<strong>Lesen</strong> ist Tun <strong>und</strong> Handeln in unserem Alltag. Als<br />

schriftliches Kommunizieren ist es in seinen Funktionen<br />

geradezu universell <strong>und</strong> in die unterschiedlichsten<br />

Situationen integriert. Wir lesen<br />

sehr kurze Texte, wenn wir uns z.B. mit einem<br />

Stadtplan in einer neuen Umgebung orientieren,<br />

bei einem Automaten eine Fahrkarte kaufen, die<br />

Dauer des Fluges zur Urlaubsdestination berechnen,<br />

das Kinoprogramm im Internet oder den Cartoon<br />

auf einer Produktverpackung anschauen, ein<br />

SMS bekommen oder schreiben usw. Längere<br />

Texte leiten uns bei der Zubereitung eines Kuchenteiges<br />

an, sie informieren uns in der Tageszeitung<br />

oder via Teletext über aktuelle Sport- <strong>und</strong><br />

andere Ereignisse oder schaffen als Kurzgeschichten<br />

aus Büchern, als Berichte <strong>und</strong> Reportagen<br />

aus dem Internet, aus Zeitschriften <strong>und</strong> Zeitungen<br />

Inseln der Entspannung. Romane, Biographien,<br />

Sach- <strong>und</strong> Fachliteratur etc. eröffnen uns Zugang<br />

zu <strong>und</strong> längere Ausflüge in andere Welten.<br />

Ob wir uns, wenn wir uns mit Hilfe eines Mediums<br />

informieren oder unterhalten möchten, dem Fernsehen<br />

oder Radio, dem Internet oder Printmedien<br />

zuwenden, hängt davon ab, was uns einerseits als<br />

„das Übliche“ nahe liegt <strong>und</strong> andererseits in der<br />

jeweiligen Situation möglich ist, weil zugänglich<br />

<strong>und</strong> machbar. Was wir jeweils tun, um bestimmte<br />

Ziele zu erreichen, ergibt sich aus unserem bisherigen<br />

Erfahren <strong>und</strong> Erleben. Sozialisation beschreibt<br />

als ununterbrochener Lernprozess das<br />

Hineinwachsen in die Gesellschaft, in unsere Lebenswelten.<br />

Jede <strong>und</strong> jeder von uns lebt zum einen üblicherweise<br />

in mehreren Lebenswelten, etwa der Herkunftsfamilie,<br />

der eigenen Familie, des Fre<strong>und</strong>eskreises,<br />

des Kindergartens <strong>und</strong> der Schule, des Arbeitsumfeldes,<br />

der Wohngemeinde usw. Zum anderen<br />

unterscheiden sich diese Lebenswelten von<br />

Person zu Person. Diese Unterschiede ergeben<br />

sich aus dem jeweiligen sozialen Status, der Schul<strong>und</strong><br />

Erwerbsarbeitsbiographie, dem Wohnort <strong>und</strong><br />

der Wohnsituation, dem materiellen Besitz, der<br />

Integration in nähere <strong>und</strong> weitere soziale Umwelten,<br />

wie z.B. der Größe eines Familien- <strong>und</strong> Verwandtschaftsverbandes<br />

oder der Aktivität in Vereinen<br />

oder Organisationen etc. Und jeder <strong>und</strong> jede<br />

von uns ist in diesen Lebenswelten unterschiedlich<br />

positioniert, z.B. eher im Zentrum oder<br />

eher am Rande – wiederum abhängig vom jeweiligen<br />

situativen Kontext.<br />

Diese objektiv gegebenen Bedingungen unseres<br />

Aufwachsens <strong>und</strong> Alltags rahmen die Entwicklungs-<br />

<strong>und</strong> Gestaltungsmöglichkeiten unseres Lebens.<br />

Sie sind die Rahmenbedingungen unserer<br />

Handlungsentscheidungen <strong>und</strong> Lebensentwürfe.<br />

Unsere jeweilige Individualität drückt sich darin<br />

aus, wie wir die in allen Lebenswelten gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

gegebenen Spielräume des Handelns wahrnehmen<br />

<strong>und</strong> wie wir diese in unserer Alltagspraxis<br />

nutzen. Mit unserem Agieren, in dem sich unsere<br />

subjektiven Vorlieben <strong>und</strong> Interessen ausdrücken,<br />

beeinflussen wir wiederum unsere Umgebung.<br />

Da sich viele Bereiche unserer Lebenswelten<br />

nach wie vor danach unterscheiden, ob es<br />

sich um eher „weibliche“ oder „männliche“ Lebenswelten<br />

handelt, sind Sozialisationsprozesse in<br />

vielen Aspekten <strong>für</strong> die Geschlechter unterschiedlich<br />

akzentuiert.<br />

Je nach den Regeln von Lebenswelten sind diese<br />

entweder eher offen <strong>für</strong> Veränderungen, d.h. dass<br />

Variationen <strong>und</strong> Abweichungen vom Bestehenden<br />

positiv bewertet werden, oder sie sind eher geschlossen.<br />

Neues wird weniger gut geheißen, durch<br />

Kritik hintan gehalten <strong>und</strong> mitunter auch offen<br />

sanktioniert. Solche Reaktionen sind stets auch zu<br />

verstehen als Widerstand dagegen, das Bestehende<br />

<strong>und</strong> Althergebrachte in Frage zu stellen <strong>und</strong> zu<br />

verändern. Veränderungen sind immer mit Unsicherheiten<br />

verknüpft, mit denen nicht alle Menschen<br />

oder sozialen Gruppen gleich gut zurecht

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