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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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WAS IST „LESEN“?<br />

Um den „Digital Divide“ so weit als möglich zu verhindern,<br />

muss neben dem Zugang zur Technik gewährleistet<br />

sein, dass möglichst alle Menschen über<br />

die entsprechenden Basisqualifikationen verfügen.<br />

Dazu gehören <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben, ohne die<br />

Computer <strong>und</strong> Internet nur sehr eingeschränkt genutzt<br />

werden können.<br />

Die umfassende Teilhabe in der gegenwärtigen<br />

Gesellschaft setzt Kompetenzen im Umgang mit<br />

der schriftlichen Kommunikation voraus. Nicht<br />

nur mehrfaches Um- <strong>und</strong> Neulernen <strong>für</strong> das Erwerbsleben<br />

erfordert selbstbestimmtes lebensbegleitendes<br />

Lernen. Auch die Komplexität unseres<br />

außerberuflichen Alltags macht es notwendig, sich<br />

in den unterschiedlichsten Bereichen ständig neu<br />

zu orientieren. Ohne <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben ist man<br />

von vielen Möglichkeiten <strong>und</strong> Formen des formellen<br />

<strong>und</strong> auch informellen Lernens ausgeschlossen.<br />

Leseförderung als eine Aufgabe der Wissensgesellschaft<br />

ist auch in diesem Kontext des medialen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlichen Wandels zu sehen. Sie leistet<br />

einen Beitrag zur Chancengleichheit der Mitglieder<br />

einer Gesellschaft <strong>und</strong> ist in diesem Sinn<br />

auch ein demokratiepolitischer Auftrag. Die Effekte<br />

geringer Lesekompetenzen sind bekannt:<br />

Die Möglichkeiten schulischen Erfolgs sind<br />

beeinträchtigt, Misserfolgserlebnisse in der Öffentlichkeit<br />

der Schulklasse machen <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong><br />

Schreiben zu ungeliebten Aufgaben. Nicht nur die<br />

Lese, auch die Lernmotivation der betroffenen<br />

SchülerInnen leidet. Die geringen Schulleistungen<br />

schränken die Jugendlichen bei ihrer Berufswahl<br />

ein. Berufliche Aufstiegsmöglichkeiten sind<br />

begrenzt, wenn diese den Besuch von Weiterbildungskursen<br />

voraussetzen. Geringe Lese- <strong>und</strong><br />

Schreibkompetenzen wirken sich negativ auf die<br />

gesamte Lebensqualität der Betroffenen aus.<br />

Ängste vor sozialer Stigmatisierung, dass man „versagt“<br />

<strong>und</strong> etwas als selbstverständlich Vorausgesetztes<br />

nicht erlernt hat, führen bei Personen, die<br />

kaum <strong>Lesen</strong> <strong>und</strong> Schreiben können, zu Abhängigkeiten<br />

von Vertrauenspersonen, die <strong>für</strong> sie<br />

schriftliche Aufgaben erledigen.<br />

Neben den pragmatischen Funktionen der Lesekompetenz<br />

<strong>für</strong> die Beschaffung von Information<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> Lernen eröffnet <strong>und</strong> erweitert <strong>Lesen</strong> auch<br />

den Zugang zu unterschiedlichsten Erfahrungsräumen.<br />

Alles, was in schriftlicher Form zugänglich<br />

ist <strong>und</strong> kommuniziert wird, setzt <strong>für</strong> seine Erschließung<br />

Lesekompetenz voraus. Die Lesefreude<br />

vieler Kinder, die das <strong>Lesen</strong> gerade erst erlernt<br />

haben, ist ein Ausdruck dieser neu gewonnenen<br />

Fähigkeit, Aspekte der Welt um sich herum ohne<br />

Hilfe von Älteren bzw. Lesekompetenten zu verstehen,<br />

seien es Produktaufschriften, Comics <strong>und</strong><br />

Bilderbücher, Hinweise bei Computerspielen oder<br />

das Fernsehprogramm. Sach- <strong>und</strong> Ratgeberbücher,<br />

Zeitschriften, Zeitungen, der in Themen <strong>und</strong><br />

Genres unüberschaubare Kosmos der Literatur<br />

ergänzen <strong>und</strong> erweitern die über Fernsehen, Film<br />

<strong>und</strong> Radio zugänglichen Informations- <strong>und</strong> Unterhaltungswelten.<br />

Die Unabhängigkeit von Sendezeiten<br />

<strong>und</strong> Ausstrahlungsgeräten, die selbstgesteuerte<br />

Rezeptionsgeschwindigkeit, die Möglichkeit,<br />

Lesemedien dauerhaft aufzubewahren usw.<br />

machen die Lesemedien vor allem im Vergleich zu<br />

Fernsehen <strong>und</strong> Radio zu sehr individuellen Medien.<br />

Dieser Effekt wird noch wesentlich verstärkt dadurch,<br />

dass die verschriftlichten Inhalte mit eigenen<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Vorstellungen rekonstruiert<br />

<strong>und</strong> aufgefüllt werden. Dies ist ein zentraler Unterschied<br />

zu visuellen Medien, wie dem Fernsehen, wo<br />

die Inhalte vergleichsweise konkret dargestellt sind<br />

(z.B. Formen, Farben, Größenverhältnisse, räumliche<br />

Anordnungen). Die 10-jährige Karin, die sehr<br />

gerne liest, bringt diesen Unterschied mit ihrer Erklärung<br />

auf den Punkt, warum sie Bücher ohne Bilder<br />

denen mit Bildern vorzieht: „Die Bilder mag<br />

ich nicht, weil ich stell’ mir zum Beispiel vor, das<br />

ist eine grüne Alm mit grünen großen Wiesen <strong>und</strong><br />

gelben Blumen <strong>und</strong> dort sind dann, was weiß ich,<br />

violette Blumen. Und dann ist mein ganzes Vorstellen<br />

irgendwie zerstört. Also stell’ ich mir das lieber<br />

selber vor, die Bilder.“ 14<br />

14) Böck 2000, S. 73.

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