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Gender Lesen - Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

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„GENDER“<br />

„GENDER“<br />

I.„<strong>Gender</strong>“<br />

1 Sex – <strong>Gender</strong><br />

<strong>Gender</strong> ist ursprünglich der englische Begriff <strong>für</strong><br />

das lexikalische <strong>und</strong> grammatische Geschlecht,<br />

das Genus. Das lateinische genus steht <strong>für</strong> Abstammung,<br />

Geschlecht, Art, Gattung. Genre bezeichnet<br />

z.B. literarische, journalistische, filmische<br />

<strong>und</strong> andere Gattungen.<br />

Der Begriff <strong>Gender</strong> wird seit den 1970er Jahren<br />

verwendet, wenn von Geschlecht als soziokultureller<br />

Kategorie die Rede ist. Die Begriffe Sex <strong>und</strong><br />

<strong>Gender</strong> ermöglichen es, zwischen dem biologischen<br />

<strong>und</strong> dem sozialen Geschlecht zu unterscheiden.<br />

Mit <strong>Gender</strong> wird darauf hingewiesen, dass<br />

„Männlichkeit“ <strong>und</strong> „Weiblichkeit“ nicht biologisch<br />

festgelegt sind <strong>und</strong> deshalb als etwas Gegebenes<br />

quasi unveränderbar wären. Sowohl die soziale<br />

Konstruiertheit als auch der kulturell-historische<br />

Kontext dessen, was in einer Gesellschaft jeweils<br />

als „weiblich“ <strong>und</strong> was als „männlich“ gilt,<br />

werden durch diese begriffliche Unterscheidung<br />

thematisiert <strong>und</strong> bewusst gemacht.<br />

Da es keine deutsche Übersetzung <strong>für</strong> <strong>Gender</strong><br />

gibt, wird im Deutschen entweder dieser Begriff<br />

verwendet oder man macht durch die Pluralform<br />

von Geschlecht – Geschlechter – explizit, dass man<br />

sich auf die gesellschaftliche Konstruiertheit von<br />

Geschlechtlichkeit bezieht. Dieses Verständnis von<br />

Geschlechtlichkeit ist ein komplexes Konstrukt,<br />

das über eine reduktionistische biologisch-genetische<br />

Erklärung von geschlechtsspezifischen Unterschieden<br />

weit hinausgeht. Wie variabel Zuschreibungen<br />

von „Männlichkeit“ <strong>und</strong> „Weiblichkeit“<br />

<strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Regeln <strong>und</strong> Erwartungen<br />

sind, zeigen z.B. die Veränderungen vor allem seit<br />

Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, als feministische Bewegungen<br />

zunehmend gleiche Rechte <strong>für</strong> Frauen<br />

einforderten <strong>und</strong> diese allmählich auch durchsetzten<br />

– wenngleich gegen größte Widerstände. Frauen<br />

waren beispielsweise vom Wahlrecht, von höherer<br />

Bildung <strong>und</strong> der Ausübung akademischer<br />

Berufe ausgeschlossen, weil sie – so die Argumente<br />

von Männern, auch führenden Wissenschaftern<br />

der jeweiligen Zeit – nicht in der Lage wären zu<br />

denken, rationale Entscheidungen zu treffen, Belastungen<br />

nur sehr eingeschränkt ertragen könnten<br />

<strong>und</strong> dergleichen mehr.<br />

Über die Gefahren der Romanlektüre <strong>für</strong> Frauen – zu lesen auch<br />

als Beispiel <strong>für</strong> damalige soziale Zuschreibungen an Frauen <strong>und</strong><br />

diese Form des <strong>Lesen</strong>s – schreibt der Schweizer Arzt <strong>und</strong> Journalist<br />

Paul Usteri 1830 im Morgenblatt <strong>für</strong> gebildete Stände:<br />

„Es hausen da Nervenkrämpfe <strong>und</strong> Vapeurs;<br />

statt kräftigen Handelns <strong>und</strong> Wirkens finden wir<br />

leere Empfindelei, <strong>und</strong> wo wir die<br />

ausübende Hausfrau <strong>und</strong> Mutter, die<br />

theilnehmende <strong>und</strong> nachsichtige Fre<strong>und</strong>in, die<br />

edle Christin suchen, da zeigt sich ein unglückliches,<br />

mit sich selbst <strong>und</strong> der Welt zerfallenes,<br />

in all seinen Lieblingsphantasien enttäuschtes<br />

Geschöpf, das weder auf Erden noch im<br />

Himmel einen schicklichen Platz findet.“<br />

Die Dualität der Geschlechter ist mit einer Hierarchie<br />

verknüpft. Diese leitet sich unter anderem<br />

aus der traditionellen gesellschaftlichen Arbeitsteilung<br />

ab, die Männern <strong>und</strong> Frauen unterschiedliche<br />

Zuständigkeitsbereiche, soziale Positionen,<br />

Ressourcen <strong>und</strong> – daraus abgeleitet – Chancen der<br />

Lebensgestaltung zuweist. Männer sind traditionell<br />

<strong>für</strong> die gesellschaftlich anerkannte Sphäre der Produktion<br />

(Erwerbsarbeit) zuständig, Frauen <strong>für</strong> den<br />

niedriger bewerteten Bereich der Reproduktion<br />

(Haushalt, private Erziehungs- <strong>und</strong> Versorgungsleistungen).<br />

Männern wird eher der hierarchisch<br />

höher stehende öffentliche Raum zugeordnet,<br />

Frauen der als <strong>für</strong> das gesellschaftliche Gemeinwohl<br />

weniger relevant eingestufte private. Diese<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Raumzuteilung wurde wiederum mit<br />

biologistischen Argumenten nach dem Schema<br />

„Frauen sind emotional, Männer rational“ legitimiert.

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