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© Achim Baqu / Veer LESESTOFF_ROMANE Weitlings Rückschau auf die Jugendtage Alter macht mitunter eitel. Doch das darf es auch, wenn einer, der so klug schreibt und denkt wie Sten Nadolny, in seinem neuen Roman „Weitlings Sommerfrische“ eine Rückschau auf die Jugendtage seines Protagonisten hält. Wilhelm Weitling, Anwalt, Ehemann, Vater und Großvater, gerät nach einem Segelboot-Unglück auf dem Chiemsee in eine Sinnkrise und gräbt in seiner Lebensgeschichte. Nachhaltig. Das tut ihm weh, das tut ihm aber auch auf schräge Weise gut, selbst wenn er damit zu hadern hat, über sich manchmal nur in der dritten Person sprechen zu können. Wer bin ich? Bin ich womöglich auch ein Schriftsteller? Oder warum nicht? Sten Nadolny, der in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, wurde mit seinem Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“ (1983) über den Nordpolfahrer John Franklin berühmt. Nun segeln er und sein Weitling in philosophischen und biografi schen Gewässern. Und das in wohltuend schöner Sprache. Ein Roman wie eine frische sprachliche Brise. pms ^ Sten Nadolny: „Weitlings Sommerfrische“. Piper, 224 S., 16,99 € (D) • 17,50 € (A) • 24,90 sFr. Raue Story aus dem Norden Ulf Vågsvik, ein Mittfünfziger, der unter falschem Namen auftritt, ist auf einer mysteriösen Reise Schreckliches zugestoßen. Was genau, behält Ingvar Ambjørnsens Roman für sich. Dieses Geheimnis liegt wie ein dunkler Schatten über der Geschichte und verleiht ihr eine unheimliche Aura. Auf eine abgelegene Insel im Nordwesten Norwegens hat sich Ulf gefl üchtet, um sein bisheriges Leben zu vergessen. Bei seiner alten Brieffreundin Berit hofft er auf einen ruhigen letzten Lebensabschnitt. Vorbildlich versucht er sich anzupassen und renoviert gemeinsam mit anderen Inselbewohnern das alte Schulhaus im Dorf für eine niederländische Familie. Beim großen Willkommensempfang für die van der Klerks kommt es dann unerwartet zur Tragödie und Ulf sieht sich in erschreckender Weise mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Das Buch des 56 Jahre alten Norwegers, der in Hamburg lebt und in Deutschland durch seine Elling-Romane bekannt wurde, ist spannend wie ein Krimi, doch dabei höchst poetisch geschrieben, voller atmosphärischer Naturbeschreibungen und subtiler Einblicke in die Seele des Protagonisten. aw ^ Ingvar Ambjørnsen: „Den Oridongo hinauf “. Übersetzt von Gabriele Haefs. Edition Nautilus, 19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 28,40 sFr. Geburtstagsparty für einen Toten Gábor Kolozs braucht Geld, denn der ehemals erfolgreiche Ökonom ist in die Jahre gekommen und mittellos. Als sein Vater stirbt, kommt ihm eine grandiose Idee: Er kassiert nicht nur weiter die Rente des Vaters, sondern noch dazu die monatlichen Wiedergutmachungszahlungen, die der Vater als Holocaust überlebender von einer Schweizer Stiftung erhielt. Das geht auch eine Zeit lang gut – bis der Vater offi ziell seinen 100. Geburtstag feiern müsste und die Presse diesen Ehrentag ganz groß feiern will. Mit dem Jubilar, versteht sich. György Dalos, studierter Historiker und ehemaliger Leiter des Ungarischen Kulturinstituts in Berlin, hat einen gewitzten und unterhaltsamen Roman mit tieferer Bedeutung geschrieben. Er erzählt von einem Moralisten und Intellektuellen, der kalkuliert gegen jedes moralische Handeln verstößt. cs ^ György Dalos: „Der Fall des Ökonomen“. Übersetzt von Elsbeth Zylla. Rotbuch Verlag, 192 S., 18,95 € (D) • 19,50 € (A) • 27,90 sFr. Lady Di in Amerika Was wäre, wenn Prinzessin Diana noch lebte? Monica Ali hat dieses Szenario durchgespielt und die Königin der Herzen ihren tödlichen Unfall nur vortäuschen lassen. Ein lang geplanter Schachzug, um einem verhassten Leben unter öffentlicher Beobachtung zu entkommen. Diana hat nun unter dem Namen Lydia in Kensington, USA, einen Ort der Ruhe gefunden, an dem sie mit einem neuen Mann ein bürgerliches Leben führt. Niemand ahnt etwas von ihrer königlichen Vergangenheit und der schwierigen Entscheidung, ihre Söhne in England zu rückzulassen. Eines Tages aber taucht ein bri tischer Paparazzo in der Kleinstadt auf, der droht, Lydias wahre Identität preiszugeben. Monica Ali ist ein überzeugendes und bewegendes Porträt einer sensiblen Frau gelungen, die mit ungeheurer Kraft für ihre neu gewonnene Freiheit kämpft. Ein Märchen mit Happy End – nicht nur für Diana-Fans. aw ^ Monica Ali: „Die gläserne Frau“. Übersetzt von Anette Grube. Droemer Knaur, 384 S., 19,99 € (D) • 20,60 € (A) • 28,90 sFr. 26 buchjournal 3_2012

Scharade von Schein und Sein Was fasziniert so an Lügnern? Dass sie Träume und Ängste umschiffen, dass sie im Falschen wagemutig sind und dabei stets ohne Skrupel? Herbert Genzmer schildert in „Das perfekte Spiel“ mit Felix Gidden einen Betrüger, der aufgrund einer Namensverwechslung im Jahr 1955 nach Istanbul reist, um ohne eigene Schuld erhebliche Spielschulden zu begleichen, und eine Frau fi nden muss. Gidden blufft und reist unter vielen Namen. Am Bosporus ist der Gauner gleichwohl in seinem Element. In Istanbul kann sogar er noch viel über Lug und Trug lernen. So fi nden kriminelle Laien ihre Meister, aber nicht immer unmittelbar die gesuchte Frau. Die hinreißende Scharade von Sein und Schein bannt sprachlich und weckt spielerische Gefühle. Die Botschaft: Nur nicht ins Casino! Aber: Auf nach Istanbul! Ganz ehrlich. pms ^ Herbert Genzmer: „Das perfekte Spiel“. Berlin University Press, 360 S., 22,90 € (D) • 23,60 € (A) • 32,90 sFr. buchjournal 3_2012 27 Aufbruch in eine neue Zeit Der tschechische Romancier und Dramatiker Ivan Klíma wurde in den 1970er und -80er Jahren im Westen sehr erfolgreich, nachdem er als Dissident in seiner Heimat mit einem Publikationsverbot belegt worden war. Doch noch 1961 hatte der junge Schriftsteller „Stunde der Stille“ veröffentlichen können, seinen ersten Roman, der ein sehr kritisches Bild der politischen Verhältnisse beim Aufbau des Sozialismus in der Ostslowakei zeichnet. Jetzt erscheint er erstmals in deutscher Übersetzung – und erweist sich als eines jener seltenen Sprachkunstwerke, die die Zeiten überdauern. Klíma zeichnet ein grandioses Personenpanorama vor dem Hintergrund einer abgelegenen dörfl ichen Welt zwischen den Verheerungen des Krieges und dem Aufbruch in eine neue Zeit. gran ^ Ivan Klíma: „Stunde der Stille“. Übersetzt von Maria Hammerich-Maier. Transit Verlag, 253 S., 19,80 € (D) • 20,40 € (A) • 28,90 sFr. EIN UNVERGESSLICHER ROMAN, DER DIE HERZEN IM STURM EROBERT Eigentlich will Harold nur zum Briefkasten. Doch dann läuft er 1000 Kilometer weit. Zu Fuß von Südengland bis an die schottische Grenze. Eine Reise, die er jeden Tag neu beginnen muss. Für sich selbst und für uns alle. Ein Buch über Geheimnisse, besondere Momente und zufällige Begegnungen, die uns von Grund auf verändern. www.haroldfry.de Versunken im Lago Maggiore Dea Loher ist eine der produktivsten und meistgespielten Theaterautorinnen der Gegenwart. Nun hat sie ihr Romandebüt vorgelegt. Darin erzählt sie in schnellen Schnitten zwei Handlungsstränge, die die Frage aufwerfen: Was hat das Wrack eines auf dem Grund des Lago Maggiore versunkenen Autos mit dem gewaltsamen Tod eines Studenten 2008 zu tun? So, wie Loher die Sache gestaltet, eine ganze Menge. Während der Fastnacht in Locarno wird Luca von drei Jugendlichen zu Tode getreten. Ein Freund der Familie wiederum macht sich an die Bergung des alten Bugattis. Wenigstens eine Rettung, die gelingt. Vom Gründer der legendären Automarke wiederum erzählt dessen Bruder, ein depressiver Bildhauer, der 1916 Selbstmord begeht. So setzt sich ein facettenreiches Bild zusammen, verknüpft durch Leitmotive und eine starke Sprache. Loher kann also auch den Roman. cs ^ Dea Loher: „Bugatti taucht auf “. Wallstein, 208 S., 19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 28,90 sFr. ISBN 978-3-8105-1079-2/384 S. geb./€ (D) 18,99

© Achim Baqu / Veer LESESTOFF_ROMANE<br />

Weitlings Rückschau auf<br />

die Jugendtage<br />

Alter macht mitunter eitel.<br />

Doch das darf es auch,<br />

wenn einer, der so klug<br />

schreibt und denkt wie<br />

Sten Nadolny, in seinem<br />

neuen Roman „Weitlings<br />

Sommerfrische“ eine Rückschau<br />

auf die Jugendtage<br />

seines Protagonisten hält.<br />

Wilhelm Weitling, Anwalt, Ehemann, Vater und<br />

Großvater, gerät nach einem Segelboot-Unglück<br />

auf dem Chiemsee in eine Sinnkrise und gräbt in<br />

seiner Lebensgeschichte. Nachhaltig. Das tut<br />

ihm weh, das tut ihm aber auch auf schräge<br />

Weise gut, selbst wenn er damit zu hadern hat,<br />

über sich manchmal nur in der dritten Person<br />

sprechen zu können. Wer bin ich? Bin ich womöglich<br />

auch ein Schriftsteller? Oder warum<br />

nicht? Sten Nadolny, der in diesem Jahr seinen<br />

70. Geburtstag feiert, wurde mit seinem Roman<br />

„Die Entdeckung der Langsamkeit“ (1983) über<br />

den Nordpolfahrer John Franklin berühmt. Nun<br />

segeln er und sein Weitling in philosophischen<br />

und biografi schen Gewässern. Und das in wohltuend<br />

schöner Sprache. Ein Roman wie eine frische<br />

sprachliche Brise. pms<br />

^ Sten Nadolny: „Weitlings Sommerfrische“.<br />

Piper, 224 S., 16,99 € (D) • 17,50 € (A) • 24,90 sFr.<br />

Raue Story aus<br />

dem Norden<br />

Ulf Vågsvik, ein Mittfünfziger, der unter<br />

f<strong>als</strong>chem Namen auftritt, ist auf einer mysteriösen<br />

Reise Schreckliches zugestoßen.<br />

Was genau, behält Ingvar Ambjørnsens Roman<br />

für sich. Dieses Geheimnis liegt wie<br />

ein dunkler Schatten über der Geschichte<br />

und verleiht ihr eine unheimliche Aura. Auf<br />

eine abgelegene Insel im Nordwesten Norwegens<br />

hat sich Ulf gefl üchtet, um sein bisheriges<br />

Leben zu vergessen. Bei seiner alten<br />

Brieffreundin Berit hofft er auf einen<br />

ruhigen letzten Lebensabschnitt. Vorbildlich<br />

versucht er sich anzupassen und renoviert<br />

gemeinsam mit anderen Inselbewohnern<br />

das alte Schulhaus im Dorf für eine niederländische<br />

Familie. Beim großen Willkommensempfang<br />

für die van der Klerks kommt<br />

es dann unerwartet zur Tragödie und Ulf<br />

sieht sich in erschreckender Weise mit seiner<br />

Vergangenheit konfrontiert. Das Buch<br />

<strong>des</strong> 56 Jahre alten Norwegers, der in Hamburg<br />

lebt und in Deutschland durch seine<br />

Elling-Romane bekannt wurde, ist spannend<br />

wie ein Krimi, doch dabei höchst poetisch<br />

geschrieben, voller atmosphärischer<br />

Naturbeschreibungen und subtiler Einblicke<br />

in die Seele <strong>des</strong> Protagonisten. aw<br />

^ Ingvar Ambjørnsen: „Den Oridongo hinauf “.<br />

Übersetzt von Gabriele Haefs. Edition Nautilus,<br />

19,90 € (D) • 20,50 € (A) • 28,40 sFr.<br />

Geburtstagsparty für<br />

einen Toten<br />

Gábor Kolozs braucht Geld,<br />

denn der ehem<strong>als</strong> erfolgreiche<br />

Ökonom ist in die Jahre<br />

gekommen und mittellos.<br />

Als sein Vater stirbt, kommt<br />

ihm eine grandiose Idee: Er<br />

kassiert nicht nur weiter die<br />

Rente <strong>des</strong> Vaters, sondern<br />

noch dazu die monatlichen<br />

Wiedergutmachungszahlungen,<br />

die der Vater <strong>als</strong> Holocaust überlebender von<br />

einer Schweizer Stiftung erhielt. Das geht auch<br />

eine Zeit lang gut – bis der Vater offi ziell seinen<br />

100. Geburtstag feiern müsste und die Presse diesen<br />

Ehrentag ganz groß feiern will. Mit dem Jubilar,<br />

versteht sich. György Dalos, studierter Historiker<br />

und ehemaliger Leiter <strong>des</strong> Ungarischen Kulturinstituts<br />

in Berlin, hat einen gewitzten und<br />

unterhaltsamen Roman mit tieferer Bedeutung<br />

geschrieben. Er erzählt von einem Moralisten und<br />

Intellektuellen, der kalkuliert gegen je<strong>des</strong> moralische<br />

Handeln verstößt. cs<br />

^ György Dalos: „Der Fall <strong>des</strong> Ökonomen“.<br />

Übersetzt von Elsbeth Zylla. Rotbuch Verlag, 192 S.,<br />

18,95 € (D) • 19,50 € (A) • 27,90 sFr.<br />

Lady Di in Amerika<br />

Was wäre, wenn Prinzessin Diana noch lebte? Monica<br />

Ali hat dieses Szenario durchgespielt und die<br />

Königin der Herzen ihren tödlichen Unfall nur<br />

vortäuschen lassen. Ein lang geplanter Schachzug,<br />

um einem verhassten Leben unter öffentlicher Beobachtung<br />

zu entkommen. Diana hat nun unter<br />

dem Namen Lydia in Kensington, USA, einen Ort<br />

der Ruhe gefunden, an dem sie mit einem neuen<br />

Mann ein bürgerliches Leben führt. Niemand ahnt<br />

etwas von ihrer königlichen Vergangenheit und<br />

der schwierigen Entscheidung, ihre Söhne in England<br />

zu rückzulassen. Eines Tages aber taucht ein<br />

bri tischer Paparazzo in der Kleinstadt auf, der<br />

droht, Lydias wahre Identität preiszugeben. Monica<br />

Ali ist ein überzeugen<strong>des</strong> und bewegen<strong>des</strong><br />

Porträt einer sensiblen Frau gelungen, die mit<br />

ungeheurer Kraft für ihre<br />

neu gewonnene Freiheit<br />

kämpft. Ein Märchen mit<br />

Happy End – nicht nur für<br />

Diana-Fans. aw<br />

^ Monica Ali: „Die gläserne<br />

Frau“. Übersetzt von Anette<br />

Grube. Droemer Knaur,<br />

384 S., 19,99 € (D) •<br />

20,60 € (A) • 28,90 sFr.<br />

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