Gesteuerte Knochenregeneration in der Implantologie - goDentis
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<strong>goDentis</strong><br />
Qualitätskompendium<br />
Zahnheilkunde<br />
Band II<br />
I
Inhaltsverzeichnis<br />
A Provisorische Versorgungen 1<br />
A 1 Festsitzende provisorische Versorgungen 1<br />
A 1.1 Kurzzeitprovisorien 1<br />
A 1.2 Langzeitprovisorien 2<br />
A 2 Herausnehmbare provisorische Versorgungen 4<br />
Literatur A 6<br />
B Def<strong>in</strong>itive prothetische Versorgungen 9<br />
B 1 Festsitzende Prothetik 9<br />
B 1.1 Inlays 9<br />
B 1.2 Teilkronen 10<br />
B 1.3 Veneers 12<br />
B 1.4 Kronen 13<br />
B 1.5 Brücken 16<br />
B 1.6 Adhäsivbrücken 20<br />
B 1.7 Postendodontische Versorgungen 22<br />
B 1.8 Materialübersicht Festsitzende Prothetik 25<br />
B 2 Abnehmbare Prothetik 26<br />
B 2.1 Totalprothese 26<br />
B 2.1.1 Konventionelle Totalprothese 26<br />
B 2.1.2 Implantatret<strong>in</strong>ierte/implantatgestützte Totalprothese 27<br />
B 2.2 Teilprothetik 33<br />
B 2.2.1 Allgeme<strong>in</strong>e Konstruktionsmerkmale 33<br />
B 2.2.2 Prothesengerüst 34<br />
B 2.2.3 Verankerungselemente 34<br />
Literatur B 40<br />
C <strong>Implantologie</strong> 54<br />
C 1 Indikationen enossaler Implantate 54<br />
C 1.1 Zahnloser Kiefer 55<br />
C 1.2 Verkürzte Zahnreihe 56<br />
C 1.3 Schaltlücke 57<br />
C 1.4 Reduzierter Restzahnbestand 60<br />
C 2 Indikationse<strong>in</strong>schränkungen 64<br />
C 3 Implantatmaterialien und Implantatsysteme 66<br />
C 4 Präimplantologische Diagnostik, Planung und Aufklärung 69<br />
III
C 5 Sofortimplantation, verzögerte Sofortimplantation und Spätimplantation 71<br />
C 6 Sofort- und Frühbelastung enossaler Dentalimplantate 74<br />
Literatur C 78<br />
D Augmentationsverfahren 87<br />
D 1 Augmentationsmaterialien 88<br />
D 2 Augmentationsverfahren im ortsständigen Knochen 94<br />
D 2.1 Distraktionsosteogenese 94<br />
D 2.2 Nervlateralisation 95<br />
D 2.3 Zygoma-Implantate (Jochbe<strong>in</strong>-Implantate) 96<br />
D 2.4 Bone Condens<strong>in</strong>g 96<br />
D 3 Additive Augmentationsverfahren 98<br />
D 3.1 Auf- und Anlagerungsplastiken 98<br />
D 3.2 <strong>Gesteuerte</strong> <strong>Knochenregeneration</strong> (GBR) 99<br />
D 3.3 S<strong>in</strong>usbodenelevation (<strong>in</strong>tern/extern) 101<br />
D 3.4 Bone Splitt<strong>in</strong>g / Bone Spread<strong>in</strong>g 102<br />
Literatur D 104<br />
E Funktionsdiagnostik und -therapie 110<br />
E 1 Funktionsdiagnostik 110<br />
E 2 Funktionstherapie 114<br />
Literatur E 117<br />
F Parodontologie 122<br />
F 1 Befun<strong>der</strong>hebung und Diagnostik 122<br />
F 1.1 Grundlegende Befunde und Diagnostik 122<br />
F 1.2 Erweiterte Diagnostische Verfahren 123<br />
F 2 Therapieverfahren 126<br />
F 2.1 Basistherapien 126<br />
F 2.2 Adjuvante Antibiotika <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontitistherapie 128<br />
F 2.3 Regenerative Verfahren 130<br />
F 2.3.1 Knochenersatzmaterialien 130<br />
F 2.3.2 Guided tissue Regeneration (GTR) 132<br />
F 2.3.3 Schmelzmatrix-Prote<strong>in</strong>e 133<br />
F 2.4 Lasertherapie 134<br />
Literatur F 137<br />
IV
<strong>goDentis</strong> Qualitätskompendium Zahnheilkunde, Band II<br />
Die Zahnmediz<strong>in</strong> ist traditionell erfahrungsbasiert. Je<strong>der</strong> praktisch tätige Zahnarzt<br />
wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Praxis schon e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en „beson<strong>der</strong>en“ Fall gehabt haben,<br />
dessen Behandlungsverlauf und -ergebnis se<strong>in</strong>e zukünftigen Therapieentscheidungen<br />
bee<strong>in</strong>flusst haben. Generationen von Zahnärzten haben ihre Erfahrungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Behandlung zahnmediz<strong>in</strong>ischer Krankheitsbil<strong>der</strong> gesammelt und sie teilweise<br />
nie<strong>der</strong>geschrieben. Derartige Erfahrungssammlungen und eigene, an E<strong>in</strong>zelfällen<br />
gewonnene Erkenntnisse, bilden auch heute noch die Grundlage für viele<br />
Therapieentscheidungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahnmediz<strong>in</strong>. Doch s<strong>in</strong>d Erfahrungen als alle<strong>in</strong>iges<br />
Kriterium <strong>der</strong> Therapieentscheidung tatsächlich ausreichend? Wir müssen<br />
uns fragen, ob wir unserem Erfahrungsgedächtnis trauen können. Werden alle<br />
Erfahrungen gleichwertig behandelt? O<strong>der</strong> gibt es Fehler durch e<strong>in</strong>e unbewusste<br />
Erfahrungsselektion? Persönliche Erfahrungen o<strong>der</strong> gesammelte Erfahrungen und<br />
Expertenwissen <strong>in</strong> Form von Lehrme<strong>in</strong>ungen müssen also überprüft werden,<br />
denn nur so kann man herausf<strong>in</strong>den, was wirklich gesichertes Wissen ist und bei<br />
was es sich lediglich um e<strong>in</strong>e mehr o<strong>der</strong> weniger begründete Vermutung handelt.<br />
Genau an diesem Punkt setzt die evidenz-basierte Zahnmediz<strong>in</strong> an. Ihr Ziel ist<br />
es, die traditionell auf Erfahrung und Intuition beruhenden Therapieentscheidungen<br />
(diagnostischer, therapeutischer und präventiver Art) am e<strong>in</strong>zelnen Patienten<br />
durch den systematischen Rückgriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse, d.h.<br />
auf qualitativ hochwertige zahnmediz<strong>in</strong>isch-wissenschaftliche Studienergebnisse<br />
zu ergänzen und abzusichern. Die Qualität des zahnmediz<strong>in</strong>ischen Handelns soll<br />
dabei durch die Verknüpfung <strong>der</strong> eigenen kl<strong>in</strong>ischen Erfahrung („<strong>in</strong>nere Evidenz”)<br />
mit <strong>der</strong> besten verfügbaren externen Evidenz aus <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>isch relevanten Forschung<br />
verbessert werden. Auch die Faktoren Patientenwunsch und Patientenzufriedenheit<br />
(kommunikative Evidenz) müssen <strong>in</strong> die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>fließen.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund s<strong>in</strong>d evidenz-basierte Behandlungsstrategien auch als<br />
e<strong>in</strong> Instrument des Qualitätsmanagements und <strong>der</strong> Qualitätssicherung zu verstehen.<br />
Die evidenz-basierte Zahnmediz<strong>in</strong> soll dabei ke<strong>in</strong>e Handlungsvorschriften für<br />
den behandelnden Zahnarzt generieren o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Reglementierung darstellen,<br />
son<strong>der</strong>n schnell verfügbare transparente Informationen, über den aktuellen Erkenntnisstand<br />
präsentieren.<br />
Dieses Ziel verfolgt das vorliegende <strong>goDentis</strong> Qualitätskompendium: Dem praktisch<br />
tätigen Zahnarzt soll <strong>in</strong> kompakter Form e<strong>in</strong> Überblick <strong>in</strong> weiten Gebieten<br />
<strong>der</strong> Zahnheilkunde zum heute verfügbaren wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisstand<br />
geliefert werden. Wissenschaftliche Stellungnahmen und Konsensuserklärungen<br />
deutscher und <strong>in</strong>ternationaler Fachgesellschaften bilden die<br />
Basis des Kompendiums. Ergänzende Auswertungen von aktuellen Übersichtsreferaten,<br />
systematischen Reviews und kl<strong>in</strong>ischen Studien ergänzen die Informationen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Themenschwerpunkten. Als kompaktes Nachschlagewerk, diagnostische<br />
und therapeutische Entscheidungshilfe soll auf diese Weise e<strong>in</strong> Beitrag<br />
zur Praxis<strong>in</strong>tegration evidenz-basierter Behandlungsstrategien geleistet werden.<br />
V
Der modulare Aufbau des Kompendiums berücksichtigt dabei, dass es sich bei<br />
evidenz-basierten Erkenntnissen nicht um endgültiges Wissen handelt. Aus diesem<br />
Grunde ist e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Anpassung an den wachsenden Erkenntnisstand<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
VI
A Provisorische Versorgungen<br />
A 1 Festsitzende provisorische Versorgungen<br />
A 1.1 Kurzzeitprovisorien<br />
Kurzzeitprovisorien dienen während <strong>der</strong> Herstellungsphase von Zahnersatz - im<br />
Zeitraum zwischen Präparation und E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung - <strong>der</strong> provisorischen Versorgung<br />
des Zahnstumpfes.<br />
Indikation<br />
Versorgung des / <strong>der</strong> präparierten Pfeilerzähne mit den folgenden Zielen:<br />
- Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Zahnform und Kaufunktion<br />
- Sicherung <strong>der</strong> Pfeilerposition<br />
- Erhaltung von Okklusion und Kieferrelation<br />
- Schutz <strong>der</strong> Pulpa vor mechanischen, chemischen und thermischen Reizen<br />
Die Fertigung erfolgt üblicherweise aus autopolymerisierenden o<strong>der</strong> photopolymerisierenden<br />
Kompositmaterialien mit mittlerem bis hohem Polymerisationsgrad<br />
im direkten Verfahren. Als Formvorlage können dabei (Alg<strong>in</strong>at-) Abformungen<br />
<strong>der</strong> Ausgangssituation genutzt werden, während bei komplexen Restaurationen<br />
Silikonformteile o<strong>der</strong> Tiefziehschienen angewendet werden. Insbeson<strong>der</strong>e bei<br />
umfangreichen Sanierungen mit Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Bisslage ist e<strong>in</strong> Wax-Up als<br />
Grundlage <strong>der</strong> provisorischen Versorgung s<strong>in</strong>nvoll. Die Anfertigung e<strong>in</strong>es Wax-<br />
Ups als Grundlage ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den folgenden Indikationen empfehlenswert:<br />
- Korrektur von Zahnfehlstellungen o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zahnform<br />
- Phonetische Überprüfung von Frontzahnrestaurationen<br />
Die Verwendung präfabrizierter Metall- o<strong>der</strong> Kunststoffhülsen (z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>zahnheilkunde)<br />
ist alternativ zu den genannten Verfahren bei E<strong>in</strong>zelkronenversorgungen<br />
e<strong>in</strong>setzbar.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e bei festsitzenden Brückenversorgungen ist e<strong>in</strong>e primäre Verblockung<br />
<strong>der</strong> Pfeiler nach <strong>der</strong> Abformung zur Sicherung <strong>der</strong> Passgenauigkeit des<br />
def<strong>in</strong>itiven Zahnersatzes unerlässlich. Die Komb<strong>in</strong>ation von E<strong>in</strong>zelprovisorien mit<br />
e<strong>in</strong>em herausnehmbaren Interimsersatz mit gebogenen Klammern ist <strong>in</strong> <strong>der</strong>artigen<br />
Indikationen daher kontra<strong>in</strong>diziert.<br />
Als Befestigungsmaterial für Kurzzeitprovisorien eignen sich:<br />
- Zemente auf ZnO-Eugenol-Basis können verwendet werden, wenn e<strong>in</strong>e<br />
konventionelle Zementierung des def<strong>in</strong>itiven Zahnersatzes möglich ist<br />
- Eugenolfreie ZnO- Zemente o<strong>der</strong> provisorische Zemente auf Kunststoffbasis<br />
werden verwendet, wenn e<strong>in</strong>e adhäsive Zementierung des def<strong>in</strong>itiven<br />
Zahnersatzes geplant ist.<br />
- Def<strong>in</strong>itive Befestigungsmaterialien können <strong>in</strong> Ausnahmefällen bei e<strong>in</strong>em<br />
erhöhten Risiko des Retentionsverlustes e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />
1
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die provisorische Versorgung mittels direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt gefertigter provisorischer<br />
Versorgungen stellt e<strong>in</strong> jahrzehntelang etabliertes Verfahren dar. Marktgängige<br />
provisorische Kronen- und Brückenmaterialien s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Biokompatibilität<br />
und <strong>der</strong> Form- und Farbstabilität gut untersucht. Grundsätzlich<br />
s<strong>in</strong>d dabei Materialien zu bevorzugen die bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>traoralen Aushärtung nur e<strong>in</strong>e<br />
ger<strong>in</strong>ge thermische Belastung <strong>der</strong> Pulpa bewirken.<br />
A 1.2 Langzeitprovisorien<br />
Langzeitprovisorien dienen <strong>der</strong> temporären Zwischenversorgung von präparierten<br />
Zähnen mit dem Ziel <strong>der</strong> prognostischen Absicherungen e<strong>in</strong>er geplanten def<strong>in</strong>itiven<br />
Versorgung.<br />
Abhängig vom Anwendungsgebiet kann die Inkorporationsdauer im Bereich von<br />
mehreren Wochen bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>igen Monaten variieren, so dass nur <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz<br />
<strong>in</strong>direkt gefertigter Langzeitprovisorien s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />
Indikation<br />
- Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Kieferrelation und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bisslage<br />
- Überbrückung von Ausheilungszeiten nach präprothetisch-chirurgischen<br />
Interventionen o<strong>der</strong> parodontalchirurgischen Interventionen<br />
- Sicherstellung <strong>der</strong> lastfreien E<strong>in</strong>heilung von enossalen Implantaten sowie<br />
<strong>der</strong> progressiven Belastung nach <strong>der</strong> Freilegung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Anwendung<br />
augmentativer Verfahren.<br />
- Absicherung <strong>der</strong> Pfeilerwertigkeit (z.B. nach endodontischer Behandlung)<br />
- Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ästhetik o<strong>der</strong> Phonetik (Form- und Stellungsän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Zähne)<br />
- Palliative Versorgung von Tumorpatienten<br />
Da Langzeitprovisorien über e<strong>in</strong>e deutlich längere Zeit <strong>in</strong>korporiert werden, müssen<br />
die verwendeten Materialien neben suffizienten mechanischen Eigenschaften,<br />
guter Biokompatibilität und ger<strong>in</strong>ger Verfärbungstendenz, auch e<strong>in</strong>e gute Reparaturfähigkeit<br />
aufweisen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e beim E<strong>in</strong>satz von Langzeitprovisorien im Rahmen von Än<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Kieferrelation o<strong>der</strong> Okklusion, ist von notwendigen additiven o<strong>der</strong> substraktiven<br />
Än<strong>der</strong>ungen zur Fe<strong>in</strong>justierung <strong>der</strong> Okklusion auszugehen. E<strong>in</strong>e Umarbeitung<br />
von Langzeitprovisorien ist auch während <strong>der</strong> Ausheilungsphase nach parodontalchirurgischen<br />
E<strong>in</strong>griffen o<strong>der</strong> zur Stützung <strong>der</strong> Weichgewebe nach Extraktionen<br />
(z.B. ovade-pontics), sowie im Rahmen von implantat-prothetischen Versorgungen<br />
(z.B. Freilegungsoperation) notwendig. Insbeson<strong>der</strong>e Adhäsivbrücken s<strong>in</strong>d<br />
aufgrund ihrer M<strong>in</strong>imal<strong>in</strong>vasivität als ideales Therapiemittel für langzeitprovisorische<br />
Versorgungen bei kariesfreien o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>ggradig zerstörten Pfeilerzähnen<br />
zu präferieren.<br />
Grundsätzlich gelten für Langzeitprovisorien die gleichen prothetischen Gestaltungsrichtl<strong>in</strong>ien<br />
wie für permanente Restaurationen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ist e<strong>in</strong>e hohe<br />
Passgenauigkeit und e<strong>in</strong>e gute Hygienefähigkeit anzustreben. Als Materialien<br />
können je nach Indikation verwendet werden:<br />
2
- Kunststoffverblendete Metallgerüste aus <strong>der</strong> Basis von NEM o<strong>der</strong> goldarmen<br />
Legierungen<br />
- Glasfaserverstärkte Kunststoffe<br />
- Zahnfarbene Komposite (nur für kle<strong>in</strong>e restaurative E<strong>in</strong>heiten)<br />
Als Befestigungsmaterial für Langzeitprovisorien eignen sich:<br />
- Zemente auf ZnO-Eugenol-Basis können verwendet werden, wenn e<strong>in</strong>e<br />
konventionelle Zementierung des def<strong>in</strong>itiven Zahnersatzes möglich ist.<br />
- Eugenolfreie ZnO-Zemente o<strong>der</strong> provisorische Zemente auf Kunststoffbasis<br />
werden verwendet, wenn e<strong>in</strong>e adhäsive Zementierung des def<strong>in</strong>itiven<br />
Zahnersatzes geplant ist.<br />
- E<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>itive Befestigung <strong>der</strong> Langzeitprovisorien ist bei längeren Tragzeiten<br />
und reduzierter Wi<strong>der</strong>standform <strong>der</strong> Pfeilerpräparation <strong>in</strong> Erwägung<br />
zu ziehen.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Langzeitprovisorien s<strong>in</strong>d wissenschaftlich anerkannt und seit Jahrzehnten e<strong>in</strong><br />
etabliertes Therapiemittel <strong>der</strong> zahnärztlichen Prothetik.<br />
3
A 2 Herausnehmbare provisorische Versorgungen<br />
Herausnehmbare provisorische Versorgungen werden als Immediat- und Interimsprothese<br />
im Bereich <strong>der</strong> Versorgung teilbezahnter und zahnloser Kiefer angewendet.<br />
Als Immediatersatz bezeichnet man temporäre Versorgungen die direkt nach e<strong>in</strong>em<br />
chirurgischen E<strong>in</strong>griff e<strong>in</strong>geglie<strong>der</strong>t werden. Sie wirken e<strong>in</strong>erseits als Verbandsplatte,<br />
dienen an<strong>der</strong>erseits aber auch als temporäre Versorgung zur Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
<strong>der</strong> Kaufunktion, <strong>der</strong> Phonetik und <strong>der</strong> Ästhetik. Immediatiatersatz<br />
im zahnlosen Kiefer wird als e<strong>in</strong>fache Kunststoffprothese ausgeführt, wobei<br />
maximal Zähne bis zum ersten Molaren aufgestellt werden. Immediatersatz bedarf<br />
im Regelfall mehrfacher Unterfütterungen im Verlaufe <strong>der</strong> Wundheilung.<br />
Im teilbezahnten Kiefer wird <strong>der</strong> Immediatersatz als Kunststoffprothese mit e<strong>in</strong>fachen<br />
Halteelementen <strong>in</strong> Form von gebogenen Klammern ausgeführt. Die<br />
Kunststoffprothese mit gebogenen Klammern hat selbst als Sofortersatz nur noch<br />
e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Indikationsbereich, da sie meist nicht o<strong>der</strong> nur unzureichend abgestützt<br />
werden kann. Sie s<strong>in</strong>kt <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Heilung <strong>der</strong> Extraktionswunden und<br />
<strong>der</strong> Schrumpfung <strong>der</strong> Alveolarfortsätze e<strong>in</strong>. Daher ist dr<strong>in</strong>gend anzuraten, <strong>in</strong> kurzen<br />
Abständen Kontrollen durchzuführen und zur Verhütung von Fehlbelastungen<br />
und Parodontalschäden rechtzeitig Unterfütterungen durchzuführen. Aufgrund<br />
<strong>der</strong> bekannten Problematik s<strong>in</strong>d bei gegebenem Restzahnbestand provisorische<br />
Versorgungen zu bevorzugen, die e<strong>in</strong>e starre Lagerung <strong>der</strong> provisorischen Versorgung<br />
ermöglichen. Abhängig vom Anwendungsgebiet kann die Inkorporationsdauer<br />
im Bereich von mehreren Wochen bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>igen Monaten variieren.<br />
Interimsversorgungen s<strong>in</strong>d temporäre Versorgungen, die erst mit e<strong>in</strong>em gewissen<br />
zeitlichen Abstand zu e<strong>in</strong>er chirurgischen Intervention o<strong>der</strong> aber unabhängig<br />
von e<strong>in</strong>er präprothetischen Intervention e<strong>in</strong>geglie<strong>der</strong>t werden. Interimsprothesen<br />
werden im zahnlosen Kiefer als Kunststoffprothesen und im teilbezahnten Kiefer<br />
als Kunststoffpothessen mit Klammerverankerung ausgeführt.<br />
Indikationen für Interimsprothesen<br />
- Überprüfung <strong>der</strong> Kaufunktion, Ästhetik und Phonetik nach Funktionstherapie<br />
und/ o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kieferrelation und Bisslage<br />
- Überbrückung von Ausheilungszeiten nach präprothetisch-chirurgischen<br />
Interventionen o<strong>der</strong> parodontalchirurgischen Interventionen<br />
- Absicherung <strong>der</strong> Pfeilerwertigkeit im Zusammenhang mit festsitzenden<br />
Langzeitprovisorien(z.B. nach endodontischer Behandlung)<br />
- Sicherstellung <strong>der</strong> lastfreien E<strong>in</strong>heilung von enossalen Implantaten<br />
- Palliative Versorgung von Tumorpatienten<br />
Bei <strong>der</strong> Anwendung von Interimsersatz im Rahmen <strong>der</strong> implantatprothetischen<br />
Versorgung ist e<strong>in</strong>e prägoperative Anfertigung des Interimsersatzes s<strong>in</strong>nvoll, so<br />
dass nach e<strong>in</strong>er mehrtägigen postoperativen Prothesenkarenz <strong>der</strong> Interimsersatz<br />
im Bereich <strong>der</strong> Implantate hohl geschliffen werden kann und gegebenenfalls mit<br />
e<strong>in</strong>em speziellen Material weichbleibend unterfüttert werden kann. Bei Interimsersatz<br />
im teilbezahnten Kiefer und gleichzeitiger implantatprothetischer Versorgung<br />
ist e<strong>in</strong>e starre Lagerung des Interimsersatzes mit gegossenen Klammern<br />
<strong>in</strong>diziert, dabei bietet sich die Ausführung im E<strong>in</strong>stückgussverfahren an. Das Pro-<br />
4
thesengerüst sollte jedoch den Implantationsort großzügig aussparen um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches<br />
Hohllegen des Interimsersatzes zu gewährleisten.<br />
Interimsprothesen haben sowohl <strong>in</strong> den klassischen Indikationen wie auch im<br />
Bereich <strong>der</strong> Implantatprothetik e<strong>in</strong>en längeren Inkorporationszeitraum als Immediatprothesen,<br />
so dass h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Ausführungsform höhere Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
zu stellen s<strong>in</strong>d. Insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Verankerungselemente ist <strong>in</strong> Anbetracht<br />
<strong>der</strong> verlängerten Tragedauer auch die Verwendung gegossener Klammern<br />
<strong>in</strong>diziert.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Immediat- und Interimsprothesen s<strong>in</strong>d traditionelle temporäre Therapiemittel <strong>der</strong><br />
zahnärztlichen Prothetik. Während Immediatprothesen sich als Basistherapiemittel<br />
zur <strong>in</strong>itialen Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Kaufunktion, Phonetik und Ästhetik darstellen,<br />
s<strong>in</strong>d Interimsprothesen höherwertigere Therapiemittel. Interimsprothesen<br />
haben <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei komplexen funktionstherapeutischen Maßnahmen<br />
o<strong>der</strong> umfangreichen parodontologischen Behandlungen, sowie dem reduzierten<br />
Restgebiss mit ungewissen Pfeilerprognosen, e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert. Der E<strong>in</strong>satz<br />
<strong>der</strong> Interimsprothetik im Rahmen <strong>der</strong> implantatprothetischen Versorgung ist<br />
heute <strong>in</strong> allen den Fällen <strong>in</strong>diziert, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e provisorische Versorgung mit<br />
festsitzenden provisorischen Versorgungen nicht gewährleistet werden kann.<br />
5
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8
B Def<strong>in</strong>itive prothetische Versorgungen<br />
B 1 Festsitzende Prothetik<br />
B 1.1 Inlays<br />
Unter e<strong>in</strong>em Inlay versteht man e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkt o<strong>der</strong> direkt gefertigte Restauration<br />
zur Versorgung kle<strong>in</strong>erer und mittlerer Substanzdefekte im Seitenzahnbereich.<br />
Die Inlays werden nach ihrer Ausdehnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> bis mehrflächige Inlays e<strong>in</strong>geteilt.<br />
Die Ausführung kann mit metallischen o<strong>der</strong> vollkeramischen Werkstoffen<br />
erfolgen.<br />
Metallische Inlays können ausschließlich im <strong>in</strong>direkten Verfahren hergestellt werden.<br />
Sie werden standardmäßig konventionell zementiert und erfor<strong>der</strong>n daher<br />
e<strong>in</strong>e retentive Präparation. Aufgrund <strong>der</strong> günstigen Verarbeitungseigenschaften<br />
bietet sich für metallische Inlays die Verwendung von Edelmetalllegierungen an.<br />
E<strong>in</strong>e Verwendung edelmetallfreier Werkstoffe ist pr<strong>in</strong>zipiell möglich<br />
(s. auch B 1.8).<br />
Für vollkeramische Inlays s<strong>in</strong>d Werkstoffe mit e<strong>in</strong>er ausreichenden Bruchfestigkeit<br />
zu verwenden. Aufgrund <strong>der</strong> ästhetischen Eigenschaften s<strong>in</strong>d dabei Siliziumoxidkeramiken<br />
zu bevorzugen, die e<strong>in</strong>e deutlich höhere Biegefestigkeit als konventionelle<br />
Verblendkeramiken aufweisen. Die Herstellung kann dabei sowohl<br />
über Pressverfahren (Empress-System, Cergo-System usw.) o<strong>der</strong> mittels<br />
CAD/CAM-Technologie im direkten Verfahren (Cerec-System) erfolgen. Die Inlayherstellung<br />
mittels Forms<strong>in</strong>terung unter Verwendung re<strong>in</strong>er Verblendkeramiken<br />
ist aufgrund <strong>der</strong> reduzierten Festigkeitswerte <strong>der</strong> Verblendkeramiken nur<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em begrenzten Indikationsbereich bei kle<strong>in</strong>eren Defekten (e<strong>in</strong>-, zweiflächig)<br />
bevorzugt im Prämolarenbereich s<strong>in</strong>nvoll (s. auch B 1.8).<br />
Für den langfristigen Erfolg ist die materialgerechte Präparation (retentionslose<br />
Präparation mit abgerundeten Kavitätenw<strong>in</strong>keln) mit E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> materialspezifischen<br />
M<strong>in</strong>destschichtstärken e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Faktor. Unabhängig von <strong>der</strong><br />
gewählten Herstellungstechnik ist e<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Das Galvano<strong>in</strong>lay und das Komposit<strong>in</strong>lay stellen Son<strong>der</strong>formen dar, <strong>der</strong>en Indikation<br />
nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen zu rechtfertigen ist.<br />
Indikation<br />
- Große okklusale Ausdehnung <strong>der</strong> Kavität, Indikation für e<strong>in</strong>e plastische<br />
direkte Füllung (Komposit) ist überschritten<br />
- Allergologisch getestete Materialunverträglichkeiten<br />
Vorteile des Keramik<strong>in</strong>lays<br />
- Höckerstabilisierung durch adhäsiven Verbund (Substanzschonung)<br />
- Ästhetik<br />
9
Kontra<strong>in</strong>dikationen für Keramik<strong>in</strong>lays<br />
- Ke<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung mit ausreichen<strong>der</strong> Trockenlegung möglich<br />
- Nachgewiesene Unverträglichkeit auf e<strong>in</strong>zelnen Komponenten <strong>der</strong> adhäsiven<br />
Befestigungssysteme<br />
- Ke<strong>in</strong>e materialgerechte Präparation möglich<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Indirekt gefertigte metallische Inlayrestaurationen auf Edelmetallbasis gehören<br />
mit e<strong>in</strong>er mehr als 100jährigen kl<strong>in</strong>ischen Anwendungsgeschichte zu den Standardverfahren<br />
<strong>der</strong> restaurativen zahnmediz<strong>in</strong>ischen Versorgung. Ausgereifte Verarbeitungstechniken<br />
und die Verwendung biokompatibler, mundbeständiger Dentallegierungen<br />
gewährleisten sehr gute Langzeitergebnisse im Bereich von<br />
10 Jahren. Alternative Werkstoffe (NEM-Legierungen, Titan) s<strong>in</strong>d demgegenüber<br />
nur anekdotisch dokumentiert und können darum nicht als Rout<strong>in</strong>everfahren betrachtet<br />
werden. Retentionsverluste stellen e<strong>in</strong>e gehäuft beschriebene Komplikation<br />
dar. Der Funktionserhalt ist zumeist durch e<strong>in</strong>e Rezementierung möglich.<br />
Zur Vorbeugung von Retentionsverlusten ist auf e<strong>in</strong>e retentive Präparation<br />
zu achten, gegebenenfalls ist auch e<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung <strong>in</strong> Erwägung zu<br />
ziehen.<br />
Inzwischen liegen für keramische Inlays kl<strong>in</strong>ische Langzeituntersuchungen vor.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e presskeramische Inlays zeigen hohe Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeiten.<br />
Auch für direkt gefertigte Keramik<strong>in</strong>lays (Cerec-System) liegen mehre positive<br />
Langzeitbeobachtungen im Bereich von 10 bis 15 Jahren vor. Daher kann die<br />
Versorgung mit keramischen Inlays zur Seitenzahnversorgung heute als Rout<strong>in</strong>e-<br />
Verfahren angesehen werden. Auch für dent<strong>in</strong>begrenzte Bereiche (tiefe approximal-zervikale<br />
Stufe) liegen bei konsequenter Anwendung <strong>der</strong> Adhäsivtechnik akzeptable<br />
kl<strong>in</strong>ische Ergebnisse vor. Als Versagensursache s<strong>in</strong>d vor allem Retentionsverluste<br />
und Frakturen beschrieben. Zur Vorbeugung <strong>der</strong>artiger Misserfolge<br />
s<strong>in</strong>d die konsequente Anwendung <strong>der</strong> Adhäsivtechnik (Trockenlegung, Adhäsivsystem,<br />
Kompositzement) und die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> materialspezifischen M<strong>in</strong>destschichtstärken<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Galvanokeramische Inlays bieten den Vorteil <strong>der</strong> konventionellen Zementierung,<br />
bergen jedoch auch das Risiko e<strong>in</strong>er erhöhten technischen Komplikationsquote<br />
durch Absplitterungen <strong>der</strong> keramischen Verblendung im Randbereich. Ferner wird<br />
die Ästhetik <strong>der</strong>artiger Restaurationen durch den sichtbaren Goldrand e<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Für Komposit<strong>in</strong>lays existieren Ergebnisse aus kl<strong>in</strong>ischen Studien mit e<strong>in</strong>er maximalen<br />
Behandlungsdauer von bis zu 10 Jahren, die zum<strong>in</strong>dest bei kle<strong>in</strong>en und<br />
mittleren Defektgrößen e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Keramikrestauration gleichwertige Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
zeigen.<br />
B 1.2 Teilkronen<br />
Unter e<strong>in</strong>er Teilkrone versteht man e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkt gefertigte Restauration zur Versorgung<br />
mittlerer und größerer Substanzdefekte im Seitenzahnbereich. Die Teilkrone<br />
ist e<strong>in</strong>e Restauration, <strong>der</strong>en orale und vestibuläre Rän<strong>der</strong> teilweise deutlich<br />
unter dem Zahnäquator liegen. Bei e<strong>in</strong>er Teilkrone werden m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> Höcker,<br />
zumeist jedoch alle Höcker gefasst, wobei beide Approximalflächen <strong>in</strong> die<br />
Präparation e<strong>in</strong>bezogen und die Höckerspitzen überkuppelt werden. Die Begriffe<br />
Teilkrone und Overlay werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur meist synonym verwendet. Die<br />
10
Ausführung kann mit metallischem (Vollguss) o<strong>der</strong> mit vollkeramischen Werkstoffen<br />
erfolgen.<br />
Metallische Teilkronen können ausschließlich im <strong>in</strong>direkten Verfahren hergestellt<br />
werden. Sie werden standardmäßig konventionell zementiert und erfor<strong>der</strong>n daher<br />
e<strong>in</strong>e retentive Präparation (s. auch B 1.8). Aufgrund <strong>der</strong> günstigen Verarbeitungseigenschaften<br />
bietet sich für metallische Inlays die Verwendung von Edelmetalllegierungen<br />
an. Die Verwendung edelmetallfreier Werkstoffe ist pr<strong>in</strong>zipiell<br />
möglich.<br />
Für vollkeramische Teilkronen s<strong>in</strong>d Werkstoffe mit e<strong>in</strong>er ausreichenden Bruchfestigkeit<br />
zu verwenden (s. auch B 1.8). Aufgrund <strong>der</strong> ästhetischen Eigenschaften<br />
s<strong>in</strong>d dabei Siliziumoxidkeramiken zu bevorzugen, die e<strong>in</strong>e deutlich höhere Biegefestigkeit<br />
als konventionelle Verblendkeramiken aufweisen. Die Herstellung kann<br />
dabei sowohl über Pressverfahren (Empress-System, Cergo-System usw.) o<strong>der</strong><br />
mittels CAD/CAM-Technologie im direkten Verfahren (Cerec-System) erfolgen.<br />
Die Herstellung von Teilkronen mittels Forms<strong>in</strong>terung unter Verwendung re<strong>in</strong>er<br />
Verblendkeramiken ist aufgrund <strong>der</strong> reduzierten Festigkeitswerte <strong>der</strong> Verblendkeramiken<br />
nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen zu rechtfertigen.<br />
Für e<strong>in</strong>en langfristigen Erfolg ist die materialgerechte Präparation (retentionslose<br />
Präparation mit abgerundeten Kavitätenw<strong>in</strong>keln) mit E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> materialspezifischen<br />
M<strong>in</strong>destschichtstärken e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Faktor. Unabhängig von <strong>der</strong><br />
gewählten Herstellungstechnik ist e<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Die Galvanoteilkrone stellt e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>form dar, die nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen zu<br />
rechtfertigen ist.<br />
Indikation<br />
- Kavitätengröße, die e<strong>in</strong>e Versorgung mit plastischen Füllungsmaterialien<br />
nicht erlaubt<br />
- Große okklusale Belastung<br />
- Zahnfrakturen<br />
- Korrektur von Stellungsanomalien und Formabweichungen<br />
- Verfärbungen bei gegebener mediz<strong>in</strong>ischer Indikation<br />
- Okklusionstherapie (Bisshebungen)<br />
- Postendodontische Versorgung mit e<strong>in</strong>em hohen Destruktionsgrad<br />
Vorteile <strong>der</strong> Keramikteilkrone<br />
- Substanzschonung durch retentionslose Präparation<br />
- Höckerstabilisierung durch adhäsiven Verbund<br />
- Ästhetik<br />
Kontra<strong>in</strong>dikationen für Keramikteilkrone<br />
- Ke<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung mit ausreichen<strong>der</strong> Trockenlegung möglich<br />
- Nachgewiesene Unverträglichkeit auf e<strong>in</strong>zelne Komponenten <strong>der</strong> adhäsiven<br />
Befestigungssysteme<br />
- Ke<strong>in</strong>e materialgerechte Präparation möglich<br />
11
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Indirekt gefertigte metallische Teilkronenrestaurationen auf Edelmetallbasis gehören<br />
mit e<strong>in</strong>er mehr als 50jährigen kl<strong>in</strong>ischen Anwendungsgeschichte zu den<br />
Standardverfahren <strong>der</strong> restaurativen Zahnmediz<strong>in</strong>. Ausgereifte Verarbeitungstechniken<br />
und die Verwendung biokompatibler mundbeständiger Dentallegierungen<br />
gewährleisten sehr gute Langzeitergebnisse im Bereich von 10 Jahren. Alternative<br />
Werkstoffe (NEM-Legierungen, Titan) s<strong>in</strong>d demgegenüber nur anekdotisch<br />
dokumentiert und können daher nicht als Rout<strong>in</strong>everfahren betrachtet werden.<br />
Retentionsverluste stellen e<strong>in</strong>e gehäuft beschriebene Komplikation dar. Der<br />
Funktionserhalt ist zumeist durch e<strong>in</strong>e Rezementierung möglich. Zur Vorbeugung<br />
von Retentionsverlusten ist auf e<strong>in</strong>e retentive Präparation zu achten, ggf. ist<br />
auch e<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen. In <strong>der</strong> Literatur s<strong>in</strong>d vor<br />
allem biologische Komplikationen (Karies, endodontische Behandlung, Parodontopathien)<br />
für den Verlust e<strong>in</strong>er Vollguss-Restauration dokumentiert. Technische<br />
Komplikationen spielen nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle<br />
Keramische Teilkronen s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Verwendung von Keramiken ausreichen<strong>der</strong><br />
mechanischer Festigkeit e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>isch erfolgssichere Therapie. Vergleichende kl<strong>in</strong>ische<br />
Studien f<strong>in</strong>den im kurz- und mittelfristigen Beobachtungszeitraum bei<br />
Vollguss- und Vollkeramikteilkronen ke<strong>in</strong>en signifikanten Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />
Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit. Zur Vermeidung materialbezogener Misserfolge<br />
ist neben <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung von M<strong>in</strong>destschichtstärken die Auswahl von Keramiken<br />
mit ausreichen<strong>der</strong> mechanischer Festigkeit und guten ästhetischen Eigenschaften,<br />
z.B. Lithium-Disilikat-Keramiken, zu berücksichtigen.<br />
Kl<strong>in</strong>ische Studien zu galvanokeramischen Teilkronen zeigen zwar e<strong>in</strong>e gute kl<strong>in</strong>ische<br />
Passgenauigkeit, sie bergen jedoch neben ästhetischen E<strong>in</strong>schränkungen<br />
durch den sichtbaren Goldrand auch die Problematik gehäufter Keramikabsplitterungen<br />
im Randbereich.<br />
B 1.3 Veneers<br />
Unter Keramik-Veneers/keramischen Teilkronen im Frontzahnbereich versteht<br />
man Verblendschalen aus keramischen Werkstoffen, die mittels Adhäsivtechnik<br />
an <strong>der</strong> Zahnhartsubstanz befestigt werden. Die keramischen Werkstücke werden<br />
typischerweise im Dentallabor gefertigt (<strong>in</strong>direktes Verfahren), wobei Feldspat-<br />
o<strong>der</strong> Glaskeramiken verwendet werden. Die Fertigung erfolgt mittels Forms<strong>in</strong>terung<br />
o<strong>der</strong> im Heißpressverfahren (z.B. Empress-Verfahren, Cergo-Verfahren).<br />
Alternativ kann die Chairside-Fertigung mittels CAD/CAM-Technik (Cerec-Verfahren)<br />
aus <strong>in</strong>dustriell vorgefertigten feldspatischen Keramiken erfolgen. Unabhängig<br />
von <strong>der</strong> angewendeten Fertigungstechnik ist e<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung<br />
zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich (s. auch B 1.8).<br />
Indikation<br />
E<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Indikation für keramische Veneers ist bei folgenden kl<strong>in</strong>ischen<br />
Situationen im Frontzahnbereich gegeben:<br />
- Große Füllungsdefekte o<strong>der</strong> Schmelzdefekte<br />
- Frontzahnfrakturen<br />
- Zapfenzähne<br />
- Diastemata<br />
- Funktionsverluste <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vertikaldimension<br />
- Fehlende Front- /Eckzahnführung<br />
12
Sofern e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Indikation gegeben ist, ist auch e<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>itive Versorgung<br />
von Prämolaren mit keramischen Veneers möglich.<br />
Die Anfertigung keramischer Veneers aus re<strong>in</strong> ästhetischen Gesichtspunkten<br />
stellt ke<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Indikation dar und ist somit auch nicht nach <strong>der</strong> Gebührenordnung<br />
für Zahnärzte abrechenbar.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Es liegt e<strong>in</strong>e Reihe von Publikationen über kl<strong>in</strong>ische Langzeituntersuchungen vor,<br />
die e<strong>in</strong>e fundierte Bewertung <strong>der</strong> Restaurationsart “Veneer“ erlauben. Dies trifft<br />
vor allem auf die <strong>der</strong> Dauerhaftigkeit des ästhetischen Ersche<strong>in</strong>ungsbildes, die<br />
durchschnittliche Verweildauer im Mund und auf lokale Nebenwirkungen zu<br />
(langfristige Reaktion <strong>der</strong> Pulpa, des marg<strong>in</strong>alen Parodontiums und Sekundärkaries).<br />
Die kl<strong>in</strong>ische Bewährung von keramischen Veneers ist <strong>in</strong> longitud<strong>in</strong>alen<br />
Studien bis zu e<strong>in</strong>em Beobachtungszeitraum von 10 Jahren dokumentiert. Meta-<br />
Analysen ergeben e<strong>in</strong>e Erfolgssicherheit, die mit metallkeramischen Vollkronen<br />
vergleichbar ist. Die Herstellung von Veneers aus Komposit führt sowohl bei <strong>der</strong><br />
direkten als auch bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Fertigung zu e<strong>in</strong>er reduzierten kl<strong>in</strong>ischen<br />
Verweildauer im Vergleich zu keramischen Veneers. Sie kann somit nicht als<br />
permanente Versorgung empfohlen werden.<br />
B 1.4 Kronen<br />
Unter e<strong>in</strong>er Krone versteht man e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkt o<strong>der</strong> direkt gefertigte Restauration<br />
zur Versorgung von ausgedehnten Substanzdefekten im Front -und Seitenzahnbereich<br />
mit vollständiger Bedeckung <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Krone. Kronen s<strong>in</strong>d re<strong>in</strong> parodontal<br />
o<strong>der</strong> implantat-gestützte metallische, nichtmetallische o<strong>der</strong> im Verbundverfahren<br />
gearbeitete Formen von festsitzendem Zahnersatz.<br />
Kronen werden nach Ihrer Funktion <strong>in</strong> Ersatz-, Schutz- und Ankerkronen e<strong>in</strong>geteilt.<br />
E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>teilung <strong>der</strong> Kronen erfolgt nach <strong>der</strong> Art des verwendeten Werkstoffes<br />
<strong>in</strong> Vollgusskronen, Vollkeramikkronen und Metallkeramikkronen. Auch die<br />
galvanokeramische Krone, e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>form <strong>der</strong> metallkeramischen Krone, ist<br />
möglich<br />
Die Indikationsbereiche <strong>der</strong> Kronen unterscheiden sich je nach Ausführungsform:<br />
- Vollgusskronen: Seitenzahnbereich<br />
- Metallkeramikkronen: Front- und Seitenzahnbereich<br />
- Vollkeramikkronen: Front- und Seitenzahnbereich<br />
Für metallische Kronen (Vollguss und Metallkeramik) können Dentallegierungen<br />
auf Edelmetallbasis, Nichtedelmetallwerkstoffe und Re<strong>in</strong>metalle (Titan) verwendet<br />
werden, die Herstellung erfolgt ausschließlich im <strong>in</strong>direkten Verfahren. Die<br />
def<strong>in</strong>itive Befestigung erfolgt bevorzugt mit konventionellen Zementen<br />
(s. auch B 1.8).<br />
Vollkeramische Kronen können im <strong>in</strong>direkten und direkten Verfahren (Cerec)<br />
hergestellt werden, wobei die Herstellung aus den folgenden Werkstoffgruppen<br />
erfolgen kann. Silikatkeramiken eignen sich für die CAD/CAM-Fertigung und das<br />
Pressverfahren (Vitablocs, e.max CAD, Empress 2, Cergo, etc.) wobei die Kronen<br />
zumeist als Vollrestauration gefertigt werden. Als vollkeramische Gerüstwerkstof-<br />
13
fe für E<strong>in</strong>zelkronen eignen sich glas<strong>in</strong>filtrierte Alum<strong>in</strong>iumoxidgerüste (InCeram)<br />
und re<strong>in</strong>e Oxidkeramiken auf Alum<strong>in</strong>iumoxid- (Procera) o<strong>der</strong> Zirkonoxidbasis<br />
(Everst, Lava, Cerec <strong>in</strong>Lab, Zeno Tec, s. auch B 1.8)). Je nach ausgewähltem<br />
Werkstoff erfor<strong>der</strong>n vollkeramische Kronen e<strong>in</strong>e gleichmäßige Stufen- o<strong>der</strong> Hohlkehlpräparation.<br />
Die Wahl des Befestigungswerkstoffes zur def<strong>in</strong>itiven E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<br />
richtet sich nach dem ausgewählten Keramikwerkstoff:<br />
- Silikatkeramiken müssen adhäsiv e<strong>in</strong>geglie<strong>der</strong>t werden<br />
- Lithium-Disilikat- und Oxidkeramiken können konventionell o<strong>der</strong> adhäsiv<br />
e<strong>in</strong>geglie<strong>der</strong>t werden<br />
Vollkeramische Kronen, die konventionell befestigt werden, s<strong>in</strong>d angezeigt, wenn<br />
neben <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en mediz<strong>in</strong>ischen Indikation für die Überkronung die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an Retentionsform (Stumpfhöhe m<strong>in</strong>d. 4 mm, Präparationsw<strong>in</strong>kel 6 bis<br />
10°) und Wi<strong>der</strong>standsform (zirkuläre Stufe von 1 mm Breite, M<strong>in</strong>destschichtstärke<br />
1 mm, <strong>in</strong>ziso-okklusale Schichtstärke 1,5 bis 2 mm, gerundete <strong>in</strong>nere L<strong>in</strong>ienund<br />
Kantenw<strong>in</strong>kel) erfüllt werden.<br />
Indikation<br />
- Prophylaktisch bei endodontisch behandelten Seitenzähnen mit koronaler<br />
Destruktion<br />
- Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Elongationen durch Verblockung bei Progressionstendenz<br />
- Verankerungselement für Teilprothesen<br />
- Brückenanker<br />
- Stellungsanomalien, sofern ke<strong>in</strong>e kieferorthopädische Therapie <strong>in</strong>diziert ist<br />
- Abrasionen, Erosionen<br />
- Ausgedehnte Karies<br />
- Kronentrauma<br />
- Verfärbungen, bei gegebener mediz<strong>in</strong>ischer Indikation<br />
- Bisslagekorrekturen<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
a) Zahngetragene Kronen<br />
In kl<strong>in</strong>ischen Studien zeigten Vollgusskronen e<strong>in</strong>e gute Überlebensrate. Nach e<strong>in</strong>er<br />
Beobachtungszeit von 6 Jahren, wurden Überlebensraten mehr als 95 % für<br />
Restaurationen ermittelt, die aus Edelmetalllegierungen hergestellt wurden.<br />
Ähnlich gut s<strong>in</strong>d auch die Langzeitergebnisse für metallkeramische E<strong>in</strong>zelkronen,<br />
zum<strong>in</strong>dest bei <strong>der</strong> Verwendung von Edelmetalllegierungen.<br />
Neben biologischen Komplikationen können technische Komplikationen <strong>in</strong> Form<br />
von Verblendkeramikversagern auftreten, die nur zu e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen Anteil e<strong>in</strong>e<br />
Erneuerung <strong>der</strong> Restauration erfor<strong>der</strong>n (ca. 0,5 % nach 7jähriger Beobachtungsdauer).<br />
Erhöhte Prozentsätze für metallkeramische Komplikationen s<strong>in</strong>d jedoch<br />
bei <strong>der</strong> Verwendung von Palladium-Basis-Legierungen und Re<strong>in</strong>titan beschrieben<br />
worden.<br />
Auch für die Son<strong>der</strong>form <strong>der</strong> galvanokeramischen Krone liegen kl<strong>in</strong>ische Langzeiterfahrungen<br />
vor, die e<strong>in</strong>en kl<strong>in</strong>ischen E<strong>in</strong>satz dieser Technik im Front- und<br />
Seitenzahnbereich rechtfertigen. Die Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit galvanokeramischer<br />
Kronen liegt nach 7 Jahren zwischen 92 und 96 %.<br />
14
Für die Vielzahl <strong>der</strong> marktgängigen Vollkeramiksysteme liegen <strong>in</strong>zwischen kl<strong>in</strong>ische<br />
Daten mit Beobachtungszeiten zwischen 5 und 10 Jahren vor. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
die glas<strong>in</strong>filtrierten Alum<strong>in</strong>iumoxidkeramiken (InCeram) und die Oxidkeramiken<br />
weisen für E<strong>in</strong>zelkronen im Front- und Seitenzahnbereich Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeiten<br />
auf, die mit <strong>der</strong> konventionellen Metallkeramik vergleichbar s<strong>in</strong>d, so dass<br />
vollkeramische E<strong>in</strong>zelkronen heute als wissenschaftlich anerkannt gelten. Die<br />
Verwendung von gießbaren Glaskeramiken (Dicor) kann auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> vorliegenden<br />
kl<strong>in</strong>ischen Daten und <strong>der</strong> Verfügbarkeit deutlich erfolgssicherer vollkeramischer<br />
Werkstoffe für E<strong>in</strong>zelkronen im Seitenzahnbereich nicht mehr empfohlen<br />
werden.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass aufgrund <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Langzeitergebnisse<br />
und <strong>der</strong> praxisgerechten Handhabung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für vollkeramische<br />
E<strong>in</strong>zelkronen im Seitenzahnbereich immer e<strong>in</strong> Material mit erhöhter Festigkeit<br />
bevorzugt werden sollte, welches auch e<strong>in</strong>e konventionelle Zementierung<br />
ermöglicht.<br />
b) Implantat-Suprastrukturen<br />
E<strong>in</strong>zelkronen als Implantat-Suprastrukturen können sowohl als metallgestützte<br />
Versorgungen (Vollguss o<strong>der</strong> Metallkeramik) o<strong>der</strong> auch als vollkeramische Restaurationen<br />
ausgeführt werden.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Materialauswahl bei metallgestützten Restaurationen gelten dieselben<br />
Kriterien, die auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> konventionellen Prothetik Anwendung f<strong>in</strong>den<br />
(s. auch B 1.8). Galvanokeramische Restaurationen sollten aufgrund <strong>der</strong> fehlenden<br />
Möglichkeit zur anatomischen Gerüstmodellation nicht für Implantat-Suprastrukturen<br />
verwendet werden. Metallgestützte E<strong>in</strong>zelkronen-Suprastrukturen<br />
können als verschraubte (okklusal, lateral) o<strong>der</strong> zementierbare Suprakonstruktionen<br />
ausgeführt werden. Beson<strong>der</strong>s die Indikation zur okklusalen Verschraubung<br />
ist sehr kritisch zu stellen, da neben <strong>der</strong> Problematik e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>geschränkten Ästhetik<br />
auch mit erhöhten technischen Komplikationen zu rechnen ist (Schraubenlockerungen,<br />
Verblendkeramikfrakturen).<br />
Vollkeramische Implantat-Suprastrukturen s<strong>in</strong>d aus adhäsiv befestigten Glaskeramiken<br />
und konventionell zementierbaren Oxidkeramiken herstellbar. Vollkeramische<br />
Implantat-Suprastrukturen s<strong>in</strong>d aus adhäsiv befestigten Glaskeramiken<br />
und konventionell zementierbaren Oxidkeramiken herstellbar. Bei <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />
Nachuntersuchung implantatgestützter E<strong>in</strong>zelkronen auf Alum<strong>in</strong>iumoxidbasis<br />
zeigten sich vere<strong>in</strong>zelt Gerüstfrakturen. Implantatsuprakonstruktionen auf Zirkonoxidbasis<br />
weisen aufgrund ihrer höheren mechanischen Festigkeit im kurz-<br />
bis mittelfristigen Beobachtungszeitraum ke<strong>in</strong>e technischen Komplikationen <strong>in</strong><br />
Form von Gerüstfrakturen auf. Es sollten daher bei <strong>der</strong> Herstellung von Suprakonstruktionen<br />
Materialien mit möglichst hohen mechanischen Kennwerten bevorzugt<br />
werden. Vollkeramische E<strong>in</strong>zelkronen als Implantat-Suprastrukturen im<br />
Front- und Seitenzahnbereich können nur als zementierbare Restaurationen ausgeführt<br />
werden.<br />
Unabhängig vom verwendeten Gerüstwerkstoff ist auf e<strong>in</strong>e sorgfältige anatomische<br />
Gerüstmodellation zu achten, um e<strong>in</strong> erhöhtes Risiko von Verblendkeramikfrakturen<br />
zu vermeiden.<br />
15
B 1.5 Brücken<br />
Brücken s<strong>in</strong>d re<strong>in</strong> parodontal- o<strong>der</strong> implantatgestützte metallische, keramische<br />
o<strong>der</strong> im Verbundverfahren <strong>in</strong>direkt gefertigte Formen des Zahnersatzes. Sie bestehen<br />
aus Brückenankern und Brückenzwischenglie<strong>der</strong>n und s<strong>in</strong>d für den Patienten<br />
nicht lösbar auf den tragenden Pfeilerzähnen befestigt.<br />
Indikation<br />
- Festsitzende Versorgung von zahnbegrenzten Lücken im Front- und Seitenzahnbereich<br />
- Festsitzende Versorgung <strong>der</strong> verkürzten Zahnreihe durch Extensionsbrücken<br />
mit distaler Extension<br />
Die beteiligten Strukturen müssen dabei die nachstehend genannten physiologischen<br />
und technischen Voraussetzungen erfüllen:<br />
- Belastbarkeit <strong>der</strong> dentalen und parodontalen Strukturen<br />
- Günstige Prognose <strong>der</strong> Brückenpfeiler (Pfeilerwertigkeit)<br />
- Vollständige Osseo<strong>in</strong>tegration von Implantaten<br />
E<strong>in</strong>e Reduktion <strong>der</strong> Pfeilerwertigkeit kann durch folgende Faktoren e<strong>in</strong>treten:<br />
- Unzureichendes Volumen an Restzahnsubstanz<br />
- Unzureichende endodontische Versorgung<br />
- Schwächung des parodontalen Zustandes (Verhältnis Zahnlänge zur parodontalen<br />
Restverankerung, zweifelhafter Zustand nach Apektomie)<br />
E<strong>in</strong>e Kontra<strong>in</strong>dikation für die Verwendung e<strong>in</strong>es Pfeilerzahnes liegt bei folgenden<br />
kl<strong>in</strong>ischen Zuständen vor:<br />
- Ausgeprägte Pfeilerkippung (mehr als 25° zur E<strong>in</strong>schubrichtung)<br />
- Unzureichende Stabilität des Pfeilerzahnes (Restzahnsubstanz weniger als<br />
die Hälfte des natürlichen Querschnitts)<br />
- Unzureichende Retentionsform (Restzahnsubstanz weniger als die Hälfte<br />
<strong>der</strong> natürlichen Kronenlänge)<br />
Entsprechend <strong>der</strong> Form und Anordnung <strong>der</strong> Zwischenglie<strong>der</strong> wird zwischen Basisbrückenglied,<br />
Schwebebrückenglied und Sattelbrückenglied unterschieden.<br />
Basiszwischenglie<strong>der</strong> werden vorwiegend im Front- und Prämolarenbereich e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Sie dürfen aus biologischen und hygienischen Gründen nur drucklos und<br />
möglichst nur mit <strong>der</strong> vestibulären Hälfte <strong>der</strong> Basisfläche auf <strong>der</strong> G<strong>in</strong>giva aufliegen.<br />
Schwebezwischenglie<strong>der</strong> können ausschließlich im Molarenbereich e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden. Sie s<strong>in</strong>d bei Lücken von mehr als e<strong>in</strong>er Molarenbreite kontra<strong>in</strong>diziert.<br />
Zudem führen sie häufig zu Vakatwucherungen <strong>der</strong> G<strong>in</strong>giva, so dass die Indikation<br />
für Schwebeglie<strong>der</strong> sehr sorgfältig zu stellen ist.<br />
Sattelglie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d aus hygienischen Gründen für festsitzenden Zahnersatz kontra<strong>in</strong>diziert.<br />
16
An <strong>der</strong> Ausführung <strong>der</strong> Verankerungselemente kann zudem zwischen Vollkronen,<br />
Teilkronen und Inlaybrücken unterschieden werden. Wenn Inlays und Teilkronen<br />
als Verankerungselementen verwendet werden, ist bei <strong>der</strong> Präparation beson<strong>der</strong>s<br />
die Retentionsform des Pfeilerzahnes zu beachten. Aufgrund <strong>der</strong> e<strong>in</strong>geschränkten<br />
Retentionsmöglichkeit von Inlay- und Teilkronenankern s<strong>in</strong>d lediglich dreigliedrige<br />
Brückenkonstruktionen <strong>in</strong>diziert. Unabhängig von <strong>der</strong> materialtechnischen<br />
Ausführung ist e<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen.<br />
Je nach Art des verwendeten Werkstoffes können Brücken <strong>in</strong> Vollgussbrücken,<br />
Vollkeramikbrücken und Metallkeramikbrücken unterteilt werden. Die Indikationsbereiche<br />
<strong>der</strong> Brücken unterscheiden sich dabei je nach Ausführungsform.<br />
- Vollgussbrücken: Seitenzahnbereich, Ersatz von maximal 3 benachbarten<br />
Zähnen<br />
- Metallkeramikbrücken: Frontbereich, Ersatz von maximal 4 benachbarten<br />
Zähnen<br />
Seitenzahnbereich, Ersatz von maximal 3 benachbarten Zähnen<br />
- Vollkeramikbrücken: Front- und Seitenzahnbereich, Ersatz von maximal<br />
2 benachbarten Zähnen (die Indikationsbreite wird durch das verwendete<br />
Material bestimmt, s. auch B 1.8)<br />
Für metallische Brücken (Vollguss und Metallkeramik) können Dentallegierungen<br />
auf Edelmetallbasis, Nichtedelmetallwerkstoffe und Re<strong>in</strong>metalle (Titan) verwendet<br />
werden. Metallische Brückenkonstruktionen können mit allen 3 Verankerungselementen<br />
(Vollkrone, Teilkrone, Inlay) ausgeführt werden. Die def<strong>in</strong>itive<br />
Befestigung erfolgt bevorzugt mit konventionellen Zementen (s. auch B 1.8).<br />
Vollkeramische Brücken können aus den folgenden Werkstoffgruppen mit unterschiedlichen<br />
Indikationsbereichen gefertigt werden:<br />
- Silikatkeramiken (Lithium-Disilikat): 3gliedrige Brücken im Frontzahnbereich<br />
- Glas<strong>in</strong>filtrierte Oxidkeramiken (InCeram): 3gliedrige Brücken im Frontzahnbereich<br />
- Oxidkeramiken (Alum<strong>in</strong>iumoxid): 3gliedrige Brücken im Frontzahnbereich<br />
- Oxidkeramiken (teilstabilisiertes Zirkonoxid): 3- bis 4gliedrige Brücken im<br />
Front- und Seitenzahnbereich<br />
Je nach ausgewähltem Werkstoff erfor<strong>der</strong>n vollkeramische Kronen e<strong>in</strong>e gleichmäßige<br />
Stufen- o<strong>der</strong> Hohlkehlpräparation. Vollkeramische Brücken können aufgrund<br />
<strong>der</strong> geeigneten Werkstoffe wahlweise konventionell o<strong>der</strong> adhäsiv e<strong>in</strong>geglie<strong>der</strong>t<br />
werden (s. auch B 1.8).<br />
Vollkeramikbrücken s<strong>in</strong>d nur mit Vollkronen als Verankerungselementen <strong>in</strong>diziert.<br />
Oxidkeramiken auf Zirkonoxidbasis erlauben bei 3gliedrigen Brücken und unter<br />
<strong>der</strong> Voraussetzung, dass e<strong>in</strong>e adäquate adhäsive Befestigung durchgeführt wird,<br />
e<strong>in</strong>e Ausführung als Inlaybrücken.<br />
Vollkeramische Brücken, die konventionell befestigt werden, s<strong>in</strong>d angezeigt,<br />
wenn neben <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en mediz<strong>in</strong>ischen Indikation für die Überkronung die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die Retentionsform (Stumpfhöhe m<strong>in</strong>d. 4 mm, Präparationsw<strong>in</strong>kel<br />
6 bis 10°) und die Wi<strong>der</strong>standsform (zirkuläre Stufe von 1 mm Breite,<br />
17
M<strong>in</strong>destschichtstärke 1 mm, <strong>in</strong>ziso-okklusale Schichtstärke 1,5 bis 2 mm, gerundete<br />
<strong>in</strong>nere L<strong>in</strong>ien- und Kantenw<strong>in</strong>kel) erfüllt werden.<br />
Bei zahnbegrenzten Lücken s<strong>in</strong>d kurze und gradl<strong>in</strong>ige Pfeilerverb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien<br />
(3gliedrige Brücke) statisch günstig. Statisch ungünstiger s<strong>in</strong>d bogenförmige,<br />
lange Pfeilerverb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien (Ersatz von 2 oberen Frontzähnen). In diesen Indikationen<br />
ist durch die E<strong>in</strong>beziehung zusätzlicher Pfeilerzähne die Stabilität zu<br />
verbessern. Extensionsbrücken mit mesialer o<strong>der</strong> distaler Extension s<strong>in</strong>d aus statischen<br />
Gesichtspunkten beson<strong>der</strong>s kritisch zu bewerten. Aufgrund <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Belastungssituation ist es möglich, dass bei Extensionsbrücken die folgenden<br />
Probleme vermehrt auftreten: Retentionsverlust, Pfeilerfrakturen, Brückenfrakturen<br />
(s. auch B 1.8). Sie sollten daher nur nach folgenden Indikationsrichtl<strong>in</strong>ien<br />
und Konstruktionsmerkmalen gefertigt werden:<br />
- Die mesio-distale Ausdehnung <strong>der</strong> Extension soll e<strong>in</strong>e Länge von 8 mm<br />
nicht überschreiten (max. 1 Prämolarenbreite)<br />
- Die Verankerung des Brückengliedes sollte m<strong>in</strong>destens über zwei verblockte<br />
Kronen o<strong>der</strong> aber e<strong>in</strong>e Endpfeilerbrücke erfolgen<br />
- Die Konnektorenfläche zum Extensionsbrückenglied darf e<strong>in</strong>e Querschnittsfläche<br />
von 9 mm² nicht unterschreiten<br />
- Es s<strong>in</strong>d sowohl mesiale als auch distale Extensionen möglich, die maximale<br />
distale Lage <strong>der</strong> Extension sollte auf die ersten Molaren begrenzt se<strong>in</strong><br />
- Die Zementierung <strong>der</strong> Extensionsbrücken kann, sofern e<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Retention <strong>der</strong> Konstruktion durch e<strong>in</strong>e entsprechende axiale Pfeilerhöhe<br />
(m<strong>in</strong>d. 4 mm) gewährleistet ist, mit konventionellen Z<strong>in</strong>kphosphat- o<strong>der</strong><br />
Glasionomerzementen erfolgen. Zur Retentionsverbesserung ist e<strong>in</strong>e adhäsive<br />
Zementierung zu empfehlen.<br />
E<strong>in</strong> erhöhtes Risiko für biologische Komplikationen besteht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei endodontisch<br />
vorbehandelten Pfeilerzähnen, wobei gehäuft Zahnfrakturen o<strong>der</strong> Lockerungen<br />
<strong>der</strong> Stiftverankerungen auftreten können. Das Risiko e<strong>in</strong>er biologischen<br />
Komplikation erhöht sich zudem, wenn Extensionsbrücken mit endodontisch<br />
behandelten Pfeilerzähnen zum Ersatz e<strong>in</strong>es Molaren e<strong>in</strong>gesetzt werden. Bei<br />
<strong>der</strong> Indikationsstellung von Extensionsbrücken s<strong>in</strong>d daher <strong>der</strong> zu ersetzende<br />
Zahn und die Pfeilerwertigkeit kritisch zu würdigen.<br />
Die Anwendung von Extensionsbrücken zum Ersatz e<strong>in</strong>es Molaren mit extensionsnahen<br />
endodontisch versorgten Pfeilerzähnen ist unter diesen Gesichtspunkten<br />
mit e<strong>in</strong>em deutlich erhöhten biologisch bed<strong>in</strong>gten Misserfolgsrisiko behaftet<br />
und sollte daher nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen erwogen werden.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
a) Zahngetragene Brückenkonstruktionen<br />
Konventionelle zahngetragene Brückenkonstruktionen s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Ausführung<br />
als metallgestützte Vollguss- o<strong>der</strong> Metallkeramikrestaurationen seit mehr als 40<br />
Jahren im kl<strong>in</strong>ischen E<strong>in</strong>satz. Kl<strong>in</strong>ische Studien existieren <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für edelmetallbasierte<br />
Werkstoffsysteme über e<strong>in</strong>en Zeitraum von mehreren Jahrzehnten<br />
und zeigen nach 20 Jahren e<strong>in</strong>e Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit zwischen 60 und<br />
70%. Aus den Ergebnissen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Studien lässt sich ableiten, dass das<br />
Versagensrisiko mit zunehmen<strong>der</strong> Spannlänge ansteigt. 3gliedrige Brückenkonstruktionen<br />
s<strong>in</strong>d entsprechend prognostisch am günstigsten zu werten.<br />
18
Biologische Komplikationen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Karies, stellen im Rahmen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />
Beobachtungen das häufigste Versagensrisiko dar. Metallkeramische Komplikationen<br />
treten über e<strong>in</strong>en Zeitraum von 10 Jahren mit e<strong>in</strong>er Häufigkeit von<br />
ungefähr 4 % auf, <strong>in</strong> den meisten Fällen ist jedoch ke<strong>in</strong>e Erneuerung <strong>der</strong> Konstruktionen<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Werkstoffbed<strong>in</strong>gte Versagensgründe zeigen sich bei <strong>der</strong><br />
Verwendung von Titan als Gerüstwerkstoff, mehrere kl<strong>in</strong>ische Studien zeigen im<br />
Vergleich zu edelmetallbasierten Gerüsten hier signifikant erhöhte Frakturen <strong>der</strong><br />
Verblendkeramik, die zu e<strong>in</strong>er Erneuerung <strong>der</strong> Restaurationen führen. Die Indikationen<br />
s<strong>in</strong>d entsprechend kritisch zu stellen.<br />
Inlay-verankerte Brücken s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für metallgestützte Restaurationen<br />
kl<strong>in</strong>isch dokumentiert. Akzeptable Überlebensraten werden nur bei dreigliedrigen<br />
Brücken und Inlayankern mit ausreichen<strong>der</strong> Retention (dreiflächig) erreicht. Als<br />
häufige Komplikation ist e<strong>in</strong> Retentionsverlust <strong>der</strong> Konstruktion wahrsche<strong>in</strong>lich,<br />
wobei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Restaurationen im Unterkiefer-Seitenzahnbereich erhöhte<br />
Komplikationsraten aufweisen. Erste kl<strong>in</strong>ische Studienergebnisse liegen auch für<br />
Inlaybrücken aus Glasfasersystemen vor und zeigen bei adhäsiver Befestigung<br />
e<strong>in</strong>e gute Erfolgsprognose bei mittleren Beobachtungszeiten von bis zu 5 Jahren.<br />
Für vollkeramische Inlaybrücken liegen bislang nur kl<strong>in</strong>ische Beobachtungen im<br />
Bereich von bis zu 4 Jahren vor. Bei e<strong>in</strong>er Verwendung von Keramiken mit e<strong>in</strong>er<br />
ausreichenden Dauerfestigkeit (Lithium-Disilikat o<strong>der</strong> teilstabilisiertes Zirkonoxid)<br />
ist bei e<strong>in</strong>er Indikationsbeschränkung auf dreigliedrige Brücken ke<strong>in</strong> materialbed<strong>in</strong>gtes<br />
Frakturrisiko beschrieben. Ebenso wie bei den metallgestützten Inlaybrücken<br />
stellt <strong>der</strong> Retentionsverlust auch bei den vollkeramischen Brücken die häufigste<br />
Komplikation dar. E<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung <strong>der</strong> vollkeramischen Inlaybrücken<br />
ist zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e für die e<strong>in</strong>seitig o<strong>der</strong> beidseitig verkürzte Zahnreihe stellen Extensionsbrücken<br />
e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>isch gut dokumentierte festsitzende Versorgungsform dar.<br />
Im Vergleich zu konventionellen Brückenversorgungen ist jedoch mit e<strong>in</strong>er reduzierten<br />
kl<strong>in</strong>ischen Erfolgsrate zu rechnen. Im 10-Jahres-Zeitraum kann e<strong>in</strong>e Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
von ca. 80 % erreicht werden. Versagensgründe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
biologische Komplikationen wie Karies und Pfeilerfrakturen, häufig<br />
auch Retentionsverluste.<br />
Vollkeramische Extensionsbrücken s<strong>in</strong>d nur bei <strong>der</strong> Verwendung von zirkonoxidbasierten<br />
Werkstoffen <strong>in</strong>diziert. Sie s<strong>in</strong>d durch kl<strong>in</strong>ische Studien im mittleren Beobachtungssegment<br />
als kl<strong>in</strong>isch erprobt zu bezeichnen. Im Vergleich mit <strong>der</strong> alternativen<br />
Versorgung durch e<strong>in</strong>e abnehmbare Teilprothese ist die Extensionsbrücke<br />
e<strong>in</strong>e Therapie mit m<strong>in</strong>destens gleichwertiger Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit,<br />
die sich aber durch e<strong>in</strong>e deutlich höhere Patientenakzeptanz und -zufriedenheit<br />
auszeichnet.<br />
b) Implantatgetragene Brückenkonstruktionen<br />
Re<strong>in</strong> implantatgestützte Brückenkonstruktionen im Front- und Seitenzahnbereich<br />
s<strong>in</strong>d ebenfalls gut kl<strong>in</strong>isch dokumentiert. Während die kl<strong>in</strong>ische Überlebensrate<br />
implantatgestützter Brückenkonstruktionen im 5-Jahres-Zeitraum bei ca. 95 %<br />
liegt, s<strong>in</strong>d im 10-Jahres-Zeitraum Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeiten von ca. 90 % zu<br />
erwarten. Diese s<strong>in</strong>d vergleichbar mit konventionellen Brückenkonstruktionen.<br />
Kl<strong>in</strong>ische Langzeituntersuchungen zu vollkeramischen implantatgestützten Brücken<br />
s<strong>in</strong>d bislang nur im Kurzzeitbereich verfügbar. Aufgrund <strong>der</strong> umfangreicheren<br />
kl<strong>in</strong>ischen Erfahrungen im Bereich <strong>der</strong> konventionellen Prothetik können für<br />
19
implantatgestützte Brücken lediglich Oxidkeramiken auf Zirkonoxidbereich empfohlen<br />
werden. Bis zum Vorliegen weiterer Daten sollten lediglich 3-gliedrige zementierte<br />
Brücken ausgeführt werden.<br />
Verbundbrückenkonstruktionen unter E<strong>in</strong>beziehung von natürlichen Zähnen und<br />
Implantaten als Verankerungselementen zeigen im Vergleich zu re<strong>in</strong> implantatgestützten<br />
Versorgungen tendenziell schlechtere Überlebensraten im 5- bis<br />
10-Jahres-Zeitraum. In den unterschiedlichen Studien zeigt sich jedoch e<strong>in</strong>e heterogene<br />
Datenlage, so dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige evidenzbasierte Aussage zu Verbundbrückenkonstruktionen<br />
erschwert wird. Als konstruktionsbed<strong>in</strong>gter Versagensgrund<br />
ist e<strong>in</strong>e Pfeiler<strong>in</strong>strusion <strong>der</strong> natürlichen Zähne beschrieben worden.<br />
Diese Versagensursache sollte durch entsprechende Maßnahmen (zementierte<br />
Konstruktionen o<strong>der</strong> horizontale Verschraubungen bei konstruktiver Teilung)<br />
vermieden werden.<br />
B 1. 6 Adhäsivbrücken<br />
Adhäsivbrücken, sog. Marylandbrücken, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasive, festsitzende<br />
prothetische Versorgung, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> zu ersetzende Zahn durch Klebeflügel mit<br />
e<strong>in</strong>er maximal zu erzielenden Klebefläche auf den kariesfreien o<strong>der</strong> nahezu kariesfreien<br />
Nachbarzähnen adhäsiv verankert wird.<br />
Adhäsivbrücken können sowohl mit metallischen als auch mit vollkeramischen<br />
Gerüsten gefertigt werden. Die permanente Befestigung <strong>der</strong> Restaurationen erfolgt<br />
mit Kompositzementen nach e<strong>in</strong>er materialgerechten Konditionierung <strong>der</strong><br />
Gerüste und <strong>der</strong> Zahnharthartsubstanz. Als metallische Gerüstwerkstoffe können<br />
dabei sowohl Edelmetall-Werkstoffe als nach Nichtedelmetall-Legierungen <strong>in</strong>kl.<br />
Titan genutzt werden, wobei NEM-Legierungen auf Kobalt-Chrom-Basis als beson<strong>der</strong>s<br />
geeignet gelten. Palladiumbasislegierungen s<strong>in</strong>d aufgrund ihrer reduzierten<br />
adhäsiven Verbundeigenschaften nur bed<strong>in</strong>gt für die Herstellung von Adhäsivbrücken<br />
geeignet. Vollkeramischer Adhäsivbrücken s<strong>in</strong>d nur im Frontzahnbereich<br />
und bei Verwendung e<strong>in</strong>es ausreichend festen Gerüstwerkstoffes (Y-TZP)<br />
<strong>in</strong>diziert. Die beson<strong>der</strong>e Problematik des adhäsiven Verbundes bei Strukturkeramiken<br />
auf Zirkonoxidbasis muss dabei entsprechend berücksichtigt werden<br />
(s. auch B 1.8).<br />
Zur Vergrößerung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsform ist e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale Präparation <strong>der</strong> Pfeilerzähne<br />
zu empfehlen, die ausreichend Platz schafft für das Brückengerüst und<br />
e<strong>in</strong>e maximale Ausdehnung <strong>der</strong> Klebeflächen erlaubt. Idealerweise wird e<strong>in</strong>e körperliche<br />
Fassung des Pfeilerzahnes durch das Gerüst erreicht. Adhäsivbrücken<br />
werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als dreigliedrige (zweiflügelige) Brücken gestaltet. Von e<strong>in</strong>er<br />
Vergrößerung <strong>der</strong> Klebefläche durch das E<strong>in</strong>beziehen weiterer Pfeilerzähne ist<br />
ebenso abzuraten wie von Extensionsbrücken mit Adhäsivankern. Die Verankerung<br />
von Adhäsivbrücken mit nur e<strong>in</strong>er Klebefläche (e<strong>in</strong>flügelig) ist für ausgewählte<br />
Indikationen e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Alternative zur zweiflügeligen Klebebrücke<br />
Indikation<br />
- Der Ersatz e<strong>in</strong>zelner Zähne, bevorzugt im Frontzahnbereich<br />
- Im Unterkieferfrontzahnbereich ist auch <strong>der</strong> Ersatz von vier benachbarten<br />
Zähnen möglich<br />
E<strong>in</strong>e Altergrenze für Adhäsivbrücken besteht nur bei Jugendlichen. Erst nach dem<br />
Durchbruch <strong>der</strong> Zähne <strong>der</strong> kieferorthopädischen Stützzone und dem abgeschlos-<br />
20
senen Wachstum des Alveolarfortsatzes (im Alter von 12 bis 14 Jahren) sollte mit<br />
<strong>der</strong> Versorgung begonnen werden.<br />
E<strong>in</strong>e umfangreiche kariöse Vorschädigung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e ausgedehnte Vorrestauration<br />
stellen e<strong>in</strong>e Kontra<strong>in</strong>dikation für Adhäsivbrücken dar. Starke Differenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Pfeilerbeweglichkeit und kurze kl<strong>in</strong>ische Kronen stellen e<strong>in</strong>e Indikationse<strong>in</strong>schränkung<br />
dar. Bei e<strong>in</strong>er Differenz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pfeilerbeweglichkeit ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>flügeligen<br />
Klebbrücke <strong>der</strong> Vorzug gegenüber <strong>der</strong> zweiflügeligen Klebebrücke zu geben.<br />
E<strong>in</strong>e relative Kontra<strong>in</strong>dikation liegt vor, wenn mit <strong>der</strong> Adhäsivbrückentechnik ke<strong>in</strong><br />
zufrieden stellendes Ergebnis erreicht werden kann (sehr breite o<strong>der</strong> sehr schmale<br />
Lücken, e<strong>in</strong>geschränkte Pfeilerzahnästhetik, Zahnfehlstellungen).<br />
Differentialdiagnostisch ist die Therapie gegen folgende Versorgungen abzuwägen:<br />
- Konventionelle Brückenversorgung<br />
- E<strong>in</strong>zelzahnimplantat<br />
- Kieferorthopädischer Lückenschluss<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die Adhäsivbrücke stellt e<strong>in</strong> wissenschaftlich anerkanntes def<strong>in</strong>itives Therapiemittel<br />
dar. Aufgrund bisheriger Ergebnisse aus kl<strong>in</strong>ischen Studien und Misserfolgsanalysen<br />
sollten im Oberkiefer höchstens e<strong>in</strong> Front- bzw. e<strong>in</strong> Seitenzahn und<br />
im Unterkiefer e<strong>in</strong> bis zwei Schneidezähne bzw. e<strong>in</strong> Seitenzahn ersetzt werden.<br />
Die Ausführung als e<strong>in</strong>flügelige Klebebrücke ist Gegenstand mehrerer aktueller<br />
kl<strong>in</strong>ischer Projekte und zeigt im kurz- mittelfristigen Beobachtungszeitraum viel<br />
versprechende Ergebnisse.<br />
Als gehäuft auftretende Komplikation ist <strong>der</strong> Retentionsverlust e<strong>in</strong>er Adhäsivbrücke<br />
e<strong>in</strong>zukalkulieren. Das Risiko e<strong>in</strong>es Retentionsverlustes kann bis zu 40 %<br />
nach e<strong>in</strong>er 5jährigen Beobachtungsdauer betragen. In <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle ist<br />
e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>befestigung möglich.<br />
Aus den vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen Untersuchungen lassen sich folgende Risikofaktoren<br />
für e<strong>in</strong>en Retentionsverlust ableiten:<br />
- Adhäsivbrücken ohne Zahnpräparationen zeigen e<strong>in</strong> erhöhtes Risiko des<br />
Retentionsverlustes, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im ersten Jahr<br />
- E<strong>in</strong>e unterschiedliche Pfeilermobilität erhöht das Risiko e<strong>in</strong>es Retentionsverlustes<br />
- Brücken im Seitenzahnbereich haben e<strong>in</strong> höheres Risiko des Retentionsverlustes<br />
als Brücken im Frontzahnbereich<br />
Der relativ hohen Komplikationsquote mit e<strong>in</strong>em erhöhten Nachsorgeaufwand<br />
steht e<strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>ges Risiko biologischer Komplikationen gegenüber. Die nur<br />
ger<strong>in</strong>ge Zahnpräparation und die meist suprag<strong>in</strong>givale Lage <strong>der</strong> Restaurationsrän<strong>der</strong><br />
führen im Vergleich zur konventionellen Prothetik zu e<strong>in</strong>er deutlich ger<strong>in</strong>geren<br />
Quote an endodontischen und parodontalen Komplikationen.<br />
In ihrem abgegrenzten Indikationsgebiet bei <strong>der</strong> prothetischen Versorgung kle<strong>in</strong>er<br />
Zahnlücken bei Jugendlichen und Erwachsenen stellt die Adhäsivbrücke e<strong>in</strong><br />
risikoarmes Therapiemittel dar. Jedoch ist die Compliance des Patienten aufgrund<br />
21
<strong>der</strong> technologischen Störanfälligkeit bei <strong>der</strong> Indikationsstellung beson<strong>der</strong>s zu berücksichtigen.<br />
Die Verwendung von Adhäsivattachments <strong>in</strong> <strong>der</strong> abnehmbaren Teilprothetik muss<br />
aufgrund <strong>der</strong> unzureichenden kl<strong>in</strong>ischen Daten <strong>der</strong>zeit als kl<strong>in</strong>isch nicht abgesichert<br />
bezeichnet werden.<br />
B 1.7 Postendodontische Versorgungen<br />
Postendodontische Versorgungen <strong>in</strong> Form von plastischen Aufbauten o<strong>der</strong> Stift-<br />
Stumpfaufbauten stellen e<strong>in</strong>e vorbereitende Maßnahme zur Sicherung o<strong>der</strong> Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Pfeilerwertigkeit e<strong>in</strong>es prothetisch zu versorgenden Zahnes dar.<br />
Der Aufbau endodontisch behandelter Zähne soll unter Schonung von möglichst<br />
viel gesun<strong>der</strong> Zahnhartsubstanz e<strong>in</strong>e dauerhafte Verankerung <strong>der</strong> prothetischen<br />
Restauration ermöglichen. Der bakteriendichte Aufbau des Zahnes mit o<strong>der</strong> ohne<br />
Stiftverankerung ist nach erfolgreich abgeschlossener endodontischer Behandlung<br />
aufgrund <strong>der</strong> Risiken e<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>fektion ohne Wartezeit vorzunehmen. Plastische<br />
Stumpfaufbauten sollten dabei als adhäsiv verankerte Kompositaufbauten<br />
ausgeführt werden. Stift-Stumpfaufbauten können unter Verwendung konfektionierter<br />
metallischer o<strong>der</strong> keramischer Stifte mit plastischem Aufbau gefertigt<br />
werden.<br />
Nach <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> präfabrizierten Wurzelstifte unterscheidet man zyl<strong>in</strong>drische,<br />
konische, zyl<strong>in</strong>drisch-konische Stifte und Schraubensysteme. Letztere bieten<br />
zwar im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Stiftsystemen e<strong>in</strong>e verbesserte Retention, sie führen<br />
jedoch beim E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen zu Spannungen im Wurzeldent<strong>in</strong> und damit zu e<strong>in</strong>em<br />
erhöhten Risiko von Wurzelfrakturen. Aus diesem Grund ist ihre Indikation sehr<br />
kritisch zu sehen.<br />
Aus Gründen <strong>der</strong> Korrosionsresistenz und Biokompatibilität sollten für präfabrizierte<br />
Stifte bevorzugt hochgoldhaltige Legierungen, Titan, teilstabilisiertes Zirkonoxid<br />
o<strong>der</strong> Glasfaser-Materialien verwendet werden.<br />
Individuelle metallische Aufbauten können nach <strong>in</strong>traoraler Modellation o<strong>der</strong> im<br />
<strong>in</strong>direkten Verfahren (Dentallabor) gusstechnisch aus korrosionsbeständigen<br />
(hochgoldhaltigen) Edelmetall-Legierungen o<strong>der</strong> Re<strong>in</strong>titan gefertigt werden<br />
(s. auch B 1.8).<br />
Indikation<br />
- Prothetische Versorgung endodontisch suffizient behandelter Front- und<br />
Seitenzähne<br />
- Verbesserung <strong>der</strong> Retention bei mittlerer o<strong>der</strong> starker Zerstörung <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />
Krone<br />
Die Vorbereitung des wurzelkanalbehandelten Zahns hängt von dem Grad <strong>der</strong><br />
Zerstörung <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen und <strong>der</strong> Wurzelanatomie ab.<br />
E<strong>in</strong>wurzelige Zähne, die nicht prothetisch versorgt werden, können bei ausschließlichem<br />
Vorliegen <strong>der</strong> Zugangskavität alle<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em adhäsiv verankerten<br />
Kompositaufbau versorgt werden. Zur Schaffung e<strong>in</strong>er ausreichenden Retention<br />
des plastischen Kompositaufbaus kann die Wurzelkanalfüllung trichterförmig bis<br />
etwa 2 bis 3 mm unterhalb des Kanale<strong>in</strong>ganges entfernt und nach Applikation<br />
e<strong>in</strong>er dünnen Zementabdeckung <strong>der</strong> Wurzelfüllung zusammen mit dem Aufbau-<br />
22
material gefüllt werden. Insbeson<strong>der</strong>e bei Frontzähnen ist jedoch abzuwägen, ob<br />
nach e<strong>in</strong>er Präparation ausreichend Zahnhartsubstanz zur Sicherung <strong>der</strong> Retention<br />
und Frakturstabilität verbleibt. Da für den direkten adhäsiven Kompositaufbau<br />
endodontisch behandelter Zähne ohne Wurzelstift <strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ischen Daten<br />
zum Langzeitverhalten vorliegen ist im Zweifelsfall ist e<strong>in</strong>e Stiftverankerung vorzunehmen.<br />
Liegen bei e<strong>in</strong>wurzeligen Zähnen approximale Defekte vor, die bis <strong>in</strong> die Trepanationsöffnung<br />
reichen, ist e<strong>in</strong>e Stiftversorgung <strong>in</strong>diziert.<br />
Auch bei wurzelkanalbehandelten Prämolaren und Molaren ist e<strong>in</strong>e adhäsiv verankerte<br />
plastische Aufbaufüllung möglich. Im Gegensatz zum Frontzahnbereich<br />
ist jedoch e<strong>in</strong>e höckerstabilisierende Teil- o<strong>der</strong> Vollkronenrestauration <strong>in</strong> jedem<br />
Fall <strong>in</strong>diziert, um e<strong>in</strong>e Höckerfraktur zu vermeiden. Liegen approximale Defekte<br />
mit größerer Zerstörung <strong>der</strong> koronalen Zahnhartsubstanz vor, ist e<strong>in</strong> Stift-<br />
Stumpfaufbau <strong>in</strong>diziert<br />
Postendodontische Versorgungen mit konfektionierten Stiftsystemen und plastischem<br />
Aufbauten eigenen sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Versorgungen bei e<strong>in</strong>em mittleren<br />
Zerstörungsgrand <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Krone, wobei Zirkonoxidstifte und Glasfaserstifte<br />
bevorzugt im Frontzahnbereich e<strong>in</strong>gesetzt werden sollten, während Titanstifte<br />
ihren Indikationsschwerpunkt im Seitenzahnbereich haben.<br />
Individuelle metallische Aufbauten s<strong>in</strong>d bei e<strong>in</strong>er weitgehenden Zerstörung <strong>der</strong><br />
kl<strong>in</strong>ischen Krone o<strong>der</strong> dem Fehlen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Krone <strong>in</strong>diziert. Gegossene Stift-<br />
Stumpfaufbauten s<strong>in</strong>d zudem bei e<strong>in</strong>er Richtungskorrektur <strong>der</strong> Pfeilerzähne notwendig.<br />
Mehrwurzelige Zähne mit weit reichen<strong>der</strong> Zerstörung <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Kronen<br />
können durch laborgefertigte, geteilte Stiftaufbauten versorgt werden. Sie<br />
können <strong>in</strong>dividuell im Wachsausbrennverfahren o<strong>der</strong> unter Verwendung angussfähiger<br />
Konfektionsstifte aus e<strong>in</strong>er hochgoldhaltigen Edelmetalllegierung gefertigt<br />
werden.<br />
Allgeme<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische Empfehlungen für Stift-Stumpfaufbauten gelten unabhängig<br />
von <strong>der</strong> verwendeten Herstellungstechnik und den Materialien:<br />
- Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wurzel verankerte Länge des Stiftes sollte m<strong>in</strong>destens so lang<br />
se<strong>in</strong> wie die spätere kl<strong>in</strong>ische Krone<br />
- Der Stift sollte wandständig e<strong>in</strong>gepasst werden und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Durchmesser<br />
nicht größer als 1/3 des Wurzelquerschnitts se<strong>in</strong><br />
- E<strong>in</strong> Stumpfaufbau sollte von <strong>der</strong> def<strong>in</strong>itiven Restauration m<strong>in</strong>destens 1 bis<br />
2 mm im Dent<strong>in</strong> gefasst werden (Ferrule-Effekt)<br />
- Als apikale Versiegelung ist e<strong>in</strong> Wurzelfüllungsanteil von 3 bis 4 mm Länge<br />
zu erhalten<br />
- Bei Frontzähnen und Prämolaren ist zum Rotationsschutz die Anlage e<strong>in</strong>es<br />
ovalen Kanal<strong>in</strong>lays zu empfehlen<br />
E<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung <strong>der</strong> Stift-Stumpfaufbauten ist bei Verwendung von<br />
Zirkonoxidstiften und Glasfaserstiften zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich. Metallische Konfektionsstifte<br />
und <strong>in</strong>dividuelle gegossene metallische Aufbauten können konventionell<br />
o<strong>der</strong> adhäsiv befestigt werden. Zur Sicherung e<strong>in</strong>er ausreichenden Retention<br />
ist im Zweifelsfall die adhäsive Befestigung vorzuziehen. E<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung<br />
metallischer Stiftaufbauten ist zudem bei <strong>der</strong> Verendung konischer Stifte zu<br />
empfehlen. Konische Stifte haben zwar e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Perforationsrisiko, zeigen<br />
23
aber gegenüber zyl<strong>in</strong>drischen Stiften e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Retention, so dass zur Sicherung<br />
des kl<strong>in</strong>ischen Langzeiterfolges e<strong>in</strong>e adhäsive Befestigung mit chemisch<br />
härtenden komposits zu empfehlen ist. Allgeme<strong>in</strong> erlauben adhäsiv befestigte<br />
Wurzelstifte mit plastischen Aufbauten e<strong>in</strong> konsequenteres m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasives<br />
Vorgehen.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Individuell gegossene Stiftaufbauten und konfektionierte Stiftverankerungen s<strong>in</strong>d<br />
über kl<strong>in</strong>ische Untersuchungen <strong>in</strong> ihrer Erfolgssicherheit abgesichert. Die Überlebensrate<br />
für konventionell zementierte, gegossene Stiftaufbauten liegt nach<br />
6 Jahren bei ca. 90 %, für stiftverankerte Kompositaufbauten bei ca. 81 %. Die<br />
jährlichen Misserfolgsraten zeigen dabei e<strong>in</strong>e starke Abhängigkeit des Verhältnisses<br />
von <strong>der</strong> Stiftlänge zur Wurzellänge. Der E<strong>in</strong>satz von konfektionierten Zirkonoxidstiften<br />
ist im Front- und Prämolarenbereich durch kl<strong>in</strong>ische Studien über e<strong>in</strong>en<br />
Beobachtungszeitraum von bis zu 4 Jahren abgesichert, die Überlebensrate<br />
beträgt zwischen 91 und 100 %. Die Verwendung von Glasfaserstiften ist ebenfalls<br />
durch kl<strong>in</strong>ische Studien abgesichert, die Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit im 5-Jahres-Zeitraum<br />
ist dabei vergleichbar mit keramischen Stiftsystemen. Keramik-<br />
und Glasfaserstifte sollten basierend auf den vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen Studien nur<br />
im Front- und Prämolaren e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
24
B 1.8 Materialübersicht Festsitzende Prothetik<br />
Konventionelle Zementierung Adhäsive Zementierung Konventionelle<br />
o<strong>der</strong> adhäsive<br />
Zementierung<br />
EM- Galvano NE- Titan Komposit GlasfaserS<strong>in</strong>terGlas- Al2O3 (<strong>in</strong>- Y-<br />
LegieLegiesystemekeramikkeramikfiltriert<br />
TZP<br />
rungrung<br />
/ges<strong>in</strong>tert)<br />
LZP<br />
+ 0 + + 0 + - 0 0 0<br />
Inlay<br />
+ 0 0 0 + 0 0 + - -<br />
Teilkrone + 0 + 0 - - 0 + 0 0<br />
Krone<br />
+ + + + - - - + + +<br />
Brücke (Endpfei- + 0 + + - - - +(FZ) + (FZ) +<br />
ler)<br />
- (SZ) - (SZ) Anm.<br />
Inlaybrücke + 0 + 0 - 0 - 0 - +<br />
Extensionsbrücke + - + + - - - - - +<br />
Marylandbrücke + - + + - - - - 0 0<br />
Stiftaufbauten + - 0 + - + - - - +<br />
Legende:<br />
+ = Werkstoffgruppe ist grundsätzlich geeignet für diese Anwendung<br />
0 = Werkstoffgruppe ist unter Beachtung e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Indikationsstellung bed<strong>in</strong>gt geeignet<br />
- = Werkstoffgruppe ist für diese Anwendung nicht geeignet<br />
LZP = Langzeitprovisorium<br />
FZ = Frontzahnbereich<br />
SZ = Seitenzahnbereich<br />
Anmerkung zu Zirkonoxidbrücken: Der E<strong>in</strong>satz von Zirkonoxidbrücken ist bislang nur für den Ersatz von e<strong>in</strong>em bis zwei benachbarten<br />
Zähnen (2 Pontics) bei e<strong>in</strong>spannigen Brücken durch kl<strong>in</strong>ische Studien abgesichert.<br />
25
B 2 Abnehmbare Prothetik<br />
B 2.1 Totalprothese<br />
B 2.1.1 Konventionelle Totalprothese<br />
Die Totalprothese ist e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> g<strong>in</strong>gival getragener Zahnersatz, <strong>der</strong> aus e<strong>in</strong>er Prothesenbasis<br />
und den zu ersetzenden Zähnen besteht. Totalprothesen weisen e<strong>in</strong>e<br />
funktionell ausgeformte Kunststoffbasis auf, die zur Sicherung des Haltes im Bereich<br />
des Vestibulums, des anterioren Mundbodens und des dorsalen Abschlussrandes<br />
<strong>der</strong> Oberkieferbasis mit Ventilrän<strong>der</strong>n zu versehen ist.<br />
Die Abformung <strong>der</strong> Kammgewebe, die traditionsgemäß mit zwei aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> folgenden<br />
Abformungen (Erstabformung, Funktionsabformung) erfolgt, und die Bestimmung<br />
<strong>der</strong> Kieferrelation s<strong>in</strong>d zentrale Prozessschritte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Herstellung e<strong>in</strong>er<br />
Totalprothese. Für beide Prozessschritte s<strong>in</strong>d unterschiedliche Arbeitstechniken<br />
beschrieben worden. Auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Okklusion e<strong>in</strong>er Totalprothese gibt es<br />
unterschiedliche Konzepte (bilateral balancierte Okklusion, Front-Eckzahn-Führung,<br />
FGP-Technik). Für die Herstellung sollen ausschließlich Prothesenkunststoffe<br />
verwendet werden, die den normativen M<strong>in</strong>destanfor<strong>der</strong>ungen (DIN EN ISO<br />
1567, 1995) entsprechen. Dem potentiellen Risiko e<strong>in</strong>er Materialunverträglichkeit<br />
durch Prothesenkunststoffe ist durch entsprechende Materialauswahl und präprothetische<br />
Diagnostik (Materialunverträglichkeitstest) Rechnung zu tragen<br />
(s. auch B 2.3.).<br />
Standardmäßig ist die Verwendung von harten Kunststoffen für die Herstellung<br />
<strong>der</strong> Prothesenbasen zu empfehlen. Weichbleibende Kunststoffe für die permanente<br />
Inkorporation haben neben den speziellen Gesichtspunkten <strong>in</strong> <strong>der</strong> maxillofazialen<br />
Prothetik e<strong>in</strong>e Bedeutung bei <strong>der</strong> Unterfütterung von herausnehmbarem<br />
Zahnersatz für prothetische Problemfälle. Als Ersatzzähne können sowohl Kunststoffzähne<br />
als auch Keramikzähne verwendet werden. Im Rahmen <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Nachsorge s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Remontage zur Optimierung <strong>der</strong> Okklusion<br />
und die Unterfütterung etablierte Verfahren zur Optimierung und Sicherung des<br />
Therapieerfolges.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e bei e<strong>in</strong>er reduzierten Qualität und Quantität <strong>der</strong> tragenden Kammgewebe<br />
können präprothetische Maßnahmen <strong>in</strong>diziert se<strong>in</strong>. Für e<strong>in</strong>e relative Erhöhung<br />
des Kieferkamms bieten sich im Wesentlichen die Verfahren <strong>der</strong> Vestibulumplastik<br />
im Ober- und Unterkiefer an. Die Indikation für Verfahren <strong>der</strong> absoluten<br />
Kieferkammerhöhung ist dabei diffentialdiagnostisch gegen bewährte Konzepte<br />
<strong>der</strong> Implantatprothetik abzuwägen.<br />
Indikation<br />
Prothetische Versorgung des zahnlosen Ober- und Unterkiefers<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die funktionell korrekt gestaltete Totalversorgung ist seit mehr als 100 Jahren<br />
e<strong>in</strong> Standardverfahren <strong>der</strong> prothetischen Therapie. Die verschiedenen beschriebenen<br />
Herstellungstechniken (mundoffene, mundgeschlossene Abformung, Registrierverfahren,<br />
Okklusionskonzepte) müssen unter den Gesichtspunkten <strong>der</strong><br />
Evidence-Based Dentistry als gleichwertig gelten. Aufgrund <strong>der</strong> vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen<br />
Studien ist nach 10 Jahren mit e<strong>in</strong>er Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit von<br />
26
ca. 50 % zu rechnen. Wie<strong>der</strong>herstellende Maßnahmen (Bruchreparatur, Unterfütterung)<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den ersten 5 Jahren bei ca. 40 % <strong>der</strong> Totalprothesen notwendig.<br />
E<strong>in</strong>e kaufunktionelle, phonetische und ästhetische Rehabilitation ist mit all diesen<br />
Verfahren möglich.<br />
Totalprothesen werden ausschließlich von den Kammgeweben <strong>der</strong> zahnlosen Kiefer<br />
getragen. Der Verlust <strong>der</strong> physiologischen parodontalen Reize sowie die kaufunktionell<br />
verursachten Druckspannungen führen zu e<strong>in</strong>er Atrophie des Alveolarfortsatzes.<br />
Durch diesen Abbauprozess wird <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> konventionellen totalprothetischen<br />
Versorgung begrenzt. Liegen <strong>der</strong>artige Indikationen vor, s<strong>in</strong>d<br />
implantatprothetische Maßnahmen zur Retention o<strong>der</strong> Verankerung e<strong>in</strong>er Totalprothese<br />
<strong>in</strong>diziert.<br />
B 2.1.2 Implantatret<strong>in</strong>ierte/implantatgestützte Totalprothese<br />
Grundsätzlich gilt <strong>der</strong> zahnlose atrophierte Kiefer, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Unterkiefer,<br />
als klassische Indikation für implantatret<strong>in</strong>ierten Zahnersatz, wobei die Verankerung<br />
von Implantaten bei <strong>in</strong>suffizientem Prothesenhalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mandibula als absolute<br />
Indikation e<strong>in</strong>zustufen ist. Bei <strong>der</strong> implantatprothetischen Versorgung des<br />
zahnlosen Kiefers s<strong>in</strong>d zwei grundlegende Versorgungskonzepte möglich:<br />
- Die implantatgestützte Deckprothese, die durch Implantate stabilisiert, jedoch<br />
im Wesentlichen tegumental gelagert ist.<br />
- Der implantatverankerte abnehmbare o<strong>der</strong> festsitzende Zahnersatz <strong>in</strong><br />
Form e<strong>in</strong>er Brückenkonstruktion<br />
Aus prothetisch-konzeptioneller Sicht ist die Anzahl <strong>der</strong> Implantate entscheidend<br />
für die Wahl des Konzeptes <strong>der</strong> Suprakonstruktion. Grundsätzlich gilt, dass e<strong>in</strong>e<br />
festsitzende Variante mehr Implantate benötigt als e<strong>in</strong>e implantatgestützte Versorgung.<br />
Beide Konzepte haben Vor- und Nachteile, die entsprechend gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgewogen<br />
werden müssen:<br />
Vorteile <strong>der</strong> Deckprothese<br />
- Ungünstige Kieferrelationen können ausgeglichen werden und e<strong>in</strong>e Stützung<br />
<strong>der</strong> Weichegewebe ist möglich<br />
- Hygienemaßnahmen können e<strong>in</strong>facher und effektiver durchgeführt werden<br />
als bei fixen Restaurationen<br />
- Erweiterungen und Reparaturen können e<strong>in</strong>facher durchgeführt werden als<br />
bei e<strong>in</strong>er festsitzenden Konstruktion<br />
- Ger<strong>in</strong>gere Implantatzahl möglich und dadurch ger<strong>in</strong>gere chirurgische Risiken<br />
Nachteile <strong>der</strong> Deckprothese<br />
- Unterfütterungen s<strong>in</strong>d aufgrund <strong>der</strong> fortschreitenden Atrophie <strong>in</strong> regelmäßigen<br />
Abständen erfor<strong>der</strong>lich<br />
- E<strong>in</strong> Verschleiß <strong>der</strong> Halte- und Verankerungselemente bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Nachsorgeaufwand<br />
27
Vorteile <strong>der</strong> abnehmbaren o<strong>der</strong> festsitzenden Brückenkonstruktion<br />
- Hohes Kauvermögen und sehr gute Stabilität<br />
- Problemlose Inkorporation<br />
- Bei offener Grenzraumgestaltung und Hygienefähigkeit wird e<strong>in</strong> positiver<br />
Effekt auf die periimplantären Weichgewebe erzielt<br />
- Bei günstigen skelettalen Verhältnissen ist e<strong>in</strong> optimales phonetisches,<br />
funktionelles und ästhetisches Behandlungsergebnis möglich<br />
Nachteile <strong>der</strong> bed<strong>in</strong>gt abnehmbaren festsitzenden Brückenkonstruktion<br />
- Bei ungünstigen skelettalen Verhältnissen lässt sich ke<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Lippen- und Weichgewebsabstützung erzielen<br />
- Zeit- und kosten<strong>in</strong>tensiver Behandlungsablauf<br />
- Bei festsitzenden Brückenkonstruktionen ist die häusliche Mundhygiene<br />
zeit<strong>in</strong>tensiver und anspruchvoller als bei abnehmbaren Konstruktionen<br />
- Höhere Implantatzahl notwendig und dadurch höhere chirurgische Risiken<br />
Indikation<br />
- Fortgeschrittene Alveolarkammatrophie mit unzureichen<strong>der</strong> konventioneller<br />
Versorgungsmöglichkeit<br />
- Vollständige o<strong>der</strong> nahezu vollständige Zahnreihe im antagonistischen Kiefer<br />
- Individuell erfor<strong>der</strong>liche gute Lagestabilität <strong>der</strong> Prothesen<br />
- Nicht psychogen bed<strong>in</strong>gte Prothesen<strong>in</strong>toleranz<br />
- Versorgung von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten<br />
Bei <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> implantatprothetischen Versorgung des zahnlosen Kiefers<br />
gelten die üblichen Richtl<strong>in</strong>ien für Diagnostik und Planung.<br />
Als m<strong>in</strong>imale radiologische Diagnostik ist präimplantologisch e<strong>in</strong>e Panoramaschichtaufnahme<br />
mit Referenzkörpern erfor<strong>der</strong>lich. Diese kann durch e<strong>in</strong>e seitliche<br />
Fernröntgenaufnahme ergänzt werden. Zur Bestimmung des horizontalen<br />
Knochenangebotes kann die Übertragung von Schleimhautdickenmessungen auf<br />
e<strong>in</strong> Sägeschnittmodell genutzt werden. In komplexen Fällen ist die anatomische<br />
Ausgangssituation durch e<strong>in</strong>e Computertomographie o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e digitale Volumentomographie<br />
dreidimensional darstellbar und als qualitätssicherndes diagnostisches<br />
Mittel s<strong>in</strong>nvoll. Insbeson<strong>der</strong>e die Indikation zur Computertomographie ist<br />
aufgrund <strong>der</strong> erhöhten Strahlenexposition jedoch sehr sorgfältig zu stellen.<br />
Vor <strong>der</strong> Implantat<strong>in</strong>sertion sollte die prothetische Def<strong>in</strong>ition des Behandlungszieles<br />
erfolgen. Studienmodelle, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em teiljustierbaren Artikulator montiert<br />
s<strong>in</strong>d, bilden die Basis für die diagnostische Zahnaufstellung. Diese wird auch für<br />
e<strong>in</strong>e optimale Implantatpositionierung genutzt. Zur <strong>in</strong>traoperativen Übertragung<br />
<strong>der</strong> optimalen Implantatposition sollten Führungsschablonen angewendet werden.<br />
Bei festsitzenden Konstruktionen ist nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Toleranzfeld für die<br />
Implantatposition und die Implantatachse vorhanden. In diesen Fällen können<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz erweiterter diagnostischer Verfahren und die Anwendung computergestützter<br />
Planungsverfahren für die Herstellung dreidimensional optimierter<br />
Führungsschablonen s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>.<br />
Die prothetische Versorgung kann bei günstigen Voraussetzungen und e<strong>in</strong>er sehr<br />
eng gestellten Indikation als Sofortbelastung erfolgen (s. auch C 6). Standard-<br />
28
mäßig ist e<strong>in</strong>e Spätbelastung <strong>der</strong> Implantate mit lastfreier E<strong>in</strong>heilzeit zu wählen.<br />
Bei <strong>der</strong> Spätbelastung im Unterkiefer wird im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heilzeit von<br />
10 bis 12 Wochen empfohlen, während im spongiösen Oberkiefer e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heilzeit<br />
von 4 Monaten, teilweise auch länger, als Standardverfahren gilt.<br />
Versorgungskonzepte<br />
Die Versorgung des zahnlosen Unterkiefers lässt sich <strong>in</strong> 4 Konzepte aufteilen:<br />
Konzept 1:<br />
Als M<strong>in</strong>imalkonzept wird die Insertion von zwei <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>alen Implantaten an<br />
<strong>der</strong> Stelle mit dem größten Knochenangebot (zumeist Eckzahnregion) gesehen.<br />
Die Deckprothese sollte mit e<strong>in</strong>em Modellgussgerüst ausgeführt werden, um<br />
Frakturen zu vermeiden. Aufgrund <strong>der</strong> implantat-g<strong>in</strong>givalen Lagerung ist e<strong>in</strong>e<br />
ausreichende Extension <strong>der</strong> Prothesenbasis zu berücksichtigen. Die Suprakonstruktion<br />
kann als Steg mit rundem o<strong>der</strong> eiförmigem Querschnitt erfolgen. Der<br />
Implantatabstand sollte für e<strong>in</strong>e ausreichende horizontale Führung <strong>der</strong> Deckprothese<br />
m<strong>in</strong>destens 20 mm betragen. Die Verankerung <strong>der</strong> Deckprothese erfolgt<br />
über e<strong>in</strong>en metallischen aktivierbaren Halter. Die Stegherstellung erfolgt<br />
bevorzugt unter Verwendung edelmetallhaltiger Dentallegierungen mit präfabrizierten<br />
Komponenten.<br />
Kugelkopfattachments stellen alternative Verankerungselemente dar. Diese Elemente<br />
benötigen zwar wenig Platz und s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach zu re<strong>in</strong>igen, können jedoch<br />
zu funktionellen Problemen führen. Erfolgt die Aufstellung <strong>der</strong> Unterkiefereckzähne<br />
und Prämolaren nicht auf dem Kieferkamm, kommt es bei Kugelkopfattachments<br />
leicht zu Kippbewegungen <strong>der</strong> Unterkieferprothese.<br />
Magnete und Doppelkronen stellen weitere Verankerungsmöglichkeiten dar. Bei<br />
Magneten ist die generell reduzierte horizontale Führungsfunktion zu berücksichtigen.<br />
Bei Doppelkronen ist zur Vermeidung e<strong>in</strong>er Biegebelastung die resiliente<br />
Lagerung <strong>der</strong> Deckprothese <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen.<br />
Konzept 2:<br />
Die Insertion von 4 <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>alen Implantaten mit möglichst gleich großen<br />
Abständen gilt als Standardkonzept. Sie ist beson<strong>der</strong>s bei Patienten mit spitz zulaufen<strong>der</strong><br />
Kieferform geeignet. Um Frakturen zu vermeiden, sollte die Deckprothese<br />
mit e<strong>in</strong>em Modellgussgerüst ausgeführt werden. Aufgrund <strong>der</strong> implantatg<strong>in</strong>givalen<br />
Lagerung ist e<strong>in</strong>e ausreichende Extension <strong>der</strong> Prothesenbasis zu berücksichtigen.<br />
Die Suprakonstruktion kann als Rundsteg o<strong>der</strong> Steggeschiebe erfolgen,<br />
wobei <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>e starre Lagerung erzielt wird. Der Steg auf vier<br />
Implantaten ermöglicht e<strong>in</strong>e gute Stabilisierung <strong>in</strong> transversaler und horizontaler<br />
Richtung, e<strong>in</strong>e Rotationstendenz ist nahezu ausgeschlossen. Der guten Lagestabilisierung<br />
steht jedoch die erschwerte Hygienefähigkeit gegenüber. E<strong>in</strong>e Gestaltung<br />
<strong>der</strong> Suprakonstruktion unter perio-implantologischen Gesichtspunkten ist<br />
daher s<strong>in</strong>nvoll. Mit <strong>der</strong> Stegsuprakonstruktion ist bei hoher Knochendichte, ausreichen<strong>der</strong><br />
Primärstabilität und langen Implantaten e<strong>in</strong>e Sofortbelastung <strong>der</strong><br />
Implantate möglich (s. auch C. 6.). Sofern die Implantate parallel zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
ausgerichtet s<strong>in</strong>d, können auch Kugelkopfattachments als Verankerungselemente<br />
gewählt werden.<br />
Die Verankerung über Doppelkronen ermöglicht ebenfalls e<strong>in</strong>e gute horizontale<br />
und sagittale Führung <strong>der</strong> Prothese. Auch erlaubt sie im Bereich <strong>der</strong> Implantate<br />
e<strong>in</strong>e brückenähnliche Gestaltung des Prothesenteils, wodurch die Hygienefähig-<br />
29
keit verbessert wird. Wird e<strong>in</strong>e starre teleskopierende Verb<strong>in</strong>dung gewählt, ist zu<br />
berücksichtigen, dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die sattelnahen Implantate e<strong>in</strong>er erhöhten<br />
Biegebeanspruchung ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Doppelkronen s<strong>in</strong>d vor allem unter dem<br />
Aspekt <strong>der</strong> Hygienefähigkeit als günstig zu bewerten. Magnete s<strong>in</strong>d für die Verankerung<br />
e<strong>in</strong>er Deckprothese auf 4 Implantaten ebenfalls e<strong>in</strong>setzbar, sofern dem<br />
Aspekt e<strong>in</strong>er reduzierten horizontalen Stabilisierung Rechnung getragen wird.<br />
Konzept 3:<br />
Insertion von 4 <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>alen Implantaten mit e<strong>in</strong>er nach distal extendierten<br />
Stegprothese. Die Länge <strong>der</strong> Stegextension sollte dabei 8 mm nicht überschreiten.<br />
Die Deckprothese sollte mit e<strong>in</strong>em Modellgussgerüst ausgeführt werden, um<br />
Frakturen zu vermeiden. Aufgrund <strong>der</strong> re<strong>in</strong> implantatgetragenen Verankerung<br />
kann die Deckprothese mit e<strong>in</strong>er weitgehend reduzierten Auflagefläche gestaltet<br />
werden. Der Vorteil dieser Konstruktion ist die rotationsstabile, re<strong>in</strong> implantatgetragene<br />
Lagerung des Zahnersatzes. Durch die abnehmbare Prothese wird e<strong>in</strong>e<br />
optimale Abstützung von Weichgewebe und Lippen erreicht. Das Konzept 3 ist<br />
bei extremer Atrophie des horizontalen Unterkieferastes beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>diziert, um<br />
prothesenbed<strong>in</strong>gte Hyp- und Parästhesien durch e<strong>in</strong>en hoch liegenden Austrittpunkt<br />
des N. mentalis zu vermeiden.<br />
Konzept 4:<br />
Insertion von standardmäßig 6 Implantaten im horizontalen Bereich des Unterkiefers<br />
und E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er festsitzenden, re<strong>in</strong> implantatgetragenen Brückenkonstruktion.<br />
Standardmäßig s<strong>in</strong>d metallkeramische Konstruktionen anzuwenden.<br />
Sofern e<strong>in</strong>e konstruktive Teilung mit dem E<strong>in</strong>satz von 3- bis 4gliedrigen<br />
Brücken erreicht werden kann, ist auch e<strong>in</strong>e vollkeramische Versorgung mit teilstabilisierten<br />
Zirkonoxidgerüsten möglich. An<strong>der</strong>e Vollkeramikmaterialien s<strong>in</strong>d für<br />
<strong>der</strong>artige Indikationen nicht geeignet.<br />
In geeigneten Fällen (hohe Knochendichte, ausreichende Implantatlänge) ist<br />
auch e<strong>in</strong>e Sofortbelastung mit e<strong>in</strong>er festsitzenden provisorischen prothetischen<br />
Konstruktion möglich. Vorsetzung <strong>der</strong> Sofortbelastung ist neben <strong>der</strong> ausreichenden<br />
Primärstabilität auch die Implantation im ortsständigen Knochen (ke<strong>in</strong>e<br />
Augmentation), (s. auch C 6.). Nach e<strong>in</strong>er Tragedauer von ca. 6 Monaten ist e<strong>in</strong>e<br />
def<strong>in</strong>itive Konstruktion e<strong>in</strong>zuglie<strong>der</strong>n.<br />
Für die Versorgung des zahnlosen Oberkiefers haben sich 4 Konzepte etabliert<br />
Die implantatprothetische Versorgung des Oberkiefers muss unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> im Vergleich zum Unterkiefer verän<strong>der</strong>ten Knochenstruktur erfolgen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> größere Anteil <strong>der</strong> spongiösen Knochenstruktur bee<strong>in</strong>flusst die<br />
Versorgungskonzepte. Allgeme<strong>in</strong> wird daher im Oberkiefer e<strong>in</strong>e größere Anzahl<br />
von Implantaten als notwendig erachtet. Weiterh<strong>in</strong> wird die biomechanische Belastungssituation<br />
durch die zentripetale Atrophie im Oberkiefer bee<strong>in</strong>flusst, so<br />
dass die Implantate im zahnlosen Oberkiefer zumeist nach außen gespreizt s<strong>in</strong>d.<br />
Konzept 1:<br />
Insertion von 4 Implantaten im frontalen Segment des zahnlosen Oberkiefers.<br />
Die Suprakonstruktion kann als Rundsteg o<strong>der</strong> Steggeschiebe ausgeführt werden.<br />
Die Gaumenbedeckung kann bei <strong>der</strong> Deckprothese reduziert werden. Die<br />
prothetische Versorgung sollte immer erst nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heilzeit von ca. 4 Monaten<br />
erfolgen.<br />
30
Alternativ zur Stegversorgung ist die Herstellung e<strong>in</strong>er doppelkronengestützten<br />
Versorgung möglich. Die Vor- und Nachteile s<strong>in</strong>d identisch mit <strong>der</strong> Verwendung<br />
im Unterkiefer. Die Nutzung von Kugelkopfattachments im Oberkiefer scheitert<br />
zumeist an <strong>der</strong> Disparallelität <strong>der</strong> Implantatachsen. Auch die Verwendung von<br />
Magnetverankerungen ist e<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Unabhängig von den genutzten Verankerungselementen sollte zur Vorbeugung<br />
von Frakturen <strong>der</strong> Deckprothese e<strong>in</strong> stabilisierendes Metallgerüst verwendet werden.<br />
Konzept 2:<br />
Insertion von 4 bis 6 Implantaten im frontalen Segment mit e<strong>in</strong>er nach distal extendierten<br />
Stegkonstruktion. Die Länge <strong>der</strong> Stegextension sollte dabei 8 mm<br />
nicht überschreiten. Um Frakturen zu vermeiden, sollte die Deckprothese mit<br />
e<strong>in</strong>em Modellgussgerüst ausgeführt werden. Aufgrund <strong>der</strong> re<strong>in</strong> implantatgetragenen<br />
Verankerung kann die Deckprothese mit e<strong>in</strong>er weitgehend reduzierten Auflagefläche<br />
gestaltet werden. Vorteil ist die rotationsstabile, re<strong>in</strong> implantatgetragene<br />
Lagerung des Zahnersatzes mit <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er optimalen Weichgewebs-<br />
und Lippenstütze durch die abnehmbare Prothese. E<strong>in</strong>e komplett gaumenfreie<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Deckprothese ist möglich.<br />
Bei 4 bis 6 Implantaten ist auch bei <strong>der</strong> Verwendung von Doppelkronen als Verankerungselemente<br />
e<strong>in</strong>e gaumenfreie Gestaltung <strong>der</strong> Deckprothese mit weitgehen<strong>der</strong><br />
Reduktion <strong>der</strong> Prothesenbasis möglich.<br />
Konzept 3:<br />
Insertion von standardmäßig 6 gleichmäßig über den Oberkiefer-Alveolarfortsatz<br />
verteilten Implantaten. Für die Insertion <strong>der</strong> distalen Implantate ist dabei zumeist<br />
e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>usbodenelevation erfor<strong>der</strong>lich. Als Suprakonstruktion wird e<strong>in</strong>e abnehmbare,<br />
re<strong>in</strong> implantatgetragene gaumenfreie Deckprothese o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Brückenkonstruktion<br />
realisiert. Als Verankerungselemente bieten sich neben Steggeschieben<br />
auch Doppelkronen an. Bei dieser Konzeption gestattet <strong>der</strong> abnehmbare<br />
Zahnersatz auf e<strong>in</strong>fache Weise e<strong>in</strong>e ästhetische Ausformung und Abstützung <strong>der</strong><br />
Weichgewebspartien und <strong>der</strong> Oberlippe. Dieses Konzept ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei e<strong>in</strong>er<br />
großen Vertikaldistanz <strong>der</strong> Kiefer und zum Erzielen e<strong>in</strong>er größtmöglichen<br />
Stabilität ohne Gaumenbedeckung zu favorisieren.<br />
Konzept 4:<br />
Insertion von standardmässig 6 (<strong>in</strong> Ausnahmefällen bis zu 8) Implantaten <strong>in</strong> den<br />
lateralen Segmenten des Oberkiefer-Alveolarfortsatzes. Zumeist ist durch die<br />
Insertion <strong>der</strong> Implantate <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prämolaren- und Molarenregion e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>usbodenelevation<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Die Region <strong>der</strong> mittleren Inzisiven wird nicht als Insertionsort<br />
genutzt, so dass die Gestaltung <strong>der</strong> Oberkieferfrontzähne <strong>in</strong> Form von<br />
Brückenglie<strong>der</strong>n erfolgen kann. Die Suprakonstruktion wird als festsitzende o<strong>der</strong><br />
bed<strong>in</strong>gt abnehmbare Brückenkonstruktion gestaltet. Bevorzugt werden metallkeramische<br />
Werkstoffsysteme auf Edelmetall- o<strong>der</strong> Nichtedelmetallbasis genutzt.<br />
Vollkeramische Gerüststrukturen auf Zirkonoxidbasis können verwendet werden,<br />
sofern e<strong>in</strong>e konstruktive Teilung <strong>der</strong> Suprakonstruktion mit maximal 3- bis<br />
4gliedrigen Brücken (1 - 2 Brückenglie<strong>der</strong> pro Spanne) möglich ist.<br />
Zur Vermeidung phonetischer Probleme ist e<strong>in</strong> möglichst ger<strong>in</strong>ger Abstand zwischen<br />
Tegument und Suprakonstruktion anzustreben. In jedem Fall sollte die<br />
vertikale Distanz zwischen den Kiefern präoperativ sehr genau evaluiert werden,<br />
31
da bei größeren Abständen ästhetische Kompromisse <strong>in</strong> Form von „langen Zähnen“<br />
o<strong>der</strong> hygienisch ungünstigen basalen Zahnfleischimitationen aus Keramik<br />
e<strong>in</strong>gegangen werden müssen. Festsitzen<strong>der</strong> implantatgetragener Zahnersatz ist<br />
beson<strong>der</strong>s bei kle<strong>in</strong>er und mittlerer Vertikaldistanz <strong>der</strong> Kiefer und e<strong>in</strong>er normalen<br />
Kieferrelation geeignet. Der Atrophiegrad sollte im mittleren Bereich liegen.<br />
Zusammenfassend betrachtet stellt das Konzept die höchsten Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
e<strong>in</strong>e exakte präoperative Planung und e<strong>in</strong>e exakte Implantatpositionierung.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des Zeitpunkts <strong>der</strong> funktionellen Belastung von Implantaten im zahnlosen<br />
Unterkiefer kann zwischen e<strong>in</strong>er Spätbelastung und e<strong>in</strong>er Sofortbelastung<br />
unterschieden werden.<br />
Die implantatgestützte Deckprothese war Gegenstand zahlreicher kl<strong>in</strong>ischer Studien.<br />
Unabhängig vom gewählten Verankerungselement belegen die Studien,<br />
dass die Implantatabstützung e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Kaufunktion und <strong>der</strong> Patientenzufriedenheit<br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität im<br />
Vergleich zu konventionellen Totalprothesen bewirkt. Die Überlebensraten implantatgestützter<br />
Deckprothesen s<strong>in</strong>d auch im Langzeitbereich als gut bis sehr gut<br />
zu bezeichnen. Technische Komplikationen <strong>in</strong> Form des Verschleißes von Verankerungselementen<br />
stellen Komplikationen dieser Versorgungsform dar, die jedoch<br />
durch vergleichsweise e<strong>in</strong>fache kl<strong>in</strong>ische und zahntechnische Interventionen<br />
zu beherrschen s<strong>in</strong>d. Die längsten kl<strong>in</strong>ischen Erfahrungen liegen bei implantatgestützten<br />
Deckprothesen mit Stegkonstruktionen vor. E<strong>in</strong>e klare Überlegenheit<br />
e<strong>in</strong>zelner Verankerungselemente ist bislang nicht nachweisbar.<br />
Festsitzende Implantatsuprakonstruktionen im Ober- und Unterkiefer s<strong>in</strong>d aufgrund<br />
<strong>der</strong> vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen Daten als kl<strong>in</strong>isch bewährt e<strong>in</strong>zustufen. Umfangreiche<br />
kl<strong>in</strong>ische Erfahrungen liegen für metallkeramische Konstruktionen vor.<br />
Vollkeramiken auf Zirkonoxidbasis gelten als pr<strong>in</strong>zipiell geeignet für festsitzende<br />
Suprakonstruktionen. Aufgrund <strong>der</strong> reduzierten kl<strong>in</strong>ischen Daten ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz<br />
nur <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> auch für die konventionelle Prothetik gültigen Richtl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong>diziert.<br />
Die überwiegende Zahl <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Langzeituntersuchungen zu Versorgungen<br />
im zahnlosen Kiefer basiert auf Implantaten mit e<strong>in</strong>er lastfreien E<strong>in</strong>heilperiode<br />
unterschiedlicher Länge. E<strong>in</strong>e Sofortbelastung von Implantaten im zahnlosen Kiefer<br />
ist aufgrund <strong>der</strong> vorliegenden Daten <strong>in</strong> folgenden Indikationen wissenschaftlich<br />
anerkannt:<br />
E<strong>in</strong>e Sofortbelastung ist nur im zahnlosen Unterkiefer zur Verankerung e<strong>in</strong>er<br />
Deckprothese wissenschaftlich abgesichert, sofern die primäre Stabilisierung von<br />
m<strong>in</strong>destens 4 <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>alen Implantaten realisiert wird. E<strong>in</strong>e Sofortbelastung<br />
durch e<strong>in</strong>e festsitzende (provisorische) Versorgung ist nach den bislang vorhandenen<br />
Erkenntnissen an die Insertion von 6 Implantaten gebunden. Ausreichende<br />
kl<strong>in</strong>ische Daten für e<strong>in</strong>e Sofortbelastung im zahnlosen Oberkiefer liegen bislang<br />
nicht vor.<br />
Aktuelle Verfahren zu Sofortbelastung mit präfabrizierten def<strong>in</strong>itiven prothetischen<br />
Konstruktionen im Ober- und Unterkiefer und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er dreidimensionalen<br />
softwaregestützten Implantatplanung zeigen zum momentanen Entwicklungsstand<br />
noch technische Limitationen. Sie verfügen nur über e<strong>in</strong>e reduzierte<br />
32
kl<strong>in</strong>ische Beobachtungsdauer, so dass e<strong>in</strong>e generelle Anwendung <strong>der</strong>zeit noch<br />
nicht empfohlen werden kann. Die Anwendung <strong>der</strong> dreidimensionalen Planung<br />
und die Sofortbelastung mit festsitzenden Provisorien sowie <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz m<strong>in</strong>imal<strong>in</strong>vasiver<br />
OP-Verfahren (Flapless Surgery) führt nach den vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen<br />
Daten zu e<strong>in</strong>em deutlich ger<strong>in</strong>geren OP-Trauma und e<strong>in</strong>er beschleunigten<br />
post-operativen Rekonvaleszenz des Patienten. Es bleibt jedoch auch beim E<strong>in</strong>satz<br />
computergestützter Planungsverfahren zu berücksichtigen, dass e<strong>in</strong>e Sofortbelastung<br />
nur unter günstigen Voraussetzungen (Knochendichte und Implantatlänge)<br />
im Unterkiefer allgeme<strong>in</strong> wissenschaftlich anerkannt ist. (s.a. C 6)<br />
B 2.2 Teilprothetik<br />
Die herausnehmbare Teilprothese ist e<strong>in</strong> parodontal o<strong>der</strong> parodontal-g<strong>in</strong>gival getragener<br />
Zahnersatz. Er besteht aus e<strong>in</strong>em gegossenen o<strong>der</strong> gefrästen Prothesengerüst,<br />
geeigneten Verankerungselementen, den Prothesensätteln und den zu<br />
ersetzenden Zähnen. Teilprothesen können bei Verwendung geeigneter Verankerungselemente<br />
von natürlichen Zähnen o<strong>der</strong> von enossalen Implantaten getragen<br />
werden.<br />
Indikation<br />
- Schaltlücken von mehr als 4 o<strong>der</strong> mehr Prämolarenbreiten<br />
- Uni- und o<strong>der</strong> bilateral verkürzten Seitenzahnreihen<br />
- Zahn-(Implantat-) und nicht zahnbegrenzte (implantatbegrenzte) Lücken<br />
mit gekrümmten Sattelverläufen<br />
- Zahnbegrenzte und nicht zahnbegrenzte Lücken mit reduzierter Pfeilerwertigkeit<br />
des Restzahnbestandes (Kontra<strong>in</strong>dikation für e<strong>in</strong>e festsitzende Brückenversorgung)<br />
B 2.2.1 Allgeme<strong>in</strong>e Konstruktionsmerkmale<br />
Die kl<strong>in</strong>ische Erfolgsprognose wird <strong>in</strong> starkem Maße von <strong>der</strong> parodontalhygienischen<br />
Gestaltung des Zahnersatzes bestimmt. Folgende Aspekte sollten daher<br />
bei <strong>der</strong> Planung und Herstellung berücksichtigt werden:<br />
- Vermeidung e<strong>in</strong>er breitflächigen Bedeckung <strong>der</strong> Interdentalpapillen bei<br />
Endpfeilern durch extrakoronale Verb<strong>in</strong>dungselemente wie großvolumigen<br />
Geschieben o<strong>der</strong> Knopfankermatrizen<br />
- Verwendung abgestützter Klammerformen mit e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destabstand <strong>der</strong><br />
Klammerhand zum Zahnfleischsaum von 1 mm<br />
- E<strong>in</strong>haltung e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>destabstandes <strong>der</strong> Prothesenbasis bzw. des Subl<strong>in</strong>gualbügels<br />
zum Zahnfleischsaum von 4 bis 5 mm<br />
- Anlage e<strong>in</strong>es großen Verb<strong>in</strong><strong>der</strong>s ohne Radierung <strong>der</strong> Randkonturen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Mitte o<strong>der</strong> im dorsalen Drittel des Gaumendachs<br />
Wenn bei teleskopgelagerten Prothesenformen e<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungselement (Subl<strong>in</strong>gualbügel,<br />
Transversalbügel) nicht zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich ist, sollte auf dieses<br />
Konstruktionselement verzichtet werden.<br />
Die Konstruktion <strong>der</strong> Teilprothese kann mit e<strong>in</strong>er starren o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er resilienten<br />
Lagerung erfolgen. Elemente <strong>der</strong> starren Lagerung (z.B. Teleskope, Geschiebe)<br />
ergeben dabei e<strong>in</strong>e immobile Verb<strong>in</strong>dung von Prothesenzähnen und Pfeilerzahn.<br />
E<strong>in</strong>e starre Lagerung ist grundsätzlich bei <strong>der</strong> Versorgung e<strong>in</strong>er Schaltlücke <strong>in</strong>diziert,<br />
sodass die Sattelbelastung immer vollständig auf die Pfeilerzähne übertra-<br />
33
gen wird. Da die parodontale Beweglichkeit <strong>der</strong> Pfeilerzähne um den Faktor 10<br />
kle<strong>in</strong>er ist als die Schleimhautresilienz, kann die Prothesenbasis nicht zur Übertragung<br />
von Kräften auf die Kammgewebe genutzt werden. Die Prothesenbasis<br />
sollte <strong>in</strong> dieser Indikation aus hygienischen Gründen möglichst kle<strong>in</strong>flächig gestaltet<br />
se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong>e starre Lagerung ist ebenfalls bei e<strong>in</strong>er l<strong>in</strong>earen Freiendsituation <strong>in</strong>diziert. Die<br />
Sattelbelastung wird dabei teilweise auf die Pfeilerparodontien und teilweise auf<br />
die angrenzenden Kammgewebe verteilt. Aus Gründen <strong>der</strong> Belastungsverteilung<br />
<strong>der</strong> Sattelkräfte sollte die Prothesenbasis daher möglichst großflächig gestaltet<br />
werden. Die sagittale Ausdehnung <strong>der</strong> Zahnreihe sollte bis zum letzten Satteldrittel<br />
erfolgen, maximal bis 1 cm vor Sattelende. Es sollte e<strong>in</strong>e Aufstellung von Prothesenzähnen<br />
mit möglichst kle<strong>in</strong>en Kauflächen erfolgen.<br />
Prothesensättel mit e<strong>in</strong>em gekrümmten Sattelverlauf s<strong>in</strong>d im Gegensatz zu l<strong>in</strong>earen<br />
Sattelverläufen statisch <strong>in</strong>stabil. Der Wirkungsgrad <strong>der</strong> Abstützung e<strong>in</strong>es<br />
Freiendsattels fällt entsprechend mit zunehmen<strong>der</strong> Sattellänge und Sattelkrümmung<br />
ab. Parallel dazu steigt die parodontale Fehlbelastung des Pfeilerzahnes <strong>in</strong><br />
horizontaler und extrusiver Richtung an. Neben e<strong>in</strong>er höheren Belastung <strong>der</strong><br />
Kammgewebe und <strong>der</strong> Pfeilerparodontien ist auch e<strong>in</strong> übermäßiger mechanischer<br />
Verschleiß <strong>der</strong> Prothesenbasis und <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dungselemente e<strong>in</strong>e Folge <strong>der</strong> Abstützung<br />
bei gekrümmten Kammverläufen. Entsprechend ist bei gekrümmten<br />
Sattelverläufen, ungünstiger Pfeilertopographie und reduzierter Pfeilerwertigkeit<br />
e<strong>in</strong>e resiliente Prothesenlagerung zu bevorzugen. Sie empfiehlt sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
im stark reduzierten Restgebiss mit 3 o<strong>der</strong> weniger Pfeilerzähnen pro Kiefer.<br />
B 2.2.2 Prothesengerüst<br />
Die Herstellung des Prothesengerüstes erfolgt zumeist im E<strong>in</strong>stück-Guss-Verfahren<br />
mit e<strong>in</strong>er NEM-Legierung auf Kobalt-Basis. Zur M<strong>in</strong>imierung des Risikos<br />
e<strong>in</strong>er materialbed<strong>in</strong>gten Unverträglichkeitsreaktion s<strong>in</strong>d Beryllium und nickelfreie<br />
Legierungen zu verwenden. Im Fall e<strong>in</strong>er nachgewiesen Unverträglichkeit auf<br />
e<strong>in</strong>zelne Legierungsbestandteile konventioneller NEM-Legierungen (z.B. Kobalt,<br />
Chrom) können alternative Werkstoffe wie z.B. Titan o<strong>der</strong> auch Edelmetall-<br />
Legierungen zum E<strong>in</strong>satz kommen (s. auch B 2.3).<br />
Zur Sicherung <strong>der</strong> Eigenstabilität des Prothesengerüstes ist auf e<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Dimensionierung <strong>der</strong> Ausgleichselemente bzw. e<strong>in</strong>en großen Verb<strong>in</strong><strong>der</strong> zu<br />
achten:<br />
- Subl<strong>in</strong>gualbügel: Querschnitt 3,0 bis 4,0 mm x 2 bis 3 mm, halbrund<br />
- Transversalbügel: Querschnitt m<strong>in</strong>d. 0,5 mm x 10 bis 12 mm<br />
B 2.2.3 Verankerungselemente<br />
Die Verankerungselemente e<strong>in</strong>er Teilprothese dienen <strong>der</strong> Befestigung e<strong>in</strong>es abnehmbaren<br />
Zahnersatzes an den Pfeilerzähnen. In Abhängigkeit von ihrem technischen<br />
Aufbau besitzen sie folgende Teilfunktionen:<br />
- Haltefunktion: Wi<strong>der</strong>stand gegenüber Abzugsbelastungen<br />
- Stützfunktion: Transformation <strong>der</strong> Sattelkräfte auf die Pfeilerzähne<br />
- Führungsfunktion: E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> horizontalen Sattelbewegung<br />
- Kippmei<strong>der</strong>funktion: Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> vertikalen Sattelkippung<br />
34
a) Klammerverankerung<br />
Gegossene Klammern s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>fachsten Verankerungselemente e<strong>in</strong>er def<strong>in</strong>itiven<br />
teilprothetischen Versorgung. Klammern erzielen durch e<strong>in</strong>e okklusale Auflage<br />
e<strong>in</strong>e Stützfunktion und erfüllen über vestibuläre und orale Klammerarme e<strong>in</strong>e<br />
Haltefunktion. Für die E<strong>in</strong>stellung def<strong>in</strong>ierter Retentions- und Abzugskräfte ist die<br />
Vermessung des Modells mit <strong>der</strong> Ermittlung e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen E<strong>in</strong>schubrichtung<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Die Klammern werden standardmäßig aus <strong>der</strong>selben Legierung gegossen,<br />
aus <strong>der</strong> auch das Prothesengerüst gefertigt wurde. (s. auch B 2.3)<br />
b) Stegverankerungen<br />
Stegverankerungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Form von Steggeschieben o<strong>der</strong> Steggelenken gebräuchlich.<br />
Steggeschiebe weisen ke<strong>in</strong>e Freiheitsgrade auf, sie werden <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
konventionellen Prothetik hauptsächlich zur Verankerung von Schaltsätteln verwendet.<br />
Bei frontalen Schaltlücken werden bevorzugt konfektionierte Stege <strong>in</strong> Form von<br />
Rundstegen o<strong>der</strong> Dol<strong>der</strong>stegen zur primären Stabilisierung von Pfeilerzähnen<br />
verwendet, um e<strong>in</strong>e sattelferne starre Lagerung von Freiendsätteln zu erreichen.<br />
E<strong>in</strong> bis auf die Eckzähne reduzierter Restzahnbestand im Unterkiefer stellt e<strong>in</strong>e<br />
klassische Indikation für die Anwendung e<strong>in</strong>er Stegkonstruktion dar. In Form e<strong>in</strong>es<br />
Dol<strong>der</strong>stegs können Stegverankerungen auch als resiliente Verankerungselemente<br />
gestaltet werden. Im Oberkieferfrontzahnbereich wird die Verwendung<br />
von konfektionierten Stegen durch den bogenförmigen Verlauf des Stegverlaufs<br />
stark e<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Bei <strong>der</strong> Verwendung von Stegkonstruktionen ist zudem zu berücksichtigen, dass<br />
über dem Kieferkamm und unter dem Steg e<strong>in</strong> funktionstoter Raum entsteht.<br />
Dieser ist unter parodontalhygienischen Gesichtspunkten kritisch zu sehen und<br />
kann zudem wie<strong>der</strong>holt zu entzündlichen Hyperplasien führen. Stegkonstruktionen<br />
s<strong>in</strong>d daher parodontalhygienisch zu gestalten.<br />
c) Kugelkopfanker<br />
Kugelkopfanker s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dustriell präfabrizierte Halbfabrikate, die über Kugelkopf<br />
und Ankermatrize e<strong>in</strong>e Stütz- und Haltefunktion erzielen, wobei vertikal- und horizontal-rotatorische<br />
Freiheitsgrade bestehen. Sie dienen zur Abstützung und Fixierung<br />
von parodontal getragenen Prothesen (Bona-Anker, Gerber/Sandri-<br />
Anker). Die Anwendung auf natürlichen Pfeilerzähnen setzt e<strong>in</strong>e endodontische<br />
Behandlung und Dekapitierung des Pfeilerzahnes voraus. Die Indikation ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
im stark reduzierten Restgebiss mit reduzierter Pfeilerwertigkeit gegeben.<br />
Kugelkopfanker werden <strong>in</strong> M<strong>in</strong>iaturform (z.B. Ceka-Anker) auch als extrakoronales<br />
Verankerungselement angeboten. Im Vergleich zu alternativen Verankerungselementen<br />
wie z.B. Teleskopen o<strong>der</strong> Geschieben weisen diese Konstruktionen<br />
ke<strong>in</strong>e Führungs- und Kippmei<strong>der</strong>funktion auf. Zudem s<strong>in</strong>d sie aus parodontalhygienischer<br />
Sicht ungünstig, da es bei <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Anwendung auch gehäuft zu<br />
entzündlichen Hyperplasien kommen kann.<br />
d) Magnete<br />
Magnete s<strong>in</strong>d Verankerungselemente mit e<strong>in</strong>er Halte- und Stützfunktion. Sie<br />
können bei dekapitierten, endodontisch behandelten Pfeilerzähnen e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden. Die Anwendung von Magneten ist durch die fehlende Führungs- und<br />
35
Kippmei<strong>der</strong>funktion stark e<strong>in</strong>geschränkt. Den vergleichsweise ger<strong>in</strong>gen Kosten<br />
und <strong>der</strong> guten Hygienefähigkeit steht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die fehlende Stabilisierung<br />
gegen e<strong>in</strong>e horizontale Prothesenbeweglichkeit gegenüber, so dass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz<br />
von Magnetverankerungen kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen ist. Beim E<strong>in</strong>satz von Magnetverankerungen<br />
wurden zudem wie<strong>der</strong>holt korrosive Verän<strong>der</strong>ungen beobachtet.<br />
Diese Problematik konnte erst durch neuere Verarbeitungstechniken elim<strong>in</strong>iert<br />
werden.<br />
e) Teleskop- und Konuskronen<br />
Doppelkronen weisen neben <strong>der</strong> Stütz-, Halte- und Führungsfunktion auch e<strong>in</strong>e<br />
Kippmei<strong>der</strong>funktion auf. Teleskopkronen erzielen den Prothesenhalt über die<br />
Friktion paralleler Flächen. Sie werden aufgrund <strong>der</strong> notwendigen frästechnischen<br />
Bearbeitung aus Edelmetall-Legierungen gefertigt. Zur Vermeidung von werkstoffbed<strong>in</strong>gten<br />
Verfärbungen s<strong>in</strong>d hierbei hochgoldhaltige Legierungen mit ger<strong>in</strong>gem<br />
Kupfergehalt zu bevorzugen. Die Sekundärkronen können alternativ auch<br />
galvanotechnisch gefertigt werden. E<strong>in</strong>e Verwendung von Nichtedelmetall-<br />
Legierungen ist möglich, aber mit e<strong>in</strong>em hohen verarbeitungstechnischen Aufwand<br />
verbunden.<br />
Konuskronen mit e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kel <strong>der</strong> axialen Kronenflächen zwischen 3° und 6°<br />
erzielen den Prothesenhalt über e<strong>in</strong>e Verkeilung konischer Flächen. Kl<strong>in</strong>ische<br />
Studien zeigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Erfolgsprognose ke<strong>in</strong>en Unterschied zwischen<br />
Teleskopkronen und Konuskronen. Die Erfolgsprognose wird mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Zahl <strong>der</strong> Pfeilerzähne und e<strong>in</strong>er polygonalen Abstützung günstiger. Zur Sicherung<br />
e<strong>in</strong>er ausreichenden Retention sollte e<strong>in</strong>e axiale Höhe <strong>der</strong> approximalen Kronenflächen<br />
von 5 mm gewährleistet se<strong>in</strong>.<br />
Konus- und Teleskopkronen s<strong>in</strong>d für die Abstützung und Fixierung von Schaltsätteln<br />
und die Abstützung, Fixierung und Führung von Freiendsätteln <strong>in</strong>diziert.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus ist mit diesen Verankerungselementen auch die Abstützung und<br />
Fixierung von abnehmbaren Brücken möglich.<br />
Bei starr gelagerten Doppelkronen wird die pfeilernahe Sattelbelastung praktisch<br />
vollständig auf den Pfeilerzahn übertragen. Um e<strong>in</strong>e übermäßige mechanische<br />
Pfeilerbeanspruchung zu vermeiden, ist die regelmäßige Überprüfung <strong>der</strong> Sattelkongruenz<br />
zum Prothesenlager sicherzustellen. Regelmäßige Prothesenkontrollen<br />
und ggf. Unterfütterungen s<strong>in</strong>d zur Prävention von Pfeilerfrakturen s<strong>in</strong>nvoll. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
bei endodontisch behandelten Pfeilerzähnen ist mit e<strong>in</strong>em erhöhten<br />
Pfeilerfrakturrisiko zu rechnen. Zur Frakturprävention ist e<strong>in</strong>e postendodontische<br />
Versorgung <strong>der</strong> endodontisch suffizient behandelten Pfeilerzähne mit e<strong>in</strong>em Wurzelstift<br />
unerlässlich.<br />
Sog. Resilienzteleskope weisen e<strong>in</strong>en Resilienzweg von 0,3 mm auf. Sie s<strong>in</strong>d damit<br />
als Führungselemente bei parodontal gelagerten Teilprothesen zur Steigerung<br />
des subjektiven Gebrauchskomforts geeignet<br />
Doppelkronen zeichnen sich im Vergleich zu alternativen Verankerungselementen<br />
wie z.B. Stegen durch e<strong>in</strong>e besser Hygienefähigkeit und die e<strong>in</strong>fache Erweiterungsfähigkeit<br />
bei Pfeilerverlust o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung des prothetischen Befundes aus.<br />
Aus morphologischen, funktionellen und ästhetischen Gründen sollte auf die Versorgung<br />
von Unterkieferfrontzähnen mit Doppelkronen verzichtet werden.<br />
36
f) Geschiebe<br />
Geschiebe besitzen, ebenso wie Doppelkronen, neben <strong>der</strong> Stütz- Halte- und Führungsfunktion<br />
auch e<strong>in</strong>e Kippmei<strong>der</strong>funktion. Somit s<strong>in</strong>d sie auch als vollwertige<br />
Verb<strong>in</strong>dungselemente zur Verankerung e<strong>in</strong>es Freiendsattels geeignet. Geschiebe<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dustriell gefertigte Halbzeuge, die bevorzugt aus dentalen Edelmetall-<br />
Legierungen gefertigt werden. Die Geschiebematrizen und -patrizen s<strong>in</strong>d meist<br />
T-förmig o<strong>der</strong> zyl<strong>in</strong>drisch gestaltet. Sie s<strong>in</strong>d teilweise aktivierbar, es bestehen<br />
ke<strong>in</strong>e Freiheitsgrade. Daher s<strong>in</strong>d Geschiebe zur Abstützung und Fixierung von<br />
Schaltsätteln und zur Abstützung, Fixierung und Führung von Freiendsätteln geeignet.<br />
Die funktionellen Eigenschaften <strong>der</strong> Geschiebe erfor<strong>der</strong>n dabei e<strong>in</strong>e approximale<br />
Pfeilerhöhe von 5 mm. Parodontalhygienisch und ästhetisch vorteilhaft<br />
s<strong>in</strong>d grazile, extrakoronale Geschiebe, die e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imierung <strong>der</strong> parodontalen<br />
Bedeckung erlauben. Zur Verbesserung <strong>der</strong> Führungs- und Kippmei<strong>der</strong>funktion<br />
sollten Geschiebe immer <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit Elementen <strong>der</strong> sekundären Stabilisierung<br />
wie Schubverteilungselemente o<strong>der</strong> Rillen-Schulter-Fräsungen ausgeführt<br />
werden.<br />
g) Son<strong>der</strong>formen<br />
Die nachfolgend aufgeführten Son<strong>der</strong>formen haben zumeist e<strong>in</strong>en sehr e<strong>in</strong>geschränkten<br />
Indikationsbereich <strong>in</strong> <strong>der</strong> konventionellen Prothetik. E<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>form<br />
<strong>der</strong> Geschiebe s<strong>in</strong>d sog. Resilienzgeschiebe, die e<strong>in</strong>en vertikalen Freiheitsgrad<br />
aufweisen und somit lediglich e<strong>in</strong>e Kippmei<strong>der</strong>- und Führungsfunktion aufweisen.<br />
Sie haben e<strong>in</strong>en sehr e<strong>in</strong>geschränkten Indikationsbereich und werden für die anteriore<br />
Führung sattelfern starr gelagerter Freiendsättel genutzt. Resilienzgelenke<br />
mit e<strong>in</strong>em horizontalen und vertikalen Freiheitsgrad (Dalbo-Gelenk, Biaggi-Gelenk)<br />
s<strong>in</strong>d für die resiliente Lagerung von kurzen Freiendsätteln bei Schlotterkämmen<br />
<strong>in</strong>diziert.<br />
Teilbare Scharniere und Geschiebe-Gelenke (z.B. FM-Scharnier, Ancorvis-Geschiebegelenk,<br />
ASC52-Gelenk) werden für die Abstützung und Fixierung von<br />
Freiendsätteln bei parodontal geschädigten Pfeilerzähnen und /o<strong>der</strong> bei ausgeprägter<br />
Resilienz <strong>der</strong> Kammschleimhaut e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
h) Fügetechnik<br />
Die Verwendung an<strong>der</strong>er Verankerungselemente als gegossener Klammern erfor<strong>der</strong>t<br />
immer auch den E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Fügetechnik zur Verb<strong>in</strong>dung des Verankerungselementes<br />
mit dem Prothesengerüst. Grundsätzlich existieren dabei drei<br />
Fügeverfahren:<br />
- Löten<br />
- Lasern<br />
- Kleben<br />
Aus werkstoffkundlicher Sicht ist dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Lötung artfrem<strong>der</strong> Materialpaare<br />
(Kobalt-Chrom und Edelmetall-Legierungen) als kritisch zu sehen. Hier<br />
ist die Verwendung e<strong>in</strong>es Lotes mit ausreichen<strong>der</strong> Korrosionsresistenz sicherzustellen.<br />
Alternativ s<strong>in</strong>d Laserverb<strong>in</strong>dungen o<strong>der</strong> Klebeverb<strong>in</strong>dungen vorzuziehen.<br />
Demgegenüber ist das Löten artgleicher Werkstoffkomponenten bei sachgerechter<br />
Durchführung unkritisch.<br />
37
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Generell ist die durchschnittliche Funktionszeit von herausnehmbarem Zahnersatz<br />
mit 8 bis 10 Jahren deutlich ger<strong>in</strong>ger als die von festsitzendem Zahnersatz,<br />
die bei etwa 20 Jahren liegt.<br />
a.) Klammerverankerte Teilprothese<br />
Die klammerverankerte Modellgussprothese war Gegenstand mehrerer retrospektiver<br />
und prospektiver kl<strong>in</strong>ischer Studien. Auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> vorliegenden<br />
kl<strong>in</strong>ischen Studien ist nach 5 Jahren von e<strong>in</strong>er Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
von ca. 75 % auszugehen, nach 10 Jahren beträgt die Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
nur noch 50 %. Ca. 20% <strong>der</strong> Modellgussprothesen<br />
müssen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> ersten 5 Jahre repariert werden. Ca. 5 bis 8 %<br />
<strong>der</strong> klammerverankerten Modellgussprothesen werden von den Patienten<br />
nicht akzeptiert und entsprechend auch nicht getragen. In mehren Studien<br />
konnte gezeigt werden, dass sich bei den mit Modellgussprothesen versorgten<br />
Patienten e<strong>in</strong>e höhere Karies<strong>in</strong>zidenz zeigt, die e<strong>in</strong>e Versorgung<br />
<strong>der</strong> Pfeilerzähne erfor<strong>der</strong>lich macht.<br />
Die durchschnittliche Funktionsdauer von klammerverankerten Modellgussprothesen<br />
wurde <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen Studien mit ca. 8 Jahren ermittelt.<br />
b.) Geschiebeverankerte Teilprothesen<br />
Geschiebeverankerter Zahnersatz zeigt nach e<strong>in</strong>er Beobachtungszeit von<br />
8 Jahren e<strong>in</strong>e Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit von ca. 50 %. Geschiebeverankerte<br />
Freiendprothesen zeigen dabei e<strong>in</strong>e Häufung von Frakturen und<br />
notwendigen Korrekturen. Das Risiko e<strong>in</strong>er Pfeilerfraktur steigt dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
bei e<strong>in</strong>er starren Lagerung von Freiendprothesen an. Insgesamt<br />
treten biologische Misserfolge bei geschiebeverankertem Zahnersatz ca.<br />
dreimal häufiger auf als technische Probleme. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den bislang vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen Untersuchungen<br />
ke<strong>in</strong>e signifikanten Unterschiede zwischen klammerverankertem<br />
und geschiebeverankertem Zahnersatz. Die Vorteile von präzisionsverankertem<br />
Zahnersatz liegen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> besseren Ästhetik<br />
und dem höheren Patientenkomfort.<br />
c.) Doppelkronenverankerte Prothesen<br />
Trotz <strong>der</strong> häufigen Verwendung von Doppelkronen existieren bislang ke<strong>in</strong>e<br />
randomisierten kl<strong>in</strong>ischen Studien zu den verschiedenen Doppelkronenarten,<br />
die die Überlegenheit des e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Systems belegen. Es<br />
wurden jedoch zahlreiche kl<strong>in</strong>ische Studien über die Bewährung e<strong>in</strong>zelner<br />
Doppelkronenarten publiziert, die e<strong>in</strong>en mittel- o<strong>der</strong> langfristigen Zeitraum<br />
umfassen. Die Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit von Doppelkronen-verankertem<br />
Zahnersatz beträgt nach 10 Jahren 71 bis 76 %. Fortgeschrittene pathologische,<br />
parodontologische Ausgangsbefunde <strong>der</strong> Pfeilerzähne ergeben<br />
langfristig gegenüber Fällen ohne parodontologische Befunde e<strong>in</strong>e signifikant<br />
höhere Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit für e<strong>in</strong>en Pfeilerverlust. Komplikationen<br />
treten <strong>in</strong> Form von Retentionsverlusten <strong>der</strong> Primärkronen o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong><br />
Form von Pfeilerfrakturen auf. Endodontisch behandelte Zähne haben dabei<br />
e<strong>in</strong> signifikant höheres Frakturrisiko. Nach e<strong>in</strong>er mittleren Funktionsperiode<br />
von 8 Jahren ist bei ca. 30 bis 40 % <strong>der</strong> Doppelkronen-verankerten<br />
Prothesen mit e<strong>in</strong>em Pfeilerverlust zu rechnen. Aus den vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen<br />
Studien zeigt sich e<strong>in</strong>e Reduktion <strong>der</strong> Überlebensrate von Doppelkronen-verankerten<br />
Teilprothesen mit abnehmen<strong>der</strong> Pfeilerzahl. Insgesamt<br />
38
liegen die Misserfolgsraten von mit Doppelkronen verankertem Zahnersatz<br />
höher als bei festsitzendem Zahnersatz (ca. 10 % Funktionsverlust nach<br />
10 Jahren). Sie s<strong>in</strong>d jedoch ger<strong>in</strong>ger als die Misserfolgsraten von Gussklammer-verankertem<br />
und Geschiebe-verankertem Zahnersatz.<br />
Der E<strong>in</strong>satz implantatgestützter Doppelkronen zur strategischen Pfeilervermehrung<br />
im teilbezahnten Gebiss ist ebenfalls durch mehrer kl<strong>in</strong>ische<br />
Studien wissenschaftlich abgesichert.<br />
d.) Kugelkopfverankerungen / Magnetverankerungen<br />
Die Verankerung von Hybridprothesen im stark reduzierten Restgebiss ist<br />
nur <strong>in</strong> wenigen kl<strong>in</strong>ischen Studien dokumentiert. Die Überlebensrate liegt<br />
nach 5 Jahren bei ca. 85 bis 90 %, wobei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e biologische Komplikationen<br />
(Karies, parodontale Befunde) zum Pfeilerverlust führen. E<strong>in</strong>e<br />
Überlegenheit spezieller Verankerungselemente ist aufgrund <strong>der</strong> reduzierten<br />
kl<strong>in</strong>ischen Daten nicht nachweisbar.<br />
Der E<strong>in</strong>satz von implantatgestützten Kugelkopf- o<strong>der</strong> Magnetverankerungen<br />
im teilbezahnten Gebiss war bislang nicht Gegenstand kl<strong>in</strong>ischer Studien,<br />
son<strong>der</strong>n ist lediglich <strong>in</strong> Fallberichten exemplarisch dargestellt worden.<br />
39
Literatur B<br />
1. Allen PF, McMillan AS, Walshaw D. A patient-based assessment of implantstabilized<br />
and conventional complete dentures. J Prosthet Dent<br />
2001;85:141-147.<br />
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53
C <strong>Implantologie</strong><br />
C 1 Indikationen enossaler Implantate<br />
Implantate s<strong>in</strong>d künstliche Zahnwurzeln, die zur Verankerung von Zahnersatz,<br />
Epithesen und kieferorthopädischen Behandlungsmitteln e<strong>in</strong>gesetzt werden. Implantate<br />
stellen e<strong>in</strong> langfristiges, effektives Therapiemittel zur kaufunktionellen<br />
Rehabilitation dar. Durch die Vermeidung von Behandlungsmaßnahmen an anatomischen<br />
Nachbarstrukturen ermöglichen sie im teilbezahnten Kiefer die kaufunktionelle<br />
Rehabilitation mit e<strong>in</strong>er hohen Funktionalität.<br />
Für den E<strong>in</strong>satz enossaler Implantate bestehen folgende Indikationen:<br />
a.) Situationen, bei denen e<strong>in</strong>e Versorgung ohne Implantate ke<strong>in</strong>e befriedigende<br />
funktionelle Rehabilitation bewirkt:<br />
- Extreme Kieferatrophie<br />
- Angeborene o<strong>der</strong> traumatisch bed<strong>in</strong>gte Defekte<br />
- Epithetische Versorgung mit extraoralen Implantaten<br />
b.) Situationen bei denen die Implantatversorgung funktionelle Vorteile gegenüber<br />
e<strong>in</strong>er konventionellen Versorgung bietet:<br />
- Zahnloser Kiefer<br />
- Freiendsituationen<br />
- Schaltlücken<br />
- Kieferorthopädische Behandlungsmittel<br />
c.) Situationen bei denen lokale Befunde o<strong>der</strong> subjektive Gründe für e<strong>in</strong>e Implantatversorgung<br />
anstelle e<strong>in</strong>er konventionellen Versorgung sprechen<br />
(z.B. Xerostomie, rezidivierende Druckstellen)<br />
Ziele <strong>der</strong> implantatprothetischen Therapie können dabei se<strong>in</strong>:<br />
- Verbesserung <strong>der</strong> Kaufunktion<br />
- Vermeidung e<strong>in</strong>es abnehmbaren Zahnersatzes<br />
- Schonung von Zahnhartsubtanz<br />
- Resorptionsprophylaxe<br />
- Verbesserung <strong>der</strong> Hygienefähigkeit<br />
- Verbesserung <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Langzeitprognose im Vergleich zu konventionellen<br />
Therapieverfahren<br />
- Komfort und Ästhetik des Patienten<br />
Optimale Voraussetzungen liegen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann vor, wenn folgende Faktoren<br />
erfüllt s<strong>in</strong>d:<br />
- Gesun<strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>zustand e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> <strong>in</strong>traoralen Situation<br />
- Voraussichtlich normale ungestörte Wundheilung<br />
- Weitgehend abgeschlossenes Kieferwachstum<br />
- Gute Mundhygiene<br />
- Ausreichendes Knochenangebot <strong>in</strong> vertikaler und horizontaler Richtung<br />
54
Implantat-chirurgische Maßnahmen s<strong>in</strong>d primär ambulante Operationen die unter<br />
Lokalanästhesie und Beachtung <strong>der</strong> entsprechenden Hygienerichtl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
E<strong>in</strong>griffsraum durchgeführt werden. Umfangreiche multiple Implantationen o<strong>der</strong><br />
umfangreiche Augmentationen mit <strong>der</strong> Entnahme von <strong>in</strong>traoralen autogenen<br />
Knochentransplantaten s<strong>in</strong>d demgegenüber zeit<strong>in</strong>tensiver und belasten<strong>der</strong> für<br />
den Patienten, so dass nur entsprechend des Nutzen-Risikos die Durchführung<br />
<strong>der</strong>artig umfangreicher E<strong>in</strong>griffe unter Analgosedierung gerechtfertigt ersche<strong>in</strong>t.<br />
Die Intubationsnarkose bei ambulant durchgeführten Implantatbehandlungen<br />
stellt die Ausnahme dar und bedarf e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Indikation (z.B. Beckenkammtransplantat).<br />
C 1.1 Zahnloser Kiefer<br />
Die Versorgung <strong>der</strong> zahnlosen, atrophierten Kiefer, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> zahnlose<br />
Unterkiefer gilt als klassisches Indikationsgebiet für enossale Implantate. Implantatprothetische<br />
Versorgungen bewirken e<strong>in</strong>e signifikante Steigerung <strong>der</strong> Kaufunktion<br />
im Vergleich zu konventionellen prothetischen Restaurationen.<br />
Sie s<strong>in</strong>d entsprechend <strong>in</strong>diziert bei:<br />
- Unzureichen<strong>der</strong>, funktioneller und phonetischer Rehabilitation durch konventionellen<br />
Zahnersatz (Atrophiegrad, rezidivierende Druckstellen)<br />
- Vollständige o<strong>der</strong> nahezu vollständige Zahnreihe im antagonistischen Kiefer<br />
- Individuell erfor<strong>der</strong>liche gute Lagestabilität des Zahnersatzes<br />
- Nicht psychogen bed<strong>in</strong>gter Prothesen<strong>in</strong>toleranz (Würgereiz)<br />
- Versorgung von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten<br />
- Individuelle krankheitsbezogene Faktoren (z.B. Xerostomie)<br />
Dabei s<strong>in</strong>d grundsätzlich zwei Zahnersatzkonstruktionsformen möglich:<br />
- Implantatgestützte Deckprothesen<br />
- Re<strong>in</strong> implantatgetragene, festsitzende o<strong>der</strong> (bed<strong>in</strong>gt) abnehmbare Brückenkonstruktionen<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> notwendigen Implantate im zahnlosen Kiefer sowie <strong>der</strong>en Länge<br />
und Durchmesser, werden im Wesentlichen durch das verfügbare Knochenangebot<br />
und die Form <strong>der</strong> Suprastruktur bestimmt. Entsprechend <strong>der</strong> aktuellen wissenschaftlichen<br />
Stellungnahme <strong>der</strong> DGZMK lassen sich für die Planung implantatprothetischer<br />
Versorgungen folgende Anhaltspunkte formulieren<br />
Die Verankerung von herausnehmbarem Zahnersatz im zahnlosen Kiefer erfolgt<br />
standardmäßig auf 4 Implantaten. Hierfür werden die Implantate im <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>alen<br />
Bereich des Unterkiefers o<strong>der</strong> dem anterioren Segment des Oberkiefers<br />
<strong>in</strong>seriert. Im Unterkiefer ist die Verankerung e<strong>in</strong>es abnehmbaren Zahnersatzes<br />
auch über 2 <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>al verankerte Implantate möglich.<br />
Die Gestaltung e<strong>in</strong>er gaumenfreien, abnehmbaren Versorgung im Oberkiefer sollte<br />
im Regelfall mit 4 bis 6 Implantaten erfolgen, hierfür ist e<strong>in</strong>e mehr distale<br />
Implantatpositionierung mit <strong>der</strong> eventuellen Notwendigkeit e<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>usbodenelevation<br />
notwendig.<br />
55
Re<strong>in</strong> implantatgetragener Zahnersatz wird im zahnlosen Kiefer standardmäßig<br />
auf 6 Implantate abgestützt, wobei im Oberkiefer auch mehr als 6 Implantate<br />
erfor<strong>der</strong>lich se<strong>in</strong> können. Im Unterkiefer ist <strong>in</strong> begründeten Ausnahmefällen auch<br />
e<strong>in</strong>e Abstützung auf 4 Implantaten möglich.<br />
Detaillierte H<strong>in</strong>weise zur Ausführung <strong>der</strong> prothetischen Suprakonstruktion s<strong>in</strong>d im<br />
Abschnitt B.2.1 dargelegt.<br />
C 1.2 Verkürzte Zahnreihe<br />
Die implantatprothetische Therapie <strong>der</strong> verkürzten Zahnreihe richtet sich nach<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> fehlenden Zähne und <strong>der</strong> antagonistischen Bezahnung.<br />
a.) Verlust des dritten Molaren bei vorhandener o<strong>der</strong> nicht vorhandener Abstützung<br />
<strong>der</strong> antagonistischen Bezahnung – ke<strong>in</strong>e Therapie<br />
b.) Verlust des zweiten und dritten Molaren mit vorhandener Abstützung <strong>der</strong><br />
antagonistischen Bezahnung – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e Therapie<br />
c.) Verlust des zweiten und dritten Molaren ohne vorhandene Abstützung <strong>der</strong><br />
antagonistischen Bezahnung – E<strong>in</strong>zelzahnimplantat<br />
d.) Verkürzung <strong>der</strong> Zahnreihe bis zum zweiten Prämolaren – 1 bis 2 E<strong>in</strong>zelzahnimplantate<br />
<strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong> antagonistischen Bezahnung und<br />
dem vertikalen und horizontalen Knochenangebot<br />
e.) Verkürzung <strong>der</strong> Zahnreihe bis zum ersten Prämolaren – 1 bis 3 E<strong>in</strong>zelzahnimplantate<br />
o<strong>der</strong> Brückenkonstruktionen <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong> antagonistischen<br />
Bezahnung und dem vertikalen und horizontalen Knochenangebot<br />
und <strong>der</strong> Pfeilerwertigkeit des lückenbegrenzenden Pfeilerzahnes<br />
f.) Verkürzung <strong>der</strong> Zahnreihe bis zum Eckzahn – 3 E<strong>in</strong>zelzahnimplantate<br />
o<strong>der</strong> Brückenkonstruktionen <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong> antagonistischen Bezahnung<br />
und dem vertikalen und horizontalen Knochenangebot und <strong>der</strong><br />
Pfeilerwertigkeit des lückenbegrenzenden Pfeilerzahnes<br />
g.) Verkürzung <strong>der</strong> Zahnreihe bis zum lateralen Schneidezahn – 3 bis 4 E<strong>in</strong>zelzahnimplantate<br />
o<strong>der</strong> Brückenkonstruktionen <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />
antagonistischen Bezahnung und dem vertikalen und horizontalen Knochenangebot<br />
und <strong>der</strong> Pfeilerwertigkeit des lückenbegrenzenden Pfeilerzahnes<br />
Bei beidseits verkürzter Zahnreihe und reduziertem anterioren Restgebiss sollte<br />
die Pfeilerwertigkeit bei <strong>der</strong> Gesamptplanung kritisch gewürdigt werden.<br />
Bei gegebener Indikation zur implantatprothetischen Versorgung <strong>der</strong> verkürzten<br />
Zahnreihe ergeben sich somit drei alternative Therapieformen:<br />
Konzept 1 - Verbundbrücke<br />
Konzept 2 - re<strong>in</strong> implantatgetragene Brücke<br />
Konzept 3 - E<strong>in</strong>zelzahnimplantat<br />
Von zentraler Bedeutung ist das horizontale und vertikale Knochenangebot bei<br />
<strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Therapieoptionen, darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d folgende Faktoren kritisch<br />
zu würdigen:<br />
- Pfeilerwertigkeit des lückenbegrenzenden Pfeilerzahnes<br />
- notwendige Länge <strong>der</strong> Konstruktion<br />
56
- Eventuell notwendige prothetische Versorgung des Antagonisten<br />
- Parodontaler Zustand <strong>der</strong> Antagonisten<br />
Die Verbundbrückenkonstruktion erfor<strong>der</strong>t m<strong>in</strong>destens die Überkronung e<strong>in</strong>es<br />
endständigen Pfeilers und bietet sich daher bevorzugt bei koronal defekt behafteten<br />
Zähnen mit <strong>der</strong> Indikation zur prothetischen Versorgung o<strong>der</strong> bereits überkronten<br />
Zähnen an. Endodontisch behandelte Pfeiler s<strong>in</strong>d weniger gut für e<strong>in</strong>e<br />
Verankerung von Verbundbrücken geeignet. Die Indikation ist entsprechend kritisch<br />
zu stellen. Zur M<strong>in</strong>imierung des Frakturrisikos sollte die Versorgung mit<br />
e<strong>in</strong>em Stiftaufbau vor e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>beziehung als Pfeiler erfolgen.<br />
Standardmäßig sollten Verbundbrücken als dreigliedrige Konstruktionen ausgeführt<br />
werden, Während früher Verbundbrücken <strong>in</strong> Form von zweiteiligen, verschraubten<br />
und damit bed<strong>in</strong>gt abnehmbaren Konstruktionen ausgeführt wurden,<br />
werden heute zementierte Konstruktionen bevorzugt.<br />
Re<strong>in</strong> implantatgetragene Konstruktionen bieten sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e an, wenn <strong>der</strong><br />
endständige Zahn zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Planung absehbar nicht behandlungsbedürftig<br />
ist und e<strong>in</strong> ausreichendes Knochenangebot für m<strong>in</strong>destens zwei Implantate<br />
besteht.<br />
Es können sowohl E<strong>in</strong>zelkronen-Versorgungen als auch Brückenkonstruktionen<br />
ausgeführt werden. Brückenversorgungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>diziert wenn nicht je<strong>der</strong> Zahn<br />
durch e<strong>in</strong> Implantat ersetzt werden soll (z.B. unzureichendes Knochenangebot).<br />
Die Länge e<strong>in</strong>er Brückenkonstruktion darf im Unterkiefer den Seitenzahnbereich<br />
nicht überschreiten, an<strong>der</strong>nfalls kann die natürliche Deformation <strong>der</strong> Mandibula<br />
zu Schädigungen am Knochen-Implantat-Interface führen. Im Regelfall sollten<br />
re<strong>in</strong> implantatgetragene Brücken als dreigliedrige Konstruktionen ausgeführt<br />
werden.<br />
E<strong>in</strong>zelkronen stellen e<strong>in</strong>e parondontalhygienisch günstige Variante <strong>der</strong> implantatprothetischen<br />
Versorgung von Freiendsituationen dar. Zudem können die Suprakonstruktionen<br />
als e<strong>in</strong>fache zementierte Kronen ausgeführt werden ohne dass die<br />
Kontrollmöglichkeiten für das Implantat e<strong>in</strong>geschränkt werden.<br />
Die Versorgung mit E<strong>in</strong>zelzahnimplantaten ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei nur e<strong>in</strong>em zu ersetzenden<br />
Zahn <strong>in</strong>diziert. E<strong>in</strong>e primäre Verblockung von E<strong>in</strong>zelkronen ist bei ungünstigen<br />
Längenverhältnissen zwischen Krone und Implantat und hohen zu erwartenden<br />
Kaukräften (Molarenbereich) <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen, die Notwendigkeit<br />
zur Verblockung ist dabei im Oberkiefer eher als im Unterkiefer gegeben. Die<br />
Versorgung mit E<strong>in</strong>zelzahnimplantaten im Seitenzahnbereich stellt beson<strong>der</strong>e<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an das Implantatdesign, es s<strong>in</strong>d Implantattypen mit ausreichen<strong>der</strong><br />
funktionsstabiler Rotationssicherung zu bevorzugen. Technische Komplikationen<br />
<strong>in</strong> Form von Schraubenlockerungen treten dabei bauartbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
bei externen Rotationssicherungen (Hex-Systeme) auf und s<strong>in</strong>d daher weniger<br />
geeignet für diesen Indikationsbereich.<br />
C 1.3 Schaltlücke<br />
Schaltlücke mit Verlust von 1 bis 2 Zähnen<br />
Der Ersatz e<strong>in</strong>zelner Zähne im Front- und Seitenzahnbereich durch re<strong>in</strong> implantatgetragene<br />
Versorgungen kommt immer dann <strong>in</strong> Betracht, wenn die anato-<br />
57
misch-strukturellen Voraussetzungen gegeben o<strong>der</strong> zu schaffen s<strong>in</strong>d und gleichzeitig<br />
die Nachbarzähne zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Planung nicht absehbar behandlungsbedürftig<br />
s<strong>in</strong>d. Differentialdiagnostisch ist die Versorgung mit E<strong>in</strong>zelzahnimplantaten<br />
gegen e<strong>in</strong>e konventionelle Versorgung mit Endpfeilerbrücken und die Möglichkeit<br />
e<strong>in</strong>es kieferorthopädischen Lückenschlusses abzuwägen. Im Frontzahnbereich<br />
können auch Adhäsivbrücken als Behandlungsalternative <strong>in</strong> Betracht kommen.<br />
E<strong>in</strong>e implantatgestützte E<strong>in</strong>zelkronenversorgung ist ebenfalls <strong>in</strong>diziert,<br />
wenn durch die konventionelle prothetische Versorgung ke<strong>in</strong>e vollständige, funktionelle<br />
und ästhetische Rehabilitation erreicht werden kann o<strong>der</strong> aber die konventionelle<br />
Therapie mit e<strong>in</strong>er reduzierten kl<strong>in</strong>ischen Langzeitprognose verbunden<br />
ist. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> folgenden Fällen:<br />
- Reduzierter Pfeilerwertigkeit <strong>der</strong> lückenbegrenzenden Nachbarzähne durch<br />
endodontische Versorgungen mit ausgeprägtem Substanzverlust und reduzierter<br />
Retentionsform <strong>der</strong> Pfeilerzähne o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er erheblichen parodontalen<br />
Vorschädigung.<br />
- Unzureichen<strong>der</strong> Präparationsmöglichkeit zur Erzielung e<strong>in</strong>er ausreichenden<br />
Retentionsform <strong>der</strong> Pfeilerzähne<br />
- Ungünstige Pfeilerposition mit e<strong>in</strong>em präparationsbed<strong>in</strong>gt erhöhtem Risiko<br />
des Vitalitätsverlustes (unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass dieses Risiko durch<br />
E<strong>in</strong>zelkronenversorgungen m<strong>in</strong>imiert werden kann)<br />
- Lückige Frontzahnstellung (Diastema), wenn e<strong>in</strong>e konventionelle Versorgung<br />
mit Adhäsiv- o<strong>der</strong> Endpfeilerbrücken ästhetisch unbefriedigende Ergebnisse<br />
liefert<br />
- Die lückenbegrenzten Nachbarzähne s<strong>in</strong>d bereits ausreichend prothetisch<br />
versorgt und die Konstruktionen s<strong>in</strong>d zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Planung absehbar<br />
langfristig nicht behandlungsbedürftig.<br />
Die Versorgung mit E<strong>in</strong>zelzahnimplantaten erfor<strong>der</strong>t im Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>en erhöhten<br />
chirurgischen Aufwand und e<strong>in</strong>e verlängerte Behandlungszeit. Im Frontzahnbereich<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Behandlungsfälle Maßnahmen zur Hart- und<br />
Weichgewebsaugmentation zur Erzielungen e<strong>in</strong>es funktionell und ästhetisch vollwertigen<br />
Behandlungsergebnisses notwendig. Die Vorteile <strong>der</strong> implantatgestützten<br />
E<strong>in</strong>zelzahnversorgung liegen e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schonung <strong>der</strong> natürlichen<br />
Zahnhartsubstanz und <strong>der</strong> verbesserten Interdentalraumhygiene sowie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Erhalt des Alveolarfortsatzes durch den funktionellen Belastungsreiz.<br />
Der E<strong>in</strong>satz vollkeramischer Aufbauten und vollkeramischer Suprakonstruktionen<br />
kann im Frontzahnbereich zu e<strong>in</strong>em verbesserten ästhetischen Ergebnis führen.<br />
Unter ästhetischen und phonetischen Gesichtspunkten ist die Versorgung von 2<br />
o<strong>der</strong> mehreren benachbarten Zähnen im Frontzahnbereich mit E<strong>in</strong>zelzahnimplantaten<br />
mit e<strong>in</strong>em hohen Schwierigkeitsgrad verbunden. Für e<strong>in</strong> optimales Behandlungsergebnis<br />
ist e<strong>in</strong>e exakte Implantatpositionierung mit ausreichen<strong>der</strong> Insertionstiefe<br />
erfor<strong>der</strong>lich. E<strong>in</strong>e regelrechte Ausgestaltung <strong>der</strong> Interdentalpapille zwischen<br />
zwei Implantaten kann nicht immer erreicht werden. Diese ästhetische<br />
Limitation ist bei <strong>der</strong> Indikationsstellung zu berücksichtigen.<br />
58
Schaltlücken mit Verlust von 3 o<strong>der</strong> mehr Zähnen<br />
Bei Schaltlücken ergibt sich die Indikation für e<strong>in</strong>e implantatgestützte Versorgung<br />
bei Verlust von m<strong>in</strong>destens 3 benachbarten Zähnen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em bogenförmigen<br />
Verlauf <strong>der</strong> Pfeilerverb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie. Insbeson<strong>der</strong>e bei lang- o<strong>der</strong> mehrspannigen<br />
Brückenkonstruktionen hängt die Prognose <strong>der</strong> Gesamtrekonstruktion<br />
immer von <strong>der</strong> Prognose des Pfeilers mit <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gsten Pfeilerwertigkeit ab.<br />
Technische Komplikationen nehmen zudem bei größeren Brückenkonstruktionen<br />
zu. Implantatprothetische Konstruktionen können durch e<strong>in</strong>e Aufteilung auf kle<strong>in</strong>ere,<br />
technisch e<strong>in</strong>fachere und zementierbare Konstruktionen die Erfolgsprognose<br />
verbessern und bei e<strong>in</strong>er Än<strong>der</strong>ung des Befundes e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fachere Erweiterbarkeit<br />
gewährleisten.<br />
Die implantatprothetische Versorgung von Schaltlücken im Front- und Seitenzahnbereich<br />
ist bei 3 o<strong>der</strong> mehr fehlenden Zähnen <strong>in</strong>diziert. Die implantatprothetische<br />
Versorgung ist dabei gegen konventionelle Versorgungsalternativen abzuwägen.<br />
Neben dem horizontalen und vertikalen Knochenangebot s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> Therapieoptionen folgende Faktoren kritisch zu würdigen:<br />
- Pfeilerwertigkeit und Versorgungsgrad des lückenbegrenzenden Pfeilerzahnes<br />
- Notwendige Länge <strong>der</strong> Konstruktion und Pfeilerverb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie (geradl<strong>in</strong>ig/bogenförmig)<br />
- Eventuell notwendige prothetische Versorgung des antagonistischen Zahnbestandes<br />
- Parodontaler Zustand <strong>der</strong> Antagonisten<br />
Dabei ergeben sich folgende Versorgungsmöglichkeiten:<br />
- Drei fehlende Zähne im Seitenzahnbereich: 2 bis 3 Implantate für e<strong>in</strong>e<br />
re<strong>in</strong> implantatgetragene Konstruktion (Kronen, Brücken)<br />
- Drei bis vier fehlende Zähne im Frontzahnbereich: 2 Implantate im Unterkiefer,<br />
2 bis 4 Implantate im Oberkiefer<br />
Die Ausführung ist dabei als E<strong>in</strong>zelkronen wie auch als Brückenversorgung<br />
möglich. Im Unterkiefer ist <strong>der</strong> Ersatz von fehlenden benachbarten Frontzähnen<br />
durch E<strong>in</strong>zelzahnimplantate aufgrund <strong>der</strong> reduzierten Platzverhältnisse<br />
nicht s<strong>in</strong>nvoll. E<strong>in</strong>e Versorgung durch e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> implantatgetragene<br />
Brücke auf zwei Implantaten zum Ersatz von drei o<strong>der</strong> vier fehlenden Zähnen<br />
ist zu bevorzugen<br />
- Drei- o<strong>der</strong> vier fehlende Zähne im Front- und Seitenzahnbereich: 1 bis 2<br />
Implantate mit Verbundbrückenkonstruktion<br />
Die Versorgung mit so genannten Unterstützungsimplantaten bei weitspannigen<br />
Brückenkonstruktionen bietet gegenüber re<strong>in</strong> implantatgetragenen Konstruktionen<br />
e<strong>in</strong>ige Nachteile, sodass die Indikation entsprechend kritisch zustellen ist:<br />
- Unterstützungsimplantate ermöglichen ke<strong>in</strong>e Aufteilung <strong>der</strong> Gesamtkonstruktion<br />
<strong>in</strong> parodontalhygienisch günstige und zahntechnisch e<strong>in</strong>fache kle<strong>in</strong>e<br />
Restaurationse<strong>in</strong>heiten<br />
- E<strong>in</strong>e Erweiterbarkeit ist nur durch aufwendige konstruktive Teilungen (verschraubte<br />
Geschiebe) möglich<br />
59
C 1.4 Reduzierter Restzahnbestand<br />
Die implantatprothetische Versorgung des stark reduzierten Restgebisses (1 bis<br />
3) Zähne erfolgt mit dem Ziel, durch die zusätzlichen Verankerungselemente an<br />
strategisch günstiger Position die Lagestabilität e<strong>in</strong>er herausnehmbaren Prothese<br />
zu verbessern. Die strategische Pfeilervermehrung soll die Lebensdauer des<br />
Zahnersatzes wie auch des Restzahnbestandes verbessern. Strategische Pfeilervermehrungen<br />
können dabei im Rahmen des Funktionserhaltes e<strong>in</strong>er vorhandenen<br />
Prothese wie auch <strong>der</strong> Planung e<strong>in</strong>er Neuversorgung e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Als Verankerungselemente bieten sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Doppelkronen an, da sie e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>fache Erweiterung und Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konstruktionen erlauben. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Rahmen von Maßnahmen zum Funktionserhalt vorhandener Prothesen,<br />
bieten sich für Implantate auch Kugelkopfattachments an. Stegverankerungen<br />
s<strong>in</strong>d ebenfalls e<strong>in</strong>setzbar. Zahn-Implantatverb<strong>in</strong>dende Stege sollten bed<strong>in</strong>gt abnehmbar<br />
(Verschraubung) ausgeführt werden um e<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konstruktion<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Weise zu ermöglichen.<br />
Für die Anzahl und Positionierung <strong>der</strong> strategischen Pfeiler lassen sich folgende<br />
Empfehlungen formulieren:<br />
- Neuversorgung: Insertion e<strong>in</strong>er ausreichenden Anzahl von Implantaten <strong>in</strong><br />
strategisch günstiger Position, so dass im Idealfall auch nach Verlust <strong>der</strong><br />
natürlichen Pfeiler noch e<strong>in</strong>e Funktion als re<strong>in</strong> implantatverankerter Zahnersatz<br />
gewährleistet ist:<br />
Oberkiefer bis zu 4 Implantate<br />
Unterkiefer 2 bis 4 Implantate<br />
E<strong>in</strong>fach zu erweiternde Konstruktionsformen s<strong>in</strong>d zu bevorzugen<br />
- Funktionserhalt e<strong>in</strong>er vorhandenen Prothese: Insertion von 1 bis 2 Implantaten<br />
<strong>in</strong> strategisch günstiger Position zur Vergrößerung des Unterstützungspolygons<br />
mit e<strong>in</strong>fach zu <strong>in</strong>tegrierbaren Verankerungselementen (Kugelkopfattachments)<br />
Sowohl bei <strong>der</strong> geplanten Neuversorgung als auch bei <strong>der</strong> strategischen Pfeilervermehrung,<br />
ist die Pfeilerwertigkeit <strong>der</strong> <strong>in</strong> die Konstruktion e<strong>in</strong>zubeziehenden<br />
natürlichen Pfeilerzähne kritisch zu würdigen.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Enossale Implantate s<strong>in</strong>d als wissenschaftlich anerkannte Therapiemittel <strong>in</strong>tegraler<br />
Bestandteil <strong>der</strong> Zahnmediz<strong>in</strong>. Implantatversorgungen s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />
vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen Daten und Metaanalysen (EBM Grad 1) zu e<strong>in</strong>em hohen<br />
Grad erfolgreich und können bei bestimmungsgemäßer Anwendung die vorgesehene<br />
Funktion langfristig und ohne pathologische Verän<strong>der</strong>ungen am Lagergewebe<br />
erfüllen. Gut untersucht ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz enossaler Implantate bei <strong>der</strong> Versorgung<br />
des zahnlosen Ober- und Unterkiefers mit festsitzenden und abnehmbaren<br />
Versorgungen und Beobachtungszeiträumen von bis zu 20 Jahren. Implantatverankerte<br />
Deckprothesen zeigen dabei nach e<strong>in</strong>er mittleren Beobachtungsdauer<br />
von 15 Jahren kumulative Überlebensrate für die Suprakonstruktion und die Implantate<br />
von mehr als 90 %. Im 20-Jahres-Zeitraum s<strong>in</strong>d Überlebensraten <strong>der</strong><br />
festsitzenden Implantatrekonstruktionen im zahnlosen Kiefer von 84 bis 87 %<br />
60
eschrieben. Neben <strong>der</strong> Bewertung dieser Therapieform durch umfangreiche objektive<br />
kl<strong>in</strong>ische Parameter, ist die Implantattherapie auch Gegenstand <strong>der</strong> subjektiven<br />
Lebensqualitätforschung gewesen. Bei <strong>der</strong> Versorgung des zahnlosen<br />
Kiefers lässt sich durch Implantate bereits durch zwei Implantate mit Deckprothesen<br />
e<strong>in</strong>e erhebliche Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität nachweisen.<br />
Die Versorgung von Schaltlücken und Freiendsituationen mit festsitzenden implantatgetragenen<br />
Konstruktionen ist ebenfalls sehr gut <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen Studien und<br />
Metaanalysen dokumentiert (EBM Grad 1). Bei <strong>der</strong> Versorgung <strong>der</strong> Freiendsituation<br />
und von Schaltlücken, wird zwischen <strong>der</strong> re<strong>in</strong> implantatgetragenen Brücke<br />
und e<strong>in</strong>er sog. Verbundbrücke unter E<strong>in</strong>beziehung von Implantaten und natürlichen<br />
Pfeilern unterschieden. Die Indikation <strong>der</strong> re<strong>in</strong> implantatgetragenen Brücke<br />
und <strong>der</strong> Verbundbrücke werden durchaus kontrovers diskutiert.<br />
Vorteil <strong>der</strong> Verbundbrücke ist die Möglichkeit <strong>der</strong> festsitzenden Versorgung mit<br />
reduzierter Implantatzahl. Kritisch werden die erhöhte Quote von technischen<br />
Komplikationen (Pfeiler<strong>in</strong>trusion) und das Risiko e<strong>in</strong>es biologischen Misserfolges<br />
aufgrund e<strong>in</strong>es Ereignisses am Pfeilerzahn (endodontische Behandlung, Sekundärkaries)<br />
betrachtet. In Metaanalysen werden für re<strong>in</strong> implantatgetragene Brücken<br />
im 5-Jahreszeitraum Überlebensraten von 95 % bestimmt, im 10-Jahreszeitraum<br />
liegt die Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit bei 86 %. Für Verbundbrückenkonstruktion<br />
existieren ebenfalls Ergebnisse aus Metaanalysen zur kl<strong>in</strong>ischen<br />
Langzeitbewährung. Die Überlebensrate <strong>der</strong> Verbundbrücken beträgt nach 5 Jahren<br />
94,1% und nach 10 Jahren 77,8 %. Bei e<strong>in</strong>er geteilten, nicht starren Verb<strong>in</strong>dung<br />
von Implantat und natürlichem Pfeilerzahn konnte nach 5 Jahren bei 5 %<br />
<strong>der</strong> natürlichen Pfeilerzähne e<strong>in</strong>e Intrusion beobachtet werden. Verbundbrücken<br />
s<strong>in</strong>d unter folgenden Gesichtspunkten als s<strong>in</strong>nvolle Therapiealternative <strong>in</strong> Betracht<br />
zu ziehen:<br />
- Maximal dreigliedrige Konstruktionen<br />
- E<strong>in</strong>e konstruktive Teilung darf nur mit horizontal verschraubten Geschieben<br />
erfolgen<br />
- Der natürliche Pfeilerzahn ist bereits prothetisch versorgt und weist e<strong>in</strong>e<br />
ausreichende Pfeilerwertigkeit auf.<br />
- Durch die Verbundbrückenkonstruktionen können augmentative Maßnahmen<br />
vermieden werden<br />
H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Überlebensraten im 10-Jahresbereich ist die Überlebensrate implantatgetragener<br />
Konstruktionen auch <strong>in</strong> augmentierten Bereichen zwischen<br />
90 – 95 % dokumentiert.<br />
Die Versorgung des teilbezahnten Kiefers ist auch Gegenstand <strong>der</strong> Lebensqualitätsforschung.<br />
Bei <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> verkürzten Zahnreihe bewirken implantatgetragene,<br />
festsitzende Versorgungen Verbesserungen <strong>der</strong> Zufriedenheit gegenüber<br />
klassischen herausnehmbaren Versorgungen o<strong>der</strong> dem Belassen <strong>der</strong> verkürzten<br />
Zahnreihe.<br />
Vorteile <strong>der</strong> implantatgetragenen Versorgungen <strong>in</strong> diesen Indikationen s<strong>in</strong>d:<br />
- Höherer Grad <strong>der</strong> kaufunktionellen Rehabilitation<br />
- Höhere Lebensqualität <strong>der</strong> Patienten<br />
61
Die festsitzende, implantatgetragene Rekonstruktion konkurriert dabei mit konventionellen<br />
abnehmbaren Versorgungen. E<strong>in</strong> Vergleich mit <strong>der</strong> Überlebensrate<br />
konventioneller herausnehmbarer Zahnersatzkonstruktionen zeigt im 10-Jahreszeitraum<br />
demgegenüber nur e<strong>in</strong>e Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit von 50 bis 70 %,<br />
wobei die Prognose mit abnehmen<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Verankerungselemente s<strong>in</strong>kt. Beson<strong>der</strong>s<br />
die E<strong>in</strong>beziehung endodontisch behandelter Pfeilerzähne steigert das<br />
Misserfolgsrisiko bei abnehmbaren Versorgungen.<br />
E<strong>in</strong>zelzahnimplantate im Front- und Seitenzahnbereich s<strong>in</strong>d ebenfalls mit e<strong>in</strong>em<br />
hohen Evidenzgrad (EBM Grad 1) gut durch kl<strong>in</strong>ische Studien und Metaanalysen<br />
dokumentiert. Die Überlebensraten im 5- bis 10-Jahresbereich s<strong>in</strong>d dabei vergleichbar<br />
mit den Überlebensraten von dreigliedrigen Brücken.<br />
Der E<strong>in</strong>satz von Implantaten zur Versorgung von größeren Schaltlücken bei 3<br />
und mehr fehlenden Zähnen ist durch mehrere kl<strong>in</strong>ische Studien gut dokumentiert,<br />
wobei Beobachtungszeiten von 5 bis 7 Jahren dokumentiert s<strong>in</strong>d und<br />
gleichwertige Überlebensraten für die Implantate wie <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en Indikationen<br />
zeigen.<br />
Als Versorgungsmöglichkeiten bieten sich neben E<strong>in</strong>zelkronen, Verbundbrücken<br />
o<strong>der</strong> re<strong>in</strong> implantatgetragene Konstruktionen an, die h<strong>in</strong>sichtlich ihrer kl<strong>in</strong>ischen<br />
Bewährung bereits beschrieben wurden.<br />
Folgende spezielle, planungsrelevante Aspekte sollten bei <strong>der</strong> implantatprothetischen<br />
Versorgung großer Schaltlücken berücksichtigt werden. Die Indikation für<br />
die Versorgung mit Implantaten ist bei zahnbegrenzten Lücken mit 3 und mehr<br />
Zähnen o<strong>der</strong> bogenförmiger Pfeilerverb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen. Das<br />
Versagensrisiko e<strong>in</strong>er konventionellen Brückenversorgung steigt mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Spannlänge und reduzierter Pfeilerwertigkeit <strong>der</strong> Verankerungszähne sowie<br />
<strong>der</strong> Zunahme e<strong>in</strong>er bogenförmigen Pfeilerverb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> funktionellen Deformation <strong>der</strong> Unterkieferspange s<strong>in</strong>d dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Unterkieferseitenzahnbrücken mit e<strong>in</strong>er Spannlänge von 3 o<strong>der</strong> mehr<br />
Zähnen vom Risiko des frühzeitigen Retentionsverlustes betroffen. Der E<strong>in</strong>satz<br />
langspanniger Brückenkonstruktionen mit 3 Zwischenglie<strong>der</strong>n im Unterkiefer-<br />
Seitenzahnbereich ist vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> hohen kl<strong>in</strong>ischen Überlebensraten<br />
für implantatbasierte Konstruktionen daher kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen.<br />
Die Versorgung <strong>der</strong> großen Schaltlücke im Oberkieferfrontzahnbereich mit vier<br />
fehlenden Zähnen ist mit e<strong>in</strong>er konventionellen Brückenversorgung nur unter<br />
E<strong>in</strong>beziehung von jeweils zwei lückenbegrenzenden Pfeilerzähnen mit ausreichen<strong>der</strong><br />
kl<strong>in</strong>ischer Langzeitprognose möglich. Grundsätzlich gilt dabei auch, dass<br />
die Prognose e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>artigen Konstruktion immer von <strong>der</strong> Prognose des Pfeilers<br />
mit <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gsten Wertigkeit bestimmt wird. Aufgrund <strong>der</strong> guten dokumentierten<br />
Erfolgsraten von implantatgestützten E<strong>in</strong>zelzahn- und Brückenversorgungen<br />
ist daher die Implantatversorgung als kl<strong>in</strong>isch erfolgssichere Therapieform <strong>in</strong> Betracht<br />
zu ziehen.<br />
Bei <strong>der</strong> Versorgung von multiplen Schaltlücken kann die Versorgung mit komplexen<br />
mehrspannigen Brückenkonstruktionen erfolgen. Bei <strong>der</strong> Indikationsstellung<br />
ist zu berücksichtigen, dass die biologischen und technischen Komplikationen mit<br />
zunehmen<strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> restaurativen E<strong>in</strong>heiten ansteigen. Wie auch bei den<br />
langspannigen Brücken hängt die Prognose <strong>der</strong> Gesamtkonstruktion dabei von<br />
62
<strong>der</strong> Prognose des Pfeilers mit <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gsten Wertigkeit ab. Der E<strong>in</strong>satz von<br />
enossalen Implantaten <strong>in</strong> strategisch günstiger Verteilung kann e<strong>in</strong>e Teilung auf<br />
kle<strong>in</strong>ere prognostisch günstigere restaurative E<strong>in</strong>heiten erzielen. Im Vergleich zu<br />
e<strong>in</strong>er komplexen mehrspannigen Brückensituation führt e<strong>in</strong>e implantatgestützte<br />
Versorgung mit kle<strong>in</strong>eren restaurativen E<strong>in</strong>heiten zu e<strong>in</strong>er Reduktion des Risikos<br />
e<strong>in</strong>es Totalverlustes und ist e<strong>in</strong>fach an neue prothetische Befunde anzupassen.<br />
Die implantatprothetische Versorgung im stark reduzierten Restgebiss ist im Vergleich<br />
zu den übrigen Indikationen weniger gut dokumentiert. Kl<strong>in</strong>ische Studien<br />
zur strategischen Pfeilervermehrung zeigen jedoch im 5-Jahreszeitraum gute<br />
Überlebensraten <strong>der</strong> Implantate und e<strong>in</strong>en hohen Grad <strong>der</strong> funktionellen Rehabilitation.<br />
Die implantatprothetische Versorgung im reduzierten und stark reduzierten<br />
Restgebiss unter E<strong>in</strong>beziehung natürlicher Zähne, dient vornehmlich e<strong>in</strong>er<br />
verbesserten Verankerung e<strong>in</strong>es abnehmbaren Zahnersatzes. Aus Gründen <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>fachen kl<strong>in</strong>ischen Erweiterbarkeit ist e<strong>in</strong>e sekundäre Verblockung <strong>der</strong> Verankerungselemente<br />
zu empfehlen. Der E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Implantate soll dabei e<strong>in</strong>erseits<br />
möglichst quadranguläre Abstützung erzielen, als Verankerungselemente werden<br />
bevorzugt Kugelknopfanker o<strong>der</strong> Doppelkronen genutzt. Insbeson<strong>der</strong>e im stark<br />
reduzierten Restgebiss (drei – o<strong>der</strong> weniger Zähne) sollte bei <strong>der</strong> Planung berücksichtigt<br />
werden, dass <strong>der</strong> Zahnersatz auch nach Totalverlust <strong>der</strong> natürlichen<br />
Bezahnung noch funktionsfähig bleibt.<br />
63
C 2 Indikationse<strong>in</strong>schränkungen<br />
In <strong>der</strong> älteren Literatur f<strong>in</strong>den sich noch umfangreiche Auflistungen von absoluten<br />
und relativen Kontra<strong>in</strong>dikationen für Implantate. An<strong>der</strong>erseits f<strong>in</strong>den sich für<br />
die aufgelisteten, absoluten und relativen Kontra<strong>in</strong>dikationen nur wenige valide<br />
Daten zur Langzeitprognose von Implantaten. Da die E<strong>in</strong>stufung als Kontra<strong>in</strong>dikation<br />
unter forensischen Aspekten aber e<strong>in</strong>en b<strong>in</strong>denden Charakter hat, sollte<br />
eher von Risikofaktoren gesprochen werden. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Stellungnahme<br />
<strong>der</strong> DGZMK wird von Indikationse<strong>in</strong>schränkungen gesprochen und auf den<br />
Begriff Kontra<strong>in</strong>dikation verzichtet. Für die <strong>Implantologie</strong> gelten die gleichen Indikationse<strong>in</strong>schränkungen<br />
wie für selektive operative E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zahn-<br />
Mund- und Kieferheilkunde. Sie können allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>isch bed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong> o<strong>der</strong><br />
aber lokal begrenzt se<strong>in</strong>.<br />
Als Risikofaktoren e<strong>in</strong>er implantatprothetischen Therapie gelten (Konsensuspapier<br />
<strong>der</strong> ITI-Konferenz 2000):<br />
- Vorbestrahlter Knochen<br />
- Schwerer Diabetes mellitus<br />
- Hämorrhagische Diathesen<br />
- Starkes Rauchen<br />
zu den Hochrisikofaktoren zählen:<br />
- Schwerwiegende Systemische Erkrankungen<br />
- Bisphosphonattherapie<br />
- Immunkompromittierter Patient<br />
- Drogen-Abusus<br />
- Unkooperativer Patient (unrealistische Erwartungshaltung, mangelhafte<br />
Motivation zur Mundhygiene, etc.)<br />
Beim Diabetes mellitus ist die <strong>Knochenregeneration</strong>sfähigkeit reduziert und das<br />
Risiko von Wundheilungsstörungen erhöht. Patienten mit e<strong>in</strong>em gut e<strong>in</strong>gestellten<br />
Diabetes mellitus können jedoch mit enossalen Implantaten versorgt werden,<br />
ohne dass e<strong>in</strong> nachweisbar erhöhtes Implantatverlustrisiko besteht. Voraussetzung<br />
ist jedoch, dass den pr<strong>in</strong>zipiellen Grundsätzen <strong>der</strong> prophylaktischen perioperativen<br />
Maßnahmen speziell bei Diabetikern Rechnung getragen wird:<br />
- Antibiotische Abschirmung<br />
- Vermeidung von mechanischen Reizen im Wundgebiet<br />
- Stabile E<strong>in</strong>stellung des Blutzuckers durch orale Antidiabetika<br />
Ebenso lässt sich bislang die Osteoporose nicht gesichert als Risikofaktor belegen.<br />
Ausschlaggebend s<strong>in</strong>d bei Osteoporosepatienten die lokalen Knochenverhältnisse.<br />
Im E<strong>in</strong>zelfall können hier durch nonablative Präparationstechniken<br />
(Bone Condens<strong>in</strong>g) günstige Ausgangsvoraussetzungen geschaffen werden.<br />
Relativ neu ist die Erkenntnis zu e<strong>in</strong>em erhöhten Risiko enossaler Implantate unter<br />
Bisphosphonattherapie. Als weitgehend gesichert gilt die Erkenntnis, dass das<br />
Risiko für e<strong>in</strong>e Knochennekrose vor allem dann erhöht sche<strong>in</strong>t, wenn e<strong>in</strong> Patient<br />
über längere Zeit <strong>in</strong>travenös mit Bisphosphonaten <strong>in</strong> höheren Dosen behandelt<br />
64
wird. Osteoporosepatienten die ger<strong>in</strong>ge Dosen (<strong>in</strong> Tablettenform) erhielten, haben<br />
demgegenüber e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges Risiko.<br />
Lokale Indikationse<strong>in</strong>schränkungen <strong>in</strong> Form von Hart- und Weichgewebsdefekten<br />
treten heute aufgrund <strong>der</strong> verfügbaren erfolgssicheren Augmentations- und Regenerationsverfahren<br />
<strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund sofern <strong>der</strong> Patient den notwendigen chirurgischen<br />
Mehraufwand akzeptiert. Als lokale Hochrisikofaktoren s<strong>in</strong>d zu nennen:<br />
- Knochensystemerkrankungen: Morbus Paget, Osteomalazie, Osteodystrophia<br />
fibrosa generalisata)<br />
- Ausgedehnte Mundschleimhautverän<strong>der</strong>ungen (therapieresistenter, rezidivieren<strong>der</strong><br />
Verlauf)<br />
65
C 3 Implantatmaterialien und Implantatsysteme<br />
Die heute gebräuchlichen dentalen Implantate bestehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel aus Titan,<br />
wobei zur Verbesserungen <strong>der</strong> Osseo<strong>in</strong>tegrationseigenschaften ablative o<strong>der</strong> additive<br />
Oberflächenstrukturierungen e<strong>in</strong>gesetzt werden. Ferner können Titanimplantate<br />
mit unterschiedlichen Formen <strong>der</strong> Hydroxylapatitbeschichtung zum E<strong>in</strong>satz<br />
kommen. Überwiegend werden rotationssymmetrische Implantate mit normiertem<br />
Aufbereitungs<strong>in</strong>strumentarium e<strong>in</strong>gesetzt. Als Implantatformen s<strong>in</strong>d zyl<strong>in</strong>drische<br />
o<strong>der</strong> wurzelförmige Implantate mit unterschiedlichen Gew<strong>in</strong>deformen<br />
etabliert. Die Gew<strong>in</strong>de können dabei als passive o<strong>der</strong> selbstschneidende Elemente<br />
ausgeführt se<strong>in</strong>.<br />
Die überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> Implantate ist als zweiteiliges System gestaltet,<br />
wobei <strong>der</strong> enossale Anteil mit e<strong>in</strong>em prothetischen Aufbau über Steck- o<strong>der</strong><br />
Schraubverb<strong>in</strong>dungen zusammengefügt werden kann. Durch die Trennung von<br />
enossalem Implantatanteil und prothetischem Aufbau wird die Gestaltung e<strong>in</strong>er<br />
funktionsgerechten, hygienefähigen und ästhetischen Suprakonstruktion erleichtert,<br />
da Divergenzen <strong>der</strong> Implantatachse und Abweichungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Implantatposition<br />
e<strong>in</strong>facher ausgeglichen werden können. Auch e<strong>in</strong>teilige Implantate, bei denen<br />
enossaler Anteil und prothetischer Aufbau aus e<strong>in</strong>em Stück gefertigt s<strong>in</strong>d,<br />
s<strong>in</strong>d verfügbar. Ihr E<strong>in</strong>satz ist aufgrund <strong>der</strong> limitierten Modifikationsmöglichkeiten<br />
des prothetischen Aufbaus e<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Prothetische Aufbauten s<strong>in</strong>d zumeist <strong>in</strong>dustriell präfabrizierte Komponenten aus<br />
Titan, Titanlegierungen o<strong>der</strong> aber auch aus edelmetallhaltigen Dentallegierungen.<br />
Für e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>geschränkten Indikationsbereich s<strong>in</strong>d auch vollkeramische Aufbauten<br />
auf <strong>der</strong> Basis von Alum<strong>in</strong>iumoxid o<strong>der</strong> teilstabilisiertem Zirkonoxid verfügbar.<br />
Vollkeramische Implantataufbauten s<strong>in</strong>d dabei <strong>in</strong> ihrer Indikation auf E<strong>in</strong>zelzahnversorgungen<br />
bevorzugt im Frontzahnbereich limitiert und bieten den Vorteil e<strong>in</strong>er<br />
verbesserten Ästhetik im Durchtrittsbereich des Aufbaus.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich des kl<strong>in</strong>ischen Behandlungsablaufes wird zwischen gedeckter Implantate<strong>in</strong>heilung<br />
und offener Implantate<strong>in</strong>heilung unterschieden. Mit e<strong>in</strong>igen Implantaten<br />
s<strong>in</strong>d beide Vergehensweisen möglich.<br />
Neben den rotationssymmetrischen Implantaten existieren auch noch blattförmige<br />
Extensionsimplantate die bei speziellen knöchernen Ausgangssituationen (z.B.<br />
schmaler Kieferkamm) e<strong>in</strong>gesetzt werden. Als Son<strong>der</strong>formen s<strong>in</strong>d die so genannten<br />
Diskimplantate o<strong>der</strong> Basal Osseo<strong>in</strong>tegrierte Implantate (BOI) zu bezeichnen.<br />
Die Anwendung dieser Implantate erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e spezielle Insertionstechnik und<br />
hat bislang nur e<strong>in</strong>en sehr begrenzten Anwen<strong>der</strong>kreis. Die Anwendung <strong>der</strong> Diskimplantate<br />
ist <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen Erfahrungsberichten dokumentiert, ihre Anwendung<br />
muss aufgrund <strong>der</strong> beschriebenen technischen und biologischen Komplikationen<br />
jedoch kritisch gesehen werden.<br />
Kritisch ist ebenfalls <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong>dividuell aus Kobalt-Chrom-Legierungen gegossener<br />
subperiostaler Implantate. Dieses Verfahren führt aufgrund <strong>der</strong> durch<br />
die fehlende Primärstabilität und die sofortige Belastung nicht zu vermeidenden<br />
Bewegung des Implantates, nicht zu e<strong>in</strong>er knöchernen Umbauung des Implantats<br />
son<strong>der</strong>n zur Ausbildung e<strong>in</strong>er B<strong>in</strong>degewebsmanschette. Unter Belastung kommt<br />
es somit zu e<strong>in</strong>er Druckatrophie und zu Resorptionsprozessen mit erheblicher<br />
66
Destruktion <strong>der</strong> Lagergewebe. Die Verwendung subperiostaler Gerüstimplantate<br />
gilt heute als obsolet.<br />
Als Keramikimplantate s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>zeit nur e<strong>in</strong>teilige Implantate auf <strong>der</strong> Basis von<br />
teilstabilisiertem Zirkonoxid erhältlich. Die Ausführung als e<strong>in</strong>teilige Implantate<br />
begrenzt die Modifikationsmöglichkeiten des prothetischen Aufbaus und damit<br />
auch die kl<strong>in</strong>ische Anwendungsbreite. Kl<strong>in</strong>ische Studien beziehen sich bislang nur<br />
auf e<strong>in</strong>en relativ kurzen Beobachtungszeitraum von 1 bis 2 Jahren. Aufgrund <strong>der</strong><br />
sehr begrenzten kl<strong>in</strong>ischen Daten ist im Augenblick ke<strong>in</strong>e evidenzbasierte Bewertung<br />
dieser Systeme möglich.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die reizlose knöcherne E<strong>in</strong>heilung und langfristige Funktion von Titanimplantaten<br />
ist unabhängig von <strong>der</strong> genutzten Oberflächenmodifikation kl<strong>in</strong>isch und histologisch<br />
belegt. E<strong>in</strong>e Oberflächenstrukturierung dient zur Erhöhung <strong>der</strong> Primärstabilität<br />
und ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei reduzierter Qualität des Implantatlagers e<strong>in</strong> erfolgsverbessern<strong>der</strong><br />
Parameter. Unter <strong>der</strong> Voraussetzung e<strong>in</strong>er Oberflächenstrukturierung<br />
mittlerer Rauhigkeit und e<strong>in</strong>es Implantatdesigns, welches e<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Primärstabilität erlaubt ist die Überlebensrate rotationssymmetrischer<br />
Titanimplantate systemübergreifend als sehr gut im Zeitraum von bis zu 10 Jahren<br />
zu bezeichnen. Konstruktionsbed<strong>in</strong>gte Unterschiede mit Auswirkungen auf<br />
die Komplikationshäufigkeit existieren beim Fügedesign (Implantat-Aufbau-<br />
Verb<strong>in</strong>dung). E<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>der</strong> Studien belegt, dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e prothetische<br />
Komplikationen bei Implantatsystemen mit externer Rotationssicherung (Hex-<br />
Systeme) auftreten können. Alternative Verb<strong>in</strong>dungssysteme mit verbessertem<br />
Rotationsschutz (<strong>in</strong>terne Rotationssicherung, Tube-<strong>in</strong>-Tube, Konusverb<strong>in</strong>dungen)<br />
s<strong>in</strong>d dabei <strong>in</strong> den komplikationsträchtigen Indikationen wie z.B. dem E<strong>in</strong>zelzahnersatz<br />
zu bevorzugen. Bei <strong>der</strong> Verankerung von herausnehmbarem Zahnersatz<br />
ist auf e<strong>in</strong>e form- und kraftschlüssige Verb<strong>in</strong>dung zwischen Implantat und<br />
Aufbau ohne übermäßige Belastung <strong>der</strong> Halteschraube zu achten. Tief <strong>in</strong> das Implantat<br />
greifende Verb<strong>in</strong>dungsstellen (Tube-<strong>in</strong>-Tube o<strong>der</strong> Konusverb<strong>in</strong>dung) s<strong>in</strong>d<br />
dabei zur Prävention von Schraubenlockerungen o<strong>der</strong> Brüchen zu bevorzugen.<br />
Materialbezogene Probleme (Frakturen) bei rotationssymmetrischen Titanimplantaten<br />
s<strong>in</strong>d bei den heute im Markt üblichen Durchmessern und Formen e<strong>in</strong>e seltene<br />
Komplikation, <strong>der</strong>en Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit im 10-Jahresbereich bei weniger als<br />
2 % liegt. Insgesamt zeigen dabei Implantate mit e<strong>in</strong>em Durchmesser < 3,5 mm<br />
e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit, so dass bei durchmesserreduzierten<br />
Implantaten (weniger als 3,5 mm) auf die bestimmungsgemäße Anwendung<br />
zu achten ist.<br />
Materialbezogene Komplikationen bei präfabrizierten metallischen Implantataufbauten<br />
gehören zu den sehr seltenen Komplikationen. Nicht funktionsgefährdende<br />
technische Komplikationen <strong>in</strong> Form von Schraubenlockerungen o<strong>der</strong> Retentionsverlusten<br />
treten im 10- Jahreszeitraum mit e<strong>in</strong>er Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit von 7 bis<br />
15 % auf. Die Patienten sollten daher über den entsprechenden Nachsorgeaufwand<br />
aufgeklärt werden. Vollkeramische Aufbauten s<strong>in</strong>d nur für den E<strong>in</strong>zelzahnersatz<br />
im Frontzahnbereich <strong>in</strong>diziert und zeigen demgegenüber e<strong>in</strong>e materialabhängige<br />
technische Komplikationsquote. Alum<strong>in</strong>iumoxidaufbauten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />
Studien über Beobachtungszeiträume von bis zu 5 Jahren dokumentiert.<br />
Die Frakturquote bei E<strong>in</strong>satz im Frontzahnbereich beträgt ca. 5 bis 7 %. Präfabrizierte<br />
Zirkonoxidaufbauten s<strong>in</strong>d ebenfalls im Frontzahnbereich kl<strong>in</strong>isch dokumentiert.<br />
Bei Beobachtungszeiträumen von 4 bis 5 Jahren zeigte sich e<strong>in</strong>e vergleich-<br />
67
are Erfolgsrate wie bei Titanaufbauten. Zudem zeigte sich bei den Zirkonoxidaufbauten<br />
e<strong>in</strong>e Tendenz zur besseren Regeneration <strong>der</strong> periimplantären Weichgewebe<br />
im Vergleich zu Titanabutments.<br />
Extensionsimplantate <strong>in</strong> Form von Blattimplantaten wurden bereits Ende <strong>der</strong> 60er<br />
Jahre des letzten Jahrtausends kl<strong>in</strong>isch angewendet und s<strong>in</strong>d auch heute noch als<br />
Implantatsysteme auf dem Markt. Blattimplantate erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Lagerpräparation,<br />
wodurch die erzielbare Primärstabilität reduziert wird. Aufgrund<br />
ihres reduzierten Durchmessers ist die Anwendung auch <strong>in</strong> schmalen Kieferabschnitten<br />
möglich. Die reduzierte Materialstärke erhöht jedoch an<strong>der</strong>erseits das<br />
Risiko von Materialfrakturen, über die <strong>in</strong> Kasuistiken auch mehrfach berichtet<br />
wird. Kl<strong>in</strong>ische Studien zeigen e<strong>in</strong>e relativ gute, kl<strong>in</strong>ische Langzeitbewährung.<br />
Kritisch ist jedoch die Explantationsmorbidität zu sehen. Die nach <strong>der</strong> Explantation<br />
unvermeidlichen Kieferdefekte machen e<strong>in</strong>e Neuversorgung chirurgisch anspruchsvoll<br />
und langwierig. Aus diesen Gründen ist die Indikation für Blattimplantate<br />
nur <strong>in</strong> begründeten Ausnahmefällen gegeben.<br />
Zu den Diskimplantaten, die auch als basal osseo<strong>in</strong>tegrierte Implantate (BOI-<br />
Imlantate) bezeichnet werden, existieren e<strong>in</strong>e Reihe von kl<strong>in</strong>ischen Datensammlungen<br />
die überwiegend retrospektive Studien darstellen. Aufgrund <strong>der</strong> nur begrenzten<br />
Anwen<strong>der</strong>gruppe ist auch im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Implantaten von e<strong>in</strong>er<br />
ger<strong>in</strong>gen Anwendungshäufigkeit auszugehen. Dem steht jedoch e<strong>in</strong>e erhebliche<br />
Anzahl von Misserfolgskasuistiken gegenüber. Technische Misserfolge <strong>in</strong><br />
Form von Implantatbrüchen und fehlen<strong>der</strong> knöcherner E<strong>in</strong>heilung bei Diskimplanten<br />
werden dabei dokumentiert. Kritisch ist dabei die erhebliche Destruktion <strong>der</strong><br />
knöchernen Lagergewebe im Falle e<strong>in</strong>er Explantation zu sehen, die e<strong>in</strong>e Neuversorgung<br />
erheblich erschwert. Bei den <strong>der</strong>zeitig verfügbaren kl<strong>in</strong>ischen Daten und<br />
<strong>der</strong> nur ger<strong>in</strong>gen Anwendungshäufigkeit müssen Diskimplantate <strong>in</strong> ihrer kl<strong>in</strong>ischen<br />
Wertigkeit sehr kritisch h<strong>in</strong>terfragt werden und gelten als Außenseitermethode.<br />
68
C 4 Präimplantologische Diagnostik, Planung und Aufklärung<br />
Die präimplantologische Diagnostik ergänzt die sonst üblichen diagnostischen<br />
Verfahren (Inspektion, dentaler und parodontaler Status, Funktionsanalyse) um<br />
spezielle Techniken zur Erfassung und Beurteilung des Hart- und Weichgewebsangebotes<br />
an den Implantationsorten.<br />
Zur Diagnostik des vertikalen Knochenangebotes ist die Panoramaschichtaufnahme<br />
mit Messreferenz als Basisdokumentation anzusehen, die gegebenenfalls<br />
durch folgende Projektionen ergänzt werden kann:<br />
- Enorale Zahnfilme<br />
- Fernröntgenseitenaufnahmen<br />
- Aufbissaufnahmen<br />
- NNH-Aufnahmen<br />
Die Bestimmung des horizontalen Knochenangebotes erfolgt durch <strong>in</strong>traorale<br />
Schleimhautdickenmessung und die Übertragung <strong>der</strong> Daten auf Sägeschnittmodelle.<br />
In speziellen Indikationen kann e<strong>in</strong>e dreidimensionale Darstellung <strong>der</strong> Knochenverhältnisse<br />
mit e<strong>in</strong>er Computertomographie o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er digitalen Volumentomographie<br />
erfolgen. Aufgrund <strong>der</strong> deutlich höheren Strahlenbelastung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
von CT-Aufnahmen ist bei <strong>der</strong> Anwendung immer auf die rechtfertigende Indikation<br />
im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Röntgenverordnung zu achten und e<strong>in</strong>e Risiko-Nutzen-Abwägung<br />
zu treffen. Der E<strong>in</strong>satz des digitalen Volumentomogramms ist unter dem<br />
Aspekt <strong>der</strong> Strahlenhygiene günstiger zu bewerten. Die Beurteilung des Knochenangebotes<br />
kann mittels dreidimensionaler, bildgeben<strong>der</strong> Verfahren die Basis<br />
für die Herstellung von Planungs- und Operationsschablone se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> aber bei<br />
e<strong>in</strong>er direkt computerassistierten (navigierten) Implantat<strong>in</strong>sertion e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden. Die Anwendung <strong>der</strong>artiger Verfahren ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aufgrund <strong>der</strong> genannten<br />
strahlenhygienischen Erwägungen auf Grenz<strong>in</strong>dikationen zu beschränken.<br />
Basierend auf Anamnese, Befund und Diagnostik erfolgt die prothetische Def<strong>in</strong>ition<br />
des Behandlungszieles, die bestimmend ist für die Festlegung <strong>der</strong> Zahl und<br />
Position <strong>der</strong> Implantate so wie eventuell ergänzend notwendige augmentative<br />
Maßnahmen. Mittelwertig montierte Planungsmodelle bilden die Grundlage <strong>der</strong><br />
prothetischen Planung.<br />
Die e<strong>in</strong>artikulierten Planungsmodelle erlauben e<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> dreidimensionalen<br />
Lagebeziehung zwischen Ober- und Unterkiefer. Die prothetische Planung<br />
sollte zur optimalen Implantatpositionierung auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>er diagnostischen<br />
Wachs- o<strong>der</strong> Kunststoffmodellation <strong>der</strong> prospektiven Suprakonstruktion erfolgen.<br />
Die diagnostische Simulation def<strong>in</strong>iert die für das Austrittsprofil <strong>der</strong> implantatgetragene<br />
Restauration optimale Implantatpositionierung und Achsneigung und ermöglicht<br />
Rückschlüsse auf Defizite im Bereich <strong>der</strong> periimplantären Hart- und<br />
Weichgewebe. Hierdurch ist das rechtzeitige Ergreifen korrektiver Maßnahmen<br />
(Umplanung, Augmentationen) möglich.<br />
69
Die Übertragung <strong>der</strong> Implantatplanung <strong>in</strong> die <strong>in</strong>traoperative Situation erfolgt<br />
standardmäßig mit laborgefertigten Operationsschablonen. Diese sollen die aus<br />
prothetischer Sicht optimale Position und Achsneigung e<strong>in</strong>deutig referenzieren<br />
und können auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> diagnostischen Simulation gefertigt werden. Operationsschablonen,<br />
die aufgrund e<strong>in</strong>er dreidimensionalen bildgebenden Diagnostik<br />
mittels spezieller Planungssoftware gefertigt werden s<strong>in</strong>d ebenso, wie die direkte<br />
<strong>in</strong>traoperative Navigation, nur für spezielle Grenz<strong>in</strong>dikationen <strong>in</strong>diziert.<br />
Bei <strong>der</strong> Versorgung mit dentalen Implantaten handelt es sich um e<strong>in</strong>en elektiven<br />
E<strong>in</strong>griff, so dass <strong>der</strong> präoperativen Aufklärung aus forensischen Gesichtspunkten<br />
e<strong>in</strong>e große Bedeutung zukommt. Der Patient soll durch die umfassende Aufklärung<br />
<strong>in</strong> die Lage versetzt werden die Diagnose, die mögliche Therapie und Behandlungsalternativen<br />
zu verstehen. Die Durchführung e<strong>in</strong>er Implantat<strong>in</strong>sertion<br />
erfor<strong>der</strong>t immer e<strong>in</strong>e präoperative zeitlich vom geplanten E<strong>in</strong>griff unabhängige<br />
E<strong>in</strong>verständniserklärung des Patienten. Das Aufklärungsgespräch sollte folgende<br />
dokumentierte Elemente umfassen:<br />
- Diagnose<br />
- Behandlungsalternativen<br />
- Risiken<br />
- Verlauf<br />
- Verhaltensempfehlungen<br />
- Wirtschaftliche Aspekte.<br />
Per Unterschrift bestätigt <strong>der</strong> Patient, dass er ausreichend und umfassend aufgeklärt<br />
worden ist, dass er die Aufklärung verstanden hat und dass er <strong>in</strong> die Behandlung<br />
e<strong>in</strong>willigt.<br />
70
C 5 Sofortimplantation, verzögerte Sofortimplantation<br />
und Spätimplantation<br />
Bei <strong>der</strong> implantat-prothetischen Versorgung werden je nach dem Zeitpunkt <strong>der</strong><br />
Implantation unterschiedliche Konzepte diskutiert. E<strong>in</strong>e Klassifikation nach dem<br />
Implantationszeitpunkt liegt von Mayfield (1999) vor:<br />
- Immediate (Sofortimplantation): Insertion des Implantates <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
ersten Woche nach Extraktion<br />
- Delayed (verzögerte Sofortimplantation o<strong>der</strong> Frühimplantation): Implantat<strong>in</strong>sertion<br />
6 bis 10 Wochen nach <strong>der</strong> Extraktion<br />
- Late (Spätimplantation): Implantation frühestens 6 Monate nach <strong>der</strong> Extraktion<br />
Das Verfahren <strong>der</strong> Spätimplantation ist h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er kl<strong>in</strong>ischen Überlebens-<br />
und Erfolgsprognosen am besten dokumentiert und dient somit als Vergleichsstandard<br />
für die Sofortimplantation, die verzögerte Sofortimplantation o<strong>der</strong> die<br />
Frühimplantation.<br />
a) Sofortimplantation<br />
Die Sofortimplantation wird überwiegend als e<strong>in</strong>zeitiges Vorgehen mit <strong>der</strong> Implantat<strong>in</strong>sertion<br />
im Rahmen des Extraktionse<strong>in</strong>griffes def<strong>in</strong>iert. Kl<strong>in</strong>ische, radiologische<br />
und histologische Untersuchungen zur Heilung an <strong>der</strong> Extraktionsstelle<br />
zeigen, dass <strong>der</strong> Knochen außerhalb <strong>der</strong> ursprünglichen Alveolenwände resorbiert,<br />
während er sich <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Alveole regeneriert. Dieser Heilungsverlauf<br />
bietet die Grundlage für e<strong>in</strong>e Osseo<strong>in</strong>tegration von Sofortimplantaten.<br />
Als Vorteil <strong>der</strong> Sofortimplantation werden genannt:<br />
- Kürzere Behandlungsdauer<br />
- Höherer Patientenkomfort<br />
Nachteile <strong>der</strong> Sofortimplantation:<br />
- Morphologisch erschwerte Positionierung und Verankerung des Implantates<br />
- Zu wenig kerat<strong>in</strong>isierte Mukosa zum Lappenschluss<br />
- Risiko von G<strong>in</strong>giva-Rezessionen bei dünnen parodontalen Gewebetypen<br />
Indikation<br />
Alle Patienten für die Sofortimplantation sollten dieselben allgeme<strong>in</strong>en Kriterien<br />
erfüllen wie Implantatpatienten mit verzögerter o<strong>der</strong> später Implantation. Grundsätzlich<br />
s<strong>in</strong>d Sofortimplantationen im Front- und Seitenzahnbereich des Ober-<br />
o<strong>der</strong> Unterkiefers möglich. Das umliegende Hart- und Weichgewebe sollte bei <strong>der</strong><br />
Extraktion weitestgehend unversehrt bleiben. Zähne mit mehreren Wurzeln sollten<br />
segmentiert werden, Granulationsgewebe ist restlos aus <strong>der</strong> Alveole zu entfernen.<br />
Indikationse<strong>in</strong>schränkung<br />
Wenn die Morphologie des Restknochens verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass e<strong>in</strong> angemessen großes<br />
Implantat <strong>in</strong> prothetisch günstiger Position primärstabil verankert werden<br />
kann, ist e<strong>in</strong>e Sofortimplantation nicht möglich.<br />
71
Bei e<strong>in</strong>er Beschädigung <strong>der</strong> bukkalen Knochenlamelle wird von e<strong>in</strong>er Sofortimplantation<br />
abgeraten. Vielmehr sollte e<strong>in</strong>e Augmentation erfolgen und e<strong>in</strong>e verzögerte<br />
o<strong>der</strong> späte Implantation erfolgen.<br />
Risikofaktoren<br />
Bei Patienten mit dünner, girlandenförmiger G<strong>in</strong>giva besteht e<strong>in</strong> hohes Risiko von<br />
bukkaler Knochenresorption und marg<strong>in</strong>aler Gewebsrezession. Sofortimplantationen<br />
sollten daher auch bei <strong>in</strong>takter bukkaler Knochenlamelle durch augmentative<br />
Maßnahmen ergänzt werden<br />
Bei Patienten mit dicker G<strong>in</strong>giva ist die Resorptionsgefahr ger<strong>in</strong>ger, so dass sich<br />
bei <strong>in</strong>takter bukkaler Kortikalis augmentative Maßnahmen erübrigen.<br />
E<strong>in</strong> Kontakt des Implantates mit <strong>der</strong> bukkalen Lamelle ist zur Resorptionsprophylaxe<br />
zu vermeiden.<br />
Implantate mit rauer Titanoberfläche heilen bei e<strong>in</strong>em horizontalen Defekt (periimplantärer<br />
Spalt) von maximal 2 mm spontan e<strong>in</strong>. Bei periimplantären Spalten<br />
über 2 mm o<strong>der</strong> geschädigten Alveolenwänden können Barrieremembranen<br />
und/o<strong>der</strong> membranstützende Materialien e<strong>in</strong>en wirksamen Beitrag zu <strong>Knochenregeneration</strong><br />
und E<strong>in</strong>heilung des Implantates leisten.<br />
Über den E<strong>in</strong>satz von Antibiotika bei implantologischen Behandlungen liegen aus<br />
<strong>der</strong> Literatur ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutigen Aussagen vor. Man ist sich aber e<strong>in</strong>ig, dass Antibiotika<br />
vorteilhaft s<strong>in</strong>d, wenn ergänzende Augmentationstechniken durchgeführt<br />
werden.<br />
b) Verzögerte Sofortimplantation<br />
Die verzögerte Sofortimplantation erfolgt ca. 6 bis 10 Wochen nach <strong>der</strong> Extraktion.<br />
Zu diesem Zeitpunkt ist die Alveole bereits vollständig mit Epithel überzogen<br />
und <strong>der</strong> Defekt füllt sich bis zur 10. Woche zunehmend mit Knochen. Die verzögerte<br />
Sofortimplantation erfolgt also zu e<strong>in</strong>er Zeit hoher osteogener Aktivität.<br />
Vorteile <strong>der</strong> verzögerten Sofortimplantation:<br />
- E<strong>in</strong> erhöhtes Weichteilangebot erleichtert die Lappenmanipulation und den<br />
Wundverschluss<br />
- Das Ausheilen lokaler Entzündungsprozesse kann verifiziert werden<br />
Nachteilige Faktoren:<br />
- Mögliche Notwendigkeit zusätzlicher augmentativer Maßnahmen durch <strong>in</strong>itiale<br />
Knochenresorption, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> bukkol<strong>in</strong>gualer Richtung<br />
- Im Vergleich zur Sofortimplantation verlängerte Behandlungsdauer<br />
- Die Implantatpositionierung und -verankerung kann über die Knochenmorphologie<br />
erschwert werden<br />
Im ästhetisch relevanten Bereich ist bei e<strong>in</strong>er verzögerten Sofortimplantation die<br />
Stützung <strong>der</strong> Weichgewebe über e<strong>in</strong>e entsprechende provisorische Versorgung<br />
(Adhäsivbrücke o<strong>der</strong> starr gelagerte abnehmbare Versorgung) sicherzustellen<br />
72
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Sofort- und Frühimplantationen s<strong>in</strong>d nach den vorliegenden Daten als zuverlässige<br />
Therapie e<strong>in</strong>zustufen. Die Überlebensraten dieser Implantate s<strong>in</strong>d ähnlich<br />
hoch wie bei Implantationen im ausgeheilten Knochen. Es wurden Vergleichsstudien<br />
zwischen Sofortimplantaten und Spätimplantaten und auch für Früh- und<br />
Spätimplantate mit Beobachtungszeiträumen von 1 bis 5 Jahren durchgeführt.<br />
Die Vergleichsdaten zeigten ke<strong>in</strong>e statistischen Unterschiede zwischen den Überlebensraten<br />
all dieser Implantationszeitpunkte. Beobachtungszeiträume von 1 bis<br />
4,5 Jahren erbrachten bei Knochenkammniveau und Sondierungstiefe ke<strong>in</strong>e signifikanten<br />
Unterschiede zwischen Sofort-, Früh- und Spätimplantaten. Aus den<br />
meisten Arbeiten geht hervor, dass sich die periimplantären Defekte nach Sofortimplantation<br />
unabhängig von <strong>der</strong> implantologischen Vorgehensweise (gedeckt<br />
o<strong>der</strong> ungedeckt) mit Knochen füllten. Größere horizontale Defekte (> 2 mm) erfor<strong>der</strong>n<br />
den E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>er Augmentationstechnik, wobei nicht resorbierbare Membranen<br />
e<strong>in</strong>e höhere Expositionstendenz zeigen als resorbierbare Kollagenmembranen.<br />
Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Überlebensrate von Implantaten<br />
nach Extraktion von wurzelfrakturierten, perforieren o<strong>der</strong> endodontisch-parodontal<br />
geschädigten Zähnen ähnlich hoch ist wie die Überlebensrate von Implantaten,<br />
die <strong>in</strong> ausgeheiltem Knochen <strong>in</strong>seriert werden.<br />
Implantate, die im Bereich von Zähnen mit chronischer Parodontitis gesetzt werden,<br />
zeigen höhere Misserfolgsraten. Def<strong>in</strong>itive Schlüsse zu den kl<strong>in</strong>ischen Auswirkungen<br />
von lokalen Erkrankungen aus Sofortimplantationen können aus heutiger<br />
Sicht noch nicht gezogen werden. In Zweifelfällen ist daher e<strong>in</strong> mehrstufiges<br />
Vorgehen anzuraten. Lokalisierte pathologische Prozesse können zu Defekten<br />
an den Knochenwänden und Dehiszenzdefekten führen. Solche Defekte können<br />
e<strong>in</strong>e Knochenregenration verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, außerdem erhöhen Sofortimplantate an<br />
diesen Stellen das Risiko von Langzeitkomplikationen (G<strong>in</strong>giva-Rezessionen).<br />
Insbeson<strong>der</strong>e im ästhetisch relevanten Frontzahnbereich ist daher das Vorliegen<br />
solcher Defekte vor e<strong>in</strong>er Sofortimplantation sicher auszuschließen. Zudem ist<br />
auch die Position des Implantates <strong>in</strong> Relation zur Alveole e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Erfolgsfaktor.<br />
Die Implantate sollten daher unter deutlicher Entlastung <strong>der</strong> resorptionsgefährdeten<br />
bukkalen Knochenwand gesetzt werden.<br />
Es ist kritisch anzumerken, dass ke<strong>in</strong>e aktuellen Daten zum kl<strong>in</strong>ischen Langzeiterfolg<br />
von Sofortimplantaten im Bereich von 5 bis 10 Jahren vorliegen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
im ästhetisch relevanten Bereich ist die Indikation zur Sofortimplantation<br />
aufgrund <strong>der</strong> bekannten Problematik von Weichgewebe-Alterationen weiterh<strong>in</strong><br />
kritisch zu stellen. Im Zweifelsfall ist e<strong>in</strong>em zweistufigen Vorgehen <strong>der</strong> Vorzug zu<br />
geben.<br />
73
C 6 Sofort- und Frühbelastung enossaler Dentalimplantate<br />
E<strong>in</strong>e Primärstabilität und verzögerte Belastung rund 3 bis 6 Monate nach <strong>der</strong> Implantat<strong>in</strong>sertion<br />
gelten seit Jahren als Voraussetzung für die Osseo<strong>in</strong>tegration<br />
von Dentalimplantaten. Modifizierte Belastungsprotokolle für Dentalimplantate<br />
s<strong>in</strong>d seit Jahren Gegenstand <strong>der</strong> implantologischen Forschung, dabei s<strong>in</strong>d die folgenden<br />
Belastungsformen def<strong>in</strong>iert:<br />
- Sofortversorgung: E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>n von Zahnersatz ohne Okklusionskontakt bis<br />
spätestens 48 Stunden nach <strong>der</strong> Implantation<br />
- Sofortbelastung: E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>n von Zahnersatz mit Okklusionskontakt (kaufunktionelle<br />
Sofortbelastung) bis spätestens 48 Stunden nach <strong>der</strong> Implantation<br />
- Frühbelastung: E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung von Zahnersatz mit Okklusionskontakt frühestens<br />
72 Stunden und spätestens 3 Monate nach <strong>der</strong> Implantation<br />
Indikationen <strong>der</strong> Sofortversorgung und Sofortbelastung:<br />
Das Erzielen e<strong>in</strong>er ausreichenden Primärstabilität ist die Voraussetzung für e<strong>in</strong>e<br />
Sofortbelastung von enossalen Implantaten. Diese wird bee<strong>in</strong>flusst durch:<br />
- Knochenqualität<br />
- Implantatdesign<br />
- Chirurgische Technik<br />
Herstellerspezifische Drehmomentwerte zur Objektivierung <strong>der</strong> Primärstabilität<br />
s<strong>in</strong>d zu berücksichtigen und zu dokumentieren. E<strong>in</strong>e Verblockung <strong>der</strong> Implantate<br />
ist empfehlenswert. Begleitende Augmentationen bei e<strong>in</strong>er geplanten Sofortbelastung<br />
– außer zur Verbesserung <strong>der</strong> Weichteilsituation – sollten auf Ausnahmefälle<br />
begrenzt bleiben.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Sofortbelastung dürfen nur Dentalimplantate verwendet werden,<br />
für die diese Therapie im S<strong>in</strong>ne des Mediz<strong>in</strong>produktegesetzes e<strong>in</strong>e bestimmungsgemäße<br />
Anwendung darstellt.<br />
Als Risikofaktoren e<strong>in</strong>er Sofortbelastung gelten:<br />
- Starke funktionelle o<strong>der</strong> parafunktionelle Kräfte<br />
- Schlechte Knochenqualität o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>ges Knochenvolumen<br />
- Vorliegen von Infektionen<br />
- Belastung durch antagonistische Bezahnung<br />
Als Entscheidungskriterien für e<strong>in</strong>e Sofortbelastung werden diskutiert:<br />
- Zeitpunkt <strong>der</strong> Implantat<strong>in</strong>sertion<br />
Zahnloser Unterkiefer:<br />
- 4 <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>ale Implantate ausreichen<strong>der</strong> Länge (m<strong>in</strong>destens 10 mm)<br />
mit primärer Verblockung durch e<strong>in</strong>en Steg und E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er Deckprothese.<br />
74
- Alternativ kann auch e<strong>in</strong>e bogenförmige sekundäre Stabilisierung <strong>der</strong> Implantate<br />
durch Doppelkronen erzielt werden.<br />
Zahnloser Oberkiefer:<br />
- Ke<strong>in</strong>e Empfehlung zur rout<strong>in</strong>emäßigen Anwendung<br />
Teilbezahnter Ober- und Unterkiefer:<br />
- Ke<strong>in</strong>e Empfehlung zur rout<strong>in</strong>emäßigen Anwendung<br />
Indikationen <strong>der</strong> Frühversorgung und Frühbelastung<br />
Als Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e Frühbelastung enossaler Implantate gilt, dass diese<br />
über e<strong>in</strong>e raue Titanoberfläche verfügen und m<strong>in</strong>destens 6 Wochen e<strong>in</strong>heilen<br />
können. Im Rahmen <strong>der</strong> Frühbelastung dürfen nur Dentalimplantate verwendet<br />
werden, für die diese Therapie im S<strong>in</strong>ne des Mediz<strong>in</strong>produktegesetzes e<strong>in</strong>e bestimmungsgemäße<br />
Anwendung darstellt.<br />
Zahnloser Unterkiefer:<br />
- Z.B. 2 <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>ale Implantate ausreichen<strong>der</strong> Länge (m<strong>in</strong>destens<br />
10 mm) mit o<strong>der</strong> ohne verblockendem Steg und E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er Deckprothese<br />
- Z. B. 4 <strong>in</strong>terforam<strong>in</strong>ale Implantate mit o<strong>der</strong> ohne verblockenden Steg und<br />
E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er Deckprothese.<br />
- Z.B. e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung festsitzen<strong>der</strong> Extensionsbrücken mit e<strong>in</strong>em starr<br />
verblockenden Gerüst, wobei die Extensionslänge e<strong>in</strong>e Prämolarenbreite<br />
nicht überschreiten sollte, ist <strong>in</strong> begründeten Ausnahmefällen <strong>in</strong>diziert<br />
- Z.B. 4 bis 6 Implantate mit e<strong>in</strong>er festsitzenden Brücke auf e<strong>in</strong>em verblockenden<br />
Gerüst<br />
Zahnloser Oberkiefer:<br />
- Z.B. 4 Implantate mit o<strong>der</strong> ohne verblockenden Steg. Die Implantationsstellen<br />
sollen dabei e<strong>in</strong>e Knochendichte vom Typ 1, 2, 3 aufweisen<br />
- Z.B. 6 Implantate mit e<strong>in</strong>er festsitzenden Brücke auf e<strong>in</strong>em verblockenden<br />
Gerüst<br />
Teilbezahnter Ober- und Unterkiefer:<br />
- Festsitzende Kronen und Brücken, wobei bei <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> notwendigen<br />
Implantatanzahl die Qualität und Quantität des Kieferknochens und die<br />
Zahl <strong>der</strong> zu ersetzenden Zähne ebenso e<strong>in</strong>e Rolle spielt wie <strong>der</strong> Zustand<br />
<strong>der</strong> Gegenbezahnung und eventuelle parafunktionelle Störungen<br />
- Insbeson<strong>der</strong>e bei Kumulation e<strong>in</strong>zelner prognostisch ungünstiger Faktoren<br />
ist die konventionelle Spätbelastung vorzuziehen<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Sofortbelastung<br />
Mittlerweile ist die Sofortbelastung im zahnlosen Unterkiefer wissenschaftlich anerkannt.<br />
Bereits <strong>in</strong> den Jahren 1979 und 1983 publizierte Le<strong>der</strong>mann die ersten<br />
75
Erfahrungen mit implantatgetragenen Deckprothesen <strong>in</strong> Sofortbelastung. Die Sofortbelastung<br />
mit Deckprothesen im zahnlosen Unterkiefer stellt mittlerweile e<strong>in</strong>e<br />
berechenbare und gut dokumentierte Behandlungsoption dar. Für diese Indikation<br />
liegen randomisierte kontrollierte Studien vor, die durchschnittliche Überlebensraten<br />
von 97 % im 10-Jahreszeitraum belegen (Evidenzgrad 2). Die Überlebensraten<br />
für sofortbelastete Deckprothesen im zahnlosen Unterkiefer (96,9 %)<br />
liegen dabei im gleichen Bereich wie konventionell spät belastete Konstruktionen<br />
(98,5 %). Auch die Sofortbelastung des zahnlosen Unterkiefers mit festsitzenden<br />
provisorischen Brücken ist unter <strong>der</strong> Voraussetzung e<strong>in</strong>er ausreichenden Anzahl<br />
von Implantaten (m<strong>in</strong>destens 6) e<strong>in</strong>e vorhersagbare und gut dokumentierte Behandlungsoption<br />
(Evidenzgrad 3).<br />
Zur Sofortbelastung von Implantaten mit Deckprothesen im zahnlosen Oberkiefer<br />
existieren <strong>der</strong>zeit nur wenige kl<strong>in</strong>ische Daten, so dass diese Behandlungsform<br />
aus heutiger Sicht noch nicht als ausreichend abgesichert gelten kann.<br />
Die Sofortversorgung und die Sofortbelastung im teilbezahnten Kiefer mit festsitzen<strong>der</strong><br />
Prothetik waren Gegenstand mehrerer kl<strong>in</strong>ischer Untersuchungen. Solche<br />
Behandlungen erfor<strong>der</strong>n nach dem heutigen Kenntnisstand e<strong>in</strong>e überaus sorgfältige<br />
Planung:<br />
- Es dürfen ke<strong>in</strong>e Parafunktionen vorhanden se<strong>in</strong><br />
- Es sollen Schraubenimplantate mit rauer Oberfläche e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />
- Es muss e<strong>in</strong>e sehr gute Primärstabilität erreicht werden (E<strong>in</strong>drehmoment,<br />
Periotest- und RFA-Messwerte s<strong>in</strong>d zu dokumentieren)<br />
- Knochendichte vom Typ 1 o<strong>der</strong> 2<br />
- Es kann vom Patienten für e<strong>in</strong>en Zeitraum von 10 Tagen ausschließlich<br />
Flüssigkost und <strong>in</strong>sgesamt für 6 Wochen nur weiche Kost zu sich genommen<br />
werden<br />
Bei E<strong>in</strong>zelzahnversorgungen im Ober- und Unterkiefer werden bei Sofortversorgungen<br />
bislang Überlebensraten dokumentiert, die mit den Daten von Spätversorgungen<br />
vergleichbar s<strong>in</strong>d. Die bislang publizierten Daten beziehen sich jedoch<br />
nur auf relativ kurze Beobachtungszeiträume und umfassen nur ger<strong>in</strong>ge Fallzahlen.<br />
Trotz <strong>der</strong> guten Dokumentation <strong>der</strong> Sofortversorgung von E<strong>in</strong>zelzahnlücken im<br />
Frontzahnbereich ist <strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong>e evidenz-basierte Aussage möglich. Die übrigen<br />
Indikationen für Sofortbelastungen im teilbezahnten Kiefer zeigen ebenfalls nur<br />
e<strong>in</strong>e unzureichende Dokumentation, so dass aufgrund <strong>der</strong> bislang vorliegenden<br />
Daten die Sofortbelastung im teilbezahnten Kiefer noch nicht als Rout<strong>in</strong>everfahren<br />
zu bewerten ist.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> laufenden kl<strong>in</strong>ischen Untersuchungen auf dem Gebiet<br />
<strong>der</strong> Sofortbelastung ist mit zunehmen<strong>der</strong> Erkenntnis auch e<strong>in</strong>e zeitnahe Neubewertung,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Sofortversorgung von E<strong>in</strong>zelzahnersatz, wahrsche<strong>in</strong>lich.<br />
76
Frühbelastung<br />
Gut dokumentiert dagegen ist das Konzept <strong>der</strong> Frühversorgung und -belastung<br />
mit festsitzen<strong>der</strong> Prothetik im teilbezahnten und im zahnlosen Kiefer. Allgeme<strong>in</strong><br />
gelten dabei für die Frühbelastung die folgenden Voraussetzungen:<br />
- Die Implantate müssen e<strong>in</strong>e raue Titanoberfläche aufweisen<br />
- Die E<strong>in</strong>heildauer soll 6 bis 8 Wochen betragen<br />
Nach <strong>der</strong> bisherigen Datenlage liefert die Frühversorgung/-belastung unter diesen<br />
Voraussetzungen berechenbare Resultate, die ähnlich positiv zu werten s<strong>in</strong>d<br />
wie bei e<strong>in</strong>er konventionellen Spätversorgung. Es ist jedoch zu berücksichtigen,<br />
dass die Beobachtungszeiträume sämtlicher Studien noch im kurz- und mittelfristigen<br />
Bereich liegen, so dass bei <strong>der</strong> Indikationsstellung im Zweifelsfall e<strong>in</strong>e konventionelle<br />
Spätversorgung vorzuziehen ist.<br />
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86
D Augmentationsverfahren<br />
E<strong>in</strong> ausreichend dimensioniertes und regelrecht strukturiertes Hartgewebelager<br />
ist neben e<strong>in</strong>er adäquaten kaufunktionellen Belastung und e<strong>in</strong>er entzündungsfreien,<br />
periimplantären Weichgewebesituation e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Prognosefaktor.<br />
Defizite des Hartgewebelagers betreffen das Knochenvolumen <strong>in</strong> vertikaler<br />
und transversaler Dimension, die Knochenstruktur, die Knochenvitalität und die<br />
Vaskularisation des Hartgewebes und <strong>der</strong> bedeckenden Weichgewebe.<br />
In Abhängigkeit vom Implantationssystem können enossale Implantate im extrem<br />
atrophischen teil- o<strong>der</strong> unbezahnten Unterkiefer bis zu e<strong>in</strong>em vertikalen<br />
Restknochenangebot von 7 bis 10 mm und e<strong>in</strong>er Knochenbreite von m<strong>in</strong>destens<br />
5 bis 6 mm e<strong>in</strong>gesetzt werden. Im Oberkiefer gelten Implantationen erst ab e<strong>in</strong>em<br />
ortsständigen vertikalen Knochenangebot von mehr als 10 mm und e<strong>in</strong>er<br />
Knochenbreite von mehr als 5 bis 6 mm als prognostisch günstig, da sich bei e<strong>in</strong>em<br />
ger<strong>in</strong>geren Lagerknochenangebot die Erfolgssicherheit <strong>der</strong> Implantate deutlich<br />
verschlechtert. Die Folgen funktioneller Überbelastung o<strong>der</strong> unzulänglicher<br />
knöcherner Verankerung bei e<strong>in</strong>em unzureichenden ortsständigen Knochenangebot<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
- Periimplantärer Knochenverlust<br />
- Verlust <strong>der</strong> Osseo<strong>in</strong>tegration<br />
- Implantatverlust, selbst dann, wenn das Implantat zunächst osseo<strong>in</strong>tegriert<br />
e<strong>in</strong>geheilt war<br />
Bei e<strong>in</strong>em für enossale Implantate unzureichenden Knochenangebot können<br />
räumlich begrenzte Knochendefekte durch die Möglichkeit <strong>der</strong> gesteuerten <strong>Knochenregeneration</strong><br />
(GBR) wie<strong>der</strong> regeneriert werden. Größere knöcherne Substanzverluste<br />
lassen sich aufbauen durch:<br />
- Knochentransplantate<br />
- Knochenersatzmaterialien zur Augmentation<br />
- Distraktionsverfahren zum Aufbau atrophierter Kieferabschnitte des Ober-<br />
und Unterkiefers.<br />
87
D 1 Augmentationsmaterialien<br />
Die verschiedenen Augmentationsmaterialien werden nach ihrer Herkunft klassifiziert:<br />
Transplantatart<br />
Autotransplantat<br />
(autogenes Transplan-<br />
tat)<br />
Isotransplantat<br />
(isogenes Transplan-<br />
tat)<br />
Allotransplantat<br />
(allogenes Transplan-<br />
tat)<br />
Xenotransplantat<br />
(xenogenes Transplan-<br />
tat)<br />
Alloplastik<br />
(alloplastisches Material)<br />
Herkunft des Transplantates; Reaktion des Empfängers<br />
Spen<strong>der</strong> und Empfänger s<strong>in</strong>d identisch<br />
Ke<strong>in</strong>e Abstoßungsreaktion<br />
Spen<strong>der</strong> und Empfänger s<strong>in</strong>d genetisch identisch<br />
Ke<strong>in</strong>e bzw. schwache zelluläre Abstoßungsreaktion<br />
Spen<strong>der</strong> und Empfänger s<strong>in</strong>d genetisch different, gehören<br />
aber <strong>der</strong>selben Spezies an<br />
Zelluläre und humorale Abstoßungsreaktion<br />
Spen<strong>der</strong> und Empfänger s<strong>in</strong>d genetisch different, sie<br />
gehören verschiedenen Spezies an<br />
Humorale, selten zelluläre Abstoßungsreaktion<br />
Ersatz körpereigenen Gewebes durch künstlich hergestellte<br />
Materialien<br />
Ke<strong>in</strong>e Abstoßungsreaktion<br />
Osteo<strong>in</strong>duktive Materialien<br />
Autogene Knochentransplantate<br />
Autogener Knochen ist wegen se<strong>in</strong>er osteogenetischen, -<strong>in</strong>duktiven und -konduktiven<br />
Eigenschaften nach wie vor das hochwertigste Augmentationsmaterial.<br />
Zudem besteht nicht die Gefahr e<strong>in</strong>er Infektionsübertragung auf den Patienten<br />
durch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>fizierten Knochenspen<strong>der</strong>. E<strong>in</strong>e immunologische Transplantatabstoßung<br />
kann deshalb nicht auftreten.<br />
Nachteile s<strong>in</strong>d jedoch <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>liche Zweite<strong>in</strong>griff zur Transplantathebung und<br />
die zum<strong>in</strong>dest bei enoralen Spen<strong>der</strong>regionen begrenzte Menge verfügbaren<br />
Transferknochens. Die Wirkungsweise <strong>der</strong> autogenen Knochentransplantate beruht<br />
im Wesentlichen auf drei Mechanismen:<br />
- Osteogenese<br />
- Osteokonduktion<br />
- Osteo<strong>in</strong>duktion<br />
Im Verlauf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heilung wird <strong>der</strong> gesamte transplantierte Knochen resorbiert<br />
und sukzessive neu aufgebaut. Der Ablauf dieser Integrationsvorgänge hängt<br />
von <strong>der</strong> Vaskularisation <strong>der</strong> Lagergewebe und von <strong>der</strong> mechanischen Ruhe ab.<br />
Die E<strong>in</strong>heilung des autogenen Knochens verläuft <strong>in</strong> mehreren Phasen, wobei zunächst<br />
die kapilläre E<strong>in</strong>sprossung aus dem umgebenden Lagergewebe erfolgt.<br />
Die angesprochenen E<strong>in</strong>bauvorgänge führen zu e<strong>in</strong>em Volumenverlust, so dass<br />
stets e<strong>in</strong>e gewisse Überkonturierung des Knochentransplantates s<strong>in</strong>nvoll ist. Enchondral<br />
vorgebildeter Knochen wird schneller umgebaut und resorbiert als<br />
membranös vorgebildeter Knochen. Beson<strong>der</strong>e Bedeutung hat die Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> Transplantate für <strong>der</strong>en Volumenkonstanz bzw. die Resorption des Trans-<br />
88
plantates. Mit Osteosynthesematerialien stabilisierte Transplantate zeigen weniger<br />
Resorption als nicht fixierte Transplantate. Die Zeit des vollständigen E<strong>in</strong>baus<br />
von autogenem Knochen beträgt 6 bis 12 Monate.<br />
Der Erfolg e<strong>in</strong>er avaskulären Knochentransplantation wird maßgeblich bee<strong>in</strong>flusst<br />
durch:<br />
- die Vaskularisation des Transplantatlagers<br />
- e<strong>in</strong>e große Knochenanlagerungsfläche<br />
- e<strong>in</strong>e sichere Stabilisierung<br />
Hierdurch wird e<strong>in</strong>e Diffusion und Revaskularisation zur knöchernen Durchbauung<br />
<strong>der</strong> transplantierten Knochenmatrix sichergestellt.<br />
Die simultane Implantat<strong>in</strong>sertion ist möglich, wenn e<strong>in</strong>e ausreichende Stabilität<br />
des Implantats im ortsständigen Restknochen gegeben ist. Fehlt diese Voraussetzung,<br />
so ist zweizeitig vorzugehen. Die Implantation erfolgt <strong>in</strong> diesen Fällen<br />
erst nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>bauphase des Knochentransplantats von 3 bis 5 Monaten. Vorteil<br />
<strong>der</strong> gleichzeitigen Implantation ist, dass e<strong>in</strong>e funktionelle Belastung des aufgebauten<br />
Knochens früher erfolgen kann.<br />
Als Spen<strong>der</strong>areale kommen neben dem Tuber maxillae alle Unterkieferabschnitte<br />
<strong>in</strong> Betracht, die auf e<strong>in</strong>fachem Wege von <strong>in</strong>traoral operativ zugänglich s<strong>in</strong>d, wie<br />
die Retromolarregion, <strong>der</strong> Kieferw<strong>in</strong>kel und die Unterkiefersymphyse. Das gewonnene<br />
Knochenvolumen ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ausreichend für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige S<strong>in</strong>usbodenaugmentation<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Auf- und/o<strong>der</strong> Anlagerungsosteoplastik von 1 bis 3<br />
Implantatregionen.<br />
Die Größe des <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>nregion zur Verfügung stehenden Transplantatvolumens<br />
unterliegt starken <strong>in</strong>dividuellen Schwankungen und hängt von <strong>der</strong> vertikalen Höhe<br />
des Unterkiefers ab. Es ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel monokortikaler Knochen für e<strong>in</strong>e An-<br />
und Auflagerungsplastik von 2 bis 3 Implantatregionen bzw. e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige S<strong>in</strong>usbodenaugmentation<br />
zu gew<strong>in</strong>nen. Das retromolare Knochenangebot reicht<br />
dagegen meist nur für 1 bis 2 Implantatregionen. Da zusätzlich zur Gefahr <strong>der</strong><br />
Desensibilisierung <strong>der</strong> Unterkieferfrontzähne das Risiko e<strong>in</strong>er Sensibilitätsstörung<br />
im peripheren Innervationsgebiet des N. mentalis bei <strong>der</strong> K<strong>in</strong>nknochenentnahme<br />
höher e<strong>in</strong>zustufen ist als bei e<strong>in</strong>er retromolaren Knochenentnahme, wird zum<br />
Gew<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er ausreichenden Knochenmenge ggf. e<strong>in</strong>e beidseitige retromolare<br />
Knochenentnahme empfohlen.<br />
Indikation<br />
Autogene Knochentransplantate s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Form von Blockaugmentaten beson<strong>der</strong>s<br />
für Auf- und Anlagerungsplastiken zur Verbesserung des horizontalen und vertikalen<br />
Knochenangebotes geeignet<br />
Autogene Knochentransplantate <strong>in</strong> partikulärer Form können zur Aktivierung<br />
osteokonduktiver Knochenersatzmaterialien genutzt werden (z.B. GBR und S<strong>in</strong>uslift).<br />
89
Osteokonduktive Materialien<br />
Allogene Knochentransplantate<br />
Beim allogenen Transplantat s<strong>in</strong>d Spen<strong>der</strong> und Empfänger genetisch nicht identisch,<br />
gehören aber <strong>der</strong>selben Spezies an. Es besteht e<strong>in</strong> Infektionsrisiko durch<br />
Erregertransfer vom Donor auf den Rezipienten.<br />
Allogener Knochen kann durch E<strong>in</strong>frieren bei -70 °C lyophilisiert werden. Durch<br />
die so bed<strong>in</strong>gte Zerstörung <strong>der</strong> Zellmembran verliert das Gewebe die Antigeneigenschaften,<br />
wodurch das immunologische Sensibilisierungsrisiko s<strong>in</strong>kt. Das lyophilisierte<br />
Material kann bei Raumtemperatur steril aufbewahrt werden. Wird allogener<br />
Knochen zusätzlich autoklaviert, so werden die bei ausschließlicher Tieffrierung<br />
noch nachweisbaren Osteo<strong>in</strong>duktionsfaktoren zerstört. Der Vorteil liegt<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>imierung des Infektionsrisikos. Als nachteilig muss <strong>der</strong> Verlust osteo<strong>in</strong>duktiver<br />
Effekte gewertet werden, so dass ausschließlich e<strong>in</strong>e osteokonduktive<br />
Knochenmatrix zur Verfügung steht, die aus dem Transplantatlager heraus angiogenetisch<br />
erschlüsselt und knöchern durchbaut werden muss.<br />
Der E<strong>in</strong>bau von lyophilisiertem Knochen erfolgt über Osteoklasie, d.h. den Abbau<br />
mithilfe von Osteoklasten mit nachfolgendem Aufbau von Geflechtknochen, bis<br />
zu dessen endgültiger trajektoriell-funktioneller Transformation <strong>in</strong> geordneten<br />
Lamellenknochen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraum von 10 bis 15 Monaten.<br />
Xenogene Knochentransplantate<br />
Beim xenogenen Transplantat gehören Spen<strong>der</strong> und Empfänger unterschiedlichen<br />
Spezies an. Die Aufbereitung erfolgt ebenfalls durch Lyophilisierung und<br />
Autoklavierung. Xenogene Knochentransplantate bestehen nach diesen Prozessen<br />
aus e<strong>in</strong>er anorganischen Knochenmatrix. Dieses Knochengerüst ist von Hohlräumen<br />
durchsetzt, die <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> übergehen (<strong>in</strong>terkonnektierende Poren). Ausgehend<br />
vom ortsständigen Transplantatlagerknochen wird das anorganische Matrixgerüst<br />
über die <strong>in</strong>terkonnektierenden Poren angiogenetisch erschlüsselt, sukzessive<br />
knöchern abgebaut und neu durchbaut. Die Zeit des vollständigen E<strong>in</strong>baus<br />
des xenogenen Knochens beträgt 10 bis 15 Monate.<br />
Alloplastische Knochenersatzmaterialien<br />
Hierbei handelt es sich um synthetisch o<strong>der</strong> halb-synthetisch hergestellte Kalziumphosphate.<br />
Diese s<strong>in</strong>d verfügbar als:<br />
- Hydroxylapatit (=HA) [Ca10(PO4)6(OH2)]<br />
- Trikalziumphosphat (=TCP) [Ca3(PO4)2]<br />
- Glaskeramiken<br />
Hydroxylapatit (HA)<br />
Hydroxylapatit wird synthetisch hergestellt und als e<strong>in</strong> Bestandteil <strong>der</strong> anorganischen<br />
Knochenmatrix ausschließlich osteokonduktiv e<strong>in</strong>gebaut. HA ist druckstabil<br />
und wird kaum resorbiert. Beim HA bilden die von Osteoblasten synthetisierten<br />
Kollagenfasern zunächst e<strong>in</strong>e Kontaktzone zwischen <strong>der</strong> kalziumhaltigen HA-Oberfläche<br />
und den knochenbildenden Zellen. Die neu gebildete m<strong>in</strong>eralische Phase,<br />
die sich auf HA ablagert, entspricht als Karbonat dem Knochenapatit und unterscheidet<br />
sich somit von <strong>der</strong> karbonatfreien synthetischen HA-Form.<br />
Trikalziumphosphat (TCP)<br />
Trikalziumphosphat liegt als Knochenersatzmaterial <strong>in</strong> zwei kristall<strong>in</strong>en Gitterformen<br />
als alpha-TCP und ß-TCP vor, die sich h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Resorptionszeit un-<br />
90
terscheiden. ß-TCP wird <strong>in</strong>nerhalb von 7 Monaten zu 80 %, alpha-TCP <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben<br />
Zeit zu 70 % abgebaut. TCP verfällt bereits nach 4 Monaten grobschollig und<br />
es entstehen größere Keramiksequester, die von den Makrophagen abtransportiert<br />
werden. Die Röntgendichte nimmt bei beiden TPC-Formen bereits nach 4 bis<br />
6 Monaten deutlich ab. Bei allen synthetischen Kalziumphosphatkeramiken gibt<br />
es ke<strong>in</strong>e echte Resorption, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e chemisch-physikalisch bed<strong>in</strong>gte Auflösung<br />
und Fragmentation, <strong>der</strong>en Geschw<strong>in</strong>digkeit von <strong>der</strong> Materialdichte abhängt.<br />
Die Auflösung beträgt 1,5 Jahre und mehr.<br />
Biogläser (ZrO2 und Al2O3)<br />
Biogläser werden auf Siliziumbasis synthetisch hergestellt. Sie werden osteokonduktiv<br />
e<strong>in</strong>gebaut. Das Resorptionsverhalten entspricht dem von HA. Aufgrund<br />
<strong>der</strong> Formstabilität und <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Resorption werden sie neben dem E<strong>in</strong>satz als<br />
Knochenersatzmaterial zur Beschichtung von Implantaten verwendet.<br />
Indikation<br />
Der E<strong>in</strong>satzbereich <strong>der</strong> passiven Knochenersatzmaterialien beschränkt sich dabei<br />
im wesentlichen auf die folgenden Bereiche:<br />
- Volumenstreckung bei partikulären autologen Knochentransplantaten<br />
- Reduktion <strong>der</strong> Oberflächenresorption bei autogenen Knochentransplantaten<br />
- Gerüstmaterial und Platzhalter für die gesteuerte Geweberegeneration<br />
(Membrantechnik, S<strong>in</strong>uslift)<br />
- Verbesserung <strong>der</strong> Weichgewebskontur<br />
Wissenschaftliche Annerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Für die kl<strong>in</strong>ische Beurteilung e<strong>in</strong>es Knochenersatzmaterials ist es s<strong>in</strong>nvoll, Knochenersatzmaterialien<br />
<strong>in</strong> osteo<strong>in</strong>duktive und osteokonduktive Substanzen zu<br />
klassifizieren. Osteo<strong>in</strong>duktive Knochenersatzmaterialien enthalten Differenzierungsfaktoren<br />
(Bone Morphogenetic Prote<strong>in</strong>s), die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wunde die E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung<br />
von mesenchymalen Stammzellen und <strong>der</strong>en Differenzierung zu Knochenzellen<br />
bewirken. Damit üben osteo<strong>in</strong>duktive Transplantate (Knochenersatzmaterialien)<br />
e<strong>in</strong>e aktive Funktion aus und s<strong>in</strong>d nicht mehr abhängig von differenzierten<br />
Knochenzellen aus den Defekträn<strong>der</strong>n. Lediglich das autogene Knochentransplantat<br />
hat nachweisbar osteo<strong>in</strong>duktive Eigenschaften. Für die <strong>in</strong>traorale<br />
Gew<strong>in</strong>nung von autogenen Knochentransplantaten s<strong>in</strong>d vor allem die K<strong>in</strong>nregion<br />
und die retromolaren Bereiche geeignet.<br />
Als Komplikationen <strong>der</strong> Transplantatentnahme s<strong>in</strong>d neben Wundheilungsstörungen,<br />
Sensibilitätsstörungen des N. alveolaris <strong>in</strong>ferior und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei e<strong>in</strong>em<br />
nicht ausreichenden Sicherheitsabstand von 5 mm zu den Wurzelspitzen <strong>der</strong><br />
Zähne permanente Sensibilitätsstörungen <strong>der</strong> Pulpa beschrieben. Sensibilitätsstörungen<br />
im peripheren Innervationsgebiet des N. alveolaris <strong>in</strong>ferior werden mit<br />
e<strong>in</strong>er Häufigkeit von 10 % nach K<strong>in</strong>nknochenentnahme und mit weniger als 5 %<br />
nach retromolarer Knochenentnahme angegeben. Nach e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>nknochenentnahme<br />
kann es ohne e<strong>in</strong>e direkte Traumatisierung <strong>der</strong> Wurzelspitzen <strong>in</strong> 11,4 %<br />
<strong>der</strong> Fälle zu e<strong>in</strong>em Verlust <strong>der</strong> Pulpensensibilität e<strong>in</strong>zelner Zähne <strong>in</strong> Regio 35 bis<br />
45 kommen. Diese Zähne sollten jährlich kl<strong>in</strong>isch und radiologisch kontrolliert<br />
werden. E<strong>in</strong>e Indikation zur Wurzelbehandlung ergibt sich zunächst nicht, so dass<br />
trotz des Sensibilitätsverlustes e<strong>in</strong>e Blutversorgung <strong>der</strong> Pulpa gewährleistet se<strong>in</strong><br />
kann. Im Gegensatz zu e<strong>in</strong>er Resorptionsrate von 15 % bei Verpflanzung und<br />
osteosynthetischer Fixierung von monokortikospongiösen Blocktransplantaten<br />
91
aus dem K<strong>in</strong>n, zeigen zerkle<strong>in</strong>erte, nicht fixierte Knochenchips aus dem K<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e<br />
Resorptionsrate von bis zu 45 %.<br />
Autogene Knochenblöcke s<strong>in</strong>d auf <strong>der</strong> Basis mehrerer kl<strong>in</strong>ischer Studien sowohl<br />
für Anlagerungs- als auch für Auflagerungsplastiken geeignet. E<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation<br />
mit Knochenersatzmaterialien und Methoden <strong>der</strong> Guided Bone Regeneration<br />
(GBR) ersche<strong>in</strong>t zur Resorptionsprophylaxe und zur Verbesserung <strong>der</strong> Weichgewebskontur<br />
s<strong>in</strong>nvoll. Die Verwendung von autogenen Knochentransplantaten als<br />
alle<strong>in</strong>iges Augmentationsmaterial im Rahmen <strong>der</strong> S<strong>in</strong>usbodenelevation ersche<strong>in</strong>t<br />
demgegenüber mit e<strong>in</strong>er erhöhten Resorptionsrate verbunden zu se<strong>in</strong>, so dass <strong>in</strong><br />
dieser Indikation die Beimischung e<strong>in</strong>es osteokonduktiven und resorptionsstabilen<br />
Knochenersatzmateriales zu empfehlen ist<br />
Die übrigen Knochentransplantate und Knochenersatzmaterialien s<strong>in</strong>d passive<br />
Materialien und haben lediglich osteokonduktive Eigenschaften. Bei diesen Materialien<br />
wächst das Knochengewebe appositionell von den angrenzenden Knochenoberflächen<br />
<strong>in</strong> den Defekt. Das Knochenersatzmaterial hat hier die Funktion<br />
e<strong>in</strong>es Platzhalters und e<strong>in</strong>er Leitschiene – also e<strong>in</strong>e passive Gerüstfunktion. Die<br />
kl<strong>in</strong>ischen Heilungsergebnisse hängen auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen<br />
Ergebnisse sehr viel mehr von den Eigenschaften <strong>der</strong> defektangrenzenden Gewebe<br />
und <strong>der</strong> Geometrie des Defektes als vom Material selbst ab. Osteokonduktive<br />
Knochenersatzmaterialien können durch den Zusatz autogener (partikulärer)<br />
Knochentransplantate aktiviert werden.<br />
Für alle genannten Indikationen zum E<strong>in</strong>satz passiver Knochenersatzmaterialien<br />
(Volumenstreckung, Resorptionsschutz, Gerüst für die <strong>Knochenregeneration</strong> und<br />
Konturierung des Alveolarfortsatzes) liegen kl<strong>in</strong>ische Studien und vere<strong>in</strong>zelt auch<br />
Metaanalysen vor. Es wurde beobachtet, dass e<strong>in</strong>e Mischung von autogenem Partikelknochentransplantat<br />
mit osteokonduktiven (passiven) Knochenersatzmaterialien<br />
im Vergleich mit <strong>der</strong> alle<strong>in</strong>igen Anwendung von partikulärem Knochen e<strong>in</strong>e<br />
reduzierte Resorption aufweist. Auch e<strong>in</strong>e Überschichtung von autogenen Blocktransplantaten<br />
mit passiven Knochenersatzmaterialien zeigt e<strong>in</strong>e wirksame Reduktion<br />
<strong>der</strong> Resorption. Auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen Daten können<br />
kle<strong>in</strong>e und gut geschützte Defekte durch gesteuerte <strong>Knochenregeneration</strong> gut zur<br />
Ausheilung gebracht werden. Dabei handelt es sich um Knochendefekte, die<br />
durch chirurgische Maßnahmen wie z.B. e<strong>in</strong>e Barrieremembran gegen das Weichgewebe<br />
abgeschirmt werden, so dass die Heilung ausschließlich von den angrenzenden<br />
Knochenoberflächen ausgeht. Typische <strong>der</strong>artige Situationen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong><br />
laterale Dehiszenzdefekt und <strong>der</strong> Fenestrationsdefekt über Implantaten o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Indikationen die gedeckte Zahnextraktionsalveole. E<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />
Anwendung <strong>der</strong> passiven Knochenersatzmaterialien im Rahmen <strong>der</strong> GBR ist zudem<br />
bei Interpositionsdefekten nachgewiesen. Das Knochenersatzmaterial hat<br />
bei diesen Indikationen e<strong>in</strong>e Platzhalterfunktion und wirkt wie e<strong>in</strong> passives Gerüst,<br />
das den Knochenzellen Verankerungsmöglichkeiten bietet und die Membran<br />
gegen den Weichgewebsdruck abstützt.<br />
Beson<strong>der</strong>s umfangreich ist <strong>der</strong> Erfolg von Knochenersatzmaterialien beim S<strong>in</strong>uslift<br />
dokumentiert. Die Anwendung von Knochenersatzmaterialien im Rahmen des<br />
S<strong>in</strong>uslifts kann heute auf <strong>der</strong> Basis mehrerer Metaanalysen bei Mischung mit autogenem<br />
Knochen und alle<strong>in</strong>iger Anwendung als evidenzbasiertes und kl<strong>in</strong>isch<br />
erfolgsicheres Verfahren gelten.<br />
92
E<strong>in</strong> langsam o<strong>der</strong> gar nicht resorbierbares Knochenersatzmaterial kann als dauerhafte<br />
Konturstütze für das Weichgewebe und die Kontur des Alveolarfortsatzes<br />
dienen. Konturverbessernde Maßnahmen s<strong>in</strong>d im Rahmen e<strong>in</strong>er implantatprothetischen<br />
wie auch e<strong>in</strong>er konventionellen prothetischen Versorgung (Pontic Design)<br />
e<strong>in</strong>setzbar. Aufgrund <strong>der</strong> früheren Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> präprothetischen Chirurgie<br />
ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz passiver Knochenersatzmaterialien zum vertikalen Aufbau des Alveolarfortsatzes<br />
sowohl <strong>in</strong> Form von porösen Blöcken als auch <strong>in</strong> partikulärer<br />
Form ke<strong>in</strong> erfolgssicheres Verfahren.<br />
Die Auswahl e<strong>in</strong>es geeigneten Knochenersatzes sollte primär auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />
vorliegenden kl<strong>in</strong>ischen Studienergebnisse erfolgen.<br />
Tissue Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g<br />
Die Applikation mo<strong>der</strong>ner Verfahren des Tissue Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g mit <strong>der</strong> Anwendung<br />
osteo<strong>in</strong>duktiver Substanzen ist <strong>der</strong>zeit noch Gegenstand <strong>der</strong> Forschung – das<br />
Stadium e<strong>in</strong>es praxistauglichen Verfahrens ist hier noch nicht erreicht.<br />
93
D 2 Augmentationsverfahren im ortsständigen Knochen<br />
D 2.1 Distraktionsosteogenese<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Alveolarfortsatzdistraktion basiert auf e<strong>in</strong>er graduellen mechanischen<br />
Verlängerung des Kallus im Osteotomiespalt. Die Distraktion besteht aus<br />
5 Phasen:<br />
- Osteotomie<br />
- Latenzphase (5 bis 14 Tage)<br />
- Distraktionsphase (1 bis 2 Wochen)<br />
- Konsolisierungsphase (3 bis 4 Monate)<br />
- Remodell<strong>in</strong>gphase (12 Monate)<br />
Nach <strong>der</strong> Osteotomie kommt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Latenzphase im Osteotomiespalt zu e<strong>in</strong>er<br />
Reparation durch Kallusgewebe. Zwischen dem ersten bis dritten Tag nach <strong>der</strong><br />
Osteotomie bildet sich fibröses, kollagenreiches B<strong>in</strong>degewebe. Durch die Zugbelastung<br />
ordnen sich die Kollagenfasern parallel an. Zwischen diese wachsen zwischen<br />
dem dritten bis siebten Tag Gefäße e<strong>in</strong>. Nach E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung und weiterer<br />
Differenzierung von Fibroblasten, Chondroblasten und Osteoblasten werden entlang<br />
<strong>der</strong> Kollagenfasern Knorpelgewebe und Osteoid gebildet. Die Distraktionsphase<br />
ist geprägt von <strong>der</strong> Distraktionsstrecke (ca. 1 mm pro Tag) und dem<br />
Rhythmus <strong>der</strong> Distraktion (1 x o<strong>der</strong> 2 x täglich). Das Gewebe im Distraktionsspalt<br />
ist am Ende <strong>der</strong> Distraktion wenig m<strong>in</strong>eralisiert. Es besteht überwiegend<br />
aus Osteoid und organischer Knochenmatrix. In <strong>der</strong> Konsolidierungsphase wird<br />
<strong>der</strong> distrahierte Kallus m<strong>in</strong>eralisiert (10 bis 12 Wochen). In <strong>der</strong> Remodell<strong>in</strong>gphase,<br />
die ca. e<strong>in</strong> Jahr dauert, wird <strong>der</strong> Knochen <strong>in</strong> lamellären Knochen umgebaut.<br />
Indikation<br />
Bei e<strong>in</strong>em ausreichenden transversalen Knochenangebot von 5 bis 6 mm und<br />
e<strong>in</strong>em vertikalen Knochenangebot von 5 bis 7 mm stellt die Distraktionsosteogenese<br />
e<strong>in</strong>e mögliche Alternative zur Auflagerungsplastik dar.<br />
E<strong>in</strong> gleichzeitiger vertikaler und transversaler Knochenzugew<strong>in</strong>n ist problematisch.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Der durchschnittliche vertikale Knochenzugew<strong>in</strong>n wird mit 8 bis 12 mm angegeben.<br />
Die Erfolgsraten von Implantaten im distrahierten Alveolarfortsatz unter<br />
kaufunktioneller Belastung liegen nach 3 bis 5 Jahren bei ca. 95 %. Langzeituntersuchungen<br />
an ausreichend großen Kollektiven fehlen. Als Vorteile werden <strong>der</strong><br />
Wegfall e<strong>in</strong>er Knochenentnahme mit dem Risiko <strong>der</strong> Entnahmemorbidität und e<strong>in</strong><br />
gleichzeitiger Zugew<strong>in</strong>n an Weichgewebe genannt. Als Nachteil müssen die im<br />
Vergleich zur Augmentation verlängerte Behandlungszeit und das anspruchsvollere<br />
operative Vorgehen gesehen werden. Wundheilungsstörungen durch Nahtdehiszenzen<br />
an <strong>der</strong> Durchtrittsstelle <strong>der</strong> Drehapparatur des Distraktors <strong>in</strong> die<br />
Mundhöhle heilen zumeist sekundär reizlos aus. E<strong>in</strong>e übermäßige Denudierung<br />
des Periosts vom Transportsegment kann zu e<strong>in</strong>er Nekrose und dem konsekutiven<br />
Verlust des Transportsegments führen. Pathologische Frakturen bei Distraktion<br />
des zahnlosen Unterkiefers können ihre Ursache <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vertikal zu ger<strong>in</strong>gen<br />
Resthöhe des verbleibenden ortsständigen Knochens nach Umschneidung des<br />
94
Transportsegments haben. Sie treten <strong>in</strong>tra- o<strong>der</strong> postoperativ auf und machen<br />
e<strong>in</strong>e Osteosynthese erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Dieses Verfahren ist daher nur bei spezieller Indikation anzuwenden und kann<br />
nicht zur rout<strong>in</strong>emäßigen Anwendung empfohlen werden.<br />
D 2.2 Nervlateralisation<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip besteht <strong>in</strong> dem Herauslösen des Gefäßnervenbündels aus dem Gefäßnervenkanal<br />
des Unterkiefers, um das ortsständige vertikale Knochenangebot<br />
kaudal des Kanals für e<strong>in</strong>e Implantation zu nutzen.<br />
Indikation<br />
Für e<strong>in</strong>e Implantation im ortsständigen Knochen des Unterkieferseitenzahnbereichs<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Knochenhöhe von m<strong>in</strong>destens 7 bis 10 mm oberhalb des Gefäßnervenkanals<br />
und e<strong>in</strong>e Knochenbreite von m<strong>in</strong>destens 4 bis 6 mm erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Bei e<strong>in</strong>em vertikalen Knochenangebot von weniger als 7 mm ist bei ausreichendem<br />
<strong>in</strong>teralveolärem Abstand e<strong>in</strong> Aufbau des Kieferknochens <strong>in</strong>diziert. Ist e<strong>in</strong>e<br />
Augmentation bei reduziertem <strong>in</strong>teralveolären Abstand nicht durchführbar, besteht<br />
pr<strong>in</strong>zipiell die Möglichkeit, das Gefäßnervenbündel herauszulösen und nach<br />
lateral zu verlagern, um so e<strong>in</strong>e Implantation im ortsständigen Knochen zu ermöglichen.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Komplikationen können sich aufgrund <strong>der</strong> röntgenologisch nicht immer darstellbaren<br />
akzessorischen Foram<strong>in</strong>a mentalia mit den darauf erwachsenden operationstechnischen<br />
Problemen beim Herauslösen des Gefäßnervenbündels ergeben.<br />
Bei <strong>in</strong>traoperativen Verletzungen des N. alveolaris ist e<strong>in</strong>e Indikation zur sofortigen<br />
mikrochirurgischen Rekonstruktion durch Koadaptation <strong>der</strong> Faszikel gegeben.<br />
Bei postoperativen Sensibilitätsstörungen und nicht gesicherter <strong>in</strong>traoperativer<br />
Verletzung des Nervs wird das Abwarten e<strong>in</strong>er spontanen Resensibilisierung<br />
über e<strong>in</strong>en Zeitraum von 2 bis 4 Monaten empfohlen. Die Häufigkeitsangaben<br />
von permanenten Sensibilitätsstörungen nach e<strong>in</strong>er Nervlateralisation reichen<br />
von 0 bis 38 %.<br />
Da grundsätzlich bei dieser Operationstechnik das Risiko e<strong>in</strong>er iatrogenen temporären<br />
o<strong>der</strong> sogar permanenten Schädigung des N. alveolaris <strong>in</strong>ferior besteht,<br />
muss die Indikation streng gestellt werden. Nutzen und Risiken müssen gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
abgewogen und den heute bestehenden Möglichkeiten augmentativer<br />
Verfahren gegenübergestellt werden. Der Patient ist rückhaltlos über die möglichen<br />
Folgen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er permanenten Hyp- o<strong>der</strong> Anästhesie o<strong>der</strong> auch Hyperanästhesie<br />
aufzuklären.<br />
95
D 2.3 Zygoma-Implantate (Jochbe<strong>in</strong>-Implantate)<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nutzung des Jochbe<strong>in</strong>massivs zur Verankerung enossaler<br />
Implantate. Das Jochbe<strong>in</strong>massiv unterliegt nach Zahnverlust ke<strong>in</strong>er Knochenresorption.<br />
Zur Verankerung werden über den atrophischen posterioren<br />
Oberkieferalveolarfortsatz auf je<strong>der</strong> Seite 30 bis 50 mm lange Schraubenimplantate<br />
<strong>in</strong> das Jochbe<strong>in</strong>massiv e<strong>in</strong>gebracht. Computertomographische und histologische<br />
Voruntersuchungen am Jochbe<strong>in</strong>knochen zeigen, dass <strong>in</strong> horizontaler<br />
Schnittebene durch das Jochbe<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>em Knochenangebot von 8 bis 12 mm<br />
ausgegangen werden kann. Dies sche<strong>in</strong>t für e<strong>in</strong>e primärstabile Verankerung des<br />
Zygoma-Implantats im apikalen Anteil des Gew<strong>in</strong>des ausreichend zu se<strong>in</strong>.<br />
Indikation<br />
Versorgung des extrem atrophischen posterioren Oberkiefers mit e<strong>in</strong>er m<strong>in</strong>imalen<br />
Resthöhe von 2 mm unter Vermeidung e<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>usbodenelevation. Durch die<br />
E<strong>in</strong>beziehung des Jochbe<strong>in</strong>s zur Implantatverankerung wird e<strong>in</strong>e Implantation im<br />
extrem atrophischen posterioren Oberkiefer möglich.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Langzeituntersuchungen zur Funktionstüchtigkeit von Zygoma-Implantaten unter<br />
kaufunktioneller Belastung an ausreichend großen Kollektiven liegen nicht vor.<br />
Erste Ergebnisse e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe nach 2 Jahren kaufunktioneller Belastung<br />
zeigen e<strong>in</strong>e Erfolgsrate von 85 %. Nachteilig s<strong>in</strong>d die Notwendigkeit <strong>der</strong> Implantation<br />
<strong>in</strong> Intubationsnarkose und die erschwerte prothetische Versorgung durch<br />
die palat<strong>in</strong>al gelegene Austrittsstelle und die starke Neigung des Zygoma-<br />
Implantats. Vorteile <strong>der</strong> Zygoma-Implantation gegenüber aufwändigen Rekonstruktionsverfahren<br />
liegen im Wegfall e<strong>in</strong>er zweiten Operation zur sekundären Implantation<br />
nach Augmentation und <strong>der</strong> Entnahmemorbidität autogener Knochentransplantate.<br />
ist e<strong>in</strong>e Anwendung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Traumatologie und <strong>der</strong> <strong>der</strong> rekonstruktiven<br />
Tumorchirurgie und Defektprothetik gegeben.<br />
D 2.4 Bone Condens<strong>in</strong>g<br />
Bei schlechter Knochenqualität (ger<strong>in</strong>ger Anteil des kortikalen Knochens und<br />
mangelnde Dichte <strong>der</strong> Spongiosa) kann <strong>der</strong> Implantaterfolg gefährdet se<strong>in</strong>. Der<br />
Anteil des kortikalen Knochens und das trabekuläre Volumen bestimmen den<br />
Grad <strong>der</strong> erreichbaren Primärstabilität. Die Kondensationsmethode stellt e<strong>in</strong>e<br />
Möglichkeit dar, um die Primärstabilität von Implantaten zu erhöhen. Bei <strong>der</strong><br />
Knochenkondensation wird mittels konischer Instrumente e<strong>in</strong>e sukzessive laterale<br />
Verdichtung <strong>der</strong> lockeren Spongiosa erreicht, so dass die Knochenqualität verbessert<br />
wird.<br />
Indikation<br />
Implantat<strong>in</strong>sertion <strong>in</strong> Bereich mit reduzierter Knochenqualität (Typ3/Typ4) und <strong>in</strong><br />
augmentierten Arealen.<br />
96
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Durch die Kondensationstechnik wird bei e<strong>in</strong>em aus lockerer Spongiosa bestehenden<br />
Implantatlager e<strong>in</strong>e Vergrößerung <strong>der</strong> knöchernen Anlagerungsfläche an<br />
<strong>der</strong> Implantatoberfläche gegenüber e<strong>in</strong>er konventionellen Implantation erreicht.<br />
Nach Untersuchungen wurden im augmentierten Unterkiefer nach 3-jähriger kaufunktioneller<br />
Belastung Erfolgsraten von 90 % von mit <strong>der</strong> Kondensationstechnik<br />
e<strong>in</strong>gebrachten Implantaten gegenüber 79,8 % bei konventioneller Technik beobachtet.<br />
97
D 3 Additive Augmentationsverfahren<br />
D 3.1 Auf- und Anlagerungsplastiken<br />
Auf- und Anlagerungsplastiken be<strong>in</strong>halten die Verpflanzung von autogenen Knochentransplantaten<br />
o<strong>der</strong> Knochenersatzmaterialien zum Ausgleich e<strong>in</strong>es vertikalen<br />
o<strong>der</strong> transversalen Knochendefizits des Alveolarfortsatzes.<br />
Indikation<br />
E<strong>in</strong>e Indikation für e<strong>in</strong>e Auflagerungsosteoplastik wird bei e<strong>in</strong>em vertikalen Restknochenangebot<br />
von weniger als 7 bis 10 mm bei e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>teralveolären Kieferabstand<br />
von mehr als 30 bis 40 mm gesehen. Ebenfalls kann e<strong>in</strong>e Auflagerungsosteoplastik<br />
auch bei e<strong>in</strong>em ausreichenden vertikalen Knochenangebot von<br />
mehr als 10 mm <strong>in</strong>diziert se<strong>in</strong>, wenn dies aus ästhetischer Indikation s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />
E<strong>in</strong>e Indikation für e<strong>in</strong>e Anlagerungsosteoplastik besteht bei e<strong>in</strong>em transversalen<br />
Knochenangebot von weniger als 4 mm. Ebenfalls kann zur Harmonisierung des<br />
Gesichtsprofils nach zentripetaler Resorption des Oberkiefers mit Rücklage <strong>der</strong><br />
bedeckenden Weichgewebe e<strong>in</strong>e Anlagerungsosteoplastik im Bereich des anterioren<br />
Oberkiefers <strong>in</strong>diziert se<strong>in</strong>.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die Erfolgssicherheit e<strong>in</strong>er simultanen o<strong>der</strong> sekundären Implantation im augmentierten<br />
Oberkiefer wird kontrovers diskutiert. Die Angaben zur Erfolgsbeurteilung<br />
e<strong>in</strong>er simultanen Implantation reichen hierbei von 51 bis 83 % nach 5 Jahren<br />
kaufunktioneller Belastung. E<strong>in</strong> Vergleich <strong>der</strong> simultanen und sekundären Implantation<br />
im augmentierten Oberkiefer zeigt bei <strong>der</strong> sekundären Implantation<br />
e<strong>in</strong>e um 20 % bessere Erfolgswahrsche<strong>in</strong>lichkeit, so dass im Oberkiefer e<strong>in</strong> zweizeitiges<br />
Vorgehen als günstiger angesehen wird. Im Unterkiefer werden ke<strong>in</strong>e<br />
Unterschiede bei e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>- o<strong>der</strong> zweizeitigen Vorgehen gesehen. Von beson<strong>der</strong>er<br />
Bedeutung ist jedoch bei e<strong>in</strong>zeitigem Vorgehen, dass die Implantate nicht nur<br />
das Transplantat am ortsständigen Knochenlager fixieren, son<strong>der</strong>n prothetisch<br />
nutzbar positioniert werden. Hierfür empfiehlt sich die Anfertigung von reproduzierbaren<br />
Übertragungshilfen. E<strong>in</strong> nicht spannungsfreier, speicheldichter Wundverschluss<br />
kann zu Wundheilungsstörungen mit bakteriellen Super<strong>in</strong>fektionen<br />
des transplantierten Knochens führen. Dies führt zu Teilverlusten des Transplantats<br />
und im ungünstigsten Fall zum vollständigen Verlust. Die Raten e<strong>in</strong>er Infektion<br />
und e<strong>in</strong>em Teilverlust des transplantierten Knochens werden mit 12,5 % angegeben.<br />
Der Vorteil e<strong>in</strong>er simultanen Implantation mit Auf- und Anlagerungsplastik gegenüber<br />
e<strong>in</strong>er sekundären Implantation liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verkürzung <strong>der</strong> Behandlungszeit.<br />
Nachteilig bei <strong>der</strong> simultanen Implantation ist die Gefahr e<strong>in</strong>er prothetischen<br />
Fehlpositionierung <strong>der</strong> Implantate. Vorteil <strong>der</strong> sekundären Implantation<br />
ist die Möglichkeit e<strong>in</strong>er erneuten Planung und Herstellung e<strong>in</strong>er chirurgischen<br />
Schablone zur Implantation im augmentierten Knochenlager und die Möglichkeit<br />
e<strong>in</strong>er Nachaugmentation. Durch die knöcherne E<strong>in</strong>heilung und die Remodell<strong>in</strong>gvorgänge<br />
ist <strong>der</strong> augmentierte Knochen bei <strong>der</strong> sekundären Implantation 3 bis 5<br />
Monate nach <strong>der</strong> Augmentation bereits vaskularisiert und weist durch Umbauvorgänge<br />
e<strong>in</strong>e festere Spongiosastruktur auf als zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Augmentation.<br />
Dies erhöht die Primärstabilität <strong>der</strong> Implantate.<br />
98
D 3.2 <strong>Gesteuerte</strong> <strong>Knochenregeneration</strong> (GBR)<br />
Die gesteuerte <strong>Knochenregeneration</strong> ist e<strong>in</strong>e chirurgische Technik zur Augmentation<br />
des Implantatlagers. Sie nutzt die dem Knochen eigene Fähigkeit zur Regeneration<br />
und Bildung neuen Knochens.<br />
Durch den E<strong>in</strong>satz von Gewebebarrieren (Membranen, Folien) werden knöcherne<br />
Defekte o<strong>der</strong> künstlich geschaffene Hohlräume abgedeckt. Der darunter entstehende<br />
Hohlraum wird durch Abhalten des rascher regenerierenden Weichgewebes<br />
<strong>der</strong> knöchernen Heilung überlassen. Die Membran soll die Besiedlung und<br />
Auffüllung des Defektes mit rasch proliferierenden B<strong>in</strong>degewebszellen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
so dass <strong>der</strong> Defekt langsam knöchern regenerieren kann.<br />
Die zu diesem Zweck e<strong>in</strong>gesetzten Membranen müssen folgende Eigenschaften<br />
aufweisen:<br />
- Biokompatibilität<br />
- Zellokklusivität<br />
- Formstabilität<br />
Zur gesteuerten Geweberegeneration werden nicht resorbierbare Membranen aus<br />
Polytetrafluorethylen (e-PTFE), Folien aus aliphatischem Polyurethan, Titanfolien<br />
o<strong>der</strong> resorbierbare Membranen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Für resorbierbare Membranen gelten spezielle Anfor<strong>der</strong>ungen:<br />
- Ausreichend lange Barrierefunktion<br />
- Vermeidung e<strong>in</strong>er Entzündungsreaktion bei Resorption <strong>der</strong> Membran<br />
- Antigenfreiheit<br />
Grundsätzlich unterscheidet man zwei Typen von resorbierbaren Membranen:<br />
- Synthetische Polymere (Polylactide und Polyglykolide)<br />
- Xenogene Kollagene, die durch Lyophilisierung und Autoklavierung deantigeniert<br />
werden<br />
Der Zeitpunkt <strong>der</strong> Degradation e<strong>in</strong>er resorbierbaren Membran mit Verlust <strong>der</strong><br />
mechanischen Barrierefunktion sollte erst erreicht werden, wenn die Reossifikation<br />
des Defektes abgeschlossen ist.<br />
Folgende Punkte bilden die Voraussetzung für e<strong>in</strong>e erfolgreiche gesteuerte <strong>Knochenregeneration</strong>:<br />
- Gute Adaptation und Fixierung <strong>der</strong> Membran<br />
- E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es geeigneten Platzhalters unter <strong>der</strong> Membran<br />
- Speicheldichter, spannungsfreier Wundverschluss<br />
- Ausreichend lange E<strong>in</strong>heilzeit<br />
Indikation<br />
Der Membrane<strong>in</strong>satz wird im Oberkiefer bei e<strong>in</strong>er Knochenhöhe von weniger als<br />
7 bis 10 mm und e<strong>in</strong>er Knochenbreite von weniger als 4 bis 6 mm und im Unterkiefer<br />
bei e<strong>in</strong>er Knochenhöhe von weniger als 7 mm empfohlen. Man unterschei-<br />
99
det das e<strong>in</strong>zeitige Verfahren mit gleichzeitiger Implantat<strong>in</strong>sertion von e<strong>in</strong>em<br />
zweizeitigen Verfahren mit sekundärer Implantation. Die Indikation richtet sich<br />
nach <strong>der</strong> Defektgröße und <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er stabilen Implantatverankerung<br />
im ortständigen Knochen.<br />
Die Notwendigkeit <strong>der</strong> zusätzlichen Verwendung von Füll- und Stützmaterialien<br />
im Defektbereich selbst ist von <strong>der</strong> Größe und Form des Defektes abhängig. Bei<br />
ungünstiger Defektmorphologie (e<strong>in</strong>wandige und zweiwandige Defekte) kann die<br />
Auffüllung des Defektes mit Stützmaterialien unter <strong>der</strong> Membran erfor<strong>der</strong>lich<br />
werden, um e<strong>in</strong>en Kollaps <strong>der</strong> Membran zu vermeiden. Für die Stützung <strong>der</strong><br />
Membran und Auffüllung des Defektes können autogene allogene, xenogene und<br />
synthetische (alloplastische) Materialien e<strong>in</strong>gesetzt werden (s. D 1).<br />
In Abhängigkeit von <strong>der</strong> Struktur des e<strong>in</strong>gesetzten Füllmaterials ist mit e<strong>in</strong>em<br />
verän<strong>der</strong>ten Zeitbedarf bei <strong>der</strong> Regeneration des Knochens im Defekt zu rechnen.<br />
Autogene Transplantate weisen dabei e<strong>in</strong>en osteo<strong>in</strong>duktiven Effekt auf, <strong>der</strong><br />
zu e<strong>in</strong>er beschleunigten Regeneration führt, während die übrigen Knochenersatzmaterialien<br />
nur osteokonduktive Eigenschaften haben und daher mit verlängerten<br />
Regenerationszeiten zu rechnen ist. Die gesamte E<strong>in</strong>heilzeit beträgt <strong>in</strong><br />
Abhängigkeit von <strong>der</strong> Defektgröße bei autogenem Knochen als Platzhalter 3 bis 6<br />
Monate und bei Knochenersatzmaterialien 6 bis 15 Monate.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Diese Technik wird seit Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre für die Augmentation des knöchernen<br />
Implantatlagers e<strong>in</strong>gesetzt und ist wissenschaftlich gut dokumentiert.<br />
Kl<strong>in</strong>ische Untersuchungen zeigen e<strong>in</strong>e zuverlässige <strong>Knochenregeneration</strong> im Defekt<br />
bei Verwendung von autogenen und alloplastischen Materialien <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation<br />
mit Barriere-Membranen, die zwischen 86,6 % und 88,4 % liegt. Bei günstiger<br />
Defektmorphologie kann ohne die Verwendung von Füllmaterialien e<strong>in</strong>e <strong>Knochenregeneration</strong><br />
von 75,8 % bis 97,9 % des ursprünglichen Knochens erwartet<br />
werden. Das periimplantäre Knochenniveau <strong>in</strong> diesen ehemaligen Defekten ist<br />
auch langfristig als stabil anzusehen und mit dem Verhalten des periimplantären<br />
Knochens mit Implantaten ohne gesteuerte <strong>Knochenregeneration</strong> vergleichbar.<br />
Der mögliche vertikale Knochengew<strong>in</strong>n wird mit 4 bis 8 mm, <strong>der</strong> mögliche transversale<br />
Knochengew<strong>in</strong>n mit 3 bis 5 mm angegeben.<br />
Beim E<strong>in</strong>satz nicht resorbierbarer Membranen werden Membranexpositionen von<br />
36 bis 80 % beschrieben, die zu Knochenresorptionen führen und e<strong>in</strong>e frühzeitige<br />
Entfernung <strong>der</strong> Membran erfor<strong>der</strong>n. Bei resorbierbaren Membranen werden Dehiszenzen<br />
nur bei 5 bis 14 % <strong>der</strong> Fälle gefunden. Dehiszenzen über resorbierbaren<br />
Membranen können unter entsprechen<strong>der</strong> Lokalbehandlung sekundär epithelisieren<br />
und damit abheilen. Das Expositionsrisiko steigt unabhängig vom Membrantyp<br />
bei Nikot<strong>in</strong>abusus Insgesamt stellt die gesteuerte <strong>Knochenregeneration</strong><br />
e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>isch erfolgreiche und wissenschaftlich abgesicherte Behandlungsmöglichkeit<br />
zur Augmentation des knöchernen Implantatlagers dar.<br />
100
D 3.3 S<strong>in</strong>usbodenelevation (<strong>in</strong>tern/extern)<br />
Die S<strong>in</strong>usbodenaugmentation bezeichnet die E<strong>in</strong>lagerung von autogenem Knochen<br />
o<strong>der</strong> Knochenersatzmaterial <strong>in</strong> dem Zwischenraum zwischen knöchernem<br />
Kieferhöhlenboden und elevierter Kieferhöhlenschleimhaut.<br />
Nach dem Zugangsweg werden e<strong>in</strong>e laterale E<strong>in</strong>lagerungsosteoplastik und e<strong>in</strong>e<br />
krestale E<strong>in</strong>lagerungsosteoplastik – ggf. unter endoskopischer Kontrolle – unterschieden.<br />
Externe S<strong>in</strong>usbodenelevation<br />
Bei <strong>der</strong> lateralen Technik wird e<strong>in</strong> Fenster <strong>in</strong> <strong>der</strong> fazialen Kieferhöhlenwand angelegt.<br />
Über diesen Zugang wird die Kieferhöhlenschleimhaut vom knöchernen Kieferhöhlenboden<br />
abgelöst und nach kranial verlagert. In den so geschaffenen Zwischenraum<br />
zwischen Kieferhöhlenschleimhaut und knöchernem Kieferhöhlenboden<br />
wird autogener Knochen o<strong>der</strong> Knochenersatzmaterial e<strong>in</strong>gelagert.<br />
Indikation<br />
E<strong>in</strong>e Indikation zur S<strong>in</strong>usbodenaugmentation besteht bei e<strong>in</strong>em vertikalen Knochenangebot<br />
von weniger als 7 mm im Oberkieferseitenzahnbereich. Bei e<strong>in</strong>em<br />
ausreichenden <strong>in</strong>teralveolären Kieferabstand kann aus ästhetischen Gesichtspunkten<br />
alternativ o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong>e Auf- und Anlagerungsosteoplastik<br />
<strong>in</strong>diziert se<strong>in</strong>. Das e<strong>in</strong>zeitige Vorgehen ist bei e<strong>in</strong>er primär stabilen Verankerung<br />
<strong>der</strong> Implantate im ortsständigen Restknochen von 4 bis 6 mm vertikaler Höhe<br />
möglich und bietet den Vorteil e<strong>in</strong>er Positionierung des Augmentationsmaterials<br />
zirkulär um die Implantate. In beson<strong>der</strong>en Fällen kann auch bei e<strong>in</strong>em ortsständigen<br />
Restknochenangebot von weniger als 4 mm e<strong>in</strong>e gleichzeitige Implantation<br />
durchgeführt werden, sofern sich e<strong>in</strong>e ausreichende Primärstabilität erreichen<br />
lässt. Der Vorteil ist e<strong>in</strong>e kürzere Behandlungsdauer als beim zweizeitigen Vorgehen.<br />
Das zweizeitige Vorgehen hat den Vorteil e<strong>in</strong>er zusätzlichen primärstabilen<br />
Verankerung <strong>der</strong> Implantate im bereits e<strong>in</strong>geheilten Augmentat.<br />
Interne, endoskopisch kontrollierte S<strong>in</strong>usbodenaugmentation<br />
Bei <strong>der</strong> krestalen S<strong>in</strong>usbodenaugmentation wird über e<strong>in</strong>en krestalen Zugangsweg<br />
durch den Implantatstollen autogener Knochen o<strong>der</strong> Knochenersatzmaterial<br />
<strong>in</strong> den Kieferhöhlenboden e<strong>in</strong>gelagert.<br />
Indikation<br />
Bei e<strong>in</strong>em ortsständigen vertikalen Knochenangebot von 7 mm kann durch die<br />
Kondensationstechnik von krestal <strong>der</strong> Kieferhöhlenboden um 1 bis 3 mm angehoben<br />
und ggf. Augmentationsmaterial e<strong>in</strong>gebracht werden. Vorteil <strong>der</strong> krestalen<br />
S<strong>in</strong>usbodenaugmentation ist das m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasive Vorgehen. Nachteilig ist <strong>der</strong><br />
hohe personelle, technische und zeitliche Aufwand bei zusätzlicher Endoskopie.<br />
Kommt es bei e<strong>in</strong>er krestalen Technik zur Perforation <strong>der</strong> Kieferhöhlenschleimhaut,<br />
empfiehlt sich die zusätzliche Anlage e<strong>in</strong>es lateralen Zugangs zur weiteren<br />
Elevation <strong>der</strong> Kieferhöhlenschleimhaut.<br />
101
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die Erfolgsraten von Implantaten nach lateraler S<strong>in</strong>usbodenaugmentation reichen<br />
von 89 % bis 97 % nach drei Jahren kaufunktioneller Belastung. Empfohlen wird<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von autogenem Knochen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Gemisch aus autogenem Knochen<br />
und Knochenersatzmaterial im Verhältnis 1:1. Bei ausschließlicher Verwendung<br />
von Knochenersatzmaterial wird e<strong>in</strong>e Verlängerung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heilzeit auf 8 bis 15<br />
Monate empfohlen, um e<strong>in</strong>e möglichst vollständige knöcherne Durchbauung aus<br />
dem Transplantatlager zu gewährleisten. Bei <strong>der</strong> Präparation des Knochendeckels<br />
bzw. des Fensters zur Kieferhöhle kann es zu e<strong>in</strong>er Ruptur <strong>der</strong> Kieferhöhlenschleimhaut<br />
kommen. Dies ist bei größeren Defekten problematisch. Die Häufigkeit<br />
e<strong>in</strong>er Perforation <strong>der</strong> Kieferhöhlenschleimhaut wird mit 26 % bis 32 %, S<strong>in</strong>usitiden<br />
mit 2 %, Wunddehiszenzen mit 6 % und partielle Transplantatverluste mit<br />
2 % angegeben. E<strong>in</strong>e Perforation <strong>der</strong> S<strong>in</strong>usbodenschleimhaut bei sekundärer Implantation<br />
sche<strong>in</strong>t ke<strong>in</strong> negativer Prognosefaktor zu se<strong>in</strong>.<br />
Die Erfolgsrate <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen S<strong>in</strong>usbodenaugmentation wird bei e<strong>in</strong>em ortsständigen<br />
Restknochenangebot von 5 mm und mehr mit 96 % und bei e<strong>in</strong>em Knochenangebot<br />
von 4 mm und weniger mit 85 % nach e<strong>in</strong>em Beobachtungszeitraum<br />
von 3 Jahren angesehen.<br />
D 3.4 Bone Splitt<strong>in</strong>g / Bone Spread<strong>in</strong>g<br />
Bone-Splitt<strong>in</strong>g und Bone-Spread<strong>in</strong>g, auch als Extensionsplastik bezeichnet, s<strong>in</strong>d<br />
Verfahren zur Verbreiterung des transversalen Knochenangebotes. Beide Verfahren<br />
können als e<strong>in</strong>zeitiges Vorgehen mit gleichzeitiger Implantation o<strong>der</strong> als<br />
zweizeitiges Verfahren mit sekundärer Implantation angewendet werden. Sie<br />
stellen e<strong>in</strong>e Alternative zur lateralen Augmentation dar.<br />
Die Verbreiterung erfolgt nach e<strong>in</strong>er tiefen, aber schmalen krestalen Osteotomie<br />
durch Luxation <strong>in</strong> vestibulo-oraler Richtung. Dies dehnt den Osteotomiespalt auf.<br />
Der zwischen den Knochenlamellen erzeugte Spaltraum kann entwe<strong>der</strong> für die<br />
Insertion e<strong>in</strong>es Implantates genutzt werden o<strong>der</strong> aber bei zweizeitigen Verfahren<br />
durch e<strong>in</strong> Knochentransplantat/e<strong>in</strong> Knochenersatzmaterial aufgefüllt werden. E<strong>in</strong>e<br />
Abdeckung mit e<strong>in</strong>er zellokklusiven Membran kann zu e<strong>in</strong>er Verbesserung des<br />
Regenerationsergebnisses führen. E<strong>in</strong>e unversehrte knöcherne Basis ist die unbed<strong>in</strong>gte<br />
Voraussetzung zur Sicherung <strong>der</strong> <strong>Knochenregeneration</strong> und <strong>der</strong> Primärstabilität<br />
e<strong>in</strong>es Implantates. Bei e<strong>in</strong>em sehr kompakten Knochen ist e<strong>in</strong>e Fraktur<br />
<strong>der</strong> vestibulären Lamelle e<strong>in</strong>e häufige Komplikation. In diesen Fällen ist e<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Stabilisierung des Fragmentes mit Osteosyntheseschrauben o<strong>der</strong><br />
-platten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Indikation<br />
Bone-Spread<strong>in</strong>g und Bone-Splitt<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d für die Anwendung im Ober- und Unterkiefer<br />
geeignet, sofern e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destbreite des Knochens von 3 mm vorhanden<br />
ist. Im Oberkiefer s<strong>in</strong>d diese Verfahren aufgrund <strong>der</strong> überwiegend spongiösen<br />
Knochenstruktur meist e<strong>in</strong>fach anzuwenden. Im Unterkiefer ist aufgrund des hohen<br />
Kortikalisanteils nur selten e<strong>in</strong> Aufbiegen möglich, so dass vertikale Entlastungsosteotomien<br />
erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d. Sofern e<strong>in</strong> zweizeitiges Vorgehen erfolgt,<br />
sollte e<strong>in</strong>e Implantation erst 4 bis 6 Monate nach <strong>der</strong> Extensionsplastik durchgeführt<br />
werden.<br />
102
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die Anwendung <strong>der</strong> Bone-Splitt<strong>in</strong>g- und Bone Spread<strong>in</strong>g-Technik <strong>in</strong> Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> gleichzeitigen o<strong>der</strong> späteren Implantat<strong>in</strong>sertion wurde bereits vor<br />
mehr als 20 Jahren als chirurgische Technik beschrieben und gehört damit zu<br />
den langjährig etablierten und bewährten Augmentationsverfahren. Retrospektive<br />
Studien zur Erfolgsicherheit von Extensionsplastiken (Bone Spead<strong>in</strong>g und Bone<br />
Splitt<strong>in</strong>g) bestätigen die Anwendbarkeit dieser Verfahren im Ober- und Unterkiefer.<br />
Das Auftreten e<strong>in</strong>er basalen Fraktur <strong>der</strong> mobilisierenden Lamellen ist beson<strong>der</strong>s<br />
im Unterkiefer möglich und kann zu erhöhten Knochenresorptionsraten<br />
führen.<br />
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Implants 2001;16:355-366.<br />
109
E Funktionsdiagnostik und -therapie<br />
E 1 Funktionsdiagnostik<br />
Funktionsstörungen und Funktionserkrankungen des stomatognathen Systems<br />
können mit den folgenden typischen, pathophysiologischen Folgeersche<strong>in</strong>ungen<br />
verknüpft se<strong>in</strong>:<br />
- Diskoord<strong>in</strong>ation synergistischer und antagonistischer Muskelgruppen<br />
- Myalgien<br />
- Muskelverspannungen<br />
- Myogelosen<br />
- Muskelhypertrophien<br />
- Primären Kiefergelenkserkrankungen<br />
- Diskusverlagerungen<br />
In <strong>der</strong> Ätiologie des Krankheitsbildes können neben okklusalen Primärfaktoren<br />
(Störungen <strong>der</strong> statischen und dynamischen Okklusion) auch primäre Erkrankungen<br />
<strong>der</strong> Kiefergelenke e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Als Kofaktoren kommen zudem psychosomatische<br />
und orthopädische Ursachen sowie traumatische E<strong>in</strong>flüsse <strong>in</strong> Betracht.<br />
Für die Diagnostik von Funktionsstörungen und Funktionserkrankungen empfiehlt<br />
sich e<strong>in</strong> stufenweises Vorgehen, wobei fünf wesentliche Elemente zu unterscheiden<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
- CMD-Kurzbefund (Screen<strong>in</strong>g)<br />
- Kl<strong>in</strong>ische Funktionsanalyse<br />
- Instrumentelle Funktionsanalyse<br />
- Bildgebende Verfahren<br />
- Konsiliarische Verfahren<br />
CMD-Kurzbefund (Screen<strong>in</strong>g)<br />
Orientierende Untersuchung im Rahmen e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Grunduntersuchung<br />
zur Identifikation von Funktionserkrankungen.<br />
Kl<strong>in</strong>ische Funktionsanalyse<br />
Nach e<strong>in</strong>em auffälligen CMD-Kurzbefund sollte e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische Funktionsanalyse<br />
als e<strong>in</strong>leitende und grundlegende Untersuchung erfolgen. Mit ihrer Hilfe wird <strong>der</strong><br />
Funktions- bzw. Dysfunktionszustand des kraniomandibulären Systems erfasst.<br />
Aus den Ergebnissen kann sich die Indikation für die Durchführung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>strumentellen<br />
Funktionsanalyse o<strong>der</strong> die Anwendung von bildgebenden Verfahren<br />
ableiten lassen. Darüber h<strong>in</strong>aus liefert die kl<strong>in</strong>ische Funktionsanalyse die Grundlage<br />
für die Entscheidung zur E<strong>in</strong>leitung konsiliarischer Verfahren (Physiotherapie,<br />
psychologische Beratung etc.).<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Funktionsanalyse werden pathologische Verän<strong>der</strong>ungen<br />
im Bereich <strong>der</strong> Zahnhartsubstanzen, <strong>der</strong> statischen und dynamischen Okklusion,<br />
<strong>der</strong> Parodontien und Kiefergelenke erfasst. Im Rahmen <strong>der</strong> Inspektion und<br />
Palpation erfährt zudem die Kau- und Hilfsmuskulatur beson<strong>der</strong>e Berücksichtigung.<br />
110
Neben den grundlegenden Untersuchungsverfahren <strong>in</strong> Form von Inspektion, Palpation<br />
und Auskultation können ergänzende kl<strong>in</strong>ische Untersuchungsverfahren<br />
(Provokationstest nach Krogh-Poulsen, Resilienztest nach Gerber, Gelenkspieltechniken<br />
usw.) zur weiteren Differenzierung e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Weiterh<strong>in</strong> kann <strong>der</strong> Zahnarzt als Ergänzung zur kl<strong>in</strong>ischen Funktionsanalyse<br />
Screen<strong>in</strong>g-Tests zur orientierenden Untersuchung des E<strong>in</strong>flusses psychischer und<br />
orthopädischer Faktoren durchführen.<br />
Indikationsbereich <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Funktionsanalyse:<br />
- Funktionelle Untersuchung bei Verdacht auf das Vorliegen funktionell bed<strong>in</strong>gter<br />
Zahn-, Kiefergelenks- und Muskelerkrankungen (z.B. auf Basis e<strong>in</strong>es<br />
CMD-Screen<strong>in</strong>g-Befundes).<br />
- Funktionelle Untersuchung bei <strong>der</strong> Notwendigkeit umfangreicher rekonstruktiver<br />
Maßnahmen im Kauorgan zur Aufdeckung funktioneller Probleme<br />
und zur Behandlungsplanung<br />
- Kieferorthopädische Behandlungsplanung<br />
- Verlaufskontrolle im Rahmen <strong>der</strong> Funktionstherapie<br />
- Konsiliarische Untersuchung bei Problemen des Halte- und Bewegungsapparats<br />
bzw. des Hörorgans (Kodiagnostik bei T<strong>in</strong>nitus und Schw<strong>in</strong>del)<br />
- Differentialdiagnostik zur Bewertung psychogener und/o<strong>der</strong> orthopädischer<br />
E<strong>in</strong>flussfaktoren im Vergleich zu dentalen E<strong>in</strong>flussfaktoren<br />
Die Dokumentation <strong>der</strong> Befunde e<strong>in</strong>er kl<strong>in</strong>ischen Funktionsanalyse sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
geeigneten Erhebungsbogen (z.B. Funktionsstatus <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für<br />
Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT)) erfolgen. Bei Kopf-/Gesichtsschmerzen<br />
sollte zum Ausschluss dentogener Ursachen immer e<strong>in</strong> aktueller Zahnstatus<br />
erhoben werden.<br />
Auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Funktionsanalyse ergibt sich die Entscheidung<br />
für ergänzende diagnostische Maßnahmen. Hierbei kann es sich um<br />
folgende Verfahren handeln:<br />
- Instrumentelle Funktionsanalyse<br />
- Bildgebende Verfahren<br />
- Konsiliarische Verfahren: psychosomatische Exploration, orthopädischmanualmediz<strong>in</strong>ische<br />
Untersuchung<br />
Instrumentelle Funktionsanalyse<br />
Die <strong>in</strong>strumentelle Funktionsanalyse umfasst Verfahren, die den Funktionszustand<br />
des kraniomandibulären Systems messtechnisch erfassen und analysieren.<br />
Benötigt werden Systeme, die e<strong>in</strong>e simultane dreidimensionale Registrierung <strong>der</strong><br />
Unterkieferdynamik und <strong>der</strong> artikulären Führung <strong>der</strong> Kondylen ermöglichen. Verfahrenschritte<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen Funktionsanalyse s<strong>in</strong>d: Scharnierachsenlokalisation,<br />
Gesichtsbogenübertragung, Kieferrelationsbestimmung, Artikulatormontage,<br />
Gelenkbahnregistrierung und Artikulatorprogrammierung. Mit Hilfe <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen<br />
Funktionsanalyse können Modelle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dividuell e<strong>in</strong>gestellten<br />
justierbaren Artikulator patientenanalog positioniert und bewegt werden.<br />
Für e<strong>in</strong>e Artikulatorprogrammierung reichen die klassischen Verfahren <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen<br />
Funktionsanalyse (re<strong>in</strong> mechanische Geräte) aus. Ihre Aussagen im<br />
H<strong>in</strong>blick auf die Gelenkdynamik s<strong>in</strong>d jedoch limitiert. Mo<strong>der</strong>ne Verfahren <strong>der</strong> <strong>in</strong>-<br />
111
strumentellen Funktionsanalysearbeiten mit optoelektrischen o<strong>der</strong> Ultraschallsensoren,<br />
die <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er elektronischen Datenverarbeitung e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden s<strong>in</strong>d sowohl für die Artikulatorprogrammierung als auch für die Bewertung<br />
<strong>der</strong> Gelenkdynamik geeignet. Für e<strong>in</strong>e Kondylenpositionsanalyse ist bei<br />
allen Verfahren <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen Funktionsanalyse e<strong>in</strong>e Fixierung <strong>der</strong> Registriervorrichtung<br />
ohne Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong> Okklusion (paraokklusale Fixierung)<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Die <strong>in</strong>strumentelle Funktionsanalyse hat diagnostische und therapeutische Indikationen.<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen Funktionsanalyse zur Absicherung <strong>der</strong> Diagnose<br />
bei e<strong>in</strong>er funktionellen Störung des stomatognathen Systems o<strong>der</strong> bei Verlaufskontrollen<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>er Funktionstherapie wird e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische Funktionsanalyse<br />
mit entsprechen<strong>der</strong> Dokumentation vorausgesetzt.<br />
Bei e<strong>in</strong>er therapeutischen Indikation <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen Funktionsanalyse (z.B.<br />
zur Verbesserung des Ergebnisses e<strong>in</strong>er rekonstruktiven Therapie) können <strong>in</strong>strumentelle<br />
Verfahren dagegen bei dokumentierter Abwesenheit von Anzeichen<br />
e<strong>in</strong>er Funktionsstörung auch ohne vorherige kl<strong>in</strong>ische Funktionsanalyse angewendet<br />
werden.<br />
Indikationsbereiche <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen Funktionsanalyse:<br />
- Diagnostik und Vorbehandlung des kraniomandibulären Systems bei<br />
- kraniomandibulären Dysfunktionen<br />
- Kiefergelenks- und Muskelerkrankungen mit stark von <strong>der</strong> Norm abweichenden<br />
Gelenkbewegungen<br />
- Kiefergelenks- und Muskelerkrankungen bei Vorliegen von Dysgnathien<br />
- Umfangreiche restaurative und prothetische Versorgungen zur Rekonstruktion<br />
und Erhaltung des Gebisses. Die <strong>in</strong>strumentellen Verfahren können<br />
dabei zur Therapie und auch zur Vermeidung von Funktionsstörungen<br />
angewendet werden<br />
- Funktionelle Vorbehandlung des kraniomandibulären Systems bei Diagnostik<br />
und Operationsplanung im Rahmen kieferorthopädischer und/o<strong>der</strong> kieferchirurgischer<br />
Behandlungen<br />
- Therapie von Parodontopathien wenn H<strong>in</strong>weise auf Fehlbelastungen <strong>der</strong><br />
Zähne vorliegen<br />
Zur Dokumentation <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentellen Funktionsanalyse sollten im Artikulator<br />
montierte Modelle und ggf. auch analoge o<strong>der</strong> digitale Bewegungsaufzeichnungen<br />
<strong>in</strong>klusive <strong>der</strong> Befunde und die Auswertung <strong>der</strong> Befunde vorliegen.<br />
Bildgebende Verfahren<br />
Als bildgebende Verfahren im Rahmen <strong>der</strong> Funktionsdiagnostik kommen neben<br />
<strong>der</strong> Röntgendiagnostik (z.B. Panoramaschichtaufnahme, Computertomographie,<br />
transkranielle Röntgenverfahren) auch die Magnetresonanztomographie und Ultraschallverfahren<br />
(Sonographie) <strong>in</strong> Betracht. Darüber h<strong>in</strong>aus können auch endoskopische<br />
Verfahren (Arthroskopie) durchgeführt werden.<br />
Die Panoramaschichtaufnahme ist als Übersichtsaufnahme von hoher Relevanz<br />
für die Funktionsdiagnostik. Bei Verdacht auf strukturelle Gelenkverän<strong>der</strong>ungen<br />
o<strong>der</strong> bei Diskopathien können erweiterte bildgebende Verfahren wie z.B. e<strong>in</strong>e<br />
Magnetresonanztomographie (MRT) zur Absicherung <strong>der</strong> Diagnose erfor<strong>der</strong>lich<br />
se<strong>in</strong>.<br />
112
Die Anwendung bildgeben<strong>der</strong> Verfahren kommt <strong>in</strong> Rahmen <strong>der</strong> zahnärztlichen<br />
Funktionsdiagnostik und -therapie bei folgenden Indikationen <strong>in</strong> Betracht:<br />
- Kongenitale Defekte und postnatale Wachstumsstörungen<br />
- Schwere mandibuläre Asymmetrien<br />
- Verdacht auf Mitbeteiligung des Kiefergelenks bei systemischen Erkrankungen<br />
(z.B. chronische Polyarthritis, psoriatische Polyarthritis)<br />
- Verdacht auf traumatisch bed<strong>in</strong>gte Verän<strong>der</strong>ungen<br />
- Schmerzen, Schwellungen o<strong>der</strong> Palpationsempf<strong>in</strong>dlichkeit im Bereich des<br />
Kiefergelenkes unklarer Genese<br />
- E<strong>in</strong>geschränkte Unterkiefermobilität unklarer Genese<br />
- Anamnestisch unklare Okklusionsstörungen<br />
- Ausschluss e<strong>in</strong>er neoplastischen Erkrankung<br />
Konsiliarische Verfahren<br />
Psychische und orthopädische Faktoren können an <strong>der</strong> Entstehung e<strong>in</strong>er kraniomandibulären<br />
Dysfunktion im S<strong>in</strong>ne von Kofaktoren beteiligt se<strong>in</strong>. Sie sollten daher<br />
im Rahmen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Funktionsanalyse durch Screen<strong>in</strong>g-Tests erfasst<br />
werden. Bei e<strong>in</strong>er entsprechenden Nebendiagnose (z.B. Fehlfunktion <strong>der</strong> HWS<br />
o<strong>der</strong> depressive Verstimmung) ist e<strong>in</strong>e konsiliarische fachärztliche Untersuchung<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Hierbei ist aufgrund <strong>der</strong> bekannten Zusammenhänge <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
e<strong>in</strong>e psychosomatische und orthopädische Diagnostik zu berücksichtigen.<br />
113
E 2 Funktionstherapie<br />
E<strong>in</strong>e Therapie <strong>der</strong> kraniomandibulären Dysfunktion ist bei Schmerzsymptomen<br />
o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkungen <strong>der</strong> Funktion des stomatognathen Systems <strong>in</strong>diziert und<br />
erfolgt durch zahnmediz<strong>in</strong>ische und mediz<strong>in</strong>ische Verfahren. Das Grundpr<strong>in</strong>zip<br />
besteht hier <strong>in</strong> <strong>der</strong> stufenweisen Diagnostik zur Auswahl geeigneter Therapieverfahren.<br />
Zahnärztliche Therapieverfahren<br />
Als zahnärztliche Therapiemaßnahmen kommen vor allem reversible Behandlungen<br />
mittels konstruierter Okklusionsschienen und Aufbissbehelfe <strong>in</strong> Frage. Sie<br />
stellen die zahnärztliche Standardmaßnahme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Primärtherapie dar. Die<br />
Okklusionsschienen können <strong>in</strong> Äquilibrierungsschienen und Positionierungsschienen<br />
unterteilt werden<br />
Das Wirkpr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> äquilibrierenden Schienen basiert auf neuromuskulären Mechanismen<br />
zur Harmonisierung <strong>der</strong> Zahn-, Muskel und Gelenkfunktion. Hier stehen<br />
das Ausschalten okklusaler Interferenzen und die Reduktion parafunktioneller<br />
Aktivitäten im Vor<strong>der</strong>grund. Äquilibrierungsschienen werden als Kurzzeit- und<br />
Langzeitzeittherapiemittel e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Bei Diskusverlagerungen o<strong>der</strong> Struktur- und Stellungsverän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Kiefergelenken<br />
werden Positionierungsschienen (Repositionierungsschiene, Dekompressionsschiene)<br />
o<strong>der</strong> ähnlich wirkende kieferorthopädische Geräte zur E<strong>in</strong>stellung<br />
e<strong>in</strong>er physiologischen Kondylus-Diskus-Fossa-Relation e<strong>in</strong>gesetzt. Sie werden als<br />
Dauerschienen bzw. bis zur endgültigen Rekonstruktion des Gebisses e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> höheren Invasivität von Positionierungsschienen im Vergleich zu<br />
Äquilibrierungsschienen ist für diese Therapie e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s sorgfältige Diagnostik<br />
und Indikationsstellung erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Nicht <strong>in</strong>dividuell anpassbare Aufbissbehelfe (Interzeptor, konfektionierte Aufbissbehelfe<br />
und weich bleibende Schienen) können lediglich kurzfristig zur tonusreduzierenden<br />
Therapie <strong>der</strong> Kaumuskulatur und Entkoppelung <strong>der</strong> Zahnreihen genutzt<br />
werden. Sie eignen sich daher nur für e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>satz im Rahmen <strong>der</strong> Akuttherapie.<br />
Die zahnärztliche Therapie mittels Okklusionsschienen und Aufbissbehelfen kann<br />
durch e<strong>in</strong>e medikamentöse Therapie ergänzt werden. Indikationsgebiete für e<strong>in</strong>e<br />
adjuvante medikamentöse Therapie s<strong>in</strong>d:<br />
- Arthropathie<br />
- Myopathie<br />
- Neuropathie<br />
- Entzündungen<br />
- Chronische Schmerzen<br />
- Schlafstörungen<br />
Neben re<strong>in</strong> analgetischen Substanzen können dabei non-steroidale Antirheumatika<br />
(systemisch und topisch), Muskelrelaxantien und <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en Fällen auch<br />
trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva, sowie Corticoide und Schlaf för<strong>der</strong>nde<br />
Medikamente zum E<strong>in</strong>satz kommen. In jedem Fall sollte <strong>der</strong> verordnende<br />
Therapeut über e<strong>in</strong> profundes Wissen zum Nutzen-/Risikopotenzial <strong>der</strong> verordne-<br />
114
ten Medikamente verfügen, im Zweifelsfall ist fachärztliches Konsil <strong>in</strong> Erwägung<br />
zu ziehen.<br />
Stellen sich die primären Therapiemittel als wirksam heraus, können weitergehende<br />
irreversible Maßnahmen <strong>in</strong> Betracht gezogen werden.<br />
Irreversible Maßnahmen s<strong>in</strong>d jedoch nur dann <strong>in</strong>diziert, wenn durch die diagnostischen<br />
Verfahren und die darauf beruhende reversible Initialtherapie nachgewiesen<br />
ist, dass die Okklusion als ätiologischer Faktor wirkt und zur Besserung des<br />
Beschwerdebildes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Befundlage führt. In Frage kommen hierbei:<br />
- E<strong>in</strong>schleifmaßnahmen zur okklusalen Adjustierung<br />
- Kieferorthopädische Korrekturmaßnahmen<br />
- Rekonstruktive Maßnahmen von E<strong>in</strong>zelzähnen, Zahngruppen o<strong>der</strong> des gesamten<br />
Gebisses<br />
Rekonstruktive Maßnahmen können durch festsitzende Restaurationen (konventionelle<br />
Teilkronen, Kronen, Brücken, adhäsiv befestigte Restaurationen) o<strong>der</strong><br />
abnehmbare Langzeitschienen auf Modellgussbasis erfolgen. Je<strong>der</strong> def<strong>in</strong>itiven<br />
Restauration sollte e<strong>in</strong>e ausreichende Phase <strong>der</strong> okklusalen Erprobung und Fe<strong>in</strong>justierung<br />
vorangehen. Vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> def<strong>in</strong>itiven Therapie sollte e<strong>in</strong> beschwerdefreies<br />
Intervall von 4 bis 6 Monaten vorliegen – zum<strong>in</strong>dest jedoch sollte e<strong>in</strong>e<br />
deutliche Besserung des Beschwerdebildes erreicht worden se<strong>in</strong>.<br />
Weiterführende chirurgische Maßnahmen zur Beseitigung arthrogener Beschwerden<br />
s<strong>in</strong>d aufgrund ihrer hohen Invasivität nur nach entsprechen<strong>der</strong> Diagnostik<br />
und klarer Fokussierung <strong>der</strong> Symptomatik auf das Gelenk <strong>in</strong>diziert. Es müssen<br />
morphologisch fassbare Gründe für die Funktionsstörung o<strong>der</strong> Schmerzsymptomatik<br />
vorliegen, die entwe<strong>der</strong> nicht durch e<strong>in</strong>e adäquate und konsequente konservative<br />
Therapie zu beseitigen s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> bei denen e<strong>in</strong>e konservative Therapie<br />
nicht <strong>in</strong>diziert ist.<br />
E<strong>in</strong>e Indikation zur chirurgischen Therapie kann gegeben se<strong>in</strong> bei:<br />
- Osteoarthritis<br />
- Form- und Lageverän<strong>der</strong>ung des Diskus articularis<br />
- Hypermobilitätsstörungen<br />
- Ankylose<br />
- Mitbeteilung des Gelenkes bei rheumatischer Arthritis, Psoriasis arthopathica<br />
und Spondylarthritis ankylopoetica<br />
- Entwicklungsstörungen: kondyläre Hyperplasie, Agenesie<br />
- Tumore und seltene Erkrankungen (synoviale Chondromatose). Das chirurgische<br />
Therapiespektrum reicht dabei von <strong>der</strong> Arthrozentese und Arthroskopie<br />
bis zur Arthrotomie<br />
Mediz<strong>in</strong>ische Therapieverfahren<br />
Unter den mediz<strong>in</strong>ischen Therapieverfahren haben physikalisch-mediz<strong>in</strong>ische Methoden<br />
e<strong>in</strong>e große Bedeutung. Zu ihnen gehören neben Thermo- und Kryotherapie<br />
auch Massagen und an<strong>der</strong>e physiotherapeutische Verfahren mit Wirkung auf<br />
Muskulatur und Kiefergelenke (z.B. osteopathische Techniken, Spannungs- und<br />
Dehnungsübungen). Derartige Maßnahmen wirken <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel symptomatisch<br />
und können <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Initialtherapie e<strong>in</strong>e rasche Schmerzbeseitigung<br />
unterstützen. Sie haben auch bei chronifizierten Verläufen e<strong>in</strong>en Nutzen. An<strong>der</strong>e<br />
115
Therapieverfahren wie Akupunktur, Akupressur o<strong>der</strong> transkutan-elektrische Nervenstimulation<br />
(Tens) können ggf. herangezogen werden, um e<strong>in</strong>e Normalisierung<br />
<strong>der</strong> Muskelfunktion o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Reduktion <strong>der</strong> myogen verursachten Schmerzen<br />
zu erreichen. Das Vorliegen psychischer Ko-Faktoren ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei<br />
Patienten mit chronischen und langen therapieresistenten Verläufen abzuklären.<br />
Bei Vorliegen psychischer Kofaktoren sollten die geeigneten psychotherapeutischen<br />
Maßnahmen <strong>in</strong> Kooperation mit e<strong>in</strong>em entsprechend qualifizierten Facharzt,<br />
Psychotherapeuten o<strong>der</strong> Psychologen festgelegt werden.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Für die Verfahren <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen und <strong>in</strong>strumentellen Funktionsdiagnostik liegen<br />
systematische Anwendungsvorschläge und Bestätigungen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Eignung<br />
vor. Der <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre E<strong>in</strong>satz von zahnmediz<strong>in</strong>ischen und mediz<strong>in</strong>ischen Maßnahmen<br />
zur Behandlung von Funktionsstörungen und -erkrankungen des kraniomandibulären<br />
Systems ist heute unumstritten. Sowohl okklusale als auch physikalisch-mediz<strong>in</strong>ische<br />
Maßnahmen s<strong>in</strong>d damit fester Bestandteil <strong>der</strong> Funktionstherapie,<br />
<strong>der</strong>en erfolgreicher E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
nachgewiesen wurde. Dem E<strong>in</strong>satz von Okklusionsschienen wird durch valide<br />
kl<strong>in</strong>ische Studien e<strong>in</strong> guter Therapieerfolg besche<strong>in</strong>igt. Sie s<strong>in</strong>d heute als Standardmaßnahmen<br />
<strong>der</strong> zahnärztlichen Primärtherapie wissenschaftlich anerkannt.<br />
Der E<strong>in</strong>satz chirurgischer Therapiemaßnahmen ist demgegenüber nur <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Indikationen gerechtfertigt.<br />
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F Parodontologie<br />
F 1 Befun<strong>der</strong>hebung und Diagnostik<br />
F 1.1 Grundlegende Befunde und Diagnostik<br />
Parodontopathien gehören zu den am weitesten verbreiteten oralen Erkrankungen<br />
bei Erwachsenen. G<strong>in</strong>givitis und Parodontitis s<strong>in</strong>d bakteriell verursachte Entzündungen.<br />
Bakterien und ihre Tox<strong>in</strong>e verursachen <strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuell unterschiedlichem<br />
Maß die entzündliche Wirtsreaktion. Zur Erkrankung kommt es durch die<br />
chronische Überschreitung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Anpassungsfähigkeit (z.B. massive<br />
Plaqueauflagerung). E<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Disposition ist durch M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Anpassungs-<br />
und Reaktionsfähigkeit (allgeme<strong>in</strong>e und spezielle Risikofaktoren) möglich.<br />
Für die überwiegende Zahl <strong>der</strong> verschiedenen Krankheitsbil<strong>der</strong> liegen wissenschaftlich<br />
fundierte Therapiekonzepte vor, die bei konsequenter Umsetzung<br />
e<strong>in</strong>e hohe Erfolgsaussicht bieten. In fast allen Fällen s<strong>in</strong>d jedoch e<strong>in</strong>e langfristige,<br />
aktive Mitarbeit des Patienten und e<strong>in</strong> anhaltendes Engagement des<br />
Behandlers notwendig.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> primär bakteriell bed<strong>in</strong>gten Ursache <strong>der</strong> Parodontopathien ist es im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Erstbefundung wichtig, Informationen über die Intensität und Qualität<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Mundhygiene, das Ausmaß <strong>der</strong> Plaqueakkumulation und das<br />
Ausmaß von bereits e<strong>in</strong>getretenen Stützgewebeverlusten zu erfassen. Im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Befundung s<strong>in</strong>d entsprechende objektivierbare Befunde <strong>in</strong> Form von geeigneten<br />
Indizes (z.B. Approximaler Plaque-Index (API), Sulkus-Blutungs-Index<br />
(SBI), Community Periodontal Index of Treatment-Needs (CPITN) zu erheben<br />
und zu dokumentieren. Durch e<strong>in</strong>e entsprechende Dokumentation werden e<strong>in</strong>e<br />
Verlaufskontrolle und e<strong>in</strong>e Bewertung des Therapieerfolges möglich. E<strong>in</strong>e erste<br />
orientierende Erfassung <strong>der</strong> parodontalen Erkrankung im Rahmen <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />
Grunduntersuchung <strong>in</strong> Form des parodontalen Screen<strong>in</strong>g-Index (PSI) ist obligat.<br />
Die Hauptsymptome <strong>der</strong> marg<strong>in</strong>alen Parodontitis s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Stützgewebsverlust<br />
und die Ausbildung von parodontalen Taschen. Das Ausmaß des Attachementverlustes<br />
wird durch e<strong>in</strong> Ausmessen mit e<strong>in</strong>er druckkalibrierten parodontalen Messsonde<br />
ggf. druckkalibriert und computergestützt ermittelt. Die Sondierungstiefe<br />
sollte dabei an zirkulär um den Zahn verteilten Messpunkten metrisch erfasst<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geeigneten Befundschema dokumentiert werden. Beim Gesunden<br />
s<strong>in</strong>d durch <strong>in</strong>traepitheliales E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Mess-Sonde <strong>in</strong> das Verb<strong>in</strong>dungsepithel<br />
Werte zwischen 1 und 3 mm feststellbar. Bei <strong>der</strong> marg<strong>in</strong>alen Parodontitis liegen<br />
die Sondierungstiefen nach allgeme<strong>in</strong>er Festlegung > 3 mm. Der für die Diagnostik<br />
und Therapiefestlegung wichtige Attachment-Verlust wird aus <strong>der</strong> Sondierungstiefe<br />
und dem Ausmaß <strong>der</strong> g<strong>in</strong>givalen Rezession (gemessen von <strong>der</strong><br />
Schmelz-Zement-Grenze) ermittelt. Die Sondierungstiefe alle<strong>in</strong> ist nicht ausreichend.<br />
E<strong>in</strong>e Erfassung von möglichen Furkationsbeteiligungen bei mehrwurzeligen Zähnen<br />
ist im Rahmen <strong>der</strong> Taschensondierung mit geeigneten fe<strong>in</strong>en Tastsonden zu<br />
ermitteln und zu dokumentieren. Die verstärkte und zunehmende Zahnbeweglichkeit<br />
ist e<strong>in</strong> weiteres wichtiges Kriterium für die Beurteilung des Ausmaßes des<br />
Stützgewebsverlustes. Situationsmodelle s<strong>in</strong>d ebenfalls im Rahmen <strong>der</strong> parodontalen<br />
Diagnostik anzufertigen. Sie dienen <strong>der</strong> Therapieplanung, <strong>der</strong> Prognosebe-<br />
122
wertung e<strong>in</strong>zelner Zähne und e<strong>in</strong>er Bewertung <strong>der</strong> funktionellen Belastungssituation<br />
(Parafunktionen, Hyperbalancen). F<strong>in</strong>det man im Rahmen <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Inspektion<br />
und <strong>der</strong> Modellauswertung H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>e traumatisierende Okklusion,<br />
s<strong>in</strong>d die parodontalen Befunde durch e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische Funktionsanalyse zu ergänzen.<br />
Zur Unterstützung kl<strong>in</strong>ischer Befunde müssen geeignete Verfahren <strong>der</strong> Röntgendiagnostik<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden. Als zusätzliche Informationsquelle dienen die Panoramaschichtaufnahme<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Röntgenstatus mit 14 E<strong>in</strong>zelbil<strong>der</strong>n. Der E<strong>in</strong>zelstatus<br />
wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtw<strong>in</strong>keltechnik mit Rechteckblende mit hochempf<strong>in</strong>dlichem<br />
Filmmaterial (E o<strong>der</strong> F) angefertigt. Als Konzept für die Röntgendiagnostik bietet<br />
sich folgendes Vorgehen an: Bei mo<strong>der</strong>ater Parodontitis und jüngeren Patienten<br />
werden Bissflügelaufnahmen und zur Ergänzung im Frontzahnbereich E<strong>in</strong>zelbil<strong>der</strong><br />
empfohlen. Als Standardverfahren bei e<strong>in</strong>er chronischen Parodontitis wird zunächst<br />
e<strong>in</strong>e Panoramaschichtaufnahme durchgeführt. E<strong>in</strong>zelbil<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Prämolaren-<br />
und Eckzahnregion ergänzen die Panoramaschichtaufnahme (PSA). Bei <strong>der</strong><br />
erfor<strong>der</strong>lichen Verlaufskontrolle ist darauf zu achten, dass vergleichbare Methoden<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Alle erhobenen Befunde <strong>der</strong> parodontalen Diagnostik s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geeigneten<br />
Formblatt („Parodontalstatus“) zu dokumentieren. Sie bilden die Grundlage für<br />
die Therapieplanung und die Verlaufskontrollen.<br />
F 1.2. Erweiterte Diagnostische Verfahren<br />
a) Mikrobiologische Diagnostik<br />
E<strong>in</strong>e mikrobiologische Diagnostik ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Praxis nur dann s<strong>in</strong>nvoll,<br />
wenn sie e<strong>in</strong>e therapeutische Konsequenz bed<strong>in</strong>gt. E<strong>in</strong>e mikrobiologische Analyse<br />
<strong>der</strong> subg<strong>in</strong>givalen Plaque ist nach den heutigen Erkenntnissen im Allgeme<strong>in</strong>en<br />
nur bei Parodontitiden <strong>in</strong>diziert, bei denen die Indikation zur systemischen adjuvanten<br />
Antibiotikatherapie gegeben ist:<br />
- Aggressive Parodontitis<br />
- Schwere chronische Parodontitis<br />
- Parodontitiden, die trotz vorangegangener Therapie progrediente Attachment-Verluste<br />
aufweisen<br />
- Mittelschwere bis schwere Parodontitiden bei systemischen Erkrankungen<br />
- Zustände, die die Funktion des Immunsystems bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />
Bei plaqueassoziierter G<strong>in</strong>givitis sowie bei leichten und mittelschweren chronischen<br />
Parodontitiden hat e<strong>in</strong>e die konventionelle Parodontitistherapie (supra- und subg<strong>in</strong>givales<br />
Debridement, eventuell <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit chirurgischer Taschenelim<strong>in</strong>ation)<br />
unterstützende Verabreichung von Antibiotika im Allgeme<strong>in</strong>en ke<strong>in</strong>en<br />
zusätzlichen Nutzen. Deshalb ist e<strong>in</strong>e mikrobiologische Diagnostik auf <strong>der</strong> Basis<br />
<strong>der</strong> heutigen Erkenntnisse bei diesen Parodontitiden nicht <strong>in</strong>diziert.<br />
Bei akuten Parodontalerkrankungen wie dem Parodontalabszess und <strong>der</strong> nekrotisierenden<br />
ulzerösen G<strong>in</strong>givitis (NUG) o<strong>der</strong> Parodontitis (NUP) mit systemischer<br />
Beteiligung wie Fieber und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong> Ausbreitung besteht unverzüglicher<br />
Therapiebedarf. Das Ergebnis e<strong>in</strong>er mikrobiologischen Testung kann im Allgeme<strong>in</strong>en<br />
nicht abgewartet werden. Hier ist die mikrobiologische Diagnostik<br />
123
meist nicht von therapeutischer Konsequenz und darum <strong>in</strong>itial <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht<br />
<strong>in</strong>diziert.<br />
Die mikrobiologische Diagnostik sollte vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Therapie durchgeführt werden,<br />
damit das Ergebnis <strong>der</strong> mikrobiologischen Diagnostik zum Abschluss des<br />
sub- und suprag<strong>in</strong>givalen Debridements (Initialtherapie) vorliegt. Dies ermöglicht<br />
e<strong>in</strong>e auf die <strong>in</strong>traorale Kolonisation mit parodontopathogenen Keimen ausgerichtete<br />
adjuvante Antibiotika-Auswahl direkt nach Abschluss des supra- und subg<strong>in</strong>givalen<br />
Debridements.<br />
Für die Wahl e<strong>in</strong>er geeigneten adjuvanten Antibiotikatherapie ist <strong>der</strong> Nachweis<br />
<strong>der</strong> bisher bekannten, eng mit <strong>der</strong> Ätiologie von Parodontitiden assoziierten Bakterien<br />
im Allgeme<strong>in</strong>en ausreichend. Der Nachweis von Parodontitiserregern im<br />
Labor erfolgt durch molekularbiologische Methoden (Polymerasekettenreaktion<br />
[PCR] und darauf basieren<strong>der</strong> Techniken wie RT [real time]-PCR sowie mit DNA-<br />
Sonden, Koloniehybridisierung und Fluoreszenz <strong>in</strong> situ Hybridisierung), Immuntests<br />
(ELISA, Immunfluoreszenz), Kultivierung mit biochemischen Tests und/o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Serodiagnostik.<br />
Im Falle e<strong>in</strong>es Therapiemisserfolges nach adjuvanter Antibiotikagabe, charakterisiert<br />
durch progrediente Knochen- und Attachment-Verluste, empfiehlt sich die<br />
mikrobiologische Kultivierung und Resistenzüberprüfung. Die Kultur ermöglicht<br />
den Nachweis aller <strong>in</strong> <strong>der</strong> subg<strong>in</strong>givalen Plaqueprobe vorhandenen anzüchtbaren<br />
Bakterien, <strong>der</strong>en Quantifizierung und die Bestimmung ihrer Antibiotikaresistenz.<br />
Es sollten mikrobiologische Verfahren mit möglichst hohen positiven und negativen<br />
Vorhersagewerten verwendet werden. Zur korrekten Interpretation <strong>der</strong> mikrobiologischen<br />
Diagnostik s<strong>in</strong>d genaue Kenntnisse über die Aussagekraft <strong>der</strong><br />
verwendeten Methoden wichtig, so dass die Anwendung als Rout<strong>in</strong>ediagnostik<br />
nicht gegeben ist.<br />
Enzymtests sowie die Dunkelfeld- und Phasenkontrastmikroskopie können <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
zahnärztlichen Praxis durchgeführt werden. Enzymtests weisen nur Bakteriengruppen<br />
nach und haben deshalb e<strong>in</strong>geschränkte Aussagekraft. Dunkelfeld- und<br />
Phasenkontrastmikroskopie können nur Morphotypen bei subg<strong>in</strong>givalen Plaqueproben<br />
unterscheiden. Darum s<strong>in</strong>d sie für die mikrobiologische Diagnostik <strong>der</strong><br />
Parodontitis als obsolet anzusehen.<br />
b) Diagnostik genetischer Merkmale<br />
Molekularbiologische Verfahren zur Identifizierung patienten<strong>in</strong>dividueller Risikofaktoren<br />
beruhen auf <strong>der</strong> Erkenntnis, dass Personen mit e<strong>in</strong>er bestimmten genetischen<br />
Prägung vermehrt Interleuk<strong>in</strong> 1 und/o<strong>der</strong> den Tumornekrosefaktor (TNF)<br />
bei chronischen Entzündungen produzieren. Die verstärkte Bildung dieser Substanzen<br />
führt zu e<strong>in</strong>er verstärkten Gewebereaktion.<br />
Mit den heute zur Verfügung stehenden Verfahren wird aus dem Zellmaterial des<br />
Patienten <strong>der</strong> auslösende Polymorphismus an bestimmten Positionen <strong>der</strong> Chromosomen<br />
2 und 6 nachgewiesen. Patienten mit dieser Eigenschaft zeigten <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />
Studien e<strong>in</strong> 67 % höheres parodontales Risiko. Bei <strong>der</strong> Wertung <strong>der</strong> Befunde<br />
ist zu berücksichtigen, dass die Genkonstellationen nicht streng determ<strong>in</strong>istisch<br />
wirken. E<strong>in</strong> Mensch mit den Polymorphismen auf den genannten Chromosomen<br />
wird nicht zwangsläufig an e<strong>in</strong>er schweren progredienten Parodontitis<br />
erkranken. An<strong>der</strong>erseits wird es wohl eher zu e<strong>in</strong>er progredienten Parodontitis<br />
kommen, wenn es zu e<strong>in</strong>er Kumulation weiterer Risikofaktoren kommt. Die Be-<br />
124
deutung dieser molekularbiologischen Methoden liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prognosebestimmung<br />
und <strong>der</strong> Festlegung des Recall-Intervalls sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prävention bei noch<br />
nicht erkrankten Personen (Familienmitglie<strong>der</strong>, Lebenspartner).<br />
Indikation<br />
Die Indikation zur Diagnose genetischer Merkmale ist nur nach vorangegangener<br />
mikrobiologischer Diagnostik gegeben. Der E<strong>in</strong>satz im Rahmen <strong>der</strong> Risikoprophylaxe<br />
setzt das Vorliegen ausreichen<strong>der</strong> anamnesischer Anhaltspunkte und e<strong>in</strong>e<br />
umfassende konventionelle Diagnostik voraus.<br />
125
F 2 Therapieverfahren<br />
F 2.1 Basistherapien<br />
Konkremente stellen e<strong>in</strong>erseits die Folge e<strong>in</strong>er bestehenden Parodontitis dar, an<strong>der</strong>erseits<br />
s<strong>in</strong>d sie e<strong>in</strong> maßgeblicher pathogenetischer Faktor für die Progression<br />
<strong>der</strong> Erkrankung. Ihre Entfernung ist e<strong>in</strong>e Grundvoraussetzung <strong>der</strong> Erfolg versprechenden<br />
Parodontaltherapie.<br />
Die s<strong>in</strong>nvolle therapeutische Intervention wird dabei im Wesentlichen von <strong>der</strong><br />
Erkrankungsform bestimmt. Es ist zwischen <strong>der</strong> chronischen und <strong>der</strong> aggressiven<br />
Parodontitis zu unterscheiden.<br />
Leitsymptome <strong>der</strong> aggressiven Parodontitis s<strong>in</strong>d:<br />
- Schnell verlaufen<strong>der</strong> Attachment-Verlust und Knochenabbau<br />
- Menge <strong>der</strong> mikrobiologischen Beläge korreliert nicht mit <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong><br />
Gewebezerstörung<br />
- Ist häufig assoziiert mit Act<strong>in</strong>obacillus act<strong>in</strong>omycetem comitans<br />
- Tritt lokalisiert o<strong>der</strong> generalisiert auf<br />
Lokalisiert: Molaren und Incisivi s<strong>in</strong>d betroffen<br />
Generalisiert: Molaren und Incisivi s<strong>in</strong>d betroffen, dazu noch m<strong>in</strong>destens<br />
drei weitere Zähne<br />
- Tritt oft familiär gehäuft auf<br />
Differentialdiagnostisch ist das Vorliegen e<strong>in</strong>er Paro-Endo-Läsion auszuschließen.<br />
E<strong>in</strong>e systematische Parodontalbehandlung sollte sich <strong>in</strong> folgende 3 Phasen glie<strong>der</strong>n:<br />
1. Phase: Hygienephase (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel vier Term<strong>in</strong>e)<br />
- Eigen- und Familienanamnese (familiäre Häufung als Leitsymptom <strong>der</strong><br />
aggressiven Parodontitis)<br />
- Röntgenstatus<br />
- Situationsmodelle<br />
- Mundhygiene<strong>in</strong>struktion und professionelle Zahnre<strong>in</strong>igung<br />
- Beseitigung lokaler Reizfaktoren<br />
- Extraktion nicht erhaltungswürdiger Zähne<br />
- Erfassung und Beurteilung von Risikofaktoren<br />
- Beurteilung <strong>der</strong> Patienten-Compliance<br />
- Evaluieren<strong>der</strong> Parodontalstatus<br />
- Keimbestimmung spätestens <strong>in</strong> <strong>der</strong> 2. Sitzung, Indikationen s. F 1.2a<br />
2. Phase: Korrektive Phase<br />
- Deep Scal<strong>in</strong>g/Root Plan<strong>in</strong>g, offenes und geschlossenes Vorgehen<br />
- Adjuvante Antibiose bei e<strong>in</strong>er aggressiven Parodontitis<br />
- Ggf. regenerative Verfahren (GTR, Augmentation)<br />
- Ggf. mukog<strong>in</strong>givalchirurgische Maßnahmen<br />
126
3. Phase Erhaltungsphase<br />
- Regelmäßiges Recall <strong>in</strong> 3- bis 12monatigen Abständen <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />
vom Therapieverlauf und Compliance<br />
- Parodontalstatus und effektive Plaquekontrolle (Indizes zur Verlaufskontrolle)<br />
- Reevaluation mit E<strong>in</strong>leitung weiterführen<strong>der</strong> Maßnahmen (evtl. Rezidivbehandlung)<br />
Die konventionelle mechanische Therapie ist für die Mehrzahl <strong>der</strong> leichten bis<br />
mittelschweren (chronischen) Parodontopathien ausreichend. Die konventionelle<br />
mechanische Behandlung <strong>der</strong> Wurzeloberfläche von Zähnen mit leichtem bis mittelschwerem<br />
Attachment-Verlust (< 6 mm) mit Küretten ist bei sorgfältiger<br />
Durchführung e<strong>in</strong>e effektive Therapie. E<strong>in</strong> Root Plann<strong>in</strong>g/Deep Scal<strong>in</strong>g führt hier<br />
zu e<strong>in</strong>er Reduktion <strong>der</strong> Taschentiefe und zu e<strong>in</strong>em kl<strong>in</strong>ischen Attachment-<br />
Gew<strong>in</strong>n.<br />
Zur erfolgreichen Therapie von Parodontaldefekten mit e<strong>in</strong>em Attachment-Verlust<br />
> 6mm s<strong>in</strong>d parodontalchirurgische Maßnahmen <strong>in</strong>diziert. Kl<strong>in</strong>ische Studien zeigen,<br />
dass die Anwendung nicht chirurgischer Maßnahmen nur zu e<strong>in</strong>er 32 %igen<br />
Konkremententfernung führt.<br />
Bei <strong>der</strong> Diagnose e<strong>in</strong>er aggressiven Parodontitis s<strong>in</strong>d nicht-chirurgische Behandlungsmaßnahmen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht effektiv genug. Um die gewebe<strong>in</strong>vasiven<br />
Keime zu beseitigen o<strong>der</strong> zu reduzieren, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e mikrobiologische Untersuchung<br />
und e<strong>in</strong>e begleitende Antibiotikatherapie zu den parodontalchirurgischen<br />
Maßnahmen <strong>in</strong>diziert (siehe F.2.2).<br />
Zentraler Bestandteil <strong>der</strong> Parodontitistherapie ist die mechanische supra- und<br />
subg<strong>in</strong>givale Plaque- und Zahnste<strong>in</strong>entfernung. Traditionell erfolgt dies mit Hand<strong>in</strong>strumenten<br />
(Scaler/Küretten). Ebenso ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz oszillieren<strong>der</strong> Scaler-<br />
Systeme möglich, die sich <strong>in</strong> Schall- und Ultraschallscaler unterteilen lassen. Sowohl<br />
durch die Schw<strong>in</strong>gungsanregung <strong>der</strong> oszillierenden Scaler als auch durch<br />
die Interaktion <strong>der</strong> Arbeitsspitze an <strong>der</strong> zu bearbeitenden Oberfläche kommt es<br />
zur Entstehung von Reibungswärme. Dies bedeutet, dass – um thermische Schäden<br />
am Zahnhalteapparat zu vermeiden – die Zuführung e<strong>in</strong>es Kühlmediums<br />
notwendig ist. Die Anwendung hochfrequent oszillieren<strong>der</strong> Scaler-Systeme führt<br />
zur Aerosolbildung durch die Vernebelung von Spülflüssigkeit, Speichel, Plaque<br />
und Blutbestandteilen. E<strong>in</strong>e Mundspülung mit Antiseptika direkt vor <strong>der</strong> Behandlung<br />
sowie <strong>der</strong> korrekte E<strong>in</strong>satz von Hochvakuumsauganlagen können die Keimbelastung<br />
des Aerosols stark m<strong>in</strong><strong>der</strong>n, e<strong>in</strong> potentielles Infektionsrisiko bleibt jedoch<br />
für die Anwen<strong>der</strong> weiterh<strong>in</strong> bestehen. Daher wird bei <strong>der</strong> Behandlung von<br />
Patienten mit Infektionserkrankungen vorzugsweise die Anwendung von Hand<strong>in</strong>strumenten<br />
empfohlen.<br />
Anwendungsbeschränkungen<br />
E<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>flussung von Herzschrittmachern durch druckluftbetriebene Schallscaler<br />
und für piezoelektrische Ultraschallscaler ist nicht gegeben. Bei <strong>der</strong> Anwendung<br />
magnetostriktiver Ultraschallscaler wurden jedoch Interferenzen mit<br />
Schrittmachern nachgewiesen. Da die Datenlage zu diesem Problem bislang nicht<br />
e<strong>in</strong>deutig ist, ist zur Vermeidung möglicher Komplikationen zu empfehlen, von<br />
<strong>der</strong> Anwendung von Ultraschallscalern bei Patienten mit Herzschrittmachern abzusehen.<br />
127
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Gründliches Schall- und Ultraschallscal<strong>in</strong>g reduziert die subg<strong>in</strong>givale Mikroflora <strong>in</strong><br />
gleichem Maß wie subg<strong>in</strong>givales Scal<strong>in</strong>g mit Hand<strong>in</strong>strumenten. Kl<strong>in</strong>ische Studien<br />
zeigen, dass vergleichbare Attachment-Gew<strong>in</strong>ne und Taschensondierungstiefenreduktionen<br />
nach subg<strong>in</strong>givalem Scal<strong>in</strong>g mit Schall- und Ultraschall- sowie Hand<strong>in</strong>strumenten<br />
erreicht werden können. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die Bearbeitung<br />
e<strong>in</strong>wurzeliger Zähne und die Glattflächen von Molaren. In den Furkationsbereichen<br />
mehrwurzeliger Zähne ist mit Schall- und Ultraschallscalern e<strong>in</strong>e gegenüber<br />
Hand<strong>in</strong>strumenten effizientere Zahnste<strong>in</strong>entfernung möglich. Supra- und subg<strong>in</strong>givales<br />
Scal<strong>in</strong>g mit Schall- und Ultraschall<strong>in</strong>strumenten führt zu kl<strong>in</strong>ischen Therapieergebnissen,<br />
die denen nach Hand<strong>in</strong>strumentierung gleichwertig s<strong>in</strong>d. Nach<br />
dem <strong>der</strong>zeitigen Stand <strong>der</strong> Literatur s<strong>in</strong>d hierfür bei adäquater Anwendung alle<br />
Schall- und Ultraschallscalersysteme gleich gut geeignet.<br />
F 2.2 Adjuvante Antibiotika <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontitistherapie<br />
Der E<strong>in</strong>satz von Antibiotika im Rahmen e<strong>in</strong>er Parodontitistherapie begründet sich<br />
aus <strong>der</strong> Erkenntnis, dass Bakterien die Ursache entzündlicher Erkrankungen des<br />
Zahnhalteapparates s<strong>in</strong>d. Die alle<strong>in</strong>ige Anwendung von Antibiotika zeigt nur e<strong>in</strong>e<br />
ger<strong>in</strong>ge kl<strong>in</strong>ische Wirkung, da Antibiotika aufgrund <strong>der</strong> Biofilm-Struktur <strong>der</strong> Plaque<br />
nur e<strong>in</strong>geschränkt <strong>in</strong> die Plaque penetrieren können und die im Biofilm enthaltenen<br />
Bakterien e<strong>in</strong>e höhere Antibiotikaresistenz aufweisen. E<strong>in</strong> supra- und<br />
subg<strong>in</strong>givales Debridement führt zur temporären Des<strong>in</strong>tegration des Biofilms und<br />
somit zur Erhöhung <strong>der</strong> Wirksamkeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Antibiotika. Antibiotika<br />
s<strong>in</strong>d also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontitistherapie als Unterstützung und nicht als Ersatz von<br />
supra- und subg<strong>in</strong>givalem Debridement anzusehen.<br />
Die unterstützende Verabreichung von Antibiotika soll die Progredienz parodontaler<br />
Attachment-Verluste aufhalten o<strong>der</strong> sie zum<strong>in</strong>dest stark reduzieren. Um das<br />
zu erreichen, wird angestrebt, die Keimzahl parodontopathogener Bakterien <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> parodontalen Tasche über die Wirkung des mechanischen Debridements h<strong>in</strong>weg<br />
zu verr<strong>in</strong>gern o<strong>der</strong> wenn möglich, die parodontopathogenen Bakterien aus<br />
<strong>der</strong> Mundhöhle zu elim<strong>in</strong>ieren. Um <strong>der</strong> Gefahr e<strong>in</strong>er Resistenzbildung parodontopathogener<br />
Keime vorzubeugen, sollen hierbei geeignete, das Spektrum parodontopathogener<br />
Keime abdeckende Antibiotika zum E<strong>in</strong>satz kommen. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus soll die <strong>in</strong>tra- und extraorale physiologische Keimflora jedoch möglichst<br />
wenig verän<strong>der</strong>t werden, damit es nicht zur Super<strong>in</strong>fektion mit an<strong>der</strong>en pathogenen<br />
Keimen kommt. Um e<strong>in</strong>e möglichst effiziente Wirkung zu erreichen, sollen<br />
die Antibiotika nach Des<strong>in</strong>tegration des Biofilms, d.h. direkt nach Abschluss des<br />
supra- und subg<strong>in</strong>givalen Debridements verabreicht werden.<br />
Indikationen <strong>der</strong> Antibiotikatherapie<br />
Beim E<strong>in</strong>satz von Antibiotika <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontitistherapie ist zwischen systemischer<br />
und lokaler Anwendung zu unterscheiden. Für die unterstützende systemische<br />
Gabe von Antibiotika zur Therapie von Parodontitiden soll e<strong>in</strong>e niedrige Risiko-<br />
und Nutzen-Relation gewahrt bleiben. Deshalb beschränkt sich die Indikation<br />
zur unterstützenden Antibiotika-Therapie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur auf folgende Erkrankungen:<br />
- Aggressive Parodontitis<br />
- Schwere chronische Parodontitis<br />
128
- Parodontitiden, die trotz vorangegangener Therapie progrediente Attachment-Verluste<br />
aufweisen<br />
- Parodontalabszess mit Tendenz zur Ausbreitung <strong>in</strong> die benachbarten Logen,<br />
Fieber<br />
- und/o<strong>der</strong> ausgeprägter Lymphadenopathie<br />
- Nekrotisierende ulzerierende G<strong>in</strong>givitis o<strong>der</strong> Parodontitis mit ausgeprägter<br />
- Allgeme<strong>in</strong>symptomatik (Fieber und/o<strong>der</strong> ausgeprägter Lymphadenopathie)<br />
- Mittelschwere bis schwere Parodontitis bei systemischen Erkrankungen<br />
o<strong>der</strong> Zuständen, die die Funktion des Immunsystems bee<strong>in</strong>trächtigen<br />
Bei plaqueassoziierter G<strong>in</strong>givitis sowie leichten und mittelschweren chronischen<br />
Parodontitiden bei systemisch gesunden Personen, die bei weitem die überwiegende<br />
Mehrzahl <strong>der</strong> Parodontalerkrankungen darstellen, hat e<strong>in</strong>e unterstützende<br />
antibiotische Behandlung gegenüber <strong>der</strong> alle<strong>in</strong>igen mechanischen Parodontitistherapie<br />
(supra- und subg<strong>in</strong>givales Debridement und eventuell Lappenoperation)<br />
ke<strong>in</strong>en zusätzlichen Nutzen.<br />
Ob e<strong>in</strong>e Antibiotikatherapie das Behandlungsergebnis bei <strong>der</strong> regenerativen<br />
Parodontalchirurgie (gesteuerte Geweberegeneration, autogene o<strong>der</strong> allogene<br />
Knochenimplantate) o<strong>der</strong> bei aktiven Rauchern verbessert, wird zurzeit noch<br />
kontrovers diskutiert.<br />
Zur Auswahl e<strong>in</strong>es geeigneten Antibiotikums soll die vorliegende parodontale Infektion<br />
durch e<strong>in</strong>e mikrobiologische Analyse <strong>der</strong> subg<strong>in</strong>givalen Plaque bestimmt<br />
werden. Der Nachweis <strong>der</strong> bisher bekannten, eng mit <strong>der</strong> Ätiologie <strong>der</strong> Parodontitiden<br />
assoziierten Bakterien (Act<strong>in</strong>obacillus act<strong>in</strong>omycetemcomitans, Porphyromonas<br />
g<strong>in</strong>givalis, Tanerella forsythensis Eikenella corrodens, Prevotella <strong>in</strong>termedia,<br />
Prevotella nigrescens und Treponema denticola) ist hierfür <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ausreichend.<br />
Der parodontalen Infektion entsprechend werden das Antibiotikum<br />
o<strong>der</strong> die Antibiotikakomb<strong>in</strong>ation ausgewählt, für die gute antimikrobielle und kl<strong>in</strong>ische<br />
Wirkungen beschrieben wurden.<br />
Bei systemischer Verabreichung von Antibiotika werden alle parodontalen Taschen<br />
und auch die an<strong>der</strong>en bakteriellen Nischen <strong>der</strong> Mundhöhle erreicht. Deshalb<br />
ist die systemische Gabe entsprechend den allgeme<strong>in</strong> empfohlenen Dosierungen<br />
angezeigt.<br />
E<strong>in</strong>e lokale Antibiotikatherapie wird zur Therapie e<strong>in</strong>zelner rezidivieren<strong>der</strong> Parodondaltaschen<br />
o<strong>der</strong> begleitend zu chirurgisch regenerativen Maßnahmen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Das Ziel <strong>der</strong> lokalen Antibiotikagabe besteht dar<strong>in</strong>, die Wirkstoffe bis zum<br />
Fundus <strong>der</strong> Parodontaltasche e<strong>in</strong>zuführen um dort bakterizide o<strong>der</strong> bakteriostatische<br />
Konzentrationen zu erreichen. Zur lokalen <strong>in</strong>traoralen Applikation sollten<br />
nur für diesen Zweck ausgewiesene Antibiotika e<strong>in</strong>gesetzt werden. Um e<strong>in</strong>e therapeutische<br />
Antibiotikakonzentration am Wirkort über den gefor<strong>der</strong>ten Applikationszeitraum<br />
zu gewährleisten, muss das Antibiotikum mit e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />
Trägersubstanz, die e<strong>in</strong>e kontrollierte und stabile Abgabe des Antibiotikums erlaubt,<br />
appliziert werden. Die lokale Applikation ohne Trägersubstanz, die e<strong>in</strong>e<br />
kontrollierte Antibiotika-Abgabe sicherstellt, erlaubt ke<strong>in</strong>e standardisierte Freisetzung<br />
des Antibiotikums und kann die Entwicklung von Resistenzen begünstigen.<br />
Lokale Applikationskonzepte existieren für Tetrazykl<strong>in</strong>fäden, Metronidazolgele,<br />
M<strong>in</strong>ocycl<strong>in</strong>gel und Doxycycl<strong>in</strong> Polymer.<br />
129
Meist ist es s<strong>in</strong>nvoll, die Antibiotikatherapie durch e<strong>in</strong>e zeitgleich durchgeführte<br />
suprag<strong>in</strong>givale antiseptische Therapie zu unterstützen. Das bisher kl<strong>in</strong>isch wirksamste<br />
Antiseptikum ist Chlorhexid<strong>in</strong>digluconat. Bei suprag<strong>in</strong>givaler Irrigation<br />
(Munddusche) gelangt die antiseptische Substanz etwa <strong>in</strong> die marg<strong>in</strong>ale Hälfte<br />
<strong>der</strong> parodontalen Tasche, woh<strong>in</strong>gegen die Wirkung e<strong>in</strong>er Mundspülung ohne Irrigation<br />
auf den suprag<strong>in</strong>givalen Bereich e<strong>in</strong>geschränkt ist.<br />
F 2.3 Regenerative Verfahren<br />
Die parodontale Regeneration ist darauf ausgerichtet, den Alveolarknochen, das<br />
Wurzelzement und e<strong>in</strong> funktionell ausgerichtetes Desmodont wie<strong>der</strong> aufzubauen.<br />
Dieses histologische Behandlungsergebnis entspricht kl<strong>in</strong>isch e<strong>in</strong>em Attachment-<br />
Gew<strong>in</strong>n und e<strong>in</strong>er Reduktion <strong>der</strong> Taschensondierungstiefe. Zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
parodontalen Regeneration werden Knochentransplantate und -implantate sowie<br />
Knochenersatzmaterialien verwendet.<br />
F 2.3.1 Knochenersatzmaterialien<br />
Arten von Knochen und Knochenersatzmaterialien<br />
Autogene Knochentransplantate werden für die regenerative Parodontalchirurgie<br />
im Allgeme<strong>in</strong>en <strong>in</strong>traoral entnommen. Spen<strong>der</strong>orte für spongiösen und kortikalen<br />
Knochen s<strong>in</strong>d die Tuberregion o<strong>der</strong> zahnlose Kieferabschnitte. Kortikaler Knochen<br />
kann auch direkt aus dem Operationsgebiet entnommen werden. Die Knochenentnahme<br />
von Stellen außerhalb <strong>der</strong> Mundhöhle (z.B. Crista iliaca) ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
zahnärztlichen Praxis <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht realisierbar und deswegen für die För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> parodontalen Regeneration auch weitestgehend obsolet.<br />
Allogene Knochenimplantate werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel aus langen Röhrenknochen von<br />
Multiorganspen<strong>der</strong>n hergestellt. Bei ausschließlich gefrorenen o<strong>der</strong> gefriergetrockneten<br />
Knochenimplantaten besteht e<strong>in</strong>e nicht unbeträchtliche Gefahr e<strong>in</strong>er<br />
Übertragung von Krankheitserregern und e<strong>in</strong>er Allergisierung. Die Komb<strong>in</strong>ation<br />
von Dem<strong>in</strong>eralisation und Gefriertrocknung allogener Knochen kann h<strong>in</strong>gegen<br />
das Risiko <strong>der</strong> Übertragung von Krankheitserregern und <strong>der</strong> Allergisierung reduzieren.<br />
So wurde nach <strong>der</strong> Implantation von dem<strong>in</strong>eralisiertem, gefriergetrocknetem<br />
allogenem Knochen (englisch: Dem<strong>in</strong>eralized freeze-dried bone allograft o<strong>der</strong><br />
abgekürzt DFDBA) <strong>in</strong> den für die regenerative Parodontalchirurgie benötigten<br />
Mengen bisher ke<strong>in</strong>e Allergisierung beobachtet. Das Risiko e<strong>in</strong>er Übertragung von<br />
Krankheitserregern ist bei korrekter Aufbereitung des DFDBA extrem niedrig,<br />
jedoch nicht vollständig auszuschließen. So wird für e<strong>in</strong>e HIV-Infektion das Risiko<br />
auf 1:8 x 10 6 geschätzt. Das Risiko für die Übertragung von Prionen ist bisher<br />
unbekannt. Die Anwendung von DFDBA <strong>in</strong> <strong>der</strong> regenerativen Parodontalchirurgie<br />
muss im jeweiligen Fall nach Abschätzung <strong>der</strong> Nutzen-Risiko-Relation entschieden<br />
werden. Über die potentiellen Risiken bei e<strong>in</strong>er Implantation von DFDBA sollte<br />
<strong>der</strong> Patient <strong>in</strong> jedem Fall ausführlich <strong>in</strong>formiert werden. Se<strong>in</strong> E<strong>in</strong>verständnis<br />
zur Implantation ist schriftlich zu dokumentieren.<br />
Alloplastische Implantate s<strong>in</strong>d synthetische Materialien mit guter Biokompatibilität.<br />
Hierzu werden Kalziumcarbonat, Tricalciumphosphat, Hydroxylapatit, Bioglass<br />
sowie kalziumbeschichtete Polymere (Polymethylmethacrylate und Hydroxyethylmethacrylate)<br />
gezählt.<br />
130
Xenogene Knochenimplantate werden aus Tierknochen hergestellt. Die bisher<br />
kommerziell angebotenen xenogenen Knochenimplantate s<strong>in</strong>d deprote<strong>in</strong>iert. Im<br />
Tiermodell kam es nach e<strong>in</strong>er Implantation xenogenen Knochens nicht zur Allergisierung<br />
des Empfängers. Das Risiko e<strong>in</strong>er Übertragung von Krankheitserregern,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Prionen, wird bei fachgerechter Aufbereitung als extrem niedrig<br />
e<strong>in</strong>geschätzt, ist aber auch hier nicht vollständig auszuschließen. Ähnlich wie<br />
beim DFDBA sollte die Anwendung xenogener Knochen im jeweiligen Fall erst<br />
nach gründlicher Abschätzung <strong>der</strong> Nutzen-Risiko-Relation erfolgen. Der Patient<br />
ist über die potentiellen Risiken aufzuklären.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
a) Therapie <strong>in</strong>traossärer Alveolarknochendefekte<br />
Die Behandlung von <strong>in</strong>traossären Alveolarknochendefekten mit e<strong>in</strong>er modifizierten<br />
Widmann-Lappenoperation führt im Vergleich zur Trans- und Implantation<br />
von Knochen histologisch und kl<strong>in</strong>isch zu e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen parodontalen Regeneration.<br />
Die knöcherne Defektfüllung liegt hierbei im Mittel nur zwischen 6% und<br />
33 %.<br />
Die Transplantation von autogenem Knochen führt bei <strong>in</strong>traossären Alveolarknochen-defekten<br />
kl<strong>in</strong>isch zu mittleren knöchernen Defektfüllungen von 25 % bis<br />
50 %.<br />
Nach Implantation von DFDBA liegen die Werte für Defektfüllungen zwischen<br />
46 % und 65 %. Die Ergebnisse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dividuell jedoch sehr variabel. Mehrwandige<br />
Knochentaschen s<strong>in</strong>d für die therapeutische Intervention (Regeneration)<br />
eher Erfolg versprechend als e<strong>in</strong>wandige Knochendefekte. Unter unterstützen<strong>der</strong><br />
Paro-dontitistherapie (früher: Erhaltungstherapie), kann <strong>der</strong> erzielte Knochengew<strong>in</strong>n<br />
über lange Zeit stabil gehalten werden.<br />
Da alloplastische Materialien nicht zu e<strong>in</strong>er parodontalen Regeneration führen<br />
son<strong>der</strong>n den Defekt nur auffüllen, können die kl<strong>in</strong>ischen Messungen nicht zur Interpretation<br />
des Therapieergebnisses herangezogen werden.<br />
Da bislang ke<strong>in</strong>e Veröffentlichungen über das histologische Behandlungsergebnis<br />
nach e<strong>in</strong>er Implantation von xenogenem Knochen beim Menschen vorliegen, ist<br />
<strong>der</strong> Nutzen dieser Implantate für die parodontale Regeneration nicht beurteilbar.<br />
b) Therapie des Furkationsbefalls<br />
Mit e<strong>in</strong>er modifizierten Widmann-Lappenoperation lassen sich Furkationsdefekte<br />
vom Grad II und III im Allgeme<strong>in</strong>en nicht <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>isch relevantem Ausmaß reduzieren.<br />
Bei Unterkiefermolaren mit Furkationsbefall Grad II führte die Implantation<br />
von autogenem und allogenem Knochen nur bei 40 % bzw. 31 % <strong>der</strong> behandelten<br />
Zähne zu e<strong>in</strong>er deutlichen Reduktion des Furkationsbefalls. Verglichen mit<br />
<strong>in</strong>traossären Alveolarknochendefekten erzielen Knochentransplantate o<strong>der</strong> -implantate<br />
bei <strong>der</strong> Behandlung des Furkationsbefalls deutlich schlechtere Ergebnisse.<br />
Der Nutzen <strong>der</strong> Knochentransplantate o<strong>der</strong> -implantate zur parodontalen<br />
Regeneration bei Unterkiefermolaren mit Furkationsbefall Grad III und Oberkiefermolaren<br />
mit Furkationsbefall Grad II o<strong>der</strong> III kann zur Zeit nicht beurteilt<br />
werden, da diesbezüglich ke<strong>in</strong>e kontrollierten Untersuchungen vorliegen.<br />
131
c) Therapie horizontaler Alveolarknochendefekte<br />
Mit den heute verfügbaren Knochen- und Knochenersatzmaterialien ist bei horizontalem<br />
Alveolarknochenverlust e<strong>in</strong>e parodontale Regeneration <strong>in</strong> kl<strong>in</strong>isch relevantem<br />
Ausmaß im Allgeme<strong>in</strong>en nicht zu erzielen.<br />
d) Zusätzliche Verwendung von Membranen<br />
Bei <strong>in</strong>traossären Alveolarknochendefekten führt die zusätzliche Anwendung e<strong>in</strong>er<br />
Membran im Vergleich zur alle<strong>in</strong>igen Implantation von DFDBA nur zu e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen,<br />
nicht signifikanten Verbesserung des regenerativen Ergebnisses. Über die<br />
zusätzliche Verwendung e<strong>in</strong>er Membran bei <strong>der</strong> Transplantation von autogenem<br />
Knochen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>traossären Alveolarknochendefekt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Furkationsbefall<br />
sowie bei <strong>der</strong> Implantation von DFDBA <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Furkationsbefall im Vergleich zur<br />
alle<strong>in</strong>igen Implantation von autogenen o<strong>der</strong> allogenen Knochen liegen bislang<br />
ke<strong>in</strong>e kontrollierten Untersuchungen vor. Der Nutzen e<strong>in</strong>er zusätzlich verwendeten<br />
Membran kann deshalb bei den zuletzt genannten Komb<strong>in</strong>ationen bisher<br />
nicht beurteilt werden.<br />
F 2.3.2 Guided tissue Regeneration (GTR)<br />
Die gesteuerte Geweberegeneration (GTR) beschreibt Verfahren, die darauf abzielen,<br />
verloren gegangene parodontale Strukturen durch e<strong>in</strong>e differenzierte Gewebeantwort<br />
wie<strong>der</strong> herzustellen.<br />
Voraussetzungen für regenerative Behandlungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e optimale Mundhygiene<br />
mit weitgehen<strong>der</strong> g<strong>in</strong>givaler Entzündungsfreiheit und die erfolgreiche Vorbehandlung<br />
mit Entfernung aller verkalkten und unverkalkten Auflagerungen von den<br />
Wurzeloberflächen.<br />
Bisher werden hauptsächlich nicht-resorbierbare bzw. resorbierbare Barrieremembranen<br />
e<strong>in</strong>gesetzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hoffnung, das Epithel von <strong>der</strong> Wurzeloberfläche<br />
fernzuhalten. Es wird angenommen, dass dieses die Regeneration bee<strong>in</strong>flusst.<br />
Von den nicht-resorbierbaren Materialien wurden bisher Filtermembranen bzw.<br />
Polytetrafluoräthylen (Teflon) mit kl<strong>in</strong>isch messbarem Erfolg benutzt. Resorbierbare<br />
Materialien haben den Vorteil, dass e<strong>in</strong> Zweite<strong>in</strong>griff zur Entnahme entfällt.<br />
An<strong>der</strong>erseits muss gewährleistet se<strong>in</strong>, dass sie ohne Schädigung des Wirtes vollständig<br />
verstoffwechselt werden. Auch dürfen die freigesetzten Produkte den regenerativen<br />
Prozess nicht beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Bisher wurden dafür verschiedene Polylactide<br />
bzw. Copoloymere aus Polylactiden/Polyglykoliden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form von resorbierbaren<br />
Barrieren herangezogen.<br />
Membranen können für die Behandlung <strong>in</strong>traossärer Knochendefekte und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Furkationstherapie e<strong>in</strong>gesetzt werden. Der alle<strong>in</strong>ige E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> physikalischen<br />
Barriere ist ebenso möglich wie die Komb<strong>in</strong>ation mit e<strong>in</strong>em Knochenersatzmaterial.<br />
Tierexperimentelle Studien ergaben bei e<strong>in</strong>em Kollaps <strong>der</strong> alle<strong>in</strong>ig angewendeten<br />
Membran nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Regeneration. Stabilisierte Membranen, die den<br />
Raum offen hielten, führten zu substantiellen Verbesserungen. Die Regenerationsergebnisse<br />
sche<strong>in</strong>en dabei durch die <strong>in</strong>itiale Defektmorphologie mitbestimmt<br />
zu werden. Die Tiefe des <strong>in</strong>traalveolären Knochendefektes und <strong>der</strong> 3-wandige<br />
Anteil an <strong>der</strong> gesamten Knochentasche sche<strong>in</strong>en mit <strong>der</strong> regenerativen Response<br />
zu korrelieren. Tiefe <strong>in</strong>traalveoläre Knochendefekte, charakterisiert durch 3- o<strong>der</strong><br />
3- und 2-wandige Knochentaschen, zeigen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutig besseres Ergebnis nach<br />
<strong>der</strong> regenerativen Behandlung. Selbst bei klassischen dreiwandigen Knochende-<br />
132
fekten kommt es im Allgeme<strong>in</strong>en nur zu e<strong>in</strong>er unvollständigen Auffüllung am koronalen<br />
Ende.<br />
Bei mandibulären Furkationsdefekten Grad II sche<strong>in</strong>t ebenfalls e<strong>in</strong>e positive Korrelation<br />
zwischen <strong>der</strong> <strong>in</strong>itialen Defekttiefe und <strong>der</strong> Menge des gebildeten Regenerates<br />
zu bestehen. Generell führte die Behandlung von Furkationsdefekten Grad<br />
III nur zu m<strong>in</strong>imalen Verbesserungen. Die Chance, dass e<strong>in</strong>e durchgängige Unterkieferfurkation<br />
zuheilt, ist wesentlich größer, wenn die Defekthöhe 3 mm nicht<br />
überschreitet. Bei Behandlung von Furkationen Grad II <strong>der</strong> Oberkiefermolaren<br />
ergaben sich nur an den bukkalen E<strong>in</strong>gängen positive Resultate.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Die zusammenfassende Bewertung aller kl<strong>in</strong>ischen Ergebnisse <strong>der</strong> gesteuerten<br />
Regeneration mit Hilfe physikalischer Barrieren (Membranen) an natürlichen<br />
Zähnen führt zu <strong>der</strong> Schlussfolgerung, dass es bei <strong>der</strong> Behandlung von Grad-II<br />
Furkationsdefekten im<br />
Vergleich zur konventionellen Behandlung e<strong>in</strong>en klaren Vorteil zugunsten <strong>der</strong><br />
GTR-Therapie gibt.<br />
Es ist evident, dass die kl<strong>in</strong>ischen Ergebnisse bei <strong>der</strong> Behandlung von Grad-II-<br />
Furkationen beim komb<strong>in</strong>ierten Vorgehen unter E<strong>in</strong>beziehung e<strong>in</strong>er Membran und<br />
Knochenersatzmaterialien besser s<strong>in</strong>d. Es s<strong>in</strong>d weniger Daten verfügbar, die für<br />
e<strong>in</strong>e<br />
ähnliche Verfahrensweise bei <strong>in</strong>traossären Defekten sprechen. Ergebnisse von<br />
Langzeitverlaufsstudien nach GTR-Therapie haben ergeben, dass das regenerierte<br />
Parodont bei Patienten, die ihre Nachkontrollterm<strong>in</strong>e wahrnehmen und bei <strong>der</strong><br />
Plaquekontrolle mitarbeiten, über die Beobachtungszeit stabil bleibt. Nicht kooperative<br />
Patienten, bei denen e<strong>in</strong> unbefriedigendes Ausmaß <strong>der</strong> g<strong>in</strong>givalen Entzündung<br />
bestehen bleibt o<strong>der</strong> bei denen erneut g<strong>in</strong>givale Entzündungen auftreten,<br />
gehen e<strong>in</strong> hohes Risiko e<strong>in</strong>es Erkrankungsrezidivs e<strong>in</strong>. Ähnliches gilt für die komb<strong>in</strong>ierte<br />
Behandlung. Es gibt ke<strong>in</strong>e Daten, aus denen sich e<strong>in</strong> kl<strong>in</strong>ischer Vorteil für<br />
e<strong>in</strong> bestimmtes Barrierematerial ableiten lässt.<br />
Die Bedeutung e<strong>in</strong>er postoperativen Membran<strong>in</strong>fektion, d.h. die Infektion bzw.<br />
Re<strong>in</strong>fektion des operierten Gebietes wurde ausführlich untersucht. E<strong>in</strong>e erhöhte<br />
bakterielle Kolonisation von Stellen, die mit Membranen behandelt wurden, gegenüber<br />
konventionell behandelten Stellen wurde nachgewiesen. Aus an<strong>der</strong>en<br />
Berichten geht hervor, dass ePTFE-Membranen e<strong>in</strong> hohes Maß an bakterieller<br />
Kontam<strong>in</strong>ation aufweisen. In zahlreichen Studien wurde berichtet, dass das höhere<br />
Ausmaß <strong>der</strong> Membrankontam<strong>in</strong>ation bzw. -<strong>in</strong>fektion mit reduzierten Attachment-Gew<strong>in</strong>nen<br />
korreliert.<br />
F 2.3.3 Schmelzmatrix-Prote<strong>in</strong>e<br />
Mit <strong>der</strong> Anwendung von Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>en im Rahmen <strong>der</strong> chirurgischen<br />
Parodontaltherapie ist e<strong>in</strong> neues regeneratives Therapieverfahren <strong>in</strong> die kl<strong>in</strong>ische<br />
Parodontologie e<strong>in</strong>geführt worden.<br />
Experimentelle Studien zur Zahnentwicklung haben gezeigt, dass azellulärer Zement<br />
gebildet wird, wenn Zellen des Zahnsäckchens mit endogener o<strong>der</strong> exogener<br />
Schmelzmatrix <strong>in</strong> Kontakt kommen. Auf <strong>der</strong> Grundlage dieser Daten lag es<br />
nahe, die Verwendung von Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>en für die Regeneration parodontaler<br />
Gewebe zu testen.<br />
133
In tierexperimentellen Studien konnte sowohl am Modell <strong>der</strong> chirurgischen Reimplantation<br />
von Zähnen als auch an bukkalen Dehiszenzdefekten mit <strong>der</strong> Applikation<br />
e<strong>in</strong>es Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>s auf die denudierte Wurzeloberfläche e<strong>in</strong>e Regeneration<br />
aller parodontaler Strukturen mit Ausbildung azellulären Zements<br />
herbeigeführt werden<br />
In Zellkulturstudien konnte nachgewiesen werden, dass Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>e<br />
die Proliferation und Anheftung von Desmodontalfibroblasten und auch <strong>der</strong>en<br />
autokr<strong>in</strong>e Produktion von Wachstumsfaktoren (TGF-ß1 und PDGF-AB) stimulieren.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Studien<br />
Die kl<strong>in</strong>ische Anwendung des Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>s ist auch nach wie<strong>der</strong>holter<br />
Anwendung biologisch unbedenklich und zeigt e<strong>in</strong> niedriges immunogenes Potential<br />
des Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>s. Randomisierte plazebokontrollierte Multizenterstudien<br />
untersuchten die Wirksamkeit des Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>s und zeigten<br />
e<strong>in</strong>e signifikant bessere Auffüllung <strong>der</strong> Knochendefekte als <strong>in</strong> den Vergleichstherapien.<br />
Ebenfalls wurden signifikante Verbesserungen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Reduktion<br />
<strong>der</strong> Sondierungstiefen und des kl<strong>in</strong>ischen Attachment-Niveaus erzielt. Auch wurde<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>en im Vergleich zu resorbierbaren und<br />
nicht resorbierbaren Membranen getestet. Alle regenerativen Verfahren waren<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Reduktion <strong>der</strong> Sondierungstiefen und des kl<strong>in</strong>ischen Attachment-<br />
Gew<strong>in</strong>ns gleichermaßen effektiv. Sie waren signifikant besser als die Kontrollbehandlung.<br />
Dabei zeigte sich auch, dass die regenerativen Therapien <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>in</strong> tiefen Knochendefekten (> 4 mm) vorteilhaft waren.<br />
Die Evidenz aus histologischen und kontrollierten kl<strong>in</strong>ischen Studien zeigt, dass<br />
die Verwendung e<strong>in</strong>es Schmelzmatrixprote<strong>in</strong>s, das während <strong>der</strong> Lappenoperation<br />
auf die gesäuberte Wurzeloberfläche aufgetragen wird, e<strong>in</strong>e wirkungsvolle und<br />
sichere regenerative Methode zur Behandlung von vertikalen parodontalen Knochendefekten<br />
darstellt.<br />
F 2.4 Lasertherapie<br />
Der E<strong>in</strong>satz von Laser-Verfahren im Rahmen <strong>der</strong> Parodontaltherapie erstreckt<br />
sich auf die folgenden drei E<strong>in</strong>satzgebiete:<br />
a. Chirurgische Maßnahmen<br />
b. Laser-Scal<strong>in</strong>g/Dekontam<strong>in</strong>ation<br />
c. Biostimulation<br />
a. Chirurgische Maßnahmen<br />
Laser können zum koagulierenden Schneiden o<strong>der</strong> Abtragen von oralen Weichgeweben<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden. Als Vorteile des Lasere<strong>in</strong>satzes gelten e<strong>in</strong> weitgehend<br />
blutungsfreies Operationsgebiet mit guter Übersicht und e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
des Bakteriämierisikos. Mögliche Anwendungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontologie beschränken<br />
sich allerd<strong>in</strong>gs auf Inzisionen bei mukog<strong>in</strong>givalchirurgischen E<strong>in</strong>griffen (Frenulotomie,<br />
Frenektomie, Vorbereitung von freien Schleimhauttransplantaten)<br />
sowie abtragende o<strong>der</strong> modellierende Maßnahmen an <strong>der</strong> G<strong>in</strong>giva (G<strong>in</strong>givektomie,<br />
G<strong>in</strong>givoplastik, Entfernung von Epuliden). Für Lappenoperationen s<strong>in</strong>d sie<br />
134
zurzeit wenig geeignet. Aufgrund e<strong>in</strong>er fehlenden Kontrolle über die Tiefenwirkung<br />
des Laserstrahls kann e<strong>in</strong>e unbeabsichtigte Bestrahlung Nekrosen von<br />
Zahnhartgeweben, Desmodont o<strong>der</strong> Alveolarknochen verursachen, die zu irreversiblen<br />
Schäden führen. Absolute Indikationen zum E<strong>in</strong>satz von Lasern gibt es bei<br />
chirurgischen Anwendungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontologie <strong>der</strong>zeit nicht; bei den oben<br />
genannten relativen Indikationen ist auf den Schutz von Zähnen, Parodont und<br />
Knochen zu achten.<br />
b. Laser-Scal<strong>in</strong>g/Dekontam<strong>in</strong>ation<br />
Unter Praxisbed<strong>in</strong>gungen ist mit <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> gängigen Lasertypen (z. B.<br />
Argon-Ionen-, Dioden-, Nd:YAG-, Ho:YAG, CO2-Laser) ke<strong>in</strong>e gezielte Entfernung<br />
von Zahnste<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Konkrementen möglich. Derartige Anwendungsversuche<br />
würden zu umfangreichen Nekrosen im Wurzelzement und Dent<strong>in</strong> führen. Für<br />
Excimer- und modifizierte Alexandrit-Laser liegen nur experimentelle Erfahrungen<br />
aus In-vitro- Studien vor. Ergebnisse mit Lasern, die im 3 µm-Bereich strahlen<br />
(z.B. Er:YAG Laser), s<strong>in</strong>d demgegenüber vielversprechend. Histologische Studien<br />
belegen, dass mit diesen Geräten e<strong>in</strong>e weitgehend atraumatische Re<strong>in</strong>igung<br />
<strong>der</strong> Wurzeloberfläche möglich ist. Die antimikrobielle Wirkung <strong>der</strong> Laserenergie<br />
beruht bei den meisten Lasertypen (z. B. Dioden-, Nd:YAG-, CO2-Laser) überwiegend<br />
auf thermischen Effekten. Daraus ergibt sich e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Risikopotential<br />
bei <strong>der</strong> faseroptischen Taschenlaserung, da die Laserstrahlung ohne optische<br />
Kontrolle an sehr unterschiedlich absorbierende Oberflächen (Zahnste<strong>in</strong>,<br />
Konkremente, Epithel, Desmodont, Wurzelzement, Knochen) abgegeben wird. Je<br />
nach Wahl <strong>der</strong> Laserparameter, <strong>der</strong> Morphologie und den optischen Eigenschaften<br />
<strong>der</strong> bestrahlten Oberfläche variiert somit die Gefahr von irreversiblen Nebenwirkungen<br />
bzw. die Effektivität <strong>der</strong> erreichbaren Des<strong>in</strong>fektion erheblich.<br />
c. Laser-Biostimulation<br />
Zur Nachsorge nach parodontologischen Behandlungsmaßnahmen sowie zur För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Wundheilung wird bisweilen die Laserbiostimulation empfohlen. Darunter<br />
versteht man den Versuch e<strong>in</strong>er positiven Bee<strong>in</strong>flussung biologischer Prozesse,<br />
z.B. <strong>der</strong> Wundheilung durch Laserlicht niedriger Leistungsdichte. Im Gegensatz<br />
zu an<strong>der</strong>en Laseranwendungen wird mit solchen Geräten, die bezüglich<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Laserparameter z. B. mit Laserpo<strong>in</strong>tern vergleichbar s<strong>in</strong>d, das<br />
Gewebe <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Morphologie nicht durch die applizierte Laserstrahlung verän<strong>der</strong>t.<br />
Wissenschaftliche Anerkennung und kl<strong>in</strong>ische Bewährung<br />
Erste kl<strong>in</strong>ische Studien zeigten, dass <strong>der</strong> Attachment-Gew<strong>in</strong>n nach nichtchirurgischer<br />
Parodontitistherapie mit e<strong>in</strong>em Er:YAG-Laser über e<strong>in</strong>en Zeitraum<br />
von bis zu zwei Jahren erhalten werden kann und mit dem konventionellem Scal<strong>in</strong>g<br />
vergleichbar ist. E<strong>in</strong>e abschließende evidenzbasierte Beurteilung des Verfahrens<br />
ist zurzeit jedoch noch nicht möglich.<br />
Aus kl<strong>in</strong>ischen Studien ist bei mikrobiologischem Monitor<strong>in</strong>g lediglich e<strong>in</strong>e kurzzeitige<br />
Reduktion <strong>der</strong> Mikroflora durch den Lasere<strong>in</strong>satz nachgewiesen. Bei Vergleichsstudien<br />
konnten ke<strong>in</strong>e relevanten Unterschiede <strong>in</strong> Bezug auf kl<strong>in</strong>ische Parameter<br />
bei Integration <strong>der</strong> adjuvanten faseroptischen Taschenlaserung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
systematische Parodontitis- Behandlung/-Betreuung nachgewiesen werden. Bei<br />
fehlerhafter Anwendung besteht e<strong>in</strong> erhebliches Gefährdungspotential. Hierzu<br />
zählen laser<strong>in</strong>duzierte Pulpitiden, G<strong>in</strong>givanekrosen, Sequesterbildungen o<strong>der</strong><br />
auch Fälle von laser<strong>in</strong>duzierter Osteomyelitis.<br />
135
Aufgrund zahlreicher Doppel-Bl<strong>in</strong>dstudien ist mit hoher Gewissheit davon auszugehen,<br />
dass die Laserbiostimulation ke<strong>in</strong>e substanzielle Wirkung hat. Therapeutische<br />
Effekte sche<strong>in</strong>en auf Placebo-Effekten zu beruhen. Zurzeit liegen also nur<br />
wenige wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu Indikationen des Lasere<strong>in</strong>satzes<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontologie vor.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> fehlenden Evaluation zum E<strong>in</strong>satz von Lasern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parodontaltherapie<br />
und <strong>der</strong> teilweise erheblichen Risiken ist <strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong> Vorteil gegenüber<br />
konventionellen Therapien erkennbar.<br />
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