Existenzanalyse und die 4 Grundmotivationen - Komunariko
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8. September 2011<br />
<strong>Existenzanalyse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> 4 Gr<strong>und</strong>motivationen<br />
Ursprünglich bezeichnete Viktor Frankl (1905-1997) mit <strong>Existenzanalyse</strong> (EA) den<br />
theoretischen Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> mit Logotherapie (LT) ihre praktische Anwendung.<br />
Existenz-Analyse war zur damaligen Zeit der Gegensatz zur Psycho-Analyse. Da sich<br />
<strong>die</strong> Wurzeln der <strong>Existenzanalyse</strong> vor allem auf <strong>die</strong> Existenzphilosophie <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Phänomenologie (Jean Paul Sartre, Edm<strong>und</strong> Husserl, Martin Heidegger, Ludwig<br />
Binswanger, Karl Jaspers, Martin Buber) beziehen, ist <strong>die</strong> Sprache für Nicht-<br />
Philosophen oftmals gewöhnungsbedürftig.<br />
Die Aufmerksamkeit richtet sich durch <strong>die</strong> philosophischen Hintergründe auf<br />
Dimensionen wie Erleben, Freiheit (Wille, Wahl, Entscheidung, Einstellung),<br />
Subjektivität (Person), Begegnung (Situation), Verantwortlichkeit (Engagement),<br />
Selbstwerdung (Akt, Bewährung, Scheitern, Tod), Weltgestaltung, Sinn.<br />
Die Methode der EA definiert sich als phänomenologische, an der Person ansetzende<br />
Psychotherapie <strong>und</strong> Beratungsmethode mit dem Ziel, der Person zu einem (geistig<br />
<strong>und</strong> emotional) freien Erleben, zu authentischen Stellungnahmen <strong>und</strong> einem<br />
eigenverantwortlichem Umgang mit sich selbst <strong>und</strong> ihrer Welt zu verhelfen. Das<br />
bedeutet: <strong>die</strong> existenzanalytische Beratung hat zum Ziel, den Menschen zu<br />
befähigen, mit innerer Zustimmung zum eigenen Handeln <strong>und</strong> Dasein leben zu<br />
können. Ziel <strong>und</strong> zentrales Wirkelement der <strong>Existenzanalyse</strong> ist <strong>die</strong> Herstellung einer<br />
inneren <strong>und</strong> äußeren dialogischen Offenheit, in der <strong>die</strong> Person ihre Fähigkeiten zum<br />
Einsatz bringen kann <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>bedingungen personaler Existenz erfüllt sind.<br />
Die existenzielle Wende<br />
Existenz<br />
Ein sinnvolles, in Freiheit <strong>und</strong><br />
Verantwortung gestaltetes Leben.<br />
Die Beschäftigung mit dem Thema Sinn ist zentral für <strong>die</strong> <strong>Existenzanalyse</strong>. Viktor<br />
Frankl bezeichnete <strong>die</strong> Umkehrung der Frage „Was ist der Sinn des Lebens“ als<br />
Existenzielle Wende. Nicht wir als Menschen haben einen Anspruch, dem Leben<br />
selbst Fragen zu stellen (<strong>und</strong> damit nach dem Sinn des Lebens...), sondern das<br />
Leben stellt <strong>die</strong> Fragen an uns im Sinne von Herausforderungen. Unsere Freiheit<br />
besteht darin, dem Leben auf <strong>die</strong>se Fragen zu antworten, Stellung zu beziehen, Ver-<br />
Antwortung zu übernehmen.
Wertfühlig sein<br />
Bei hoher Achtsamkeit für das Leben, wird scheinbar Gewohntes <strong>und</strong> Einfaches zu<br />
etwas Besonderem. Durch <strong>die</strong>se Übung <strong>und</strong> <strong>die</strong>ses Bewusstsein entsteht eine<br />
Haltung der Dankbarkeit für das, was uns das Leben schenkt. Dankbarkeit wiederum<br />
erzeugt Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Warmherzigkeit als Haltung.<br />
Werte bewusst zu machen, <strong>die</strong> uns wirklich wirklich wichtig sind, uns innerlich<br />
berühren <strong>und</strong> ohne deren Vorhandensein ein inneres Ja zum Leben schwierig wird.<br />
Mit innerer Zustimmung leben<br />
<strong>Existenzanalyse</strong><br />
Analyse der Bedingungen, um zur<br />
Existenz zu kommen.<br />
Was ich mit meinem uneingeschränkten inneren Ja tue, mache ich mit Hingabe. Dies<br />
führt zu persönlicher Erfüllung <strong>und</strong> ich brauche nichts mehr dafür. Was ich ohne<br />
meine innere Zustimmung mache, ist Hergabe. Sich für längere Zeit für „etwas<br />
hergeben“, heißt, gegen eigene Werte zu leben, was zu (Sinn-)Leere,<br />
Unzufriedenheit <strong>und</strong> Wertverlust führt.<br />
Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung<br />
Ziel der <strong>Existenzanalyse</strong><br />
Den Menschen zu befähigen, mit<br />
innerer Zustimmung zum eigenen<br />
Handeln <strong>und</strong> Dasein leben zu<br />
können.<br />
Bei der Suche nach Sinn wählen wir <strong>die</strong> wertvollste Möglichkeit für uns in einer<br />
Situation <strong>und</strong> handeln danach. Darin steckt <strong>die</strong> Freiheit, unter mehreren<br />
Möglichkeiten entsprechend den eigenen Werten <strong>und</strong> bezogen auf <strong>die</strong><br />
Gesamtsituation zu wählen.<br />
Phänomen<br />
Was sich zeigt <strong>und</strong> wie es sich<br />
zeigt – „Schauen wir mal, dann<br />
sehen wir schon“<br />
2
DIE 4 GRUNDMOTIVATIONEN<br />
Um zu einem ganzheitlichen WOLLEN (Sinn) zu kommen , müssen wir uns laufend<br />
unseren persönlichen existenziellen Fragen stellen <strong>und</strong> darauf Antworten geben (Ver-<br />
Antwortung tragen). Fragen wie:<br />
Was sind derzeit <strong>die</strong> existenziellen Themen im meinem Leben?<br />
Was bringt Leben in mein Leben?<br />
Was mache ich mit Hingabe <strong>und</strong> wofür gebe ich mich her?<br />
Welche Rolle spielt das Sollen in meinem Leben?<br />
Welche Werte sind mir wichtig?<br />
Was hat zur Stärkung meines Selbstwerts beigetragen?<br />
Welche Reaktionen kenne ich von mir selbst, wenn eine Gr<strong>und</strong>motivation<br />
fehlt?<br />
Gr<strong>und</strong>motivationen<br />
4 Arten von KÖNNEN<br />
Die 4 Gr<strong>und</strong>motivationen fokussieren dabei auf 4 Arten von „Können“, aus denen<br />
sich detaillierte Fragen immer wieder (neu) ergeben.<br />
1. SEIN-KÖNNEN (Was gibt mir Halt <strong>und</strong> Sicherheit) - Wahrnehmen<br />
2. MÖGEN-KÖNNEN (Werte haben, <strong>die</strong> mich berühren) - Werten<br />
3. DÜRFEN-KÖNNEN (Selbst sein <strong>und</strong> Selbstwert) - Wählen<br />
4. SOLLEN-KÖNNEN (Wofür will ich leben) - Wirken<br />
Ergebnis: ⇒ echtes, ganzheitliches WOLLEN<br />
Gr<strong>und</strong>motivation<br />
Die tiefste Motivationsstruktur der<br />
Person in ihrem wesensmäßigem<br />
Streben nach Existenz.<br />
3
1. SEIN-KÖNNEN<br />
Halt, Raum <strong>und</strong> Schutz suchen, um in der Welt sein zu können<br />
Gegeben durch: angenommen sein (auch Orte <strong>und</strong> Körpererfahrung).<br />
Verlangt: annehmen können der Bedingungen („Ja zur Welt“).<br />
Auseinandersetzung mit dem Dasein (Seinsgr<strong>und</strong>, Gr<strong>und</strong>vertrauen).<br />
„Wo kann ich gut <strong>und</strong> sicher sein? – Was läßt mich-nicht- in Ruhe sein?“<br />
- Stärken ausbauen:<br />
äußere Ressourcen (sein können – Raum, Schutz, Halt) –<br />
innere Ressourcen (Körper; Gefühle/Lebenskraft/Aggression, Kenntnis <strong>und</strong><br />
Erfahrung seiner Fähigkeiten, Haltungen zu sich <strong>und</strong> zum Leben, Glaube)<br />
- Schwächen abbauen: Erkennen des Gr<strong>und</strong>-Problems der Schwächen (nicht<br />
annehmen können, mit dem Problem nicht sein können) – Schlüssel<br />
zum besseren Umgang, zum Abbau der Schwäche <strong>und</strong> evtl. des Problems<br />
(Angstkonfrontation, sich stellen)<br />
- Vertrauen, Selbstvertrauen<br />
2. MÖGEN-KÖNNEN<br />
Nähe, Zeit, Beziehung, um leben zu mögen.<br />
Gegeben durch: Zuwendung (Zeit, emotionales Berührtsein)<br />
Verlangt: Zuwendung zu Werten („Ja zum Leben“)<br />
Auseinandersetzung mit dem Leben <strong>und</strong> seinen Werten (Gr<strong>und</strong>wert).<br />
„Wie kann ich gut <strong>und</strong> freudvoll leben? – Was macht mein Leben lebenswert? – Was<br />
hindert das Fließen der Kräfte, blockiert <strong>die</strong> Gefühle, stört <strong>die</strong> Beziehungen?“<br />
- Herausfinden: Was bringt Leben in mein Leben?<br />
- Werte, Lust <strong>und</strong> Emotion<br />
- Bedeutung der Beziehungen<br />
- Lust <strong>und</strong> Neigung vs. Zwang <strong>und</strong> Pflicht (das Mögen)<br />
- Stress <strong>und</strong> Burnout: Entstehung <strong>und</strong> Prävention<br />
- Gefühle – Partner oder Störenfriede? ⇒ Wert <strong>und</strong> Bedeutung der Gefühle<br />
- (Gefühlsmanagement <strong>und</strong> Gefühlshaushalt)<br />
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3. DÜRFEN-KÖNNEN<br />
Abgrenzung, Individualität, Wertschätzung, um selbst sein zu dürfen.<br />
Gegeben durch: Gesehenwerden, Wertschätzung (Respekt, Stellungnahme <strong>und</strong><br />
Anerkennung)<br />
Verlangt: Anerkennung des Eigenen durch sich selbst („Ja zum Personsein“)<br />
Ethische Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft (Selbstwert).<br />
„Wie kann ich ich selber sein? – Darf ich so sein, wie ich bin? – Was gibt mir<br />
Selbstwert? - Wer/was lässt mich nicht mich selber sein?<br />
- Leben des Eigenen in der Antwort auf den anderen<br />
- Finden <strong>und</strong> Wertschätzung des Eigenen:<br />
- wer ich bin<br />
- wie ich mich verstehe<br />
- wie ich ich sein kann<br />
- was meine persönliche Note ist<br />
- woran ich mich orientiere<br />
- wie ich zu mir stehe<br />
- wo ich mich verstecke bzw. eine Maske trage<br />
- wie ich echt sein kann (vor den Augen der anderen <strong>und</strong> mir selbst –<br />
Authentizität)<br />
4. SOLLEN-KÖNNEN<br />
Tätigwerden in Hingabe an Produktivität, Erleben <strong>und</strong> Erhaltung von Werten, weil<br />
der Mensch Sinnvolles will.<br />
Gegeben durch: Sinnzusammenhänge<br />
Verlangt: Über-ein-Stimmung mit Situation („Ja zum Sinn“)<br />
Praktische Auseinandersetzung mit dem Sinn <strong>und</strong> der Zukunft („Wohin“) der<br />
(Wille zum Sinn).<br />
Thema: Wille – Sinn – Existenz: „Will ich für das leben, was ich tue? – Wofür soll ich<br />
leben? – Was gibt mir Erfüllung?“ Es geht jetzt um den Kern der Existenz: um<br />
konstruktives Werden, Zukunft, Erfüllung.<br />
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Gr<strong>und</strong>lagen sind Absicherung (1. GM), Beziehungen (2. GM) <strong>und</strong> Selbstsein (3. GM),<br />
auf deren Boden es jetzt geht um:<br />
• was will ich wirklich,<br />
• wie bin ich eingebettet,<br />
• wie kann ich fruchtbar sein,<br />
• wo bin ich gefragt,<br />
• woran orientiere ich mich,<br />
• wofür will ich leben<br />
4 Schritte zur Sinnfindung = Sinnerfassungsmethode (nach Längle)<br />
1. Wahrnehmen der Realität (Annehmen, was ist)<br />
2. Werten der Möglichkeiten (Wahlfreiheit)<br />
3. Wählen des Wertvollsten (Wertbezug)<br />
4. Wirken (Handeln) in der Situation (Verantwortlichkeit)<br />
Literatur<br />
Menschsein heißt In-Frage-Stehen.<br />
Leben ist Antwort geben.<br />
Frankl ,Viktor (1975): Der leidende Mensch. Anthropologische Gr<strong>und</strong>lagen der<br />
Psychotherapie. München: Piper<br />
Längle, Alfried (1999): Was bewegt den Menschen? Die existentielle Motivation der<br />
Person. In: <strong>Existenzanalyse</strong> Band 16<br />
Längle, Alfried (1988): Wende ins Existentielle. Die Methode der Sinnerfassung.<br />
In: Längle A (Hrsg) Entscheidung zum Sein. V. E. Frankls Logotherapie in der Praxis.<br />
München: Piper<br />
Längle, Alfried (1988): Sinnspuren. Dem Leben antworten. St. Pölten: NP Buchverlag<br />
Management Center Vorarlberg: Lehrgang Existenzanalytische Coachingausbildung<br />
mit Alfried Längle; Zit. nach Marianne Grobner.<br />
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