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Diskurse und die Welt der Ameisen

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<strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong>.<br />

Foucault mit Latour lesen (<strong>und</strong> umgekehrt)<br />

Anne Dölemeyer / Mathias Rodatz<br />

Draft<br />

Zur Publikation in:<br />

Robert Feustel; Maximilian Schochow (Hg.) (2010): Zwischen Sprachspiel<br />

<strong>und</strong> Methode. Perspektiven <strong>der</strong> Diskursanalyse. Bielefeld: transcript, 197-220.<br />

Abstract:<br />

Die Actor-Network Theory (ANT) lässt sich für Gegenwartsanalysen von Regierungsprozessen<br />

<strong>und</strong> Machteffekten fruchtbar machen. Ziel des Beitrags ist es,<br />

<strong>die</strong>ser Anschlussfähigkeit Kontur zu verleihen. Die zentrale Frage richtet sich auf<br />

den Mehrwert einer entsprechenden Kombination mit Programmanalysen im Sinne<br />

<strong>der</strong> Stu<strong>die</strong>s of Governmentality: Lässt sich Foucault mit Latour lesen – <strong>und</strong><br />

was passiert dabei? Was kann <strong>die</strong> ANT für <strong>die</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />

Macht/Wissens-Komplexen, mit <strong>der</strong> Untersuchung von Machtverhältnissen, von<br />

»Regierung« im weitesten Sinn leisten? Das Ergebnis, so <strong>die</strong> Argumentation des<br />

Beitrags, wäre eine »gegenwartstaugliche«, praxeologische <strong>und</strong> materiale Form<br />

von »Diskursanalyse« (<strong>die</strong> dann vielleicht nicht mehr so heißt), mit <strong>der</strong> <strong>die</strong> Analyse<br />

von Texten mit <strong>der</strong> Analyse materialisierter Verbindungen zu <strong>der</strong>en Außenwelten<br />

verknüpft wird. Mit einer solchen Perspektive lässt sich <strong>die</strong> performative Kraft<br />

von Programmen konkret untersuchen.


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 1<br />

Einleitung<br />

Bruno Latour, bekannt für seine scheinbar abstrusen Ideen, hat sich mit seinen<br />

MitstreiterInnen im Herkunftsfeld <strong>der</strong> von ihnen entwickelten Actor-Network-<br />

Theory (ANT) – <strong>der</strong> Wissenschaftssoziologie, <strong>der</strong> Science and Technology Stu<strong>die</strong>s<br />

<strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Laboratory Stu<strong>die</strong>s – einen Namen gemacht. Zwar gelten<br />

<strong>die</strong> hier entstandenen Arbeiten als wegweisend, doch Latours Versuche einer<br />

Übertragung <strong>der</strong> konzeptionellen Erkenntnisse auf an<strong>der</strong>e Fel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sozialwissenschaften<br />

werden ambivalenter bewertet. Sie wecken »gemischte Gefühle«, wie<br />

Thomas Lemke (2010: 290) kürzlich für Latours Versuch, das Politische im Parlament<br />

<strong>der</strong> Dinge (Latour 2001) zu denken, festgestellt hat.<br />

Angesichts Latours ausfälliger Pöbeleien gegen »herkömmliche« <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />

»kritische« Soziologien (z. B. Latour 2007: 14ff.) sowie des schnell entstehenden<br />

Eindrucks, dass sich seine Alternative zu einer Analytik <strong>der</strong> Macht <strong>und</strong> einer<br />

Kritik des Regierens zunächst nur in Verfahren erschöpft, <strong>die</strong> das Wohlergehen<br />

des »Roten Thunfischs« (Latour 2009) <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er nicht-menschlicher Akteure<br />

sicher zu stellen suchen, erscheint <strong>die</strong> bisweilen f<strong>und</strong>amentale Zurückweisung<br />

seiner Analytik als vollkommen berechtigt: Sie sei machtvergessen, eindimensional<br />

<strong>und</strong> so sehr auf Produktivität versteift, dass Machteffekte um Rasse, Klasse<br />

<strong>und</strong> Geschlecht systematisch aus dem Blick geraten (vgl. u. a. Harding 2008). Die<br />

harsche Kritik wird aber auch häufig mit dem Verweis auf <strong>die</strong> produktiven Werkzeuge<br />

<strong>der</strong> ANT kontrastiert: »Perhaps I have been too hard on Latour. His account<br />

is problematic but it provides valuable resources for rethinking mo<strong>der</strong>nity, tradition,<br />

and sciences« (ebd.: 46).<br />

Diese analytischen Ressourcen werden auch von einigen sozialwissenschaftlichen<br />

Ansätzen aufgegriffen, <strong>die</strong> sich vornehmlich mit <strong>der</strong> Analyse von Machteffekten<br />

beschäftigen. So gibt es insbeson<strong>der</strong>e bei Stu<strong>die</strong>n im Anschluss an Michel<br />

Foucault immer wie<strong>der</strong> Versuche, Latours <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> Dinge für Diskursanalysen<br />

fruchtbar zu machen (vgl. u. a. Murdoch 2004; Rose/Miller 1992; Rose/Valverde<br />

1998; Schofield 2002; Valverde 2005 & 2008). David Murakami Wood behauptet<br />

gar, <strong>die</strong> ANT sei eine, wenn nicht <strong>die</strong> einzige würdige Nachfolge des<br />

Foucaultschen Denkens, weil sie dessen Machtbegriff weiterentwickle, indem <strong>die</strong><br />

ANT Gesellschaft als Resultat komplexer Interaktionen zwischen menschlichen<br />

<strong>und</strong> nichtmenschlichen Elementen in heterogenen Assoziationen (Akteursnetzwerken)<br />

betrachte <strong>und</strong> genau auf <strong>die</strong>se Interaktionen ihren Fokus richte (Murakami<br />

Wood 2007: 256).<br />

Genau an <strong>die</strong>ser Stelle liegt <strong>der</strong> Ausgangspunkt für <strong>die</strong> folgende Argumentation,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Einschätzung, dass <strong>die</strong> ANT für Gegenwartsanalysen von Regierungsprozessen<br />

<strong>und</strong> Machteffekten fruchtbar gemacht werden kann, gr<strong>und</strong>sätzlich teilt.<br />

Das Ziel des Beitrags ist es, <strong>die</strong>ser Anschlussfähigkeit etwas mehr Kontur zu verleihen.<br />

Die zentrale Frage <strong>die</strong>ses Artikels richtet sich also auf den Mehrwert einer<br />

solchen Kombi nation: Was kann <strong>die</strong> ANT für <strong>die</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />

Macht/Wissens-Komplexen, mit <strong>der</strong> Untersuchung von Machtverhältnissen, von


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 2<br />

»Regierung« im weitesten Sinn leisten? Unsere These lautet: In <strong>der</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Ameisen</strong> 1 wird <strong>die</strong> Analyse von Texten mit <strong>der</strong> Analyse materialisierter Verbindungen<br />

zu <strong>der</strong>en Außenwelten verknüpft <strong>und</strong> somit <strong>die</strong> performative Kraft von<br />

Programmen konkret untersucht.<br />

Aus <strong>die</strong>ser Perspektive bietet es sich an, Foucault <strong>und</strong> Latour parallel zu lesen, um<br />

bei <strong>der</strong> Bearbeitung von Gegenwartsanalysen des Regierens Verbindungen von<br />

programmatisch orientierten Diskursanalysen mit Untersuchungen <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>ungen<br />

des Alltags denkbar zu machen. Die zusätzliche Arbeit <strong>die</strong>ser Kombination<br />

lohnt sich insbeson<strong>der</strong>e für gegenwartsbezogene Fragestellungen. Denn sie<br />

kann einen analytischen Rahmen liefern, in dem sich das Alltagsleben von programmatischen<br />

Logiken <strong>und</strong> Regierungstechniken verfolgen lässt, also <strong>die</strong> Anwendung,<br />

Umsetzung, Interpretation <strong>und</strong> Aussetzung. Praktisch wird dann gefragt,<br />

wie Regierungslogiken konkret übersetzt <strong>und</strong> transportiert o<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t<br />

werden. Somit gerät <strong>der</strong> »Slash« zwischen Macht/Wissen in den Mittelpunkt des<br />

Interesses: »We need to know the relation between knowledge and power – and<br />

this is as true with the other slash, discourse/society« (Latour in Crawford 1993:<br />

251).<br />

Das Ergebnis wäre eine »gegenwartstaugliche«, praxeologische <strong>und</strong> materiale<br />

Form von »Diskursanalyse« (<strong>die</strong> dann vielleicht nicht mehr so heißt). Ein solches<br />

Vorgehen unterscheidet sich auch von Foucaults Begriff <strong>der</strong> »Gouvernementalität«<br />

(Foucault 2004) <strong>und</strong> den sich hieran anschließenden Untersuchungen, <strong>die</strong> im<br />

deutschsprachigen Raum vor allem unter dem Label »Programmanalyse« bekannt<br />

geworden sind. Die Perspektive <strong>der</strong> Analyse verän<strong>der</strong>t sich bei <strong>die</strong>sem Vorgehen:<br />

Statt »top- down« von allgemein gegenwärtigen Rationalitäten, Dispositiven, politischen<br />

Programmen o<strong>der</strong> Handlungsimperativen auszugehen <strong>und</strong> ggf. <strong>der</strong>en Präsenz<br />

in konkreten Situationen aufzuspüren, setzt eine solche Untersuchung des<br />

sozialen Lebens von diskursiven Formationen bei den konkreten Situationen/Konstellationen<br />

an. Sie untersucht, auf welchen Wegen <strong>und</strong> mit welchen Vehikeln<br />

dort politische Programme, Rationalitäten o<strong>der</strong> Diskursfragmente mobilisiert<br />

werden <strong>und</strong> ihre Wirkung im jeweiligen Akteurs-Netzwerk entfalten. Auf<br />

<strong>die</strong>se Weise wird nicht nur sichtbar, dass sich »<strong>Diskurse</strong>« o<strong>der</strong> »Rationalitäten«<br />

selten in <strong>der</strong> Form nie<strong>der</strong>schlagen, in <strong>der</strong> sie formuliert werden, son<strong>der</strong>n auch, wie<br />

sie sich (re-)formieren <strong>und</strong> dabei Wirkungsmacht entfalten (o<strong>der</strong> eben auch<br />

nicht). Um das Potential <strong>und</strong> <strong>die</strong> Grenzen <strong>die</strong>ses Zugriffs herauszuarbeiten, lohnt<br />

es sich also, <strong>die</strong> »gemischten Gefühle« gegenüber Latours Polemiken zurückzustellen.<br />

Denn unter dem Label ANT haben Latour <strong>und</strong> seine KollegInnen eine<br />

ganze Reihe von analytischen Hilfsmitteln versammelt, 2 <strong>die</strong> bei einem solchen<br />

empirischen Zugriff ein Verwechslung von »<strong>Diskurse</strong>n« (ob als sprachlich artiku-<br />

1 Latour nutzt <strong>die</strong> doppelte Bedeutung von ANT als Metapher: Das Bild <strong>der</strong> kurzsichtigen, langsam<br />

reisenden, aber gewissenhaften Ameise beschreibe den Kern <strong>der</strong> ANT vorzüglich (vgl. Latour<br />

2005: 9).<br />

2 Wohl gemerkt: Sie haben sie tatsächlich nur verfügbar gemacht. Obwohl Polemik <strong>und</strong> ›revolutionäre‹<br />

Begrifflichkeiten häufig etwas radikal Neues zu versprechen scheinen, erklärt Latour<br />

selbst <strong>die</strong>se Rhetorik zum Mittel einer spezifischen Betonung <strong>und</strong> Zusammenstellung (zum<br />

Teil bereits seit langem) bestehen<strong>der</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Sozialwissenschaften (vgl. Latour<br />

2005: 23ff.).


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 3<br />

lierte o<strong>der</strong> in einem umfassen<strong>der</strong>en Sinn verstanden) mit per se wirkungsmächtigen<br />

Strukturen verhin<strong>der</strong>n.<br />

Die Argumentation des Beitrags ist wie folgt aufgebaut: Zunächst werden einige<br />

Charakteristika, Probleme <strong>und</strong> potentielle Fallstricke einer Übertragung von<br />

Foucaults genealogisch ausgerichteten Untersuchungen von Macht/Wissens-<br />

Komplexen <strong>und</strong> Regierungsweisen auf gegenwartsbezogene Probleme diskutiert.<br />

3 Ziel ist es, den gr<strong>und</strong>sätzlichen Sinn <strong>und</strong> Zweck einer Operationalisierung<br />

<strong>der</strong> ANT in <strong>die</strong>sem Forschungsfeld zu identifizieren. Daran anschließend<br />

werden ausgehend vom Begriff <strong>der</strong> Macht relevante Aspekte <strong>der</strong> ANT vorgestellt<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> wechselseitigen Anschlussstellen <strong>der</strong> beiden Theoriegebäude herausgearbeitet,<br />

um im letzten Teil des Beitrags einige Ansätze einer analytischen Kombination<br />

zu formulieren <strong>und</strong> Bedingungen <strong>und</strong> Potentiale entsprechen<strong>der</strong> Untersuchungen<br />

beleuchten zu können.<br />

Genealogie , Diskurs <strong>und</strong> Gegenwart<br />

Versucht man <strong>die</strong> vielfältigen Arbeiten Foucaults auf einen allgemeinen Nenner<br />

zu bringen, ließe sich vielleicht sagen: Foucaults Interesse gilt vorrangig <strong>Diskurse</strong>n,<br />

in denen bzw. mittels <strong>der</strong>er sich konstituiert, was als wahr gilt. Es geht ihm<br />

darüber hinaus um <strong>die</strong> Machtwirkungen <strong>die</strong>ses Wissens <strong>und</strong> Sprechens sowie um<br />

<strong>die</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Logiken des Regierens. Er betrachtet <strong>die</strong> langen Linien,<br />

<strong>die</strong> prägenden diskursiven Formationen ganzer Epochen. Dabei geht er auch<br />

exemplarisch auf damit verb<strong>und</strong>ene Praktiken (z. B. das Geständnis, <strong>die</strong> Einsperrung,<br />

das Onanie-Verbot, den Drill, kurz: <strong>die</strong> praktischen Zurichtungen) ein, <strong>die</strong><br />

er als paradigmatisch bzw. als allgegenwärtig innerhalb bestimmter gesellschaftlicher<br />

Formationen versteht. Er untersucht <strong>die</strong> Entstehungsbedingungen hegemonialer<br />

Formen des Regierens von den Rän<strong>der</strong>n her: den Wahnsinn, das Gefängnis,<br />

<strong>die</strong> sexuellen Perversionen usw.<br />

In <strong>die</strong>sem Sinne genealogisch arbeitende Diskursanalysen zeichnen <strong>die</strong> historisch<br />

spezifischen Konstellationen <strong>der</strong> Geburt von <strong>Diskurse</strong>n nach o<strong>der</strong> machen Brüche<br />

in <strong>der</strong> Regelhaftigkeit <strong>der</strong> verwendeten Muster eines spezifischen Feldes o<strong>der</strong><br />

einer Disziplin aus. Genau darin liegt eine Stärke von Foucaults Arbeiten <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

daran anschließenden Analysen: das Herausarbeiten von Mustern, <strong>die</strong> »Methode«<br />

haben.<br />

In seinen Arbeiten mäan<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Begrifflichkeiten. Ob er sich unter <strong>der</strong> Überschrift<br />

»Diskursanalyse« mit Wissensformationen, regulativen Praktiken, baulichen<br />

Anordnungen o<strong>der</strong> mit allem zugleich beschäftigt, wandelt sich mit den jeweiligen<br />

Untersuchungsgegenständen. In einem Teil <strong>der</strong> diskursanalytischen<br />

Foucault-Rezeption hat sich durchgesetzt, vor allem Geschriebenes <strong>und</strong> Gesprochenes<br />

als »Diskurs« zu untersuchen. Im methodologischen Denken Foucaults<br />

<strong>und</strong> vieler daran anschließen<strong>der</strong> Stu<strong>die</strong>n beschränkt sich »Diskurs« aber nicht nur<br />

3 Vgl. zum Verhältnis von Genealogie <strong>und</strong> Diskursanalyse den Text von Hagen Schölzel in <strong>die</strong>sem


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 4<br />

auf <strong>die</strong> gesprochene o<strong>der</strong> geschriebene Sprache. 4 Vielmehr ergibt sich <strong>die</strong> Materialität<br />

des <strong>Diskurse</strong>s aus <strong>der</strong> Kombination von Texten, Praktiken, Gebäuden, räumlichen<br />

Anordnungen etc. (vgl. Schrage 2006: 1810ff.). Das ist es, was Foucault<br />

später gelegentlich als Dispositiv bezeichnen wird (Foucault 1978: 119ff.). Dieses<br />

bestimmt sich ähnlich wie sein Diskurs historisch spezifisch als »Formation, <strong>der</strong>en<br />

Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt darin bestanden<br />

hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten. Das Dispositiv hat also eine vorwiegend<br />

strategische Funktion« (Foucault 1978: 119ff.).<br />

Foucaults analytischer Blick lässt sich folglich nicht auf eine politische Ideengeschichte<br />

beschränken <strong>und</strong> seine Geschichte <strong>der</strong> Denksysteme reduziert sich nicht<br />

»auf <strong>die</strong> Rekonstruktion <strong>der</strong> leitenden Paradigmen <strong>und</strong> Theorieentwürfe, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Vorstellungen <strong>der</strong> Zeit konstituieren, vielmehr umfasst sie das ganze<br />

dichte <strong>und</strong> heterogene Gewebe <strong>der</strong> Wissensformationen <strong>und</strong> ihrer Repräsentationen,<br />

<strong>der</strong> sozialen Gegebenheiten <strong>und</strong> politischen Institutionen, <strong>der</strong> Technologien<br />

<strong>der</strong> Macht <strong>und</strong> <strong>der</strong> Prozesse <strong>der</strong> Normierung, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Singularität<br />

dessen, ›was wir sind‹, allererst ihre Gestalt verleihen« (Mersch 1999: 165).<br />

Gleichwohl entfaltet Foucault <strong>die</strong>ses »ganze dichte <strong>und</strong> heterogene Gewebe« immer<br />

nur in Relation zu spezifischen <strong>und</strong> unbestreitbar »wahren« Phänomenen <strong>der</strong><br />

Gegenwart. Das ist <strong>der</strong> genealogische Blick: Er untersucht bestimmte Momente,<br />

Formationen <strong>und</strong> Wahrheiten <strong>der</strong> Gegenwart unter dem Gesichtspunkt ihrer Kontingenz,<br />

indem er <strong>die</strong> Aufmerksamkeit auf <strong>die</strong> Bedingungen ihrer Geschichte<br />

lenkt. Allein <strong>die</strong> Fragestellung nach den Entstehungs- <strong>und</strong> Existenzbedingungen<br />

spezifischer Gegenstände produziert <strong>die</strong> (oft implizite) Folie, vor <strong>der</strong> aus historischen<br />

Quellen überzeugende Beschreibungen <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Materialschlacht<br />

entstehen. Die Materialisierung <strong>der</strong> <strong>Diskurse</strong> selbst ist jedoch nur selten<br />

expliziter Gegenstand in Foucaults Untersuchungen. Sie wird auch nicht gr<strong>und</strong>legend<br />

theoretisch geklärt (vgl. Übersicht <strong>der</strong> Diskussion bei Jäger 2006: 90ff.).<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> genealogischen Perspektive braucht Foucault keine Theorie des<br />

Verhältnisses von Wissen <strong>und</strong> seiner materialen Einschreibung, um seinen Diskurs<br />

bzw. sein Dispositiv analytisch in seiner Materialität zu erfassen: Weil es<br />

Gefängnisse gibt <strong>und</strong> <strong>die</strong> großen Linien <strong>die</strong>ser Institution in <strong>der</strong> Gegenwart so<br />

unumstößlich »wahr« wie <strong>die</strong> Mauern <strong>der</strong> Gefängnisgebäude stabil sind, produziert<br />

Foucaults Analyse <strong>der</strong> Geburt einer realisierbaren (aber so nie realisierten)<br />

Programmatik (bspw. Benthams Panoptikum) valide Erkenntnisse über ein unbestreitbar<br />

realisiertes <strong>und</strong> äußerst materielles Dispositiv (das Gefängnis). Wenn<br />

Philipp Sarasin anmerkt, dass genealogische Diskursanalysen »tote Körper« sezieren,<br />

d. h. bereits »geronnene« Wissensformationen (Sarasin 2006: 126), so verweist<br />

<strong>die</strong>s auf <strong>die</strong>se Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Foucaultschen »Gegenwartsforschung«: ihre<br />

historische Form.<br />

Untersuchungen, <strong>die</strong> aktuelle Denk- <strong>und</strong> Sagbarkeiten freizulegen suchen, entwickeln<br />

aus den historisch-konkreten analytischen Begriffen Foucaults »sozialwissenschaftliche<br />

Konzepte« (vgl. u. a. Pieper/GutiérreRodriguez 2003). Diese gehen<br />

dann (a) von bereits vorhandenen Diskursstrukturen aus, ohne <strong>der</strong>en Genese im<br />

4 Vgl. zur irreführenden Unterscheidung von diskursiv <strong>und</strong> nicht-diskursiv den Text von Silke van<br />

Dyk in <strong>die</strong>sem Band.


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 5<br />

Einzelnen zu verfolgen. Des Weiteren beschränken sie sich (b) auf <strong>die</strong> Analyse<br />

von (körperlosem) Wissen <strong>und</strong> von als hegemonial erkannten Rationalitäten, von<br />

denen man einfach vorauszusetzen scheint, dass sie eine bestimmte, in ihnen angelegte<br />

Wirkungsmacht entfalten. Im Fokus stehen dann zwar wie bei Foucault<br />

materialisierbare, programmatische Entwürfe. Machteffekte werden aber nicht als<br />

Potentialitäten untersucht, son<strong>der</strong>n als Spuren <strong>und</strong> Hinweise einer vermeintlich<br />

tatsächlichen <strong>und</strong> systematischen Zurichtung unserer Zeit. Dabei entspringen <strong>die</strong>se<br />

Annahmen nicht <strong>der</strong> analytischen Spannung von gegenwärtiger Singularität<br />

<strong>und</strong> genealogischer Untersuchung – also dem Wissen, dass <strong>die</strong> untersuchte Singularität<br />

im Kontext <strong>der</strong> bisherigen Geschichte bereits wahr geworden ist. Vielmehr<br />

schließen sie an ein zumindest missverständliches Moment Post-Foucaultscher<br />

Theoriebildung an: Ein Verständnis von Diskursanalyse, in dem eine Materialisierung<br />

von aktuellen Programmen schlicht angenommen <strong>und</strong> somit Wissen mit<br />

Macht gleichgesetzt wird. »Der« Diskurs droht dann zum »mächtigen« Subjekt<br />

einer Erklärung <strong>der</strong> gesellschaftlichen Wirklichkeit zu werden: »<strong>Diskurse</strong> üben<br />

Macht aus, da sie Wissen transportieren, das kollektives <strong>und</strong> individuelles Bewusstsein<br />

speist. Dieses zustande kommende Wissen ist <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage für individuelles<br />

<strong>und</strong> kollektives Handeln <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gestaltung von Wirklichkeit« (Jäger<br />

2006: 89). 5<br />

Thomas Osborne verweist auf eine Gefahr entsprechen<strong>der</strong> sozialwissenschaftlicher<br />

Generalisierungen. Er trennt dazu zwischen stu<strong>die</strong>s of governmentality <strong>und</strong><br />

governmentality stu<strong>die</strong>s:<br />

»Erstere verfahren nominalistisch <strong>und</strong> sind, im Gr<strong>und</strong>e genommen, eine<br />

Übung in <strong>der</strong> Geschichte des Denkens. Letztere ähneln eher einer realistischen<br />

politischen Soziologie auf <strong>der</strong> Suche nach genau jenen mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

gesetzmäßigen Generalisierungen unserer Gegenwart, von denen uns<br />

<strong>die</strong> erstgenannten gerade zu befreien suchten! Es gibt keine ›liberale‹ o<strong>der</strong><br />

›neoliberale‹ Subjektivität als solche. Als Subjekte werden wir von allen<br />

möglichen Formen <strong>der</strong> Subjektivität durchkreuzt. Und natürlich versorgen<br />

uns Liberalismus wie Neoliberalismus mit – um mit Deleuze zu sprechen –<br />

›Fluchtlinien‹ <strong>der</strong> Subjektivität, denen wir folgen können o<strong>der</strong> <strong>die</strong> uns folgen;<br />

Fluchtlinien unter vielen natürlich, aber nichtsdestoweniger Fluchtlinien«<br />

(Osborne 2001: 14).<br />

Als Teil einer Geschichte des Denkens, so Osborne, untersuchen stu<strong>die</strong>s of<br />

governmentality also Programme <strong>und</strong> ihre Rationalitäten als mögliche Fluchtlinien<br />

im Deleuzeschen Sinne. Diese Fluchtlinien <strong>der</strong> Subjektivierung werden mit einer<br />

pragmatischen »als-ob« Hypothese, mit <strong>der</strong> für Programmanalysen ein beliebig<br />

formbares Menschenbild unterstellt wird, isoliert. »Programme sind performativ«<br />

– <strong>die</strong>ser Leitsatz meint dann zunächst nur, dass Programme als Eingriffe aufgestellt<br />

werden respektive eine Intention haben. Sie sollen also durch »Problemfeststellungen,<br />

Ziele <strong>und</strong> Strategien <strong>der</strong> Bearbeitung« eine bestimmte Wirklichkeit<br />

formen, tun es aber nicht unbedingt. Ob <strong>und</strong> wie sie sich in Praktiken, <strong>die</strong> Gestal-<br />

5 Jäger selbst erkennt das Problem von Diskurs <strong>und</strong> Macht <strong>und</strong> diskutiert es ausführlich in späteren<br />

Kapiteln desselben Buches.


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 6<br />

tung öffentlicher Räume o<strong>der</strong> Architektur materialisieren, bleibt zunächst offen<br />

(Kessl/Krasmann 2005: 231).<br />

Analysen, <strong>die</strong> Osbornes Dichotomie in Richtung einer »Geschichte des Denkens«<br />

folgen, untersuchen dann zwar <strong>die</strong> Entstehungsbedingungen (Genealogie) <strong>und</strong><br />

potentiellen Wirklichkeitseffekte (Anthropologie/ Subjektivierungsformen) von<br />

Rationalitäten, Programmen <strong>und</strong> politischen Techniken. Die Frage »ob (<strong>und</strong> wie)<br />

Programme wirken« klammern sie aber systematisch aus: »Offen bleibt dabei, in<br />

welchem Maße <strong>die</strong> Programme des Regierens <strong>und</strong> Sich-selbst-Regierens das<br />

Denken <strong>und</strong> Tun <strong>der</strong> Menschen bestimmen« (Bröckling et al. 2004: 12; vgl.<br />

Bröckling et al. 2000).<br />

Solche Analysen umschiffen <strong>die</strong> Klippe einer angenommenen diskursiven Determination,<br />

indem sie zwar prinzipiell von einer diskursiven Wirkungsmacht ausgehen,<br />

<strong>die</strong>se aber systematisch nicht untersuchen. Diese Art des Forschens hat zweifelsohne<br />

einen hohen Wert, gerade wenn es um <strong>die</strong> großen Linien bestimmter<br />

dominanter Regierungsformen geht. Aber sie hilft nicht, um Fragen nach dem<br />

›sozialen Leben‹ <strong>die</strong>ser Programme zu betrachten <strong>und</strong> <strong>die</strong> (Un-)Ordnungen des<br />

Alltags, 6 <strong>die</strong> Schnittstellen vielfacher <strong>und</strong> diffuser »Fluchtlinien <strong>der</strong> Subjektivität«<br />

<strong>und</strong> ihre unwahrscheinlichen Effekte in den Blick zu bekommen. Denn letzteres<br />

erfor<strong>der</strong>t es, <strong>die</strong>sen Fluchtlinien zu ihren Kreuzungspunkten in konkreten Arrangements<br />

zu folgen o<strong>der</strong> <strong>die</strong>se Arrangements gleich zum Ausgangspunkt <strong>der</strong> Untersuchungen<br />

zu machen. Die These <strong>der</strong> Unwahrscheinlichkeit einer linearen Umsetzung<br />

von Programmen wird dabei nicht aufgegeben son<strong>der</strong>n selbst zum Untersuchungsgegenstand,<br />

wie auch Kessl <strong>und</strong> Krassmann betonen:<br />

»Die Analyse von Programmen geht indes nicht davon aus, dass Programmierungen<br />

einen einfachen Umsetzungsprozess beschreiben […]. Die Frage<br />

einer programmanalytischen Rekonstruktion wäre dann, wie <strong>die</strong>se Probleme<br />

aufgegriffen, übersetzt <strong>und</strong> umgebogen werden, unter welchen Bedingungen<br />

<strong>die</strong> Probleme, <strong>die</strong> sie formulieren, überhaupt Gehör finden <strong>und</strong> auf Akzeptanz<br />

bzw. auf Wi<strong>der</strong>stand stoßen« (Kessl/Krasmann 2005: 232).<br />

Um <strong>die</strong>ser Frage nach dem konkreten Verhältnis von Wissen <strong>und</strong> Macht, von<br />

Programmen <strong>und</strong> Wirklichkeit(en) in spezifischen Arrangements nachzugehen,<br />

bietet <strong>die</strong> ANT eine Reihe von analytischen Hilfsmitteln <strong>und</strong> einen viel versprechenden<br />

Rahmen. Denn <strong>die</strong> Perspektive <strong>der</strong> ANT verhin<strong>der</strong>t es, Materialisierungen<br />

mit einem diskursiven Determinationsverhältnis zu verwechseln. Sie macht<br />

gerade auf <strong>die</strong> hohen Übersetzungskosten eines verlustfreien Transports von Regierungsideen<br />

aufmerksam – <strong>und</strong> entsprechende Untersuchungen zeigen, dass<br />

<strong>die</strong>se Kosten nur selten beglichen werden. Genauso wenig lässt sich innerhalb<br />

<strong>die</strong>ses analytischen Rahmens von <strong>der</strong> Untersuchung konkreter Arrangements auf<br />

»gesetzmäßige Generalisierungen« schließen, weil entsprechend detailreiche Stu<strong>die</strong>n<br />

gerade zeigen, dass jedes lokale Arrangement an<strong>der</strong>s ist – selbst dann, wenn<br />

<strong>die</strong>se Arrangements an den selben programmatischen Text anschließen. 7 Somit<br />

6 Vgl. dazu den Text von John Law in <strong>die</strong>sem Band.<br />

7 Diese Einsicht lässt sich bspw. aus Annemarie Mols eindrucksvoller Stu<strong>die</strong> The body multiple<br />

ableiten. Sie zeigt, wie sich <strong>die</strong> Performativität von etwas, was man vielleicht als ein medizini-


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 7<br />

hätte eine solche Analyse weniger das Ziel zu zeigen, dass (bestimmte) <strong>Diskurse</strong><br />

(immer auf eine bestimmte Weise) Macht ausüben. Vielmehr wäre zu untersuchen<br />

wie Programme sich (immer wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s) materialisieren, wie sie (immer wie<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>s) Macht ausüben <strong>und</strong> vor allem welche Transformationen sie dabei<br />

durchlaufen<br />

Die <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong><br />

Bei einem Blick auf <strong>die</strong> jeweiligen Objekte des Interesses erscheint <strong>der</strong> Graben<br />

zwischen Foucault respektive <strong>der</strong> im Anschluss an ihn entwickelten Diskursanalysen<br />

<strong>und</strong> dem Denken Latours riesig. Latour bzw. <strong>die</strong> ANT legt das Augenmerk<br />

vor allem auf <strong>die</strong> Interaktionen menschlicher <strong>und</strong> nichtmenschlicher »Akteure«<br />

bzw. »Aktanten«, in denen sich <strong>die</strong>se gegenseitig bestimmen. Diese <strong>Welt</strong> besteht<br />

aus einer unzähligen Menge von sich überschneidenden, ineinan<strong>der</strong> verschachtelten<br />

Akteurs-Netzwerken, <strong>der</strong>en Konstitution <strong>und</strong> Aufrechterhaltung es zu untersuchen<br />

gilt. Vokabeln wie »Diskurs«, »Wissen« o<strong>der</strong> »Subjekt« fehlen genauso wie<br />

Referenzen zu »Rationalitäten«, »Taktiken« o<strong>der</strong> »Strategien«. Dafür geht es um<br />

<strong>die</strong> gegenseitige Konstitution <strong>und</strong> Interaktion von Akteuren bzw. Aktanten. Als<br />

solcher zählt jedes »Element, das Raum um sich herum beugt, an<strong>der</strong>e Elemente<br />

von sich abhängig macht <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Willen in seine eigene Sprache übersetzt«<br />

(Callon/Latour 2006/1981: 85). Ein Akteur/Aktant lässt sich nur durch seine Performanzen<br />

bestimmen, durch <strong>die</strong> äußerlich erkennbaren, unter gleichen Voraussetzungen<br />

immer wie<strong>der</strong>kehrenden Eigenschaften <strong>und</strong> Verhaltensweisen. Eine<br />

von <strong>der</strong> Performanz unabhängige Essenz ist nicht erfassbar <strong>und</strong> wird auch nicht<br />

angenommen. Es gibt keinen an<strong>der</strong>en Weg, »einen Akteur zu definieren, als durch<br />

seine Aktion, <strong>und</strong> keinen an<strong>der</strong>en Weg, eine Aktion zu bestimmen, als sich zu<br />

fragen, wie <strong>die</strong> jeweils interessierende Figur an<strong>der</strong>e Akteure verän<strong>der</strong>t, transformiert,<br />

stört o<strong>der</strong> hervorbringt« (Latour 2002: 148). Damit wird auch deutlich, wie<br />

Akteur <strong>und</strong> Netzwerk zueinan<strong>der</strong> stehen: als reziprok konstitutiv, als gegenseitig<br />

formend <strong>und</strong> definierend. Selbst ein scheinbar Unteilbares, das Individuum, wird<br />

sofort zu einem Netzwerk <strong>und</strong> somit zu einem Dividuum, wenn man nur den richtigen<br />

Blick darauf wirft – bestehend aus den aktuellen <strong>und</strong> vergangenen Netzwerken,<br />

in <strong>die</strong> es eingeb<strong>und</strong>en war <strong>und</strong> ist, <strong>und</strong> <strong>die</strong> seine Handlungsweisen <strong>und</strong> -<br />

möglichkeiten maßgeblich mit bestimmen. Der Mensch wird zum dauerhaften<br />

Hybriden: z. B. als Waffen-Mensch, <strong>der</strong> mit dem Revolver in seiner Hand eine<br />

tödliche Einheit bildet (Latour 2002: 216ff.).<br />

Die ANT erklärt <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> also zu einer buchstäblich unendlichen Vielzahl verschachtelter<br />

Akteurs-Netzwerke – alles löst sich darin auf, gleichzeitig Netzwerk<br />

<strong>und</strong> Akteur zu sein o<strong>der</strong> zumindest sein zu können. Diese <strong>Welt</strong> ist voller nebeneinan<strong>der</strong><br />

entstehen<strong>der</strong> Realitäten, in denen Ontologien (im Plural) zwar existieren,<br />

aber nichts Essentielles mehr an sich haben <strong>und</strong> in denen <strong>die</strong> Akteure (o<strong>der</strong><br />

Aktanten) nur als stabilisierte Hüllen in dem jeweiligen Akteurs-Netzwerk sichtbar<br />

werden. Dort allerdings erlangen sie Stabilität. Welche Akteurs-Netzwerke in<br />

sches Programm bezeichnen könnte, bei genauem Hinsehen zu zahlreichen Wirklichkeiten verfolgen<br />

lässt (Mol 2006).


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 8<br />

welcher Form in den Blick <strong>der</strong> Forschenden geraten, welche Realität(en) in <strong>der</strong><br />

akademischen Beschreibung zusätzliche Stabilisierung erfahren, wird durch den<br />

Ausgangspunkt <strong>der</strong> Rekonstruktion von einem bestimmten Punkt/Aktanten sowie<br />

durch <strong>die</strong> Fragestellung festgelegt. Dann werden ganze Akteurs-Netzwerke durch<br />

»Black-Boxing« zu Knoten im Netz. Sie so zu behandeln, ist gerechtfertigt, wenn<br />

<strong>die</strong> Beziehungen im Akteurs-Netzwerk so stabilisiert sind, dass an<strong>der</strong>e von ihrem<br />

Funktionieren <strong>und</strong> ihrer Zuverlässigkeit ausgehen können (Callon 2006/1991:<br />

331f.).<br />

Aus ANT-Perspektive geht es nun um <strong>die</strong> Beschreibung <strong>die</strong>ser Konstitutionsprozesse<br />

<strong>und</strong> Stabilisierungen in einer Weise, in <strong>der</strong> <strong>die</strong> darin involvierten Menschen,<br />

technischen Artefakte, Ideen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e nichtmenschliche Elemente als wichtige<br />

Aktanten Berücksichtigung finden. In technischen Artefakten sind bspw. spezifische<br />

Programme <strong>und</strong> Logiken eingeschrieben, <strong>die</strong> bestimmte Inhalte dauerhaft<br />

<strong>und</strong> transportabel machen, sie dabei aber auch transformieren. Gerade sie entpuppen<br />

sich als beson<strong>der</strong>s effektive <strong>und</strong> machtvolle Handlungsimperative mit starken<br />

Subjektivierungseffekten. Ein technisches Objekt kann man demnach<br />

»als ein Handlungsprogramm […] betrachten, das ein Netzwerk von Rollen<br />

koordiniert. Diese Rollen werden von Nicht-Menschen (von <strong>der</strong> Maschine<br />

selbst <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Objekten wie Zubehör <strong>und</strong> Antriebsquellen) <strong>und</strong> ›peripheren‹<br />

Menschen (wie Verkäufern, Konsumenten, Reparaturpersonal) gespielt«<br />

(Callon 2006/1991: 314).<br />

Die Analyse von Materialitäten untersucht also stabilisierte Formen <strong>der</strong> Koordination,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Gesellschaft bauen <strong>und</strong> zusammen halten. Dafür sind we<strong>der</strong> ein ominöses,<br />

immaterielles Soziales noch <strong>die</strong> Menschen aus sich selbst heraus verantwortlich<br />

(Callon/Latour 2006/1981; Latour<br />

2008).<br />

Machteffekte : Beziehung <strong>und</strong> Übersetzung<br />

»Macht« erscheint als ein zentraler Faktor im diskursanalytischen Denken<br />

Foucaults. Sie ist <strong>der</strong> Name für <strong>die</strong> Strukturen <strong>und</strong> Kräfteverhältnis se, welche <strong>die</strong><br />

Gesellschaft wie <strong>die</strong> Subjekte organisieren, sie durchziehen <strong>und</strong> prägen. Es sind<br />

<strong>die</strong> großen Linien <strong>der</strong> Machtstrategien, aber auch <strong>die</strong> konkreten Machttechniken,<br />

<strong>die</strong> Foucault in seinen Stu<strong>die</strong>n beschäftigen. Wie organisieren sie sich, <strong>und</strong> welche<br />

Effekte zeitigen sie insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick auf <strong>die</strong> Konstitution des Subjekts,<br />

auf <strong>die</strong> Modi des Regierens, <strong>die</strong> Entstehung <strong>und</strong> Wirkung von bestimmten<br />

Dispositiven? Die Frage, auf <strong>die</strong> Foucault uns weitgehend eine Antwort schuldig<br />

bleibt <strong>und</strong> für <strong>der</strong>en Erforschung er uns wenig Anweisungen hinterlässt (wenn<br />

auch einige beispielhafte Analysen), lautet: Wie »übersetzen« sich Machttechniken,<br />

so dass sie Wirkung entfalten, <strong>und</strong> was passiert dabei? Wie kommt es, dass<br />

am Ende häufig etwas an<strong>der</strong>es steht als das, was ursprünglich beabsichtigt war?<br />

Genau an <strong>die</strong>sem Punkt setzt Latour an. Das Modell des Akteur-Netzwerks <strong>und</strong><br />

das Prinzip <strong>der</strong> Materialität aller Prozesse, auch als Weitergabe eines Befehls o<strong>der</strong><br />

als Verbreitung <strong>und</strong> Wirkung eines <strong>Diskurse</strong>s zu verstehen, greifen hier. In <strong>der</strong><br />

Sprache <strong>der</strong> ANT ist <strong>die</strong>s das »Übersetzungsmodell«, das Latour mit dem – seiner


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 9<br />

Darstellung nach ›herkömmlichen‹ – »Diffusionsmodell« <strong>der</strong> Macht kontrastiert.<br />

Ähnlich wie Foucault sieht er in <strong>der</strong> Macht keine Essenz o<strong>der</strong> etwas Feststehendes,<br />

das an<strong>der</strong>es erklärt, son<strong>der</strong>n etwas, das in seiner Entstehung <strong>und</strong> Wirkungsweise<br />

zu untersuchen ist <strong>und</strong> in vielfältiger Gestalt auftritt. »Macht« ist Ergebnis,<br />

nicht Ursache von Beziehungsgeflechten. An <strong>die</strong>ser Stelle ist allerdings ein (zumindest<br />

scheinbar) an<strong>der</strong>er Fokus als im Denken Foucaults zu erkennen: Für<br />

Foucault sind es Machtbeziehungen, <strong>die</strong> Subjekte konstituieren, indem sie Subjektivierungen<br />

hervorrufen. Woraus <strong>die</strong>se Macht resultiert, bleibt im Dunkeln; lediglich<br />

wie sie wirkt, wird beleuchtet. Was Latour <strong>und</strong> <strong>die</strong> ANT interessiert, ist eher<br />

<strong>die</strong> Frage, wie dauerhafte Macht-(A)symmetrien durch sich stabilisierende Akteurs-Netzwerke<br />

entstehen, welche Artefakte hierbei mobilisiert <strong>und</strong> welche<br />

»Black Boxes« (stabile, zumindest vorübergehend irreversible Verbindungen)<br />

dazu geschaffen werden.<br />

In dem von Latour ebenso wie von Foucault verworfenen Diffusionsmodell, so<br />

Latour, gehe man davon aus, dass Macht ähnlich ausgeübt werde, wie wenn ein<br />

Gegenstand durch den schwere <strong>und</strong> luftlosen Raum schwebt. Nach <strong>die</strong>sem Modell<br />

ist Macht etwas, das jemand besitzt. Will er <strong>die</strong>se Macht einsetzen, überträgt<br />

<strong>der</strong> Mächtige einem Medium seinen Auftrag, seinen Willen o<strong>der</strong> eine Information<br />

(ein »Token«) <strong>und</strong> schickt <strong>die</strong>ses mit seiner Macht versehene Medium los zu den<br />

Empfängern. Letztere erhalten den ohne Verän<strong>der</strong>ung transportierten Befehl <strong>und</strong><br />

führen ihn dank <strong>der</strong> Macht des Absen<strong>der</strong>s mehr o<strong>der</strong> weniger getreu aus. Zwischen<br />

dem Ausgangspunkt <strong>der</strong> Reise <strong>und</strong> seiner Ausführung verän<strong>der</strong>t sich das<br />

Transportierte nicht (Latour 2006/1986: 198).<br />

Dem Diffusionsmodell stellt Latour <strong>die</strong> Figur <strong>der</strong> Übersetzung gegenüber.<br />

»Macht« entsteht demnach als Resultat gelungener Übersetzungsketten, man<br />

könnte auch sagen: erfolgreicher Einbindungen an<strong>der</strong>er in <strong>die</strong> gewünschten Akteurs-Netzwerk-Ketten.<br />

Um <strong>die</strong>s zu verstehen, ist es erfor<strong>der</strong>lich, noch einmal<br />

kurz auf <strong>die</strong> Übersetzung als dem »Bindestrich« zwischen Akteur <strong>und</strong> Netzwerk<br />

einzugehen, einem zentralen Element <strong>der</strong> ANT (<strong>die</strong> in ihrer frühen Zeit von<br />

Michel Callon auf den Namen »Soziologie <strong>der</strong> Übersetzung« getauft wurde).<br />

Im Anschluss an Michel Serres entwickelte Callon bereits in den 1970ern ein Modell,<br />

nach dem sich soziale Systeme als Netzwerke von Knotenpunkten beschreiben<br />

lassen, zwischen denen nachvollziehbare Bahnen mit materialen Trägern existieren<br />

müssen. Die soziale <strong>Welt</strong> besteht damit nicht nur aus Menschen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong><br />

immaterieller Kommunikation, son<strong>der</strong>n braucht nichtmenschliche, materiale Elemente,<br />

um existieren zu können. Genau <strong>die</strong>se muss man ernst nehmen, auch wenn<br />

es um <strong>die</strong> Untersuchung von Machtverhältnissen, Strategien <strong>und</strong> Taktiken geht,<br />

denn <strong>die</strong> ›Träger‹ haben ihre eigene Logik. Sie ›repräsentieren‹ immer das Transportierte,<br />

verän<strong>der</strong>n es aber dabei. Ein gutes Beispiel von Latour (2002) ist <strong>die</strong><br />

Beschreibung <strong>der</strong> Transformation eines Bodenstücks im Amazonas von einem<br />

Stück Land in einen wissenschaftlichen Text. Zwar ist <strong>der</strong> Urwaldboden, <strong>der</strong> am<br />

Ende in seiner Zusammensetzung in Tabellenform <strong>und</strong> im begleitenden Fließtext<br />

in einem wissenschaftlichen Artikel repräsentiert wird, durch eine enge Kette an<br />

ein physisches Stück Land in Brasilien geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> deshalb »getreu« repräsentiert,<br />

aber <strong>der</strong> Text ist gleichzeitig etwas komplett an<strong>der</strong>es als das Landstück


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 10<br />

selbst. Er kann an<strong>der</strong>s reisen <strong>und</strong> bietet völlig neue Anschlussmöglichkeiten. Beide<br />

sind also komplett verschieden, <strong>und</strong> doch besteht über eine Referenzkette eine<br />

enge Verbindung, <strong>die</strong> uns sagen lässt, dass <strong>der</strong> Text den Boden adäquat abbildet.<br />

Eine durch Kontinuität, Reversibilität <strong>und</strong> Standardisierung konstant gehaltene<br />

Bedeutung sichert <strong>die</strong>s ab (Latour 2002: 76, vgl. unten).<br />

Wie steht <strong>die</strong>s nun mit dem Entstehen <strong>und</strong> Ausüben von »Macht« in Beziehung?<br />

Die Antwort hat mindestens zwei relevante Aspekte: Einen, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Behauptung<br />

<strong>der</strong> konstitutiven Effekte von <strong>Diskurse</strong>n untermauert, <strong>und</strong> einen, <strong>der</strong> direkter auf<br />

<strong>die</strong> Frage nach den Rationalitäten des Regierens anwendbar ist.<br />

In einem frühen Text liefern Callon <strong>und</strong> Latour folgende kurze Definition von<br />

Übersetzung:<br />

»Übersetzung umfasst alle Verhandlungen, Intrigen, Kalkulationen, Überredungs-<br />

<strong>und</strong> Gewaltakte, dank <strong>der</strong>er ein Akteur o<strong>der</strong> eine Macht <strong>die</strong> Autorität,<br />

für einen an<strong>der</strong>en Akteur o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Macht zu sprechen o<strong>der</strong> zu handeln,<br />

an sich nimmt o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Übertragung auf sich veranlasst« (Callon/Latour<br />

2006/1981: 76f.).<br />

Hier kommt auf einmal <strong>die</strong> Figur <strong>der</strong> Repräsentation ins Spiel <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en<br />

<strong>die</strong> Frage, wie ein Akteurs-Netzwerk entsteht <strong>und</strong> wie sich <strong>die</strong> darin eingeb<strong>und</strong>enen<br />

Akteure konstituieren. Ausgangspunkt einer Übersetzung bildet immer<br />

eine Problematisierung, an <strong>der</strong> sich ein Netzwerk aufspannt, in dem <strong>die</strong> beteiligten<br />

Akteure bestimmt werden <strong>und</strong> ihnen ein Platz zugewiesen wird. Das spezifische<br />

Akteurs-Netzwerk entsteht also in Bezug auf <strong>die</strong> jeweilige Problematisierung, <strong>die</strong><br />

zum (zunächst unterstellten) gemeinsamen Bezugspunkt wird <strong>und</strong> eine Synchronisierung<br />

erlaubt. An<strong>der</strong>s gesagt: Dieser gemeinsame Punkt versammelt <strong>die</strong> Akteure<br />

(Menschen, Artefakte, Ideen, Beschreibungen etc.), »artikuliert«, d. h. definiert<br />

sie in Bezug auf <strong>die</strong> jeweilige Problematisierung, <strong>und</strong> bringt sie damit in ein gemeinsames<br />

Bezugssystem. Eine Übersetzung kann nur als gelungen gelten, wenn<br />

sich <strong>die</strong> gelieferte Beschreibung als zutreffend erweist <strong>und</strong> sich das zunächst provisorische<br />

Netzwerk stabilisieren kann. Unter Umständen sind Aushandlungsprozesse<br />

erfor<strong>der</strong>lich, damit eine allgemeine Anerkennung möglich wird – ansonsten<br />

zerfällt das (zuerst nur postulierte, dann getestete) Akteurs-Netzwerk. 8 Ein Akteur<br />

wird demnach mächtig, wenn er viele Übersetzungsprozesse bestimmt, wenn es<br />

ihm gelingt, viele an<strong>der</strong>e Akteure dauerhaft einzubinden <strong>und</strong> über geteilte Problematisierungen<br />

bzw. einen gemeinsamen »obligatorischen Passagepunkt«, den<br />

alle zur Erreichung ihrer Ziele durchqueren müssen, zu »synchronisieren«. Von<br />

Interesse ist nun, dass <strong>die</strong> Einbindung nur mithilfe von »Vermittlern« möglich<br />

ist. Diese sind häufig nicht-menschliche Akteure/Aktanten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Verbindungen<br />

zwischen den einzelnen Akteuren/Knoten herstellen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Zuschreibungen,<br />

Anweisungen, Informationen etc. transportieren. Genau in <strong>der</strong> Analyse<br />

<strong>die</strong>ser konkreten Mechanik <strong>der</strong> Übersetzung liegt das Spezifische <strong>der</strong> ANT <strong>und</strong><br />

des von Latour propagierten Macht-Konzepts. Macht im Übersetzungsmodell<br />

8 So muss sich bspw. <strong>die</strong> Beschreibung anpassen o<strong>der</strong> Einbindungen müssen an<strong>der</strong>s organisiert<br />

werden. Callon beschreibt <strong>die</strong>s sehr eindrucksvoll in einer Untersuchung zu Versuchen, den<br />

Kammuschel-Bestand in einer von Fischerei geprägten französischen Bucht aufzuforsten<br />

(vgl. Callon 2006/1986).


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 11<br />

zeichnet sich demnach nicht schlicht durch <strong>die</strong> Fähigkeit aus, <strong>die</strong> einfache Weitergabe<br />

eines ›Tokens‹ veranlassen zu können, son<strong>der</strong>n kann nur im Zusammenwirken<br />

verschiedenster Akteure/Aktanten wirksam werden, <strong>die</strong> als Vermittler-<br />

Übersetzer ungeb<strong>und</strong>en, mit eigener Logik den ›Token‹ weiter reichen. Dies bedeutet<br />

aber auch, dass sich <strong>der</strong> ›Token‹ (ein Gegenstand, ein Befehl, ein Programm<br />

etc.) mit je<strong>der</strong> Weitergabe verän<strong>der</strong>t, unter Umständen seine Richtung<br />

wechselt, irgendwo stecken bleibt o<strong>der</strong> seinen Aggregatzustand än<strong>der</strong>t.<br />

»In an<strong>der</strong>en Worten besteht <strong>die</strong> Kette aus Akteuren (nicht passiven Vermittlern),<br />

<strong>und</strong> da <strong>der</strong> Token sich <strong>der</strong> Reihe nach in <strong>der</strong> Hand jedes Einzelnen befindet,<br />

formt ihn je<strong>der</strong> entsprechend <strong>der</strong> verschiedenen Projekte. Aus <strong>die</strong>sem<br />

Gr<strong>und</strong> heißt es Übersetzungsmodell: Der Token verän<strong>der</strong>t sich, während er<br />

von Hand zu Hand geht, <strong>und</strong> <strong>die</strong> getreue Übertragung einer Aussage wird zu<br />

einem ungewöhnlichen Einzelfall unter viel wahrscheinlicheren an<strong>der</strong>en«<br />

(Latour 2006/1986: 199).<br />

Die Einbindung in Akteurs-Netzwerke impliziert eine potentielle »Ermächtigung«<br />

des konkreten Akteurs/Aktanten, insofern <strong>die</strong>ser immer besser »artikuliert« ist, je<br />

vielfältiger er eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> je genauer er dadurch definiert wird (Latour 2005:<br />

218). Wenn man so will, findet sich auch Foucaults Subjekt-Begriff in <strong>der</strong> abstrakteren<br />

Figur des Akteurs-Netzwerks wie<strong>der</strong>.<br />

Die genealogischen Untersuchungen Foucaults beschäftigen sich mit Subjektivierungsprozessen,<br />

wobei er <strong>die</strong> Annahme zugr<strong>und</strong>e legt, dass sowohl Machtverhältnisse<br />

als auch Subjektivitäten gewordene sind, nicht vorgängig vorhandene<br />

(vgl. Saar 2009). Das Subjekt erscheint als Machteffekt, <strong>und</strong> zumindest prinzipiell<br />

geht auch Foucault nicht vom Individuum als letztem Gr<strong>und</strong> aus, son<strong>der</strong>n vom<br />

Dividuum (Foucault 1978: 148), welches das Produkt von Disziplinierungen, diskursiven<br />

Anleitungen zur Selbstkontrolle <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Regierungstechniken<br />

ist.<br />

Auch mit Latours Begriffswelten lassen sich <strong>die</strong>se Prozesse fassen – er redet von<br />

Plug-Ins statt internalisierter <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> beschreibt <strong>die</strong> Subjekte als Hybride, d.<br />

h. als Ergebnis einer Schichtung verschiedener (stabilisierter) Akteurs-Netzwerke,<br />

in denen das Subjekt, wie er sagen würde, »artikuliert« wurde (Latour 2005:<br />

205ff.). Im Forschungsprogramm <strong>der</strong> ANT bestünde <strong>die</strong> Aufgabe dann darin,<br />

<strong>die</strong>se Artikulationsprozesse präzise empirisch zu erforschen, <strong>die</strong> Verbindungen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> darin enthaltenen Übersetzungen nachzuzeichnen:<br />

»Subjects are no more autochthonous than face-to-face interactions. They,<br />

too, depend on a flood of entities allowing them to exist. To be an ›actor‹ is<br />

now at last a fully artificial and fully traceable gathering […] Some plug-ins<br />

are fairly easy to trace. For instance, there are all of those official and legal<br />

papers which designate ›you‹ as being someone. If you doubt the ability of<br />

those humble paper techniques to generate quasi-subjects, try living in a large<br />

European city as an ›<strong>und</strong>ocumented alien‹ or extricating yourself out of the<br />

FBI’s grip because of a misspelling of your name« (Latour 2005: 208).


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 12<br />

Akteursnetzwerke <strong>und</strong> <strong>die</strong> Einebnung des Sozialen<br />

Imobenbereits erwähnten Text zum Amazonasboden (Zirkulierende Referenz,<br />

2002) beschreibt Latour alle Elemente <strong>der</strong> Referenzkette zwischen Urwaldstück<br />

<strong>und</strong> fertigem Artikel als gleichzeitig Zeichen <strong>und</strong> Ding. Beides ist nicht voneinan<strong>der</strong><br />

zu trennen. In <strong>der</strong> ANT besteht das Referenzsystem, in dem sich Sinn konstituiert,<br />

nicht nur aus abstrakten Schriftzeichen, Symbolen o<strong>der</strong> Sprache, son<strong>der</strong>n<br />

auch aus an<strong>der</strong>en Elementen, <strong>der</strong>en Form <strong>und</strong> Materie im Zusammenspiel Sinn<br />

konstituieren, transformieren <strong>und</strong> zirkulieren (vgl. Belliger/Krieger 2006: 29).<br />

Während bspw. ein Setzkasten mit Bodenproben (»Pedokomparator«) in Relation<br />

zum Urwaldboden, dem <strong>die</strong> Proben entnommen sind, als Zeichen fungiert, ist er<br />

aus Perspektive <strong>der</strong> Zeichnung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Bodenzusammensetzung auf einem Blatt<br />

Papier zeigt, ein Ding, für das <strong>die</strong> Zeichnung das Zeichen bildet. An <strong>die</strong>ser wie an<br />

je<strong>der</strong> weiteren Stelle in <strong>der</strong> Referenzkette findet ein Bruch statt, ein Wechsel zwischen<br />

<strong>Welt</strong> <strong>und</strong> Abbildung – zwischen Ding <strong>und</strong> Zeichen (Latour 2002: 78f.).<br />

Indem Sprache nicht privilegiert wird, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Übersetzungsprozesse zwischen<br />

sehr verschiedenen Entitäten <strong>und</strong> in sehr verschiedenen Modalitäten als<br />

gleichwertig gesehen werden, ist <strong>der</strong> Abgr<strong>und</strong> zwischen »<strong>Welt</strong>« <strong>und</strong> »Sprache«<br />

eingeebnet – er unterscheidet sich nicht dramatisch von an<strong>der</strong>en Brüchen, <strong>die</strong> bei<br />

je<strong>der</strong> Artikulation bzw. Übersetzung passiert (vgl. Latour 2002: 169ff.). Form,<br />

Materie <strong>und</strong> Sinn gehören untrennbar zusammen, da es keine von <strong>der</strong> Materie<br />

losgelösten Inhalte gibt.<br />

Die Folge ist zum Einen, dass wir nicht (immaterielle) <strong>Diskurse</strong> (im Sinne gesprochener<br />

o<strong>der</strong> geschriebener Sprache), auch nicht nur <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> Praktiken<br />

auf <strong>der</strong> einen Seite haben <strong>und</strong> eine <strong>Welt</strong>, auf <strong>die</strong> sich <strong>die</strong>se beziehen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en.<br />

Diskursinhalte sind kaum trennbar von ihren »Trägern« bzw. ihrer »Form«,<br />

weil erstere sich mit letzteren zusammen jeweils verän<strong>der</strong>n.<br />

Zum An<strong>der</strong>en erscheinen nun alle Entitäten – sprachliche Aussagen, Subjekte,<br />

Telefone usw. – innerhalb ein <strong>und</strong> desselben Koordinatensystems; sie gehören zu<br />

verschiedenen Kategorien <strong>und</strong> scheinen im konventionellen Sinne kaum »gleichartig«.<br />

Das sind sie auch aus Perspektive <strong>der</strong> ANT nicht, aber sie sind insofern<br />

vergleichbar, als sie allesamt als Akteurs-Netzwerke beschreibbar sind <strong>und</strong> auch<br />

alle in ein <strong>und</strong> demselben Akteurs-Netzwerk miteinan<strong>der</strong> verb<strong>und</strong>en sein können.<br />

Text, darin formulierte Ideen (»Panoramen«), technisches Gerät, Tier <strong>und</strong> Mensch<br />

befinden sich dann im selben Referenzsystem <strong>und</strong> können mit dem gleichen analytischen<br />

Werkzeug bearbeitet werden. Sie alle sind, sofern sie sich aufeinan<strong>der</strong><br />

beziehen, gegenseitig konstitutiv.<br />

Wenn sich <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> aus vielfältigen Akteurs-Netzwerken konstituiert, dann stellt<br />

sich <strong>die</strong> Frage nach <strong>der</strong> Mikro- <strong>und</strong> Makro-Ebene neu. Statt Mikro- <strong>und</strong> Makro-<br />

Dimensionen, lokalem <strong>und</strong> globalem Rahmen glie<strong>der</strong>t sich <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> in »flache«<br />

Akteurs-Netzwerke, in <strong>der</strong> »Makro- Akteure« sich vor allem durch eine Vielzahl<br />

stabilisierter Beziehungen auszeichnen, aber nicht unbedingt dadurch, dass sie<br />

»umfassen<strong>der</strong>« o<strong>der</strong> »größer« wären.


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 13<br />

Die scheinbare Makro-Ebene (Kapitalismus, Globalisierung, das internationale<br />

Finanzsystem o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Staat) taucht in <strong>die</strong>ser Perspektive immer nur als ein Akteur<br />

o<strong>der</strong> Referenzpunkt im jeweils untersuchten Akteurs-Netzwerk auf, nicht<br />

aber als erklären<strong>der</strong> Rahmen. Für Erklärungen taugen <strong>die</strong> Makro-Ebene o<strong>der</strong> Programme<br />

in <strong>die</strong>ser Perspektive nur etwas, wenn sie als konkrete Referenz in Erscheinung<br />

treten, wenn sich also an<strong>der</strong>e Akteure auf sie berufen <strong>und</strong> in <strong>die</strong> eigene<br />

Logik einbauen. Analog dazu sind scheinbare Mikro-Ebenen nie einfach lokal,<br />

bestehen nicht nur aus unmittelbarer Interaktion, son<strong>der</strong>n weisen Verbindungen zu<br />

räumlich o<strong>der</strong> zeitlich nahen <strong>und</strong> fernen Knotenpunkten auf. <strong>Diskurse</strong> o<strong>der</strong> große<br />

Erzählungen, sozialwissenschaftliche Theorien <strong>und</strong> Me<strong>die</strong>nberichte werden als<br />

»Panoramen« zu Akteuren, <strong>die</strong> durch Zeitungen, Internetkabel, Computer, Bücher<br />

o<strong>der</strong> den Fernsehapparat reisen <strong>und</strong> dort auf Subjekte treffen, mit denen sie interagieren<br />

(vgl. Latour 2005: 167ff.).<br />

Mit <strong>die</strong>ser in gewissem Sinne naiven Perspektive rückt im Kontext <strong>der</strong> Untersuchung<br />

von Regierungsformen <strong>die</strong> Frage in den Blick, wie verschiedene diskursive<br />

Elemente (also Rationalitäten o<strong>der</strong> Dispositive) in den konkreten Akteurs-<br />

Netzwerken auftreten <strong>und</strong> wirken; ob <strong>und</strong> wie sie mächtig werden <strong>und</strong> damit an<strong>der</strong>en<br />

ihre Logik aufzwingen. Die Analyseperspektive ist eine an<strong>der</strong>e als in Diskursanalysen:<br />

Sie geht nicht von hegemonialen Texten aus, son<strong>der</strong>n von spezifischen<br />

Situationen. Das Augenmerk liegt auf den »Reisewegen«, auf den (materiellen)<br />

Formen <strong>der</strong> Übertragung <strong>und</strong> Übersetzung. Damit betont <strong>die</strong> ANT das Prozessuale,<br />

<strong>die</strong> ständige Verän<strong>der</strong>ung, <strong>und</strong> geht gerade nicht von linearer Umsetzung<br />

von <strong>Diskurse</strong>n o<strong>der</strong> einer Regelhaftigkeit ihres Wirkens aus.<br />

Folgt man Latour, lässt sich <strong>die</strong> Frage <strong>der</strong> Stabilität von <strong>Diskurse</strong>n o<strong>der</strong> Dispositiven<br />

nicht abstrakt klären – auch dann nicht, wenn es um abstrakte Ordnungsvorstellungen<br />

<strong>der</strong> »Makroebene« geht, zu denen sich prinzipiell auch Rationalitäten<br />

zählen lassen:<br />

»[W]henever anyone speaks of a ›system‹, a ›global feature‹, a ›structure‹, a<br />

›society‹, an ›empire‹, a ›world economy‹, an ›organization‹, the first ANT<br />

reflex should be to ask: ›In which building? In which bureau? Through which<br />

corridor is it accessible? Which colleagues has it been read to? How has it<br />

been compiled?‹« (Latour 2005: 183).<br />

Folglich geht es bei einer Operationalisierung <strong>der</strong> ANT in <strong>die</strong>sem Sinne nicht<br />

zwangsläufig um <strong>die</strong> Analyse von Dispositiven. Zwar steht analog zum Dispositivbegriff<br />

ein »heterogenes Ensemble, das <strong>Diskurse</strong>, Institutionen, architekturale<br />

Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen,<br />

[…] umfasst«, im Fokus des Interesses (Foucault 1978: 119f.). Der Dispositivbegriff<br />

impliziert jedoch ein konzertierendes Ensemble (insofern es eine<br />

strategische Funktion erfüllt), das über einen längeren Zeitraum stabil bleibt, auch<br />

wenn es sich wandeln o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>e Regime eingeb<strong>und</strong>en werden kann (Foucault<br />

1978, 1994). Im Gegensatz dazu ist das Akteurs-Netzwerk zunächst nichts an<strong>der</strong>es<br />

als eine Metapher, <strong>die</strong> den analytischen Blick auf <strong>die</strong> Transportwege <strong>und</strong> -<br />

mittel von Informationen lenkt: »It is a tool to help describe something, not what<br />

is being described« (Latour 2005: 131). Es ist wesentlich kleinteiliger als ein Dis-


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 14<br />

positiv <strong>und</strong> keinesfalls zwangsläufig ein stabilisiertes Arrangement, son<strong>der</strong>n kann<br />

sehr vorübergehend angelegt sein.<br />

Akteurs-Netzwerke wären dann eher wuchernde »Rhizome« (Deleuze/Guatari<br />

1977) als strategische Dispositive (wobei letztere sich jedoch erst im Nachhinein<br />

als strategische Konstellation beschreiben lassen, d. h. dass Akteurs-Netzwerke<br />

wie Rhizome in Dispositiven resultieren könnten). 9 Mit <strong>die</strong>ser Metapher ist noch<br />

keine Aussage über <strong>die</strong> Stabilität o<strong>der</strong> eine strategische Funktion des Untersuchungsgegenstandes<br />

verb<strong>und</strong>en. Im Sinne <strong>der</strong> Übersetzungsmacht gerät zwar <strong>die</strong><br />

Materialität von <strong>Diskurse</strong>n in den Fokus, aber Materialisierung bedeutet nicht<br />

zwangsläufig Stabilität. Genau <strong>die</strong>se Frage <strong>der</strong> Stabilisierung wird zum forschungsleitenden<br />

Interesse <strong>und</strong> Stabilität fungiert dann gleichzeitig als unwahrscheinlichste<br />

<strong>und</strong> in jedem Fall erklärungsbedürftige Arbeitshypothese (Latour<br />

2005: 35).<br />

Das materielle Verhältnis von Macht/Wissen sichtbar machen<br />

Obwohl sich mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen zu Regierungstechniken<br />

finden, <strong>die</strong> auf Elemente <strong>der</strong> ANT zurückgreifen, formulieren viele <strong>die</strong>ser<br />

Texte eher prinzipielle Argumentationen <strong>und</strong> sind dabei we<strong>der</strong> prozessorientiert,<br />

noch beziehen sie materielle Elemente o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Frage <strong>der</strong> (unwahrscheinlichen)<br />

Stabilisierung tatsächlich ein (vgl. u. a. Murdoch 2004; Rose/Miller 1992; für ein<br />

Gegenbeispiel vgl. Walter 2008). Insbeson<strong>der</strong>e das Moment <strong>der</strong> Übersetzung wird<br />

häufig betont, also <strong>die</strong> Transformationen <strong>und</strong> impliziten Rationalitäten, welche<br />

bspw. in <strong>die</strong> verschiedenen Techniken des Datensammelns <strong>und</strong> -aufbereitens o<strong>der</strong><br />

in technische Artefakte wie Überwachungskameras eingeschrieben sind. So nutzen<br />

auch Rose/Miller Überlegungen von Latour, um Technologien des »Regierens<br />

auf Distanz« als Übersetzungsprozesse zu konzipieren:<br />

»To speak of the ›power‹ of a Government, a Department of State, a local authority,<br />

a military comman<strong>der</strong> or a manager in an enterprise is to substantialise<br />

that which arises from an assemblage of forces by which particular objectives<br />

and injunctions can shape the actions and calculations of others. Again,<br />

the notion of translation captures the process whereby this diversity is composed<br />

[…]. Loose and flexible linkages are made between those who are separated<br />

spatially and temporally, and between events in spheres that remain<br />

formally distinct and autonomous. When each can translate the values of<br />

others into its own terms, such that they provide norms and standards for<br />

their own ambitions, judgments and conduct, a network has been composed<br />

that enables rule ›at a distance‹« (Rose/Miller 1992: 184).<br />

Latours konzeptionelle Anmerkungen zur Untersuchung konkreter Arrangements<br />

fungieren hier als theoretisches Argument, um <strong>die</strong> generelle Bedeutung von Artefakten<br />

für <strong>die</strong> Wirkungsweisen von Rationalitäten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Technologien des Regierens<br />

besser einzufangen. Es geht jedoch weiterhin darum, relativ stabile Arrangements<br />

als Regime des Regierens zu untersuchen, <strong>der</strong>en Dauerhaftigkeit <strong>und</strong><br />

Ubiquität dann angenommen wird. Die Rolle von »konkreten« Arrangements<br />

9 Vgl. zur ANT als »Actor-Rhizom-Theory« (Latour 2005: 9).


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 15<br />

bleibt auf Idealtypen beschränkt, <strong>die</strong> lediglich zur Diskussion programmatischer<br />

Kontroversen, für <strong>die</strong> Betonung <strong>der</strong> theoretisch möglichen (auch lokalen) Gleichzeitigkeit<br />

heterogener <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>sprüchlicher Programme o<strong>der</strong> innerprogrammatischer<br />

Komplexitäten herangezogen werden.<br />

Wir schlagen demgegenüber vor, in <strong>der</strong> Einbeziehung <strong>der</strong> ANT zur Analyse von<br />

Regierungsweisen einen entscheidenden Schritt weiter zu gehen <strong>und</strong> sie nicht nur<br />

als Theorie, son<strong>der</strong>n auch als Methodologie, als Auffor<strong>der</strong>ung zur empirischen<br />

Forschung zu lesen. Dabei sollte <strong>die</strong> Frage <strong>der</strong> Stabilität zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand<br />

werden. Die Aufgabe besteht also darin, <strong>die</strong> Kosten stabiler<br />

Übersetzungen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Transformationen instabiler Übersetzungen zu beschreiben.<br />

Denn selbst wenn ein Programm als solches <strong>und</strong> an entscheidenden<br />

Orten <strong>der</strong> Expertisenproduktion (bspw. in den Büros von Regierungsakteuren)<br />

stabilisiert sein sollte, so lässt sich daraus für seine Reise durch den Alltag keine<br />

Stabilität, keine verlustfreie Übersetzung <strong>und</strong> kein kostenfreier Transport annehmen:<br />

»What is now highlighted much more vividly than before are all the connections,<br />

the cables, the means of transportation, the vehicles linking places together.<br />

This is their strength but also, as we are going to see, their frailty. If<br />

you cut some <strong>und</strong>erlying structure from its local application, nothing happens:<br />

it remains there in its mysterious empyrean; if you cut a structuremaking<br />

site from its connections, it simply stops being able to structure anything«<br />

(Latour 2005: 176).<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten: An jedem Punkt einer Referenzkette ist eine Verän<strong>der</strong>ung<br />

o<strong>der</strong> Unterbrechung möglich. In <strong>der</strong> Konsequenz für eine entsprechende Analytik<br />

von Regierungsprozessen heißt das dann, dass für Rationalitäten, Programme o<strong>der</strong><br />

Dispositive das gleiche gilt, was Latour für <strong>die</strong> »Struktur« feststellt: Sie können<br />

überhaupt nur an Orten »wirken«, mit denen sie verb<strong>und</strong>en sind. Um dann auch<br />

noch ihre Eigenlogik durchzusetzen, ist darüber hinaus eine entsprechende Absicherung<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Das bedeutet: Selbst wenn sich eine bestimmte Rationalität<br />

in Programmen verschiedenster Fel<strong>der</strong> in sich wie<strong>der</strong>holenden Mustern zeigt;<br />

selbst wenn sich eine Vielzahl von Regierungstechniken identifizieren lässt, <strong>die</strong><br />

an <strong>die</strong>se Muster anschließbar sind; <strong>und</strong> selbst wenn sich nachweisen lässt, dass<br />

<strong>die</strong>se Regierungstechniken sich wie<strong>der</strong>holende Praktiken des Regierens induzieren:<br />

Auch dann ist es noch wahrscheinlich, dass im informellen Wuchern des Alltags<br />

heterogene Anschlusspunkte möglich sind, dass Akteure ihre eigenen Erfahrungen<br />

o<strong>der</strong> Handlungslogiken so geschickt adaptieren, dass sie unter <strong>der</strong> Flagge<br />

einer bes timmten Rationalität ganz an<strong>der</strong>es tun. Viel wahrscheinlicher ist noch,<br />

dass schon lange vorher in einer Referenzkette <strong>die</strong> Kosten des Transports ihren<br />

Tribut gefor<strong>der</strong>t haben – bspw. wenn street-level bureaucrats (Lipsky 1980) mit<br />

ihren Tricks jenseits eines »Dienst nach Vorschrift« dafür sorgen müssen, dass in<br />

ihrem Büro überhaupt noch etwas passiert <strong>und</strong> dabei <strong>die</strong> Übersetzung <strong>der</strong> programmatischen<br />

Ausrichtung nicht mehr ganz genau nehmen können – o<strong>der</strong> wenn<br />

schlicht das richtige Formblatt nicht existiert, um eine Übersetzung adäquat vornehmen<br />

zu können.<br />

In einigen ihrer Arbeiten versucht Mariana Valverde (u. a. 2005, 2008), genau<br />

<strong>die</strong>s zu berücksichtigen. So untersucht sie bspw. mit ethnographischen Methoden


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 16<br />

(vor allem teilnehmende Beobachtung) <strong>die</strong> Einbindung des allgemein in Toronto<br />

omnipräsenten Diversity-<strong>Diskurse</strong>s in konkrete amtsgerichtliche Verhandlungen<br />

zwischen Taxifahrern (<strong>die</strong> im Allgemeinen aus einem an<strong>der</strong>en Land nach Kanada<br />

eingewan<strong>der</strong>t sind) <strong>und</strong> einem fast ausnahmslos aus weißen Kana<strong>die</strong>rn bestehenden<br />

Gremium, das über <strong>die</strong> Rückgabe von entzogenen Taxi-Lizenzen entscheidet<br />

(Valverde 2008). Hier zeigt sich, dass <strong>die</strong> Mobilisierung <strong>die</strong>ses Diversity- <strong>Diskurse</strong>s<br />

äußerst selektiv erfolgt, während er im Hinblick auf <strong>die</strong> Frage nach »Unkraut«<br />

in Vorgärten auf einmal zum zentralen Argument wird, weil ein Richter entscheidet,<br />

dass auch für Vorgartenpflanzen <strong>der</strong> dem Diversity-Konzept innewohnende<br />

Gleichbehandlungsanspruch gilt <strong>und</strong> Brennnesseln nicht weniger Entfaltungsrecht<br />

haben als Stiefmütterchen.<br />

Schluss<br />

Der produktive Raum einer Kombination von Regierungsanalysen (Foucault) mit<br />

<strong>der</strong> ANT (Latour) eröffnet, jenseits <strong>der</strong> von Osborne diskutierten Alternativen,<br />

eine dritte Möglichkeit: eine Analyse von Praktiken <strong>der</strong> Gegenwart im Sinne einer<br />

relationalen Soziologie <strong>der</strong> Übersetzungen. Der methodische Mehrwert besteht in<br />

einer empirischen <strong>und</strong> theoretischen Ausweitung des Untersuchungsfeldes <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Forschungsgegenstände. In den Blick geraten dabei Regierungsprozesse, also<br />

konkrete, materielle Transportwege <strong>und</strong> Transformationen von Regierungswissen,<br />

Regierungstechniken <strong>und</strong> Rationalitäten. Zu den diachronen, historischen Brüchen<br />

<strong>und</strong> Transformationen, <strong>die</strong> Foucault expliziert, kommen in <strong>die</strong>ser Perspektive<br />

synchrone Fissuren, Ungereimtheiten, Heterogenitäten innerhalb <strong>und</strong> zwischen<br />

Programmatiken, Rationalitäten <strong>und</strong> politischen Techniken. Die Frage nach den<br />

Effekten des Wissens wird also im Hinblick auf (zwar weiterhin kontingente, aber<br />

dennoch) konkrete Auswirkungen präzisiert: Wie wird <strong>die</strong>ses Wissen transportiert?<br />

Wird es dabei unverän<strong>der</strong>t überliefert, transformiert, reko<strong>die</strong>rt o<strong>der</strong> geht es<br />

verloren? Dabei gerät nicht »<strong>der</strong>« Diskurs, son<strong>der</strong>n das soziale Leben von Wissen<br />

in Referenzketten, von materiellen Informationsträgern in den Blick. Die »Wirkung«<br />

bspw. eines bestimmten Programms lässt sich dann nur von den Verbindungen<br />

von Programminhalten, von den konkreten Trägern (also bspw. einem<br />

Gesetzestext o<strong>der</strong> einer Expertise) <strong>und</strong> von <strong>der</strong>en Einbindung in <strong>die</strong> lokalen Handlungszusammenhänge<br />

aus untersuchen. Sie wird we<strong>der</strong> hypothetisch unterstellt,<br />

um sich auf <strong>die</strong> möglichen Effekte konzentrieren zu können, noch als Erklärung<br />

von sozialer Wirklichkeit herangezogen.<br />

Die zu stellenden Fragen lauten dann bspw., wie einzelne Artefakte Heterogenes<br />

versammeln <strong>und</strong> dadurch eigene Repräsentationen, eigene Übersetzungen liefern,<br />

<strong>die</strong> eine bestimmte Logik bzw. ein spezifisches Handlungsprogramm vorgeben<br />

(das gilt für das Mittel <strong>der</strong> Statistik, den Stimmzettel, <strong>die</strong> Akte, <strong>die</strong> Landkarte <strong>und</strong><br />

vieles mehr); wie dadurch z. B. »<strong>die</strong> Bevölkerung« nicht nur für »<strong>die</strong> Demographen«<br />

sichtbar <strong>und</strong> regierbar wird (<strong>und</strong> dabei erst als Regulierungsgegenstand<br />

entsteht), son<strong>der</strong>n wie <strong>der</strong> statistische Apparat, <strong>die</strong> Bevölkerung, <strong>die</strong> Demographen,<br />

wie wissenschaftliche Texte o<strong>der</strong> Me<strong>die</strong>nberichte zu einem über <strong>die</strong> Statistiken<br />

verb<strong>und</strong>enen Akteurs-Netzwerk werden.


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 17<br />

Dabei erlaubt eine Kombination <strong>der</strong> ANT mit einer Foucaultschen Diskursanalyse<br />

auch <strong>die</strong> nicht zu knappen Blindstellen <strong>der</strong> ANT selbst zu verkleinern. Die Konzentration<br />

von ANT-Untersuchungen auf häufig kleinteilige Prozesse erlaubt es<br />

kaum, Strukturen <strong>und</strong> dauerhafte Muster zu erkennen – es sei denn als etwas, das<br />

von Akteuren rezipiert wird, als ein von ihnen mobilisiertes (o<strong>der</strong> erschaffenes)<br />

»Panorama«. Die ForscherInnen, <strong>die</strong> <strong>der</strong> ANT treu bleiben wollen, sehen immer<br />

nur Ausschnitte, <strong>die</strong> sich nur aus ihrer jeweiligen Beobachtungsposition ergeben.<br />

Die Kleinteiligkeit <strong>der</strong> Analyse – mit <strong>der</strong> Konzentration auf <strong>die</strong> Transportwege,<br />

<strong>die</strong> Verbindungen – erzwingt, will man konsequent sein, letztlich eine analytische<br />

Blindheit für strukturelle Macht- <strong>und</strong> Herrschaftsfragen. Allerdings lässt sich <strong>die</strong>se<br />

Blindheit durch <strong>die</strong> Kombination verschiedener Werkzeuge umgehen, wie Valverde<br />

betont:<br />

»If one attempts to capture the dynamics of knowledge processes, rather than<br />

categorizing knowledges statically, one sees new things. But of course every<br />

act of seeing also ren<strong>der</strong>s other things invisible. Along these lines, Bour<strong>die</strong>u<br />

would no doubt say that Latour’s methodology ren<strong>der</strong>s systemic power relations<br />

invisible, and he would have a point. We who are neither Latour nor<br />

Bour<strong>die</strong>u, however, do not have to take sides in this hypothetical debate.<br />

Given that, especially in Latour’s usage, concepts such as actor and network<br />

are merely tools, not parts of a general ›theory‹ […] (see debate between Latour<br />

and John Law in Law 1999), it should be possible for sociolegal scholars<br />

concerned about systemic inequality to borrow some tools from actornetwork<br />

analysis to analyze the workings of a knowledge network while<br />

complementing such an analysis with a substantive study of power relations«<br />

(Valverde 2005: 421).<br />

Entscheidend ist, wie so oft, auch hier das »Wie, Wann <strong>und</strong> Wo«. Latour nach<br />

Foucault zu lesen, legt Fragestellungen nahe, <strong>die</strong> sich vor allem mit dem Wie <strong>der</strong><br />

Konstitution <strong>und</strong> Funktionsweise von Machtverhältnissen beschäftigen. Handlungsprogramme<br />

sind unter <strong>die</strong>sem Blickwinkel vor allem als Subjektivierungsprozesse<br />

von Interesse. Damit erfolgt zwangsläufig eine Re-Zentrierung um das<br />

menschliche Subjekt, denn dessen Subjektivierung (o<strong>der</strong> in Latours Vokabular:<br />

Artikulation), <strong>die</strong> Mechanismen <strong>der</strong> Regierung von (kollektiven) menschlichen<br />

Subjekten stehen im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Die Artikulationen von<br />

nicht- menschlichen Akteuren interessiert nur mittelbar, insofern sie analytisch<br />

auf das eigentliche Erkenntnisinteresse bezogen sind, d. h. wenn sich dadurch<br />

Machteffekte verän<strong>der</strong>n. Zumindest auf den ersten Blick läuft gerade <strong>die</strong>s Latours<br />

zentralen Absichten – <strong>der</strong> Ausweitung <strong>der</strong> politisch relevanten Akteure – komplett<br />

entgegen; wobei (an an<strong>der</strong>er Stelle) zu fragen wäre, ob <strong>die</strong>se Ausweitung bei Latour<br />

nicht im Gr<strong>und</strong>e ebenso mittelbar auf das menschliche Schicksal bezogen<br />

bleibt.


Dölemeyer/Rodatz: <strong>Diskurse</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> <strong>Ameisen</strong> 18<br />

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