mit klima - 2700 - Das City Magazin
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Fotos: René Haller<br />
„Brot und Wein“ heißt eine Produktion von Toni<br />
Stricker. Bei Brot und Wein und der südlichen<br />
Sonne sitze ich und bereite mich auf das Interview<br />
<strong>mit</strong> dem Maestro vor. Freundliche Menschen<br />
umgeben mich, das gesprochene Deutsch klingt<br />
wunderschön anders, das sonnengebräunte Gesicht<br />
des Kellners lächelt mich freundlich an. Die<br />
Indizien lassen an ein Wirtshaus im Burgenland<br />
denken.<br />
Ich sitze jedoch bei Brot und Wein im südtirolerischen<br />
Meran und lese mich in die „Erfolgsgeschichte<br />
Toni Stricker“ ein. Schnell wird mir klar,<br />
dass es zu eng, zu knapp wird. Zu eng, weil<br />
zu enorm. Nicht zu enorm für das Leben, aber<br />
zu groß ist der Umfang seines Schaffens, so groß<br />
ist der Umfang, dass eine taxative Aufzählung<br />
all seiner Arbeiten den Umfang des <strong>Magazin</strong>s<br />
sprengen würde. Toni Strickers auf Tonträger<br />
und live an die Menschen gebrachtes Musikspiel,<br />
seine Tourneen und Auftritte suchen seinesgleichen.<br />
Man wird aber kaum fündig werden. Seine<br />
künstlerischen Partner sind das „who is who“ in<br />
der Kunst- und Kulturszene.<br />
Wie Toni Stricker das alles allein zeitlich auf<br />
die Reihe gebracht hat, ist schier unglaublich.<br />
Stricker muss <strong>mit</strong> der Zeit getrickst haben. Wenn<br />
man die Buchstaben des Namens Stricker durchmischt,<br />
kommt ohnehin Trickser raus.<br />
Der Maestro Toni Stricker und meine Wenigkeit<br />
haben viel gemeinsam, es verbindet uns persönlich<br />
sehr viel. Nein, nicht musikalisch, sondern<br />
geografisch – Strickers Vater und meine Mutter<br />
46 | Gesprächskultur<br />
erblickten im Burgenländischen Sigleß das<br />
Licht der Welt. Nur einen Steinwurf von seinem<br />
Domizil Bad Sauerbrunn entfernt. Also darf ich<br />
mir den Titel eines wunderbaren Werkes eines<br />
wunderbaren Künstlers ausborgen – wir sind<br />
gleichsam „erdverbunden“.<br />
Musikalisch haben wir nichts gemeinsam. Mit<br />
Geige habe ich nichts am Hut. Ich kann ja nicht<br />
einmal beim Fußballspiel oder beim Tennisspiel<br />
aufgeigen. Nur hinterher bin ich gut, wirklich<br />
gut. In der dritten Halbzeit sozusagen. Deswegen<br />
ist Stricker Virtuose. Und ich „Wirtuose”.<br />
Toni Stricker wurde 1930 als Sohn einer Wiener<br />
Mutter und eines burgenländischen Vaters in<br />
Wien geboren. Dort wurde ihm anscheinend ein<br />
Geigenkasten in die Wiege gelegt, da<strong>mit</strong> sich<br />
später die Menschen in seinen Klängen wiegen,<br />
auf den Tönen schweben können. Des Schreibens<br />
aus Altersgründen noch nicht mächtig, in<br />
diesem Alter lernt man gerade das ABC, griff er<br />
im Alter von sechs Jahren zum Spielgerät, das<br />
sein Leben prägen sollte und ergriff den Steg<br />
der Violine und erlernte die Saiten g – d –a – e.<br />
Er griff die Saiten, und begriff logischerweise<br />
noch nicht, dass er <strong>mit</strong> diesem Instrument später<br />
einmal Millionen Menschen auf der ganzen Welt<br />
verzaubern würde. – <strong>mit</strong> sechs Jahren bekam er<br />
seinen ersten Violinunterricht.<br />
Pythagoras gegen Beethoven, Die Höhepunkte<br />
der Bronzezeit gegen Mozart. Man soll nichts und<br />
niemanden gegeneinander ausspielen, außer<br />
im Ballsport, aber Toni Stricker entschied sich<br />
DER vIER- UnD<br />
vIElSAITIGE<br />
kÜnSTlER<br />
gegen das Realgymnasium und für eine umfassende<br />
klassische Ausbildung am Konservatorium<br />
der Stadt Wien. Er spielte nichts gegeneinander<br />
aus – er spielte auf. Groß auf.<br />
Stricker spielte in diversen Jazzclubs, vorwiegend<br />
<strong>mit</strong> eigenem Ensemble, eher er zum<br />
Inbegriff des Swinggeigers wird. Toni Stricker<br />
konzertiert, gibt Galas, nimmt Schallplatten auf,<br />
auf laufendem Band auf, arbeitet für Radio- und<br />
TV-Stationen.<br />
Stricker ging und geht <strong>mit</strong> seinem Spiel an die<br />
Grenzen, wiewohl das eine sprachliche Bezeichnung,<br />
ein wohl hinkender Vergleich ist,<br />
da Kunst das Wort, den Begriff, die Einengung<br />
durch Grenzen grundsätzlich ausschließt. Über<br />
die Grenzen ging er auf jeden Fall, denn seine<br />
Konzerte, Galas, Schallplatten-, Radio- und TV-<br />
Arbeiten führten ihn in fast alle Länder Europas.<br />
Wieder zurück in Wien. Toni Stricker wird sesshaft.<br />
Na, ja, zumindest scheint es so. Sesshaft<br />
mag einen international (an)gefragten und<br />
angesagten Künstler eine wenig unruhig machen.<br />
Zuhause haften zu bleiben ist in Ordnung,<br />
gefesselt zu sein schon weniger. Es gibt Fesseln<br />
ohne Stricke. Stricker arrangiert sich <strong>mit</strong> der<br />
Wien -Rückkehr. Er beginnt zu arrangieren und<br />
zu komponieren. Der Meister seines Faches wird<br />
Meister der Musik am Theater an der Wien –<br />
Stricker bleibt sechs Jahre Konzertmeister dieses<br />
Hauses.<br />
Er schreibt und spielt, spielt und schreibt.