Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

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06.02.2013 Aufrufe

Die echten Sedemunds (1920) uraufgefÇhrt: 1921 Hamburg (Erich Ziegel) inszeniert: 1921 Berlin (Leopold Jessner) 1924 Darmstadt (Ernst Legal) 1935 Altona (Kurt Eggers-Kestner) 1958 Berlin (Hans Lietzau) 1963 Hannover (Kurt Ehrhardt), Hamburg (Hans Lietzau) 1965 FernsehauffÇhrung (Hans Lietzau) 1974 Wuppertal (GÇnter Ballhausen/ JÇrgen Bosse) 1981 Kiel (Gerhard Hess) 1986 GÇstrow (Horst Hawemann) 1988 Berlin (Rolf Winkelgrund) 1989 Bonn (Peter Eschberg) 2003 Neuss (Sylvia Richter) Echte KleinbÇrger tummeln sich auf den SchauplÑtzen der sieben Bilder dieses Barlachschen Dramas. Wir treffen sie auf dem SchÇtzenplatz, einem Friedhof oder auch im Zirkuszelt wieder. Der junge Sedemund macht den alten Sedemund lÑcherlich durch seine ZugehÖrigkeit zu den „Adamisten“, einer Gruppe, die die Gesellschaft analysieren mÖchte und Çber die Welt lacht. So glaubt es der Onkel des jungen und Bruder des alten Sedemund. Barlach hat hier wie in keinem seiner anderen Dramen hÖchst genaue Personenund Ortsangaben aufgefÇhrt. Die Nichtbeachtung dieser Anweisungen fÇhrte zur vollstÑndigen Theaterabstinenz Barlachs in bezug auf seine Dramen: „Der SchÇtzenplatz war menschenleer, das Grabmal eine weiÅe Wand, die Kapelle keine Kapelle, der Kirchhof ein Regisseurkniff und der Grundton des HauptsÑchlichen Geschrei und Monumental- und Stilbums.“ Auch in diesem Drama gibt es eine Figur, den Grude, mit dem Barlach sich selbst stark identifizierte. Dieser Grude, fÇr eine Beerdigung aus der Heilanstalt beurlaubt, wird von seiner Frau fÇr das Leben in der Gesellschaft zurÇckgewonnen, da er auch Vater wird. Er verkÇndet den Anwesenden, daÅ nun alles anders wÇrde. Doch bleibt in diesem Drama alles beim alten. Schneider Mankmoos ist ehrbar, weil er einen Orden bekommen hat; renommierte BÇrger wie Gierhahn bleiben es, gleichgÇltig, wie sie sich den anderen gegenÇber verhalten. Der alte Sedemund findet immer einen Schuldigen. Er muÅ sich nicht Ñndern. Und genau diese Beharrlichkeit, diese UnverÑnderlichkeit des Bestehenden bewirken Leid und Elend, wie Barlach in einem GesprÑch mit seinem Sohn feststellt: „Ich kann mir vorstellen, daÅ Christus am Kreuz hÑngt und im Angesicht der Erde fliegt und leiden muÅ, solange die Menschen bleiben, wie sie sind.“ Der junge Sedemund fÑllt daher die Entscheidung, sich selbst in den Gewahrsam einer Anstalt zu begeben, damit die anderen so bleiben kÖnnen, wie sie sind. Hannelore Dudek in: Ernst Barlach – der Dramatiker, 1995, S. 47. 8

Der Findling (1922) uraufgefÇhrt: 1928 KÖnigsberg (Fritz Jessner) gelesen: 1954 Berlin, Hannover, Hamburg (Kurt Eggers-Kestner) 1955 Bremen (Kurt Eggers-Kestner) inszeniert: 1988 ZÇrich (Joseph J. Arnold) 1997 Berlin (Susanne Truckenbrodt) Dieses Drama schrieb Barlach unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges. Im Vorspiel, MittelstÇck und SchluÅspiel kommen immer neue Personen auf die BÇhne und verschwinden wieder, Gestalten in bestÑndiger Flucht. Nur der Steinklopfer und der Findling sind immer da. Es herrscht Krieg, reprÑsentiert durch den „Roten Kaiser“, Not und Elend. Der Rote Kaiser wird vom Steinklopfer erschlagen, als Mahl zubereitet und den Hungrigen angeboten. Elise, die Tochter des Wucherers, und Thomas, der Sohn des Puppenspielers, sind die einzigen, die sich nicht am MenschenfraÅ sÑttigen. Sie nehmen statt dessen den verunstalteten Findling an Kindes Statt an, der sich dann als strahlendes Kind, als Gottesgestalt (►Heiland), entpuppt. Der ZuhÖrer muÅ sich auf eine drastische Sprache mit FlÇchen und Schimpfworten einlassen. Auch das Vaterunser ist Barlach ein AnlaÅ, es auf die von ihm so gesehene Menschennatur umzumÇnzen: „FÇhre uns fleiÅig zum Versuch guter GetrÑnke / Und sende ErlÖsung uns von Çbler Verdauung / Denn dein ist der Bereich und die Kraft und die Herrlichkeit der ewigen GefrÑÅigkeit.“ Eine Verletzung religiÖser Inhalte wird Barlach jedoch nicht unterstellt; er selbst glaubt sich trotzdem miÅverstanden. So schrieb er 1934 an den Verleger Piper: „Sie sehen, ich bin eigentlich ein boshafter alter Affe, aber den Leuten macht es mehr SpaÅ, mich fÇr einen gutherzigen Theologen zu halten.“ Hannelore Dudek in: Ernst Barlach – der Dramatiker, 1995, S. 41. 9

Die echten Sedemunds (1920)<br />

uraufgefÇhrt:<br />

1921 Hamburg (Erich Ziegel)<br />

inszeniert:<br />

1921 Berlin (Leopold Jessner)<br />

1924 Darmstadt (Ernst Legal)<br />

1935 Altona (Kurt Eggers-Kestner)<br />

1958 Berlin (Hans Lietzau)<br />

1963 Hannover (Kurt Ehrhardt), Hamburg (Hans Lietzau)<br />

1965 FernsehauffÇhrung (Hans Lietzau)<br />

1974 Wuppertal (GÇnter Ballhausen/ JÇrgen Bosse)<br />

1981 Kiel (Gerhard Hess)<br />

1986 GÇstrow (Horst Hawemann)<br />

1988 Berlin (Rolf Winkelgrund)<br />

1989 Bonn (<strong>Peter</strong> Eschberg)<br />

2003 Neuss (Sylvia Richter)<br />

Echte KleinbÇrger tummeln sich auf den SchauplÑtzen der sieben Bilder dieses <strong>Barlach</strong>schen<br />

Dramas. Wir treffen sie auf dem SchÇtzenplatz, einem Friedhof oder auch<br />

im Zirkuszelt wieder.<br />

Der junge Sedemund macht den alten Sedemund lÑcherlich durch seine ZugehÖrigkeit<br />

zu den „Adamisten“, einer Gruppe, die die Gesellschaft analysieren mÖchte und<br />

Çber die Welt lacht. So glaubt es der Onkel des jungen und Bruder des alten Sedemund.<br />

<strong>Barlach</strong> hat hier wie in keinem seiner anderen <strong>Dramen</strong> hÖchst genaue Personenund<br />

Ortsangaben aufgefÇhrt. Die Nichtbeachtung dieser Anweisungen fÇhrte zur<br />

vollstÑndigen Theaterabstinenz <strong>Barlach</strong>s in bezug auf seine <strong>Dramen</strong>: „Der SchÇtzenplatz<br />

war menschenleer, das Grabmal eine weiÅe Wand, die Kapelle keine Kapelle,<br />

der Kirchhof ein Regisseurkniff und der Grundton des HauptsÑchlichen Geschrei und<br />

Monumental- und Stilbums.“<br />

Auch in diesem Drama gibt es eine Figur, den Grude, mit dem <strong>Barlach</strong> sich selbst<br />

stark identifizierte. Dieser Grude, fÇr eine Beerdigung aus der Heilanstalt beurlaubt,<br />

wird von seiner Frau fÇr das Leben in der Gesellschaft zurÇckgewonnen, da er auch<br />

Vater wird.<br />

Er verkÇndet den Anwesenden, daÅ nun alles anders wÇrde. Doch bleibt in diesem<br />

Drama alles beim alten. Schneider Mankmoos ist ehrbar, weil er einen Orden bekommen<br />

hat; renommierte BÇrger wie Gierhahn bleiben es, gleichgÇltig, wie sie sich<br />

den anderen gegenÇber verhalten. Der alte Sedemund findet immer einen Schuldigen.<br />

Er muÅ sich nicht Ñndern.<br />

Und genau diese Beharrlichkeit, diese UnverÑnderlichkeit des Bestehenden bewirken<br />

Leid und Elend, wie <strong>Barlach</strong> in einem GesprÑch mit seinem Sohn feststellt: „Ich kann<br />

mir vorstellen, daÅ Christus am Kreuz hÑngt und im Angesicht der Erde fliegt und<br />

leiden muÅ, solange die Menschen bleiben, wie sie sind.“ Der junge Sedemund fÑllt<br />

daher die Entscheidung, sich selbst in den Gewahrsam einer Anstalt zu begeben,<br />

damit die anderen so bleiben kÖnnen, wie sie sind.<br />

Hannelore Dudek in: Ernst <strong>Barlach</strong> – der Dramatiker, 1995, S. 47.<br />

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