06.02.2013 Aufrufe

Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Helmar Harald Fischer (1989)<br />

GÇnter KrÑmers Inszenierung des „Armen Vetters“ in Bremen und Wolf Redls Einrichtung<br />

des „Toten Tags“ in Bochum boten zuletzt ganz entgegengesetzte Ansichten<br />

der dramatischen Welt von Ernst <strong>Barlach</strong> (1870-1938). So populÑr der bildende<br />

KÇnstler <strong>Barlach</strong> nach seinem Tod (und der Verfolgung seiner Werke durch die Nazis<br />

) wurde, so schwer tut sich das Theater mit seinen StÇcken. In immer neuen AnlÑufen<br />

bemÇht es sich um sie; doch neben GlÇcksfÑllen ergab das nicht selten MiÅverstÑndnisse.<br />

Denn <strong>Barlach</strong>s <strong>Dramen</strong> sind nicht die Fortsetzung seiner Bildhauerei und<br />

Graphik mit anderen Mitteln. Erst seit 1969 liegt sein schriftstellerisches Werk vorlÑufig<br />

geschlossen vor. Seit 1988 gibt es seine StÇcke nun auch in griffigen Einzelausgaben<br />

(in der Serie Piper), ediert und kommentiert vom Verfasser dieses PlÑdoyers<br />

fÇr eine unbefangenere, eine genauere Sicht auf den Dramatiker <strong>Barlach</strong>.<br />

„Von <strong>Barlach</strong> wird nur die Literatur bleiben, wÑhrend schon heute die Plastik einigermaÅen<br />

kunstgewerblich wirkt“, meinte JÇrgen Fehling, in den 20er Jahren ein bedeutender<br />

Regisseur von <strong>Barlach</strong>s <strong>Dramen</strong>, schon 1953 auf einer Tagung der Dramaturgischen<br />

Gesellschaft. Das war die empfindliche Reaktion auf die fortgesetzte VernachlÑssigung<br />

von <strong>Barlach</strong>s Dichtung gegenÇber seinen Skulpturen und Zeichnungen.<br />

Damals gab es noch nicht einmal eine Werkausgabe der <strong>Dramen</strong>, aber immer<br />

neue Fotos der Holzbildwerke und Bronzen, in BildbÑnden, auf Postkarten und als<br />

Kunstdrucke. Was im SÇden der Herrgottswinkel, war im Norden das Detail vom<br />

„Fries der Lauschenden“, im Wechselrahmen, neben der Stehlampe. Erst 1959 konnte<br />

Walter Muschg zum Erscheinen des zweiten Prosa-Bandes von <strong>Barlach</strong> feststellen:<br />

„Man kann sich jetzt ernstlich fragen, ob er als Dichter oder als Bildner bedeutender<br />

sei.“ Denn nicht nur seine Bildwerke waren aus Kirchen und Museen entfernt<br />

worden, auch <strong>Barlach</strong>s Schriften hatte man 1933 verbrannt, AuffÇhrungen seiner<br />

<strong>Dramen</strong> wurden verboten. Die groÅen und die kleinen Nazis machten ihm das Leben<br />

zur HÖlle.<br />

Schon zu seinen Lebzeiten muÅte sich <strong>Barlach</strong> dagegen wehren, daÅ man sein Werk<br />

in den Griff zu bekommen versuchte, indem man es auf Begriffe brachte. „Man soll<br />

immer Vertreter von etwas sein, man soll irgendwohin gehÑren, als ob es nicht genÇgte,<br />

daÅ man man selbst ist!“ (<strong>Barlach</strong> an August Gaul 1918). Weil es sich oberflÑchlicher<br />

Betrachtung verschlieÅt, taugt <strong>Barlach</strong>s Werk nicht zu Verallgemeinerungen.<br />

Da aber geschrieben, beurteilt und eingestuft sein muÅ, sind auch Vokabeln zur<br />

Hand, die deutlich benennen, daÅ nur undeutlich verstanden wurde. Mystisch sei<br />

sein Werk, dunkel, abseitig, verrÇtselt. Und den Urheber solcher Uneindeutigkeiten<br />

heiÅt man SpÑkenkieker, Backsteinmystiker, Norddeutscher Expressionist. HÑtte<br />

man ihn nicht auch Gottsucher tituliert, nicht einmal die NÑher-mein-Gott-zu-Dir-<br />

AnhÑnger hÑtten ihn gelesen. Die fanden natÇrlich, was sie suchten, nur <strong>Barlach</strong> sahen<br />

sie nicht. Der hat sich die weltanschauliche Rubrizierung als Gottsucher und die<br />

VerrÑtselung seiner Werke als mystisch schon 1932 in der dÑnischen Zeitung „Politiken“<br />

verbeten. Die, die sich auf die Winke von oben spitzen, haben <strong>Barlach</strong> doppelt<br />

dafÇr bÇÅen lassen, daÅ er in die Naziherrschaft nicht paÅte. Nicht nur das Christentum<br />

der Magdeburger Domgemeinde, die „mit ÇberwÑltigender Mehrheit“ am 15.<br />

MÑrz 1933 die PreuÅische Regierung um Befreiung von <strong>Barlach</strong>s Ehrenmal ersuchte,<br />

war vom gesunden Volksempfinden nicht zu unterscheiden. Die ÇberwÑltigende<br />

Mehrheit der Christen fÇhlte im Dritten Reich eine hÖhere Verpflichtung und lieÅ den<br />

plÖtzlich Verfemten zugrunde gehen. Als dann in den TrÇmmern der selbstverschuldeten<br />

UnmÇndigkeit wieder Bedarf an HÖherem war, wie man es frÇher verstanden<br />

hatte, da war der <strong>Barlach</strong> gerade recht, denn der hatte doch immer gesagt, daÅ der<br />

Mensch bloÅ die HÑlfte von was Besserem ist, was er leider nie erreichen kann. Wie-<br />

51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!