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Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

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Klaus Lazarowicz 1969<br />

„Mein jetziges Arbeiten ist nur noch ein hoffnungsloses, im Grund nutzloses Ringen<br />

nach dem Ziel, das ich entweder erreichen muÅ oder auf dem Wege untergehen“,<br />

schreibt der neunzehnjÑhrige <strong>Barlach</strong> an seinen Freund und Mentor Friedrich DÇsel.<br />

„Ich arbeite“, berichtet er, „aber ohne VergnÇgen und Erfolg ... und habe doch ein<br />

stÇrmisches Verlangen nach TÑtigkeit, erfolgreicher TÑtigkeit, und sollte ich Leben<br />

und Eigentum dabei verlieren, wie gerne wÇrde ich alles auf etwas GroÅes setzen.“<br />

<strong>Barlach</strong>s Sturm-und-Drang-Epoche reicht bis in die Mitte der neunziger Jahre. Seine<br />

frÇhen Briefe veranschaulichen diesen krisenhaften GÑrungsprozeÅ. Noch 1894 –<br />

inzwischen ist der Adept einer gewerblich orientierten Zeichenkunst zum MeisterschÇler<br />

von Robert Diez avanciert – bezeichnet er seine TÑtigkeit an der Dresdener<br />

Akademie als ein „Schinden bis aufs Blut“, um dann freilich trotzig hinzuzufÇgen, daÅ<br />

er in dieser Tortur die einzige MÖglichkeit sehe, „Çber den Durchschnitt hinwegzukommen“.<br />

Und Ende 1894 lÑÅt er DÇsel wissen, daÅ er entschlossen sei, sich in das<br />

„schÑumende Meer“ zu stÇrzen, „wo die Geister kÑmpfen ... Vielleicht reiÅt mich die<br />

nÑchste Flutwelle im Zusammenbrechen mit hinab ... aber ich habe von jeher nicht<br />

ohne Tollheit zusehen kÖnnen, wie Andere ihre KrÑfte im wogenden Kampfe maÅen<br />

und tÇchtig waren, wenn auch nur im Untergehen.“<br />

Genug der Zitate. Das tremolierende Pathos dieser äuÅerungen irritiert uns. Und<br />

doch ist nicht daran zu zweifeln, daÅ es <strong>Barlach</strong> ernst war mit dem, was er dem ins<br />

Vertrauen gezogenen Zeugen seiner Existenznot mitzuteilen hatte. Es handelt sich<br />

hier um die „ekstatischen Konfessionen“ (Buber) eines mit „unmÑÅiger Risikofreudigkeit“<br />

begabten, AuÅenseiters, der sich in eine Zeit verschlagen fÇhlte, die fÇr ihn kein<br />

„fÖrderndes Beispiel“ Çbrig hatte. DaÅ sich der junge <strong>Barlach</strong> in einer Heldenrolle gefÑllt,<br />

geht vor allem auf das Konto seiner Carlyle-LektÇre. Von der Lethargie des fin<br />

de siêcle ist in seinen Briefen nichts zu spÇren. Dagegen scheint er fÇr die „Magie<br />

des Extrems“ (Nietzsche) anfÑllig gewesen zu sein, fÇr den Radikalismus des Entweder-Oder,<br />

des Alles-oder-Nichts. DaÅ er Kierkegaard und Nietzsche, den groÅen Rebellen<br />

des 19. Jahrhunderts, nÑhersteht als den von der communis opinio approbierten<br />

Zeitgenossen, weiÅ er damals noch nicht. AufsÑssig gegen seine Zeit, ist er doch<br />

darauf aus, sich in ihr zu bewÑhren und zu beweisen. Es ist die paradoxe Situation<br />

des UnzeitgemÑÅen, in der er sich befindet. Wirkliche Vorbilder, exemplarische Muster<br />

findet er nur auÅerhalb der von der Tradition gezogenen Grenzen.<br />

Durch einen Zufall gerÑt er 1894 im Dresdener Residenz-Theater in eine AuffÇhrung<br />

von Hanneles Himmelfahrt, In der Begegnung mit Hauptmanns „Traumdichtung“ offenbart<br />

sich ihm die „lauterste, wunderbarste, innigste deutsche Poesie“. Die Errungenschaffen<br />

des Naturalismus hatten ihn offensichtlich kaltgelassen. Auf der phantastischen<br />

BÇhne des Symbolisten Hauptmann schien ihm dagegen das verwirklicht,<br />

was er selbst zu erreichen suchte. Immer wieder spielt er in den Briefen jener Jahre<br />

die „deutsche Phantasiekraft“ gegen die NÇchternheit und Pedanterie seiner kÇnstlerischen<br />

Zeitgenossen aus. Aber weder in Hamburg noch in Wedel hatte er seinen<br />

„wÇtenden HeiÅhunger nach den Umarmungen der goldenen Phantasie“ stillen kÖnnen.<br />

Von Robert Diez war er in die Welt des akademischen Konservativismus eingefÇhrt<br />

worden. VerstÑndlich, daÅ der auf selbstÑndige Entdeckungen, und Eroberungen<br />

versessene Abenteurer den Ehrgeiz hatte, die Vertreter der Moderne kennenzulernen,<br />

um sich mit ihnen zu vergleichen. „Es ist sehr hohe Zeit, daÅ ich einmal [aus<br />

Dresden] herauskomme“, notiert er im September 1894. Etwa ein halbes Jahr spÑter<br />

reist er im Schlepptau eines in der Ökonomischen Verwertung seiner Kunstfertigkeiten<br />

etwas glÇcklicheren Studienfreundes nach Paris, dem „Mekka der Moderne“. In<br />

seinem GepÑck fÇhrt er mancherlei Vorurteile Çber die franzÖsische Kunst mit sich.<br />

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