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Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

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Konsequenz eines szenisch-dialogischen Ablaufs verstanden werden kÖnnen, sondern<br />

davon ganz unabhÑngig in der Form einer VerkÇndigung die Summe dessen<br />

ziehen, worauf das Drama eigentlich angelegt ist.<br />

Es ist besonders aufschluÅreich, dem PhÑnomen des „SchluÅkommentars“ auch bei<br />

den anderen <strong>Dramen</strong> nachzugehen – er fehlt in keinem und ist immer nur das letzte<br />

Glied einer die StÇcke durchziehenden Kommentarfolge –, da von hier aus am ehesten<br />

eine Analyse der eigentÇmlichen Struktur dieser dramatischen Versuche mÖglich<br />

wird.<br />

In <strong>Barlach</strong>s erstem Drama „Der tote Tag“ kommentiert der Gnom SteiÅbart: „Alle haben<br />

ihr bestes Blut von einem unsichtbaren Vater. Sonderbar ist nur, daÅ der<br />

Mensch nicht lernen will, daÅ sein Vater Gott ist.“ In der vorletzten Szene des „Armen<br />

Vetters“ heiÅt es von der inneren Verwandlung des FrÑuleins Isenbarn, „Du willst<br />

vom toten Leben in den hÖheren Tod hinauf“, und zuletzt, sie sei „Magd eines hohen<br />

Herrn“ geworden: „Der hohe Herr war ihr eigener hoher Sinn – und dem dient sie als<br />

Nonne – ja, ihr Kloster ist die Welt, ihr Leben – als Gleichnis“. Am Ende der „Echten<br />

Sedemunds“ verkÇndet Grude die neue Zeit, in der „alles grÇndlich anders“ werden<br />

wird. Im „Findling“ wird zuletzt das ErlÖsungsgeschehen durch den „Steinklopfer“,<br />

den „Murmelnden“ und den „Tenor“ kommentiert. Der „Herr“ selbst ÑuÅert sich am<br />

SchluÅ des „Blauen Boll“ Çber das „Werden“ des verwandelten Gutsbesitzers Boll:<br />

„Sie mÇssen, Boll muÅ Boll gebÑren ... Leiden und KÑmpfen, lieber Herr, sind die<br />

Organe des Werdens ... Boll wird durch Boll – und Werden, Herr, Werden vollzieht<br />

sich unzeitig, und Weile ist nur sein blÖder Schein.“ Celestine interpretiert ihren eigenen<br />

Opfertod am Kreuz am Ende der „Guten Zeit“ folgendermaÅen: „Das unzÑhlige<br />

Gewimmel der Sterne empfÑngt mich in seiner Herrlichkeit, die wohl den sehenden<br />

Augen, nicht aber dem schauenden Blick entrÇckt ist, die Schuld ist gelÖscht, die mir<br />

die Erde gegeben hat. Die schlechte Wirklichkeit wird vor der guten Wirklichkeit weichen“;<br />

schon zuvor wurde versteckt angedeutet, daÅ es sich bei ihrem Opfertod um<br />

„Erhebung, hÖchste Steigerung, Vollendung – ja fÖrmlich VerklÑrung“ handelt. Im<br />

„Grafen von Ratzeburg“ schlieÅlich kÇndet Heinrich zuletzt von dem „Wissen Çber<br />

alles Wissen“, das „alles Sein ausmacht“ und „sich selbst (gehorcht), gleich als ob es<br />

sich selbst geschaffen hÑtte“; „ich habe keinen Gott, aber Gott hat mich ... mein Gehorsam<br />

... verschwindet und schwimmt gleich deinem im Meer seiner grenzenlosen<br />

GewiÅheit“.<br />

Schon diese Zitate, fÇr sich allein betrachtet, verdeutlichen das innere Anliegen, das<br />

den bildenden KÇnstler <strong>Barlach</strong> zum Drama trieb: Nachricht zu geben von einer hÖheren,<br />

geistig-gÖttlichen Abstammung des Menschen; von einem „Wissen Çber allem<br />

Wissen“, dem, was „hinter der Zunge und hinter den Worten“ anfÑngt („Der Findling“),<br />

ahnungsvoll zu kÇnden; und im „Werden“ seiner Helden („Der arme Vetter“: „hinauf,<br />

hinÇber, trotz sich – Çber sich“) Beispiele einer hÖchsten Selbstverwirklichung des<br />

Menschen zu geben.<br />

Diese SchluÅkommentare machen aber zugleich unmittelbar die Schwierigkeit einsichtig,<br />

vor der der „Dramatiker“ <strong>Barlach</strong> steht. Denn die von uns skizzierten Gehalte<br />

liegen ihrer Natur nach jenseits der dramatischen Welt, sind trans-dramatisch. Der<br />

Held, der sich als „Werdender“ Çber sich selbst in eine hÖchste Wirklichkeit hinaushebt,<br />

trÑgt alle Spannung in sich. Er hat den Anruf seines transzendentalen Selbst<br />

als ein unmittelbares „Sollen“ erfahren. Der einzige Kontrahent in dem inneren Ringen,<br />

in dem das Sollen zum Wollen werden soll, ist sein niederes Ich, die „Zeitgestalt“.<br />

Was <strong>Barlach</strong>s Helden bewegt, ist in einem Kommentar Werfels zu seiner magischen<br />

Trilogie „Spiegelmensch“ prÑzis formuliert:<br />

Das menschliche Ich umspannt als seine stÇrksten GegensÇtze zwei Personen<br />

(bei <strong>Barlach</strong>: „HÇlften“, „DoppelgÇnger“): Seins-Ich und Schein-Ich oder<br />

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