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Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

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WÑhrend Noah die statische Gottesauffassung des Durchschnittschristen vertritt, ist<br />

diejenige Calans dynamisch:<br />

„Auch ich fahre dahin, woraus ich hervorgestÇrzt, auch an mir wÑchst Gott und<br />

wandelt sich weiter an mir zu Neuem – wie schÖn ist es, Noah, daÅ auch ich<br />

keine Gestalt mehr bin und nur noch Glut und Abgrund in Gott – schon sinke<br />

ich ihm zu – Er ist ich geworden und ich Er – Er mit meiner Nichtigkeit, ich mit<br />

seiner Herrlichkeit – ein einziges Eins ...“<br />

Ist das <strong>Barlach</strong>s Gottesauffassung? Nicht ganz, werden wir einschrÑnken mÇssen:<br />

<strong>Barlach</strong>s Gestalten erleben Gott jeweils nach dem Grade ihrer eigenen LebensintensitÑt.<br />

Gott steht eben jenseits aller menschlichen Erkenntnisse. Er steht ebenso jenseits<br />

von Theismus wie jenseits von Pantheismus. Er ist grÖÅer als die allzu menschliche,<br />

pharisÑische Auffassung Noahs – und er ist auch zu unterscheiden von der<br />

ekstatischen des Calan. Gott ist vom menschlichen Standpunkt aus gesehen<br />

schlechthin paradox, deshalb sind auch die tiefsten äuÅerungen Çber ihn – paradox,<br />

wie die der Awah in der „SÇndflut“: „Gott ist die groÉe Stille – ich hÑre Gott ...“<br />

Wo ist Gott? Das ist die groÅe Frage aller wesentlichen Menschen – und hier scheiden<br />

sie sich, denn die Antwort trennt sie unvermittelt, so wie die Frage sie zusammengefÇhrt<br />

hat. Aber vielleicht kommt es fÇr <strong>Barlach</strong> gar nicht so sehr auf die Antwort<br />

an, sondern nur auf die – viel zu wenig beachtete Frage selbst? Er hat die Menschen<br />

wie wenige durchschaut und weiÅ, daÅ ein jeder letztlich Gott nach seinem<br />

eigenen LebensfluÅ bilden muÅ. <strong>Barlach</strong> will keine neuen Dogmen und keine neue<br />

Philosophie, <strong>Barlach</strong> will nur zeigen, daÅ es etwas gibt, das alles durchdringt und in<br />

allem wirkt. „Er will eine in Sachlichkeit, in Technik und Diesseitigkeit erstarrte Welt<br />

wieder an Gott erinnern. Welch ein Gesicht ein jeder seinem Gott gibt, ist seine Sache,<br />

wenn Gott nur Mut zum Leben gibt, wie Noah, oder Mut zum Sterben, wie Calan“<br />

(G. Lietz; S. 47)!<br />

Paul E. H. LÄth, Abfall und Abenteuer. áber die Dichtung Ernst <strong>Barlach</strong>s, in: ders., Meditationen Äber<br />

Geist – Gestalt – Geschichte, TÄbingen 1947, S. 131-165, hier S. 157-161.<br />

Helmut Dohle 1957<br />

Nach <strong>Barlach</strong> muÅ die Welt erlÖst werden. Wie soll dies geschehen? An einem „toten<br />

Tag“ verblutet der namenlose „Gottessohn“ in der Abgeschiedenheit einer Ñrmlichen<br />

HÇtte. Kule und SteiÅbart machen sich auf den „BotengÑngerweg“, damit die Welt<br />

weiÅ, was sie wissen. Offenbar finden ihre Worte kein GehÖr bei den Menschen,<br />

denn der zweite „Gottessohn“, Hans Iver, wird wie ein „armer Vetter“ gehalten und<br />

geht unverrichteter Dinge in den Tod. Nun schickt Gott keinen seiner „SÖhne“ mehr<br />

aus, sondern ÇberlÑÅt die Menschheit sich selbst. Der Weg fÇhrt in den Abgrund.<br />

Inmitten des FlÇchtlingselends im „Findling“ keimt die Hoffnung. Der Weg wird sichtbar:<br />

Die Menschheit bedarf keiner ErlÖsung durch „GottessÖhne“. Sie sind den Menschen<br />

durch ihren Blick zum Himmel zu fremd geworden, zu wenig wesensverwandt<br />

geblieben. Die Welt kann nur erlÖst werden, wenn jeder einzelne Mensch, bestrahlt<br />

von der Gnade Gottes, sich selbst erlÖst von seinem triebhaften Ich. Das gute Beispiel<br />

von Frl. Isenbarn, Elise und Thomas muÅ auf die Mitmenschen weiterwirken<br />

und Frucht bringen. Der Mensch muÅ, wie Lietz sagt, ein „seliges und seligmachendes<br />

Glied der Gemeinschaft“ werden.<br />

<strong>Barlach</strong> hat den Weg der Menschheit sichtbar gemacht bis zum drohenden Untergang.<br />

Er hat das Ziel, die vorurteilslose und mitfÇhlende Liebe, aufleuchten lassen.<br />

Und schlieÅlich hat er uns die Wanderer selbst vor Augen gefÇhrt: die einsamen<br />

„GottessÖhne“ (Sohn, Iver), die Gottsucher, die um eine Auferstehung ringen (Frl.<br />

Isenbarn, Grude, Elise, Thomas), und die Menschen der bloÅen Diesseitigkeit, die<br />

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