Barlach-Dramen_Ueber.. - Peter Godzik

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06.02.2013 Aufrufe

Der Graf von Ratzeburg (1927-1938) uraufgefÇhrt: 1951 NÇrnberg (Heinz Joachim Klein) inszeniert: 1951 Darmstadt (Gustav Rudolf Sellner) 1955 Essen (Heinz Dietrich Kenter) 1957 Berlin (Hans Lietzau) 1963 Mannheim (Heinz Joachim Klein) Graf Heinrich von Ratzeburg verliert in MÖlln seine „Herrlichkeit“, er wird demÇtig, lehnt das Haben ab und wird von seiner Familie dafÇr als schwachsinnig angesehen. Auf seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land wird er von Offerus, seinem Knecht, begleitet. Beide wollen dem HÖchsten dienen. FÇr Heinrich ist dies das Gesetz. Christus wird es fÇr Offerus werden, der das Gelten abweist, dienen will und sich so zu Christ- Offerus wandelt, da er die StÑrke Christi als hÖchste anerkennt. Auf dem Weg ins Heilige Land begegnen diese beiden vielen, die um den Sinn menschlicher Existenz ringen. In diesem Drama geht es nicht um das Geschehen, sondern um die Haltung der einzelnen, um die Fragen nach dem Sinn menschlicher Existenz, nach den Zielen menschlichen Daseins. Marut, ein gefallener Engel, begegnet den Pilgern ebenso wie eine mitleidige Frau, die den Leidenden Wein und ãl reicht und dafÇr vom Henker am Marterpfahl bestraft wird. Die Szene am Sinai hatte Barlach als einzige zu seinen Lebzeiten verÖffentlicht. Dort treffen Hilarion, ein christlicher Asket, und Moses aufeinander, der sich noch immer fÇr ein „Du sollst“ einsetzt. Auch Adam und Eva, uralt geworden, sind dort. Graf Heinrich kehrt mit Christofferus wieder in die alte Heimat zurÇck. Doch die GrÑfin lehnt das Leben mit ihm ab, wÑhrend sein Bruder um ihn weint. Heinrichs natÇrlicher Sohn, der Landstreicher Wolf, soll dem Henker in MÖlln ausgeliefert werden. So schlieÅt sich der Weg Heinrichs, der Wolf begleitet und in MÖlln statt des entflohenen Sohnes von den Stadtsoldaten erschlagen wird. Hannelore Dudek in: Ernst Barlach – der Dramatiker, 1995, S. 49. 12

Die gute Zeit (1929) uraufgefÇhrt: 1929 Gera (Martin Gien) inszeniert: 1992 Berlin (Bernd Mottl), 1993 Parchim (Thomas Bischoff), 2004 Hamburg (Michael Aichhorn) In zehn Akten des Dramas Die gute Zeit zeigt Barlach zwei gesellschaftliche Gruppen in ihrem Dasein, ihrem Verhalten, ihrer Sprache auf, wie sie ferner voneinander nicht sein kÖnnen. Die Welt der „Absoluten Versicherung“ ist bevÖlkert von den Reichen und den SchÖnen. Sie leben nur zu ihrem VergnÇgen und wollen alle Unbilden des Lebens ausschlieÅen. Ihre Welt ist die Insel der Seligen. Zu ihnen gehÖrt Atlas, der sich von AnhÑngerinnen wie Ambrosia oder Sibylle schmeicheln lÑÅt. ZunÑchst scheint auch Celestine, die Frau des FÇrsten, zu ihnen zu gehÖren, die sich hier unerkannt aufhalten will, um von einer Schwangerschaft befreit zu werden, da das Kind erbkrank auf die Welt kommen wird. Doch die Interessen des Hofes stehen ihren WÇnschen entgegen. Sie wird nicht abtreiben kÖnnen. Die andere Welt ist die lÑngst vergangene Welt der ehemaligen Bewohner dieser Insel, eines Hirtenvolks, MÑnner in Tierfellen und Frauen, die von Kindern umgeben sind. Hier werden die ÇberzÑhligen SÑuglinge getÖtet, um den Platz fÇr die Lebenden zu erhalten. Ihr Hauptvertreter ist Syros, der heimliche KÖnig dieser Insel. Ihm gefÑllt das Leben unter der Leitung des Atlas, ein Leben ohne Kinder. FÇr ihn ist es „die gute Zeit“. Doch sein Enkel Vaphio wird den von ihm verschuldeten Tod des Mitglieds eines anderen Bergstammes mit dem Kreuzestod bÇÅen mÇssen. Syros soll dessen Schuld auf sich nehmen und an seiner Statt den Kreuzestod sterben. Das lehnt er ebenso ab wie den Wunsch seines anderen Sohnes, dessen Kind zu tÖten, da jener dieses nicht ernÑhren kÖnne. Celestine, die vom Kreuzestod Vaphios erfÑhrt, nimmt dessen Schuld auf sich. Sie, die das kranke Kind trÑgt und somit einer bÖsen Zeit entgegenblickt, wird den Kreuzestod auf sich nehmen, um sich selbst zu erlÖsen. Barlach ÑuÅert sich zu diesem Drama im Tagebuch vom 18. Januar 1930: „Wie lebt sich’s denn in diesem Leben, geht’s etwa gut, sind wir in der guten Zeit, lohnt es sich, oder wÑr’s etwa besser nicht – da stimmt was nicht. Aber eine Stimme ist doch, eine feste, die antwortet: Setzt euch in ábereinstimmung mit euch selbst, schafft in euch Wissen vom Wohlverhalten vor dem eignen Urteil – und ihr habt die gute Zeit.“ Hannelore Dudek in: Ernst Barlach – der Dramatiker, 1995, S. 46. 13

Die gute Zeit (1929)<br />

uraufgefÇhrt: 1929 Gera (Martin Gien)<br />

inszeniert:<br />

1992 Berlin (Bernd Mottl),<br />

1993 Parchim (Thomas Bischoff),<br />

2004 Hamburg (Michael Aichhorn)<br />

In zehn Akten des Dramas Die gute Zeit zeigt <strong>Barlach</strong> zwei gesellschaftliche Gruppen<br />

in ihrem Dasein, ihrem Verhalten, ihrer Sprache auf, wie sie ferner voneinander<br />

nicht sein kÖnnen.<br />

Die Welt der „Absoluten Versicherung“ ist bevÖlkert von den Reichen und den SchÖnen.<br />

Sie leben nur zu ihrem VergnÇgen und wollen alle Unbilden des Lebens ausschlieÅen.<br />

Ihre Welt ist die Insel der Seligen. Zu ihnen gehÖrt Atlas, der sich von AnhÑngerinnen<br />

wie Ambrosia oder Sibylle schmeicheln lÑÅt. ZunÑchst scheint auch Celestine,<br />

die Frau des FÇrsten, zu ihnen zu gehÖren, die sich hier unerkannt aufhalten<br />

will, um von einer Schwangerschaft befreit zu werden, da das Kind erbkrank auf die<br />

Welt kommen wird. Doch die Interessen des Hofes stehen ihren WÇnschen entgegen.<br />

Sie wird nicht abtreiben kÖnnen.<br />

Die andere Welt ist die lÑngst vergangene Welt der ehemaligen Bewohner dieser<br />

Insel, eines Hirtenvolks, MÑnner in Tierfellen und Frauen, die von Kindern umgeben<br />

sind. Hier werden die ÇberzÑhligen SÑuglinge getÖtet, um den Platz fÇr die Lebenden<br />

zu erhalten. Ihr Hauptvertreter ist Syros, der heimliche KÖnig dieser Insel. Ihm gefÑllt<br />

das Leben unter der Leitung des Atlas, ein Leben ohne Kinder. FÇr ihn ist es „die gute<br />

Zeit“. Doch sein Enkel Vaphio wird den von ihm verschuldeten Tod des Mitglieds<br />

eines anderen Bergstammes mit dem Kreuzestod bÇÅen mÇssen. Syros soll dessen<br />

Schuld auf sich nehmen und an seiner Statt den Kreuzestod sterben. Das lehnt er<br />

ebenso ab wie den Wunsch seines anderen Sohnes, dessen Kind zu tÖten, da jener<br />

dieses nicht ernÑhren kÖnne.<br />

Celestine, die vom Kreuzestod Vaphios erfÑhrt, nimmt dessen Schuld auf sich. Sie,<br />

die das kranke Kind trÑgt und somit einer bÖsen Zeit entgegenblickt, wird den Kreuzestod<br />

auf sich nehmen, um sich selbst zu erlÖsen.<br />

<strong>Barlach</strong> ÑuÅert sich zu diesem Drama im Tagebuch vom 18. Januar 1930: „Wie lebt<br />

sich’s denn in diesem Leben, geht’s etwa gut, sind wir in der guten Zeit, lohnt es sich,<br />

oder wÑr’s etwa besser nicht – da stimmt was nicht. Aber eine Stimme ist doch, eine<br />

feste, die antwortet: Setzt euch in ábereinstimmung mit euch selbst, schafft in euch<br />

Wissen vom Wohlverhalten vor dem eignen Urteil – und ihr habt die gute Zeit.“<br />

Hannelore Dudek in: Ernst <strong>Barlach</strong> – der Dramatiker, 1995, S. 46.<br />

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